Gleiche Bedingungen für alle verlangt
von Renate Wilke-Launer
Soweit sich Angestellte bei Shoprite in Lusaka und Maputo ein Paradies auf Erden vorstellen, ist Südafrika der geographische Bezugspunkt und der Maßstab für ein besseres Leben. Sie glauben, dass die südafrikanischen Shoprite-Angestellten sich Autos leisten und damit zur Arbeit fahren können, dass sie Darlehen bekommen und Häuser besitzen, während sie selbst nicht einmal Fahrräder ihr eigen nennen können.
Da sie gut für Shoprite arbeiteten, floriere das Unternehmen, und deshalb müssten sie auch etwas davon haben. Alle Befragten waren der Überzeugung, dass die den gleichen Lohn und die gleichen Bedingungen bekommen sollten wie ihre Kollegen in Südafrika. Sie arbeiteten schließlich unter einem Dach und sollten alle gleich behandelt werden. Die Angestellten haben auf verschiedenen Wegen Kenntnis von den Lebensbedingungen ihrer südafrikanischen Kollegen erhalten. Fast 90 Prozent nennen das Firmenmagazin als Quelle. Bilder wie die von Festen aus Anlass von Hochzeiten und Geburtstagen hinterließen bei den Angestellten einen tiefen Eindruck, da so etwas in ihren Ländern ein unerreichbarer Luxus ist. Armut, Arbeitslosigkeit, Krankheit und Tod durch Aids in ihrer Umgebung bürden diesen relativ jungen Angestellten hohe Verantwortung auf und verursachen Stress.
Zweitens tauschen sie mit anderen Shoprite-Angestellten Informationen aus, sei es mit denen aus Südafrika, von denen sie ausgebildet wurden, oder mit denen aus Malawi, Tansania und Simbabwe, denen sie etwas beibringen. Eine dritte Quelle sind Telefongespräche mit ihren in Südafrika lebenden Familienangehörigen und Freunden. Einige der Beschäftigten haben selbst Südafrika besucht und sich bei den Kollegen dort nach deren Lohn erkundigt.
Viertens hat die geographische Expansion von Shoprite sie mächtig beeindruckt. Sie interpretieren sie so: Expansion ist gleichbedeutend mit Gewinnerzielung; Shoprite ist ein mächtiges regionales und afrikanisches Unternehmen; Shoprite ist Teil der African Renaissance (Thabo Mbekis Programm zur Erneuerung Afrikas); Shoprite bildet Afrikaner aus einer Reihe von Ländern aus und fort; diese Expansion ist durch die Demokratisierung Südafrikas möglich geworden. Die zentralisierte Kontrolle des Unternehmens hat zur Folge, dass Südafrika im Zentrum der Arbeitsplatzvorstellungen steht. Und schließlich sind auch südafrikanische Fernfahrer und Landsleute eine Quelle für Informationen über das Nachbarland.
Als ein vergleichsweise regulierter öffentlicher Raum bietet das Einkaufszentrum eine stärker strukturierte Arbeitsumgebung. Das wirkt sich positiv auf die Arbeitsbedingungen aus: regelmäßige Bezahlung, Arbeitsplatzbeschreibungen und klare Verantwortlichkeiten. Einige der Angestellten sind deshalb gern bei Shoprite, weil es eine große, bekannte Firma mit vielen Supermärkten in Südafrika ist und sie eine Menge über den Einzelhandel gelernt haben.
Und dennoch sehen sich diese Angestellten als erniedrigte Bettler, die nur die Wahl zwischen Shoprite und der Straße haben. Sie fühlen sich vom Management ausgenutzt und schlecht behandelt, ausgeschlossen von den Vorzügen der Arbeit in einem gesunden Unternehmen. Ihre Unzufriedenheit bezieht sich auf Löhne, Arbeitszeiten, Überstundenbezahlung. Obwohl Shoprite mehr als den gesetzlichen Mindestlohn zahlt, reicht das Geld nach ihren Angaben nicht für den Lebensunterhalt. Die Kluft zwischen dem, was ihrer Meinung nach allen Shoprite-Angestellten zusteht, und den eigenen Lebensbedingungen empfinden sie als entwürdigend. Obwohl sie eine ganze Menge an Shoprite und ihrer Beschäftigung dort schätzen, machen die unerfüllten Erwartungen sie Shoprite gegenüber zunehmend bitter. Viele von ihnen nennen die Uniform als Beleg dafür, dass sie ursprünglich angenommen hatten, Shoprite-Angestellte seien Teil einer Arbeiterelite. Damit erscheint ihnen das globale konsumtive Universum als erreichbar. Jeder subjektive oder objektive Ausschluss von dieser Welt, für die der eigene Lohn nicht reicht, wird schärfer empfunden, wenn man in einem solchen Warenhimmel arbeitet. Das in Südafrika beheimatete Unternehmen wird zum Kristallisationspunkt ihres Wunsches nach Zugehörigkeit zu der neuen Warenkultur.
aus: der überblick 03/2007, Seite 35
AUTOR(EN):
Renate Wilke-Launer
ist Chefredakteurin des "überblick".