Manche ausländischen Hausangestellten in den USA werden wie Sklavinnen behandelt - nicht selten von ihren Landsleuten
Immer wieder kommen in den USA Fälle ans Licht, in denen Bedienstete jahrelang im Haus eingesperrt, kaum entlohnt oder schwer misshandelt werden. Meist sind die Opfer Ausländerinnen. Sie sind vom Gesetz unzureichend geschützt und können, wenn sie illegal im Land sind, ihre Rechte kaum einfordern. Doch auch unter den Tätern sind nicht selten Zuwanderer; manche scheinen sich im Umgang mit den Bediensteten daran zu orientieren, was in ihrer Heimat geduldet wird, statt an den Gesetzen der USA.
von Stephanie Armour
Viele Einwanderinnen, die als Kindermädchen oder Dienstmädchen für private Haushalte in den Vereinigten Staaten angeworben wurden, müssen regelrecht in Knechtschaft leben. Einige werden geschlagen oder im Haus festgehalten, und eine medizinische Grundversorgung wird ihnen verweigert. Es kommt vor, dass Frauen und Kinder jahrelang so arbeiten, ohne dass Außenstehende sie bemerken. Einige wurden auch angekettet, sexuell missbraucht und erhielten einen Stundenlohn von weniger als drei US-Cents.
Meist sind solche Arbeitskräfte nicht über eine Beschäftigungsagentur, sondern direkt beim Arbeitgeber angestellt, so dass es keine Unterlagen über ihre Tätigkeiten gibt. Es handelt sich häufig um illegale Einwanderer, die Angst haben, Anzeige zu erstatten, weil sie dann abgeschoben werden können. Unter den Arbeitgebern, die der Misshandlung beschuldigt werden, sind einflussreiche und angesehene Personen: Lehrer, Sozialarbeiter, Restaurantbesitzer, Diplomaten, Ingenieure und Hauswirtschaftsleiterinnen. Viele sind im Ausland geborene Einwohner der USA.
Die Zeitung USA today hat diese versteckte Form der Ausbeutung untersucht und Informationen zu mehr als 140 Fällen des Missbrauchs von Hausangestellten zusammengetragen. Sie sind folgenden Quellen entnommen: zivilen und strafrechtlichen Prozessen; Veröffentlichungen des Justizministeriums und der Einwanderungs- und Einbürgerungsbehörde (Immigration and Naturalization Service, INS); Aussagen der Opfer gegenüber der Koalition gegen Sklaverei und gegenüber Migrantenrechtsgruppen; Interviews mit Hausangestellten; einem Bericht der New Yorker Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch über Hausangestellte; Medienberichten; Aussagen vor dem US-Kongress; sowie Interviews mit Rechtsanwälten, die Betroffene bei außergerichtlichen Schlichtungen vertreten haben.
Die zusammengetragenen Fälle werfen nur ein kleines Schlaglicht auf ein größeres Phänomen und berücksichtigen nicht alle Vorwürfe des Missbrauchs. Sie bieten aber ein Gerüst für die Untersuchung eines Problems, das nach Ansicht vieler Einwanderungsexperten zu wenig beachtet wird. "Dieses Problem ist gewaltig", so Ann Jordan von der International Human Rights Law Group in Washington. "Es sollte gesetzlich vorgeschrieben sein, dass jede eingewanderte Hausangestellte auf die eine oder andere Art beobachtet wird. Denn es geht nicht nur um lange Arbeitszeiten."
Einige der jüngsten Fälle zeigen das. So wurde in einem Mittelklasse-Stadtteil von Laredo in Texas, der für Backsteinhäuser und penibel gepflegte Gärten bekannt ist, laut der Staatsanwaltschaft ein 12-jähriges mexikanisches Mädchen gefesselt in einem Hinterhof gefunden. Ihre Familie hatte sie geschickt, damit sie als Gegenleistung für Reinigungsarbeiten und Kinderbetreuung die Schule besuchen sollte. Ein Nachbar, der an seinem Dach arbeitete, hatte das Mädchen von oben gesehen und die Polizei gerufen.
Das Mädchen wurde, wenn es seine Arbeit beendet hatte, stets angebunden. Es erhielt so wenig zu essen, dass es Dreck aß, und wurde mit Pfefferspray gequält, das man ihr in die Augen sprühte, wenn es einnickte - so die Staatsanwaltschaft. Das Kind war so schwach, heißt es weiter, dass es auf einer Krankenbahre getragen werden musste, und seine Haut war von tagelanger Sonneneinstrahlung verbrannt. Seine Arbeitgeberin Sandra Bearden, eine Hauswirtschaftsleiterin und gebürtige Mexikanerin, wurde unter anderem der Verletzung eines Kindes sowie der schweren Entführung für schuldig befunden und im Oktober letzten Jahres zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der Rechtsanwalt, der sie verteidigt hat, reagierte nicht auf telefonische Bitten um einen Kommentar. Das Mädchen ist jetzt der Staatsanwaltschaft zufolge wohlauf. "Das ist der schlimmste Fall, der mir je untergekommen ist, schlimmer als jeder Mord", sagte der stellvertretende Staatsanwalt Andy Ramos.
Ein zweites Beispiel: In Woodland Hills in Kalifornien hinderte Supawan Veerapoleine gebürtige Thailänderin, drei nicht gemeldete thailändische Frauen und deren Familien mit Drohungen daran, zu kündigen. Zwei der Frauen sagten aus, dass ihnen medizinische Versorgung vorenthalten wurde und dass man gezwungen hatte, sich selbst Zähne zu ziehen, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die Opfer gaben außerdem zu Protokoll, dass sie gezwungen worden waren, Gäste auf Partys auf Knien rutschend zu bedienen.
Veerapol wurde im Jahr 2000 zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren für Erzwingung von Dienstbarkeit und Betrug verurteilt. Ihr Anwalt W. Anthony Willoughby erklärt, einige Beschuldigungen der Opfer seien "schlicht Erfindungen"; der Fall ist in der Revision. "Ich fühlte mich hoffnungslos und hilflos, als ob mein Leben keine Bedeutung habe", wird Thonglim Khamphiranon, eine der thailändischen Angestellten, in einem Bericht zitiert, den eine Anti-Sklaverei-Organisation im Jahr 2000 veröffentlicht hat.
In einem dritten Fall hielten in New York laut der Staatsanwaltschaft Prosper und Ifeoma Udogwu, ein Ehepaar aus der Bronx, zwei nigerianische Mädchen in Knechtschaft. Beatrice Okezie, eines der Mädchen, die mit 13 Jahren in die USA gekommen war, sagte aus, sie sei geschlagen und über neun Jahre als persönliche Bedienstete zur Arbeit gezwungen worden. Das Täter-Ehepaar stammt aus Nigeria. Die Frau hatte beruflich mit der Untersuchung von Kindesmissbrauch zu tun. Beide wurden 2000 zu mehr als elf Jahren Haft verurteilt. Denny Chin, ein Richter des Distrikts, stufte einige der Taten der Udogwus als "bösartig" ein. "Sie bestreiten, die Mädchen jemals misshandelt zu haben", sagt Jerry Tritz aus New York, ein Anwalt des Ehemanns. Er fügt hinzu, dass ein Antrag auf ein neues Verfahren gestellt worden sei: "Es ist sehr gut möglich, dass man unschuldige Menschen zu einer sehr langen Gefängnisstrafe verurteilt hat."
Solche Vorwürfe gegen Arbeitgeber sind keine Einzelfälle. Einige Hausangestellte mussten polizeilichen und gerichtlichen Unterlagen zufolge bis zu 20 Stunden am Tag arbeiten. Andere gaben an, dass sie nur karge Reste zu Essen bekamen oder dass sie trotz infizierter Wunden oder unbehandelter Tumore arbeiten mussten. Oft, so Aktivisten, halten die Arbeitgeber die Angestellten versteckt, indem sie ihnen die Pässe abnehmen oder sie daran hindern, allein das Haus zu verlassen.
"Als ich hierher kam, behandelten sie mich sehr schlecht. Ich arbeite von 6 Uhr früh bis Mitternacht, den ganzen Tag. Das machte mich völlig fertig", teilte die 30-jährige Hapsatou Sarr aus Mauretanien mit. Sie sagte, sie habe ihren ebenfalls im Ausland geborenen Arbeitgeber aus Maryland verlassen und lebe jetzt in Ohio. "Wenn ich nach Geld fragte, gab mir mein Arbeitgeber nichts mehr zu Essen. Am Ende ging ich einfach, doch ich wusste nicht wohin. Ich habe große Angst, weil ich niemanden kenne, ich habe keine Familie, keine Freunde."
US-amerikanische Einwanderungsregeln begünstigen teilweise den Missbrauch, meinen Aktivisten und Anwälte. Die Regierungsorgane inspizieren die Arbeitsbedingungen in Haushalten nicht routinemäßig. Einwanderer, die sich mit speziellen Visa in den USA aufhalten, riskieren ihre Ausweisung, wenn sie ihre Arbeitsstellen verlassen. Und manche Arbeitgeber sind dem Gefängnis durch die Flucht aus dem Land entgangen. "Wir brauchen einen besseren Schutz", kommentiert Martha Honey vom Institute for Policy Studies, einer Washingtoner Forschungsgruppe, die sich mit den Rechten von eingewanderten Hausangestellten beschäftigt. "Wir brauchen Gesetze, um das Problem anzugehen. Was wir sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs."
USA today hat unter anderem folgendes herausgefunden: Einige Bedienstete erleiden Misshandlung und sexuellen Missbrauch. Auf Einwanderungsrecht spezialisierte Anwälte meinen, dass Live-ins - das heißt Angestellte, die an ihrem Arbeitsplatz wohnen - oft mit Gewalt oder Drohungen zum Bleiben gezwungen werden. Diese Anschuldigung trifft auf viele der von USA today zusammengetragenen 143 Fälle zu. In fast 40 Fällen gaben Hausangestellte Misshandlungen oder sexuellen Missbrauch zu Protokoll. Einige Frauen berichteten in straf- und zivilrechtlichen Prozessen, sie seien mit heißem Eisen oder Suppe verbrannt, stundenlang geschlagen oder von Verwandten ihres Arbeitgebers vergewaltigt worden.
Einwanderer erhalten auch weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Nach Informationen von Aktivisten werden Live-ins dadurch ausgebeutet, dass sie Löhne unter dem Mindestsatz erhalten. Unter den von USA today gesammelten Fällen sind einige, in denen Hausangestellte angaben, sie hätten Monate oder Jahre ohne Bezahlung gearbeitet; andere hatten Löhne unter dem gesetzlichen Minimum erhalten. Das durchschnittliche monatliche Gehalt lag bei ungefähr 200 US-Dollar, und in den Fällen, zu denen es Informationen gab, betrug die tägliche Arbeitszeit mehr als 15 Stunden.
Arbeiter oder Arbeiterinnen leben zudem manchmal jahrelang in Isolation. Live-ins können über Jahre von Nachbarn unbemerkt und von Kontakt zu Außenstehenden abgeschnitten bleiben. In wenigstens 55 der 143 Fälle zogen die Arbeitgeber angeblich die Pässe und Einwanderungspapiere der Angestellten ein oder wiesen sie an, das Haus nicht zu verlassen. Im Interview erklärten einige, dass sie in Kellern leben mussten und ihnen befohlen wurde, nicht nach draußen zu gehen oder aus dem Fenster zu schauen.
Niemand weiß, wie weit verbreitet das Problem des Missbrauchs von Hausangestellten ist. Doch Gruppen, die Einwanderern helfen, sagen, dass jedes Jahr Hunderte ausgebeutet werden. Laut einem Bericht von Human Rights Watch gingen im Jahr 1999 bei zwei Organisationen aus dem Gebiet Washington und bei Rechtsanwälten, die Hausangestellte betreuen, zusammen ungefähr 160 Anrufe ein, die auf Fehlverhalten oder Übergriffe von Arbeitgebern hinwiesen.
Die Statistiken über die Anzahl der eingewanderten Hausangestellten in den USA sind dürftig. In den 1990er Jahren hat die Regierung mehr als 30.000 spezielle Visa ausgestellt, die es Einwanderern erlauben, als Live-in-Hausangestellte für Botschafter und Beschäftigte bei internationalen Organisationen zu arbeiten. Doch darüber hinaus arbeiten viele Frauen ohne Papiere, über sie weiß man nichts. Viele - so erklären Anwälte und Aktivisten - erheben niemals Klage, weil sie befürchten, ausgewiesen oder eingesperrt zu werden.
Einige Arbeitgeber und Agenturen meinen, Berichte über diese Probleme seien übertrieben, die Mehrzahl der eingewanderten Hausangestellten würde gut behandelt und bezahlt. Regierungsangestellte erklären, sie würden die Klagen ernst nehmen und seien entschlossen, Arbeitgeber zur Verantwortung zu ziehen, die Missbrauch betrieben. Die Anwälte der Arbeitgeber sagen, in einigen Fällen würden Hausangestellte die Beschuldigungen übertreiben, um von ihren Arbeitgebern Geld zu erhalten.
Viele Ausländer, die Dienstboten beschäftigen, arbeiten bei internationalen Organisationen. Diese erklären, dass sie Schritte zur Eindämmung möglichen Missbrauchs unternommen hätten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird von Aktivisten regelmäßig als Organisation genannt, bei der Menschen arbeiten, die Hauspersonal beschäftigen und dessen Rechte missachten. Doch Vertreter des IWF bestreiten, dass es dieses Problem gibt. Sie erklären, dass der IWF 1999 mit Hilfe eines auf Einwanderung spezialisierten Anwaltes eine verbindliche Richtlinie für Hausangestellte und ihre Arbeitgeber herausgegeben hat. "Wir haben keinen Hinweis auf weit verbreiteten Missbrauch vonseiten unserer Angestellten", so IWF-Sprecher William Murray.
Doch laut einer Studie von Human Rights Watch zu Hausangestellten vom Juni 2001 bestehen weiterhin Probleme. Bei einer Überprüfung von mehr als 40 Fällen fand man heraus, dass mit speziellen Visa eingereiste Einwanderer einen durchschnittlichen Stundenlohn von 2,14 US-Dollar erhielten - das sind 42 Prozent des staatlichen Mindestlohnes von 5,15 US-Dollar. Der durchschnittliche Arbeitstag betrug 14 Stunden.
Zwei der jüngsten Fälle: Der eine betrifft Alice Benjo und Mary Chumo, beide aus Kenia. Sie wurden juristischen Dokumenten zufolge im Haus ihres Arbeitgebers, der bei der kenianischen Botschaft in Washington angestellt ist, "praktisch als Sklaven gehalten". Sie arbeiteten für Elizabeth Belsoi, eine kenianische Staatsbürgerin, im Vorort Bowie in Maryland. Laut einer Klage, die im Jahr 2000 erhoben wurde, arbeiteten sie gewöhnlich mehr als 18 Stunden am Tag, durften das Telefon nicht benutzen und konnten das Haus nicht nach freiem Willen verlassen. Belsoi ließ die Beschuldigungen von ihrem Anwalt bestreiten, der sagt, sie habe sich voll und ganz an den Beschäftigungsvertrag gehalten. Das Verfahren wurde außergerichtlich gegen die Zahlung einer unbekannten Summe eingestellt.
Im zweiten Fall war Supik Indrawati aus Indonesien gekommen, um für den Geschäftsmann Robert Lie zu arbeiten. Laut den Aussagen Indrawatis gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft mussten sie und eine andere Frau 12 Stunden am Tag arbeiten; sie musste Dienste verrichten wie den, ihrem Chef in seinem Haus in Rancho Palos Verdes, Kalifornien, die Zehennägel zu säubern. Lieein geborener Indonesier, wurde zu 27 Monaten Haft verurteilt. Er hatte sich 1999 unter anderem in den Anklagepunkten der Unterbringung von Ausländern und der vorsätzlichen Missachtung des Mindestlohnes schuldig bekannt. "Dieser Fall ist ein Beispiel für Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit im Geschäft des Menschenschmuggels", kommentierte der Distrikt-Direktor der Einwanderungsbehörde INS, Thomas Schiltgen.
Frauen, die in die USA einwandern, um als Hausangestellte zu arbeiten, kommen oft aus den ärmsten Ländern der Erde. Sie stammen aus Haiti, wo ungefähr 80 Prozent der ländlichen Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, von den Philippinen - einem Ursprungsland zahlreicher Hausangestellter in vielen Ländern - oder aus Nigeria, einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit und politischen Unruhen. Sie stammen auch aus Thailand, Mexiko, osteuropäischen und anderen Ländern. Einige kommen mit der Absicht, ihren Familien, die in verzweifelten finanziellen Notlagen sind, Geld zu senden. Deshalb beschweren sich viele selbst bei den ungeheuerlichsten Übergriffen nicht und laufen nicht davon. Sie fürchten die Rückkehr in die Armut oder haben Angst, dass sie ihre zurückgelassenen Familien nicht mehr unterstützen können. "Die Philippinen sind so arm! Es ist schwer, hier Klage einzureichen, wenn man das Leben hier mit dem vergleicht, wie es auf den Philippinen wäre", erklärt Amanda Vendereine Koordinatorin des Filipino Workers Center (Zentrum für philippinische Arbeiter) in New York.
In die Knechtschaft geraten Frauen auf verschiedenen Wegen. Im Ausland geborene Diplomaten oder Geschäftsleute, die in den USA leben, können laut Gesetz Hausangestellte mitbringen. Einen Angestellten zu haben, der auch bei ihnen wohnt, mag in ihren Herkunftsländern üblicher sein als in den USA, meinen Beamte der Einwanderungsbehörde. Doch was unter der einen kulturellen Norm erlaubt ist, kann in den USA als Misshandlung gelten. "Sie bringen ihre Gewohnheiten mit, die hier illegal sind", meint Bill Strassberger, ein Sprecher der INS.
In anderen Fällen werden Hausangestellte in die USA geschmuggelt, um als Bedienstete zu arbeiten. Einige sind Opfer von Menschenhandel - das heißt sie wurden mit falschen Versprechen in die USA gelockt und dann zur Arbeit gezwungen. Ein Bericht des Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) aus dem Jahr 2000 schätzt, dass jährlich 45.000 bis 50.000 Frauen und Kinder derart von Menschenhändlern in die USA geschmuggelt werden. In solchen Fällen wird den Einwanderern oft eine Schul- oder Berufsbildung versprochen. Doch wenn sie angekommen sind, wird ihnen verboten, Verwandte zu kontaktieren; sie werden gezwungen, für wenig oder gar keinen Lohn zu arbeiten, und überwacht.
Die 29-jährige Lasniati Marsiti berichtete, dass sie vor ungefähr fünf Jahren aus Indonesien in die USA gekommen ist, nachdem ihr ein Wochenlohn als Hausangestellte von 250 US-Dollar versprochen worden war. Stattdessen, sagt sie, zahlte ihr Arbeitgeber in Maryland 250 US-Dollar im Monat. Sie begann jeden Tag um 5 Uhr früh mit der Arbeit, machte sauber, kochte und kümmerte sich um die Kinder der Familie - bis Mitternacht oder manchmal bis 3 Uhr früh. "Die Mutter schlug mich, und er zahlte nicht und befahl mir, nicht fortzugehen. Er nahm meinen Pass an sich, und die Mutter war gemein zu mir", so Marsiti. Sie ist fortgegangen und arbeitet nun für eine andere Familie im Umkreis von Washington, die sie gut behandele und angemessen bezahle.
Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass Hausangestellte ein hohes Risiko eingehen ausgebeutet zu werden, betonen Anwälte und Juristen für Arbeitsrecht. "Wenn man den Forderungen des Arbeitgebers nicht nachkommt, können die einen feuern, und man kann den legalen Aufenthaltsstatus verlieren", so Carol Pier von Human Rights Watch.
Eins der Probleme ist, dass die US-Gesetze auf Bundesebene die Opfer nicht schützen. Verschiedene Bundesgesetze, die den Schutz von Arbeitern zum Inhalt haben, gelten für Hausangestellte generell nicht. Diese sind vom National Labor Relations Act (Nationalen Gesetz über Arbeitsbeziehungen) ausgenommen, was bedeutet, dass sie für den Versuch, sich zu organisieren, entlassen werden können. Die Arbeitgeber sind unter dem Bundesgesetz auch nicht verpflichtet, im Haus lebenden Angestellten den anderthalbfachen Lohn für Überstunden zu zahlen. Und die Bestimmungen, die sexuelle Belästigung verbieten, gelten nicht für Firmen mit unter 15 Angestellten; deshalb sind Hausangestellte dagegen grundsätzlich nicht geschützt.
Ein zweites Problem ist, dass Visa-Programme der Regierung den Missbrauch begünstigen können. Nach den Visa-Programmen des Bundes können Hausangestellte, die ihren Arbeitgebern weglaufen, ihren legalen Aufenthaltsstatus verlieren und ausgewiesen werden. "Das Problem ist uns bewusst, und es beunruhigt uns", sagt Strassberger von der Einwanderungsbehörde. "Solche Probleme tauchen auf, wenn man das Visum einer Person von einer anderen Person abhängig macht."
Drittens sorgt das System dafür, dass die Betroffenen völlig vom Arbeitgeber abhängen. Im Haus lebende Angestellte sind für Nahrung, Unterkunft, Transport, medizinische Versorgung und Einkommen von ihren Arbeitgebern abhängig. Sie können - anders als andere Beschäftigte - gegenüber Außenstehenden abgeschirmt werden. Sie haben keine Kollegen, denen sie sich anvertrauen können, sie kennen sich womöglich in den USA nicht aus, und Polizisten mögen in ihren Heimatländern als Leute gelten, vor denen man Angst haben muss.
Manchmal sind Hausangestellte so versteckt, dass sie jahrelang arbeiten, bevor sie entdeckt oder befreit werden. Rene Bonetti, ein Ingenieur aus Gaithersburg in Maryland, wurde im Jahre 2000 zu sechs Jahren Haft verurteilt in einem Prozess, in dem es um ein brasilianisches Dienstmädchen namens Hilda Rosa Dos Santos ging. Er und seine Frau Margarida wurden unter anderem für schwere Körperverletzung verurteilt, so die Staatsanwaltschaft. Gegen Teile des Urteils ist Revision eingelegt; der Verteidiger von Rene Bonetti, Paul Kemp, erklärt, dass sein Klient mit Körperverletzung nichts zu tun habe.
Dos Santos berichtet jedoch, sie habe ungefähr 15 Jahre bei Bonetti gearbeitet. Sie hat ausgesagt, dass sie in einem dunklen Kellerraum lebte, sehr lange arbeitete und sich in dem Haus, das vier Schlafzimmer hat, in einer Zinnwanne waschen musste. Die Ehefrau löffelte laut der Staatsanwaltschaft einmal kochend heiße Suppe über ihr Gesicht als Strafe dafür, dass diese nicht ordentlich zubereitet war, und riss ihr Haare aus, wenn sie den Hund der Familie nicht ordnungsgemäß gepflegt hatte. Ein unbehandelter Tumor, der zur Größe eines Fußballs angeschwollen war, musste ihr aus dem Unterleib operiert werden.
"Sie fühlte sich, als ob sie Dreck wäre und als Person überhaupt keinen Wert habe", erklärte Dos Santos über ihren Anwalt. "Sie fühlte sich minderwertiger als ein Tier, war oft sehr traurig und weinte, wenn sie allein war."
USA: Hausangestellte als Sklaven gehaltenVerurteilt, selbst zu putzenPridine Fru kam als Teenager aus Kamerun in die USA. Dort sollte sie bei Landsleuten auf deren Kinder aufpassen und im Gegenzug eine Schulbildung erhalten. Der gefälschte Pass gab sie als Kind des Ehepaares Djoumessi aus. Doch in Michigan musste sie nicht nur auf die Kinder aufpassen, sondern auch den gesamten Haushalt versorgten. Von Schulbildung war keine Rede mehr, bezahlt wurde sie für ihre Arbeit auch nicht. Pridine wurde zudem wiederholt geschlagen und von ihrem "Vater" sexuell missbraucht. Ihre "Gasteltern" sind deshalb im Herbst schuldig befunden worden, das Mädchen entführt, misshandelt, sexuell missbraucht und sie als Sklavin gehalten zu haben. Während Joseph Djoumessi zu einer Haftstrafe von mindestens neun Jahren wegen Kindesmisshandlung und sexuellen Missbrauchs verurteilt wurde, mutet die Strafe für Evelyn Djoumessi gemessen an der Anklage ungewöhnlich an: Die Richterin Alice Gilbert verhängte das Urteil, dass Evelyn Djoumessi alle im eigenen Haushalt anfallenden Arbeiten selbst zu verrichten habe - mit der Einschränkung, dass sie sich ein Kindermädchen leisten darf, wenn es über 18 Jahre alt ist. Zusätzlich muss sie in einem Aufsatz erläutern, was Gesetz und Ordnung für sie, für ihre Familie und die Gesellschaft bedeuten. In einem ähnlichen Fall steht die Festsetzung des Strafmaßes noch aus. Das Paar Louisa Satia und Kevin Nanji aus dem US-Bundesstaat Maryland ist für schuldig befunden worden, drei Jahre lang ein kamerunisches Mädchen in Sklaverei gehalten, es illegal versteckt und ohne Bezahlung zur Arbeit als Dienstmädchen gezwungen zu haben. Satia ist außerdem der Verabredung zum Heiratsschwindel und zur Ausweisfälschung für schuldig befunden worden. Das Mädchen sei mit dem Versprechen, es werde eine Schulbildung erhalten und müsse im Gegenzug Hausarbeit erledigen, angelockt und mit einem falschen Pass in die USA geholt worden. Während der gesamten Zeit, in der es im Haushalt arbeiten musste, sei es bedroht, geschlagen und sexuell missbraucht worden. Das Strafmaß soll Ende März bekannt gegeben werden. Die mögliche Höchststrafe beträgt 20 Jahre Gefängnis sowie eine Geldstrafe von 250.000 US-Dollar. Ein für Bürgerrechte zuständiger Vertreter des US-Justizministeriums, Ralph F. Boyd, setzte sich anlässlich dieses Falles dafür ein, dass Menschenhandel und Versklavung in den USA hart bestraft werden. Eva-Maria Eberle |
aus: der überblick 01/2002, Seite 66
AUTOR(EN):
Stephanie Armour:
Stephanie Armour ist Journalistin bei der Tageszeitung "USA today" in Washington DC und spezialisiert auf Arbeitsbeziehungen und Fragen der Arbeitswelt. Den Artikel übernehmen wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der Ausgabe dieser Zeitung vom 19.11.2001.