Chinesen in Sierra Leone
Lumley Beach wird bald nicht wiederzuerkennen sein. Hotel wird sich an Hotel reihen, vom Golfplatz über einen Hubschrauberlandeplatz bis hin zu einem groß angelegten Konferenzzentrum fehlt es an nichts, ein Luxushotel mit 250 Betten und eine weitläufige Strandpromenade eingeschlossen. An einer der bekanntesten und beliebtesten Küsten des westlichen Afrika wird ein für dortige Verhältnisse gigantisches Ferienparadies gebaut. Der Investor kommt aus der Volksrepublik China und steckt rund 200 Millionen US-Dollar in das Projekt. Der Bauträger, das chinesische Unternehmen Henan Guoji, ist zur Hälfte im Staatsbesitz, zur Hälfte privatisiert.
von Barbara Schneider
Die chinesische Unternehmer sehen die Nachkriegsperiode in Sierra Leone als idealen Zeitpunkt an, in der Tourismusbranche Terrain zu erobern. Die Regierung Sierra Leones zeigt für das chinesische Investment großes Interesse. Hoffen die Verantwortlichen im Staate doch, auf diese Weise finanz- und tatkräftige Investoren für den Wiederaufbau ins Land zu ziehen. »Sierra Leone ist reif für Investitionen«, betonte der Tourismus-Minister Chernor Jalloh im Juli diesen Jahres in einem Fernsehgespräch des britischen Privatsenders Independent Television News (ITN).
Elf Jahre Bürgerkrieg zwischen der Guerillaorganisation Revolutionary United Front (RUF) und den Regierungstruppen hatten dem Land einen drastischen wirtschaftlichen und sozialen Niedergang gebracht. Seit dem Waffenstillstandsabkommen vom Januar 2002 und der anschließenden Entwaffnung der Rebellen herrscht zwar wieder Frieden im Land. Eine Verbesserung der ökonomischen und gesellschaftlichen Situation ist dabei jedoch noch nicht eingetreten: Noch 2002 belegte die Republik Sierra Leone den letzten Platz der 172 Länder im Human Development Index des United Nations Development Program (UNDP). 2004 lebten immer noch rund 68 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag.
Insofern tragen die chinesischen Investitionen ungeachtet niedriger arbeitsrechtlicher Standards nach langen Jahren kriegerischer Auseinandersetzungen zum Wiederaufbau der Infrastruktur bei. Das neue Gesicht von Lumley Beach ist nicht die einzige Veränderung. Das Stadtbild der Hauptstadt Freetown ist inzwischen geprägt von einer Architektur »Made in China«: Ob der Regierungssitz, das Parlament, das Stadion oder das Hauptquartier des Militärs alle diese Gebäude haben chinesische Baufirmen errichtet.
Bereits 2003 eröffnete der Staatspräsident Ahmad Tejan Kabbah höchstpersönlich das von dem chinesischen Staatsunternehmen Beijing Urban Construction Group wiederaufgebaute Bintumani Hotel in Freetown. In seiner Ansprache formulierte Kabbah die Hoffnung, auch »andere mögliche Partner dazu anzuregen, in Sierra Leone zu investieren«. Das Interesse weiterer chinesischer Investoren blieb allerdings gering. Nach dem Wiederaufbau liegt auch das Management des Hotels vertraglich zunächst auf 25 Jahre festgelegt in den Händen der Unternehmer aus der Volksrepublik.
Seit 1971 verbinden China und Sierra Leone diplomatische Beziehungen. Damals hatte Sierra Leone für die Aufnahme Chinas in die Vereinten Nationen gestimmt und sich somit auf die Seite dieses starken Partners geschlagen. In den Folgejahren bestimmten vor allem wirtschaftliche Interessen das Verhältnis der beiden Staaten. Viele chinesische Entwicklungshelfer wurden in den siebziger und achtziger Jahren in den westafrikanischen Staat entsandt. Seit Beginn des neuen Jahrtausends fügt sich das chinesische Engagement in Sierra Leone in die von der Volksrepublik China propagierte Go global-Politik ein. Diese Strategie zielt darauf ab, in Übersee zu investieren und sich auf diese Weise ausländische Märkte zu erschließen. »Es besteht kein großer Wettbewerb in Afrika«, erläuterte Yang Zhao, der Manager des Bintumani Hotels, gegenüber ITN »deshalb sind wir Unternehmer nach Sierra Leone, nach Afrika, gekommen.«
aus: der überblick 04/2005, Seite 11
AUTOR(EN):
Barbara Schneider
Barbara Schneider ist Theologin und arbeitet derzeit als Hospitantin beim überblick.