Die Parole »afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme« ist nicht mehr zeitgemäß
Beim vierten Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) Ende Januar im nigerianischen Abuja standen wieder einmal die verheerenden Krisen in der Elfenbeinküste, in der Demokratischen Republik Kongo und im Sudan auf der Tagesordnung. Außerdem wollte man sich darüber verständigen, was die einige Jahre zuvor ins Leben gerufenen Initiativen wie der »Afrikanische Friedens- und Sicherheitsrat« und die »Neue Partnerschaft für Afrika« (NEPAD vergl. den Artikel von Henning Melber) erbracht haben. Die Afrikanerinnen und Afrikaner hatten gehofft, dass ihre Führer auch Wege aufzeigen würden, neue Ansätze in den reichen G7-Ländern wie die »Blair Kommission für Afrika« zur Erleichterung der drückenden Schuldenlast zu nutzen.
von Christopher Fomunyoh
Jetzt, nach dem Treffen, ist es an der Zeit, die Bedeutung eines Slogans zu überdenken, der in vielen Reden und Deklarationen der letzten Dekade zu hören war: »Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme« diese alles Erdenkliche umfassende Phrase ist zwangsläufig in den Sprachgebrauch übernommen worden, nachdem die afrikanischen Länder 1994 mit ansehen mussten, wie die Internationale Gemeinschaft tatenlos zuschaute, als in Ruanda über 800.000 Tutsis und gemäßigte Hutus von Hutu-Extremisten niedergemetzelt wurden.
Nach den Erfahrungen in Somalia, wo sie Verwundete und Gefallene zu beklagen hatten, waren die USA 1994 nicht mehr bereit, Truppen zur Intervention in afrikanische Krisenregionen zu entsenden. Andere Weltmächte zogen sich ebenso zurück. Das führte den afrikanischen Führern brutal vor Augen, dass sie die Krisen auf ihrem Kontinent letztlich selbst lösen müssen und auf sich selbst gestellt sind.
Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme also selbst Verantwortung zu übernehmen das hört sich erstmal gut an. Doch im globalen Kontext von heute hat dieser Slogan einen Beigeschmack von selbstgestrickter Isolation und lädt zu weiterer Marginalisierung und wohlwollendem Ignorieren ein. Zehn Jahre nach Ruanda hat dieser Satz seinen Sinn verloren. Der Kontinent hat in über zwanzig Ländern Fortschritte hinsichtlich demokratischer Regierungsführung erzielt, darunter Benin, Botswana, Ghana, Mali, Senegal und Südafrika.
Die AU selbst hat durch eine neue Führung mit einer neuen Vision Auftrieb erhalten, und sub-regionale Organisationen wie die »Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika« (SADC) und die »Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikas« (ECOWAS) haben an Einfluss gewonnen. Bewaffnete Konflikte, die in den 1990er Jahren in Ländern wie Mosambik, Sierra Leone und Angola tobten, wurden beendet.
Der Slogan »afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme« suggeriert jedoch das Klischee von einem Afrika, das überall die gleichen Probleme hat. Auf der einen Seite ist er von autokratischen Regimen wie in Simbabwe, Sudan, Togo, Guinea und Kamerun missbraucht worden. Die Staatschefs dieser Länder sprechen dem Rest der Welt das Recht ab, ihre Menschenrechtsverletzungen, ihre manipulierten Wahlen und die herrschende Korruptionskultur zu kritisieren. Auf der anderen Seite dient der Slogan als Trost für manche Bürokraten in den Gebernationen, die zögerlich oder unwillig sind, mutige Schritte vorzuschlagen, mit denen ihre Länder Afrika auf seinem Weg unterstützen könnten.
Der terroristische Anschlag vom 11. September 2001 hat die Welt verändert. Die Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania waren ein Vorbote für noch schlimmere Ereignisse. Während die sadistischen Übeltäter dieser Anschläge die USA als ihr Ziel definieren, bewertet die politische Führung in Washington dieses schreckliche Phänomen korrekt als die globale Bedrohung unseres Jahrhunderts. Zusammenarbeit und Hilfe aller Art, von großen wie von kleinen Ländern, trägt wesentlich zu den Erfolgen bei, die im globalen Krieg gegen Terrorismus bisher erzielt wurden. Ende 2004 hat die Tsunami-Welle etliche Länder in Asien (und auch einige in Afrika) getroffen, mit Hunderttausenden von Toten und einem unermesslichen Verlust von Eigentum.
Die Welt handelte richtig. Niemand sagte, der Tsunami sei ein asiatisches Problem, das Asien lösen müsse. Übertragen auf Afrika heißt das: Um das enorme Ausmaß der Krise im Ostkongo zu verstehen, muss man sich einen Tsunami vorstellen, der das Land alle sechs Monate trifft. So hat es einer der führenden UN-Koordinatoren für die Tsunami-Hilfe formuliert. Gewiss, die eine Krise mag eine Naturkatastrophe sein, die andere von Menschen gemacht, aber bedeutet das, wir sollten unsere Augen vor dem Leid verschließen? Oder anders ausgedrückt, dass die Afrikaner ihre Türen vor der Nothilfe und Unterstützung von anderen Menschen schließen sollten? Es ist eine Sache, die Afrikaner zu ermuntern, zu unterstützen und zu stärken, damit sie auf unvorhergesehene Katastrophen reagieren, Meinungsverschiedenheiten verhindern und Interessen bekämpfen können, die in bewaffnete Konflikte überzugehen drohen. Eine ganz andere Sache ist es und im heutigen Kontext auch nicht zu vertreten auf eine unzeitgemäße und obsolete Redewendung zurückzugreifen.
aus: der überblick 01/2005, Seite 62
AUTOR(EN):
Christopher Fomunyoh:
Dr. Christopher Fomunyoh arbeitet am »Nationalen Demokratischen Institut für Internationale Beziehungen« in Washington und lehrt als Assistenzprofessor für afrikanische Politik und Regierungen an der »Georgetown University« in Washington D.C., USA.