Fairer Kaffee tritt in Deutschland gegen Dumpingpreise an
Kaffee ist eins der fünf wichtigsten Güter im Welthandel und das wichtigste im fairen Handel. Das Einkommen von rund 100 Millionen Menschen im Süden, darunter viele Kleinbauernfamilien, hängt vom Kaffee ab. Doch die Weltmarktpreise für Rohkaffee sind seit Ende der 1990er Jahre drastisch eingebrochen.
von Bernd Ludermann
Unter anderem weil Vietnam den Kaffee-Anbau enorm ausbaute und der Konsum kaum wächst, entstand ein hohes Überangebot, vor allem der Sorte Robusta. Die Preise fielen für viele Anbieter weit unter die Produktionskosten auch bei der höherwertigen Sorte Arabica. Da der faire Handel existenzsichernde Mindestpreise zahlt, wuchsen relativ zum konventionellen Handel seine Mehrkosten beim Einkauf von Rohkaffee.
Viele Kaffee-Konzerne nutzten den Rückgang der Kosten, um ihre Profite zu erhöhen. In Deutschland, dem zweitgrößten Kaffee-Importeur der Welt nach den USA, gingen dagegen die Endpreise in den Keller. Hier, so klagt der Produktmanager Kaffee der gepa, Hans Jürgen Wozniak, wird Kaffee verramscht. Winfried Tigges vom Deutschen Kaffeeverband, der Interessenvertretung der Kaffeewirtschaft, bestätigt das: "Wenn ein Pfund Röstkaffee 2 Euro kostet, wovon 1,09 Euro Kaffeesteuer sind und 7 Prozent Mehrwertsteuer, dann kann keiner mehr verdienen." Solche Schleuderpreise sind bei vielen Discountern oder auch Drogerie-Märkten gängig; sie dienen dazu, Kunden in den Laden zu locken.
Der Preisunterschied zwischen fairem und konventionellem Kaffee ist deshalb in Deutschland besonders groß. Das ist ein Grund dafür, dass sein Absatz Anfang des Jahrzehnts gesunken und erst 2004 wieder leicht gestiegen ist. Fairer Kaffe kann unter diesen Umständen nur mit anderen hochwertigen Kaffees konkurrieren wie Espresso und Sorten für Gourmets. Wozniaks Hauptaufgabe ist, mit den Produzenten zusammen dafür zu sorgen, dass der gepa-Kaffee da bestehen kann.
Vielleicht wird er es demnächst wieder leichter haben: Seit Ende 2004 steigen die Rohkaffee-Preise, vor allem für Arabica. Zum einen weil Brasilien zwei schlechte Ernten nacheinander zu verzeichnen hat, erklärt Tigges. Zum andern hat der Dumpingpreis zu einem Mangel an hochwertigem Kaffee geführt. Zwar haben die Kaffee-Konzerne mehr Robusta eingesetzt und schlechten Rohkaffee so aufbereitet, dass er quasi als Füllmasse eingesetzt werden kann, schimpft Wozniak. Ohne ein Minimum an gutem Kaffee lässt sich aber kein Aroma erzeugen.
Daher sind nun auch Kaffee-Unternehmen an einer Stabilisierung des Marktes interessiert. Dies erklärt zum Teil, dass der Deutsche Kaffeeverband zusammen mit dem der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) einen Verhaltenskodex für die gesamte Kaffeewirtschaft (Common Code for the Coffee Community, kurz 4C) angeregt hat. Erzeuger-Organisationen, Röster und Kaffee-Konzerne, Rohkaffeehändler sowie Gewerkschaften und nichtstaatliche Organisationen (NGOs) aus vielen Ländern beteiligten sich. Im Herbst 2004 wurde der Kodex verabschiedet.
Er soll würdige Lebens- und Arbeitverhältnisse im Süden, soziale Menschenrechte, Umweltschutz und ein "angemessenes" Einkommen aller Beteiligten fördern. Der Kodex legt fest, dass Praktiken wie Kinder- und Zwangsarbeit, Zwangsvertreibungen, Verbot von Gewerkschaften, Einsatz international verbotener Pestizide oder Abholzung von Urwald "inakzeptabel" sind. Langfristiges Ziel ist es, sämtlichen Rohkaffee nach diesen Kriterien zu bewerten. Ein Verifizierungssystem dafür ist im Aufbau.
Cornel Kuhrt vom Deutschen Kaffeeverband erläutert, dass das System den Teilnehmern anzeigt, wie der jeweilige Rohkaffee angebaut worden ist. Welchen Aufpreis diese für soziale und ökologische Qualität zahlen, bleibt dem Markt überlassen. Der Endverbraucher erfährt nicht, welcher Anteil "sozialen" Kaffees in einer Packung steckt, und kann das deshalb nicht (wie beim fairen Handel) mit seinem Kaufverhalten würdigen. Welcher Anreiz besteht dann aber für Importeure oder Röster, überhaupt einen Aufpreis zu zahlen? Kuhrt verweist auf die Interessen von Unternehmen am Umweltschutz, an einem guten Image und an langfristigen Lieferbeziehungen. Es gehe dem Kodex aber nicht um Preisregeln, die schon kartellrechtlich unzulässig seien, sondern um Hilfe zur Verbesserung der Anbauverfahren: Kleinbauern sollen effizienter produzieren und besseren Marktzugang erhalten.
Der Kodex visiert dringend nötige Regeln für den ganzen Kaffeehandel an. Beteiligte NGOs kritisieren jedoch, dass dabei den Produzenten Pflichten auferlegt werden, kaum aber den Konzernen, die den größten Teil des Profits aus dem Kaffeegeschäft ziehen. Einige wenige Firmen beherrschen den Welt-Kaffeemarkt. Sie verpflichten sich weder, nennenswerte Mengen sozial erzeugten Kaffees abzunehmen, noch dafür einen Aufpreis zu zahlen. Doch den Verbrauchern könnten sie das vorgaukeln, fürchtet Oxfam international.
Ob der Kodex etwas am Hauptproblem ändert, nämlich an den niedrigen Erzeugerpreisen, ist fraglich. Hierzu dürfte eine internationale Regulierung des Marktes einschließlich Angebotssteuerung nötig sein. Daher begrüßt Dieter Overath von TransFair zwar, dass die Produzenten unter Druck geraten, Sozialstandards einzuhalten. Doch dafür, so betont er, sollten sie auch höhere Preise bekommen. Kurz: Die Gefahr besteht, dass mit dem Kodex reiche Käufer den armen Produzenten mehr Aufwand abverlangen wollen, ohne dafür zu zahlen.
aus: der überblick 01/2005, Seite 109
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".