Kommentar zur Berichterstattung der ZDF-Sendung Frontal
Hauser und Kienzle, die Moderatoren der ZDF-Sendung "Frontal" haben am 16. Mai in einer Reportage von "unfairen Geschäften" von TransFair berichtet und den Fairen Handel in Misskredit gebracht.
von Eberhard Hitzler
TransFair kassiere Jahr für Jahr Millionen an Lizenzgebühren. Die Bauern in Ghana hätten davon bisher nichts gesehen. Sie würden mit gefälschten Waagen vom TransFair-Partner Kuapa Kokoo betrogen und zudem mit "Chemischen Keulen" versorgt, allen Sozial- und Öko-Bekenntnissen von TransFair zum Trotz. Das alles sei nur möglich, weil TransFair es mit der Kontrolle nicht so genau nähme. "Profit schlagen TransFair und Kuapa Kakoo aus diesem ach so fairen Handel." Die Kakaobauern dagegen würden unter dem Symbol des Fairen Handels ausgebeutet, der gutgläubige Verbraucher sei der Dumme, so das Fazit der Frontal-Recherche von Winfried Schnurbus.
Kuapa Kokoo sowie die Fair Handels-Organisationen TransFair, gepa und Weltladen Dachverband haben in seltener Einmütigkeit die Anschuldigungen zurückgewiesen. Zahlen und Fakten seien verfälscht wiedergegeben worden, die Berichterstattung sei unfair. Detaillierte Stellungnahmen wurden auf den Homepages der Organisationen veröffentlicht. Darauf reagierte das ZDF mit juristischer Härte: Es forderte TransFair auf, die Gegenerklärung sofort vom Netz zu nehmen und einige Passagen der Erklärung zu streichen. TransFair solle eine Unterlassungserklärung unterschreiben, andernfalls wurde eine Geldbuße angedroht. Das ZDF könne nicht dulden, in der Öffentlichkeit mit nachweislich falschen Anschuldigungen überzogen zu werden, deshalb müssten bestimmte Passagen der Gegendarstellung gestrichen werden.
Jetzt haben die Juristen das Wort. Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung über den Fairen Handel gibt es wohl einen medienrechtlichen Streit. Schade, Hauser, denn eine faire inhaltliche Kritik am Fairen Handel wäre wirklich an der Tagesordnung. Aber die ist offenkundig nicht beabsichtigt, denn Schnurbus und das ZDF kämpfen nicht mit inhaltlichen Argumenten um die Richtigkeit ihres Beitrags, sondern drohen sofort mit der juristischen Keule.
Mit einer offenkundig mangelhaften Recherche (Kakao als zuckersüße Frucht zu bezeichnen, spricht für sich) und einem Bericht, der manche Anschuldigungen bewusst nur andeutet, anderes gezielt verschweigt, hat "Frontal" seinen Anspruch auf investigativen Journalismus nicht eingelöst. Stattdessen wurde mit der Trickkiste des Sensationsjournalismus gegen den Fairen Handel Stimmung gemacht. Damit wurde die Glaubwürdigkeit des Fairen Handels und der damit verbundenen entwicklungspolitischen Bildungsarbeit erheblich beschädigt, der Schaden bei Partnern im fairen Handel in armen Ländern ist noch nicht abschätzbar. Doch er wird vermutlich größer sein als der Schaden, den TransFair durch zu geringe Kontrolle der Partnerorganisationen verursachen könnte, wenn die Vorwürfe denn stimmen würden.
Hauser fand die Frage des TransFair-Geschäftsführers, wem dieser Bericht nützt, "bedrückend". Die Frage "Cui bono", wem es nützt, muss sich aber nicht nur der Faire Handel von "Frontal" gefallen lassen. Auch umgekehrt wäre es gut zu wissen, wer diesen Bericht in Auftrag gegeben hat und warum er gesendet wurde. Deutlich ist bisher nur, wem er schadet: dem Fairen Handel insgesamt, den Produzenten in den armen Ländern und auch den vorgeblich getäuschten Verbrauchern. Denn trotz aller Schwächen, die der Faire Handel sicher hat, ist er ein wichtiger – wenn auch weltwirtschaftlich lächerlich kleiner – Beitrag für bessere Produktionsbedingungen und fairere Handelschancen. Für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit ist er unverzichtbar.
Noch was, Kienzle? Auch wenn es seltsam klingt: Besser ist schlechter als gut. Eigentlich müsste der Faire Handel "fairerer Handel" heißen, denn "fair und gerecht" sind in der Ökonomie allenfalls Annäherungswerte und keine absoluten Werte. Im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit, sozialer Entwicklung und ökologischer Nachhaltigkeit gibt es unter den Bedingungen der Weltwirtschaft – von denen sich auch der Faire Handel nicht ganz lösen kann - Interessensausgleiche und unterschiedliche Gewichtungen, aber kein absolutes "fair". Es gibt nur ein "fairer", "gerechter", "besser", als Komparativ zur Mainstream-Weltwirtschaft. Insofern ist eher der Anspruch des Fairen Handels sein Problem als seine Praxis.
Den Anspruch auf faire Berichterstattung führt "Frontal" zumindest nicht im Namen. Mehr journalistische Sorgfalt bei der Recherche und vor allem einen anderen Umgangsstil in der Auseinandersetzung über den Bericht hätte man vom ZDF aber trotzdem erwarten können.
Homepages:
gepa: www.gepa3.de
TransFair: www.TransFair.org
aus: der überblick 02/2000, Seite 122