Bilder der Auslandskorrespondenten im populären Film
Vielleicht ist Alfred Hitchcock an allem Schuld. Jedenfalls hat er im Jahr 1940 in Foreign Correspondent ein Bild vom Auslandskorrespondenten gezeichnet, das die populäre Mythologie nie wieder vollständig los geworden ist. Ein Journalist, der die politischen Zusammenhänge gar nicht wirklich durchschaut, gerät in das Mordkomplott eines Spionagerings. Erst dann erkennt er die Gefahr und hält am Ende eine durchaus propagandistisch gemeinte Radio-Ansprache, in der er dafür plädiert, dass die USA in den Krieg in Europa eingreifen.
von Georg Seeßlen
Seitdem warten wir im Kino-Bild des Journalisten im Ausland nicht allein auf erotische Verwicklungen, die mit den politischen verbunden sind, sondern auch auf die Geschichte einer Wandlung von Bewusstsein und Moral. Denn die Auslandskorrespondenten im Film sind Helden, denen man dabei zusehen kann, wie sich Wahrnehmung in Haltung und Erfahrung in Einstellung verwandelt. Und manchmal auch genau umgekehrt.
Im frühen amerikanischen Film bis ins klassische Hollywood hinein war der Reporter ein gewitzter, junger und gut aussehender Kerl im Trenchcoat, der auf der heißen Spur von Verbrechern und Korruption immer auch ein schönes Mädchen fand, das es zu beschützen und dann zu heiraten galt – allerdings mit His Girl Friday (Sein Mädchen für besondere Fälle - 1940; Regie: Howard Hawks) spätestens emanzipierten sich diese zu taffen Girls.
Journalisten im amerikanischen Film werden zu Helden oder auch Anti-Helden durch ihre genaue Kenntnis ihrer Gesellschaft. Wesentlich rarer und zwiespältiger als der zynische, harte Journalist im Inneren aber zeigte sich der Auslandskorrespondent, der schon ein wenig von seiner amerikanischen Identität verloren hatte und in der Fremde vor allem von europäischen Krankheiten des Geistes erfasst wurde.
Der Journalist auf Reisen, der weltgeschichtliche Ereignisse dokumentiert, hat dagegen seine Funktion im Western; er ist dabei, wenn Billy the Kid gejagt wird, er hat seine Kamera auf die Helden und Schurken der mittelamerikanischen Revolutionen gerichtet, und er schafft, wie wir von John Fords The Man Who Shot Liberty Valance (Der Mann, der Liberty Valance erschoss - 1962) wissen, die großen Legenden.
Beinahe nahtlos setzt sich diese Mythologie des abenteuerlichen Journalisten fort in Filmen wie Lawrence of Arabia (1962 - Regie: David Lean). Immer scheint er auf der Suche nach dem großen Mann der Tat, dem seine ganze Bewunderung gilt. Eine letzte, dekadente Variation dieses Mythos finden wir wohl im Film Apocalypse Now (1979 - Regie: Francis Ford Coppola) in der von Dennis Hopper gespielten Figur des Kriegsreporters in Vietnam, der Sympathie für den abtrünnigen Colonel Kurtz entwickelt. Wenn der Journalist im Inneren ein sarkastischer Begleiter der Modernisierungen ist, dann ist der Auslandskorrespondent ein hoffnungsloser Romantiker auf der Suche nach dem verlorenen Ideal und auf der Suche nach der verlorenen schönen Barbarei.
Seine eigentliche Inauguration findet der Auslandskorrespondent daher erst in den Filmen, die den Zweiten Weltkrieg zum Hintergrund haben. Hier verliert er sowohl seine uneingeschränkte Bewunderung für die Männer der Tat als auch seinen nicht minder ausgeprägten Zynismus. Es zeigt sich, dass er gezwungen ist, Partei zu ergreifen. Und wer hätte diese Ambivalenz des modernen Helden besser ausdrücken können als Humphrey Bogart? Der Schlüsselfilm dazu ist wohl Passage to Marseille (Fahrkarte nach Marseille - 1944 - Regie: Michael Curtiz), der zu Beginn der Kriegshandlungen in Europa spielt. Der Reporter Manning (John Loder) schreibt an einem Artikel über die französischen Kampfpiloten. Von Capitaine Freycinet (Claude Rains) erfährt Manning die Geschichte des Journalisten Jean Matrac (Humphrey Bogart), der als Antifaschist unter falscher Mordanklage in eine Strafkolonie nach Französisch-Guyana verbannt wurde, gemeinsam mit einem Nazi-Kollaborateur. So ist die Figur eines tragischen Individualisten geboren, der zwischen Abenteuerlust und Gerechtigkeitssinn, zwischen Chronistenpflicht und moralischer Verpflichtung seinen Weg finden muss.
Die Figur des Kriegsberichterstatters wird zur festen Gestalt im amerikanischen Kino; im Verlauf der Jahre aber verliert sie erheblich an romantischen Glanz. Je genauer er die Situation vor Ort kennt, desto skeptischer wird er der eigenen Führung gegenüber. Auch für diese neue Variation des modernen Helden gibt es einen perfekten Darsteller: Robert Mitchum. Sein Versuch, ein "neutrales" Bild der Situation wiederzugeben, ist zum Scheitern verurteilt. In der Verfilmung eines Stoffes von Leon Uris The Angry Hills (Hügel des Schreckens - 1959 - Regie: Robert Aldrich) spielt er den Kriegsberichterstatter Morrison, der vor dem Einmarsch der Deutschen in Athen eine Liste mit Namen von britischen Agenten und griechischen Widerstandskämpfern in die Hand bekommt, die er außer Landes schmuggeln soll. Doch der Kollaborateur Tassos liefert die Information an die Gestapo aus, die daraufhin Jagd auf Morrison macht. In Anzio (Die Schlacht um Anzio - 1967 - Regie: Edward Dmytryk) bleibt Mitchum als Kriegskorrespondent der amerikanischen Presse, gerade weil er den Krieg in der vordersten Linie miterlebt hat und dabei nicht neutral bleiben konnte, skeptisch gegenüber dem eigenen Militär.
Diese Skepsis gegenüber der Regierung sollte der Auslandskorrespondent im amerikanischen Film auch so schnell nicht wieder verlieren. Sie begleitet ihn nach Korea und ein Jahrzehnt später nach Vietnam. In The Green Berets (Die grünen Teufel - 1968) versucht John Wayne eine Art von propagandistischer Umerziehung: David Janssen spielt einen zunächst kritischen Korrespondenten in Vietnam, der Stimmung gegen den Krieg an der "Heimatfront" macht. Dessen Meinung wandelt sich jedoch durch die Begegnung mit den Heroen des Einsatzes und endlich berichtet er im patriotisch richtigen Sinne.
Aber solche propagandistische Läuterung der Figur bleibt eher Ausnahme. In Full Metal Jacket (1987) portraitiert Stanley Kubrick den Soldaten "Joker", der später zum Kriegsberichterstatter wird: zynischer und schuldiger Beobachter dieses Krieges und eines militärischen Systems, das schon bei der Ausbildung mit der Zerstörung von Menschen arbeitet. Erst bei Kubrick wird deutlich, dass auch der Kriegsberichterstatter eine Art von Beutezug betreibt und das "Schießen" mit der Kamera dem Schießen mit den Gewehren verteufelt nahe kommt.
Auslandskorrespondenten und Kriegsberichterstatter wurden nicht nur im Film portraitiert, sie waren auch unter den fruchtbarsten Stofflieferanten für die Traumfabrik. William A. Wellmans Story of GI Joe (Schlachtgewitter am Monte Casino - 1945) – die Schilderung des Kriegsgeschehens in Italien – entstand nach den Reportagen des Kriegsberichterstatters Ernie Pyle und endet weniger mit dem Triumph des Sieges als mit der Hoffnung auf einen dauernden Frieden als einzigen gerechten Lohn für die Strapazen und Opfer des Krieges.
Wesen des Filmes ist, nicht den außergewöhnlichen und glamourösen Helden herauszustellen, sondern dem einfachen Soldaten ein Denkmal zu setzen, der sein bestes gegeben hat und oft genug auch an den Schrecknissen körperlich oder moralisch zugrunde ging. Diese Einstellung charakterisiert auch die Filme von Samuel Fuller, der sein journalistisches wie sein filmisches Handwerkzeug als Auslandskorrespondent erlernte: Wenn es etwas gibt, was Hollywood nur von den Journalisten vor Ort lernen konnte, dann war es eine bis dahin unbekannte Nähe zum Geschehen, auch wenn es sich am Rande dessen bewegt, was man aushalten kann.
Nicht, dass es nicht auch eine "friedliche" Variante des Auslandskorrespondenten im Kino gäbe. Gregory Peck in Roman Holiday (Ein Herz und eine Krone - 1953 - Regie: William Wyler) ist typisch für jene Amerikaner, die in der Zeit nach dem Weltkrieg das "alte" Europa entdeckten. Als Klatschreporter – ganz so, als hätte sich da ein Amerikaner unter Federico Fellinis Journalistenclique aus La Dolce Vita (Das süße Leben - 1960) verirrt – macht er sich nichts daraus, seinem Chef eine vollständig erfundene Reportage aus dem Leben des Hochadels vorzusetzen.
Seine zivile Wiedergeburt jedenfalls hat der Auslandskorrespondent in Filmen wie diesem als eine Art von leichtlebigem Bohemien erlebt, der sich den Anforderungen seiner puritanisch engen Heimat entzieht. So leicht und glücklich verläuft das emotionale Leben eines amerikanischen Auslandskorrespondenten indes eher selten. Die Gefahr, sich kulturell zu infizieren, sich in unmöglichen Liebesgeschichten zu verlieren oder einfach zu stranden in einer Situation zwischen den Codes und den Gesellschaften, ist insbesondere für den wackeren Amerikaner groß.
In The Last Time I Saw Paris (Damals in Paris - 1954) schildert Regisseur Richard Brooks nach F. Scott Fitzgerald die Geschichte des amerikanischen Journalisten Charles Wills (Van Johnson), der hier der jungen Marion Ellswirth (Donna Reed) begegnet. Doch er verliebt sich in ihre Schwester Helen (Elizabeth Taylor), und die beiden heiraten. Sie haben eine Tochter, aber der erhoffte berufliche Erfolg bleibt aus. Charles wird zum Trinker, und die Ehe ist drauf und dran zu zerbrechen. Es kann am Ende nur eine Art von "Heimkehr" die Rettung bringen. Denn auch jenseits der kriegerischen und der politischen Konflikte, in der er zu geraten pflegt, ist für den amerikanischen Journalisten in der Fremde die Gefahr groß, seine amerikanische Seele zu verlieren.
Im Grunde aber ist für den Auslandskorrespondenten, wie das Kino ihn sieht, das Arbeitsfeld nicht so sehr gesellschaftliche und politische Normalität seines Gastlandes, sondern Chaos, Bürgerkrieg und Krieg. Zwei Filme aus den 1980er Jahren veranschaulichen das und führen zu einer Renaissance der Figur. The Year of Living Dangerously (Ein Jahr in der Hölle - 1982 - Regie: Peter Weir) führt in die Bürgerkriegssituation von Indonesien im Jahr 1965. Es geht um den Einsatz für das hungernde Volk, den ein engagierter Kameramann mit dem Leben bezahlen muss, und um die Liebesgeschichte eines australischen Journalisten (Mel Gibson) mit einer amerikanischen Botschaftsangehörigen (Sigourney Weaver).
Under Fire (Unter Feuer - 1982 - Regie: Roger Spottiswoode) erzählt die Geschichte des Fotojournalisten Russell Price (Nick Nolte), der für eine sensationelle Aufnahme alles riskiert. Er ist eine Art Krieger auf der Jagd nach Bildern; seine Foto-Ausrüstung trägt er wie die Soldaten ihre Patronen im Gürtel. In den Kriegswirren von Nicaragua kurz vor dem Sturz Somozas trifft er wieder auf seine alten Kollegen, die auf ihre Beute warten, darunter Claire (Joanna Cassidy), die sich von ihren Kollegen durch eine genaue und analytische Beobachtung unterscheidet. Price, der immer weniger seine distanzierte Haltung bewahren kann, ist für eine gute Story unterwegs; nun findet er den Rebellenführer Rafael, der legendäre Partisan ist aber tot. Um den Rebellen zu helfen, manipuliert er ein Foto, das den Anführer so zeigt, dass er am Leben erscheint. Als Price dann allerdings noch das Foto eines von Somozas Leuten ermordeten Journalisten, Claire ex-Freund Alex (Gene Hackman) veröffentlicht, gerät er auf die schwarze Liste des Diktators.
Auch Spottiswoode sieht wie durch die Kamera eines Kriegsberichterstatter, und wie sein Held so verwandelt auch der Film zunehmend seine Perspektive und stellt sich auf die Seite des Volkes. Die Umwandlung eines patriotischen und dann zynischen Helden in einen rebel hero ist perfekt.
Eine ähnlich konsequente Entwicklung des Auslandskorrespondenten als Kinohelden gibt es im europäischen Kino nicht. Ein Reporter im Ausland, das ist zum Beispiel für den deutschen Film ein typischer Abenteurer, einer, der wie Harry Piel (Das Abenteuer eines Journalisten - 1914) alle exotischen Verlockungen und alle Gefahren unverletzt übersteht. Und natürlich ist, schon bevor die Nationalsozialisten das Kino als wirkungsmächtiges Propagandainstrument entdeckten, für einen deutschen Auslandskorrespondenten undenkbar, die eigene Regierung zu kritisieren. Der Wochenschaureporter wird zu einem modernen Idol. Auch hier bilden Konflikt und Krieg den Hintergrund.
In "Auf Wiedersehen, Franziska" ist der Auslandsreporter beinahe so etwas wie eine Metapher auf den Mann, den es immer wieder hinaus zieht, der darob seine Beziehung und seine Ehe aufs Spiel setzt, um am Ende im Beruf umzukommen. In der Fassung des Films, die während der Nazi-Zeit entstand (1940/41 - Regie: Helmut Käutner) hat das durchweg propagandistische Ausformungen: Der Wochenschaureporter tut seine Pflicht an der Front und in der Welt, auch wenn Frau und Kind daheim sind. In der zweiten Fassung vor dem Hintergrund des Wirtschaftswunders (Regie: Wolfgang Liebeneiner) ist es 1957 ein Mann, der durch das Abenteuer der Aufträge angezogen wird, ein Adrenalin-Junkie, der erst durch Erfahrungen im Indochinakrieg geläutert wird.
In einer bemerkenswerten Inversion lässt sich die deutsche Geschichte auch durch die Augen einer amerikanischen Journalistin sehen: In "Die Botschafterin" (1960 - Regie: Harald Braun), in dem Nadja Tiller als eine amerikanische Journalistin den Mann ihrer Träume in einem deutschen Offizier (Hansjörg Felmy) findet, der sich durch die Rettung jüdischer Flüchtlinge als wahrhaft menschlicher Held gezeigt hat. Nun ist ihr Aufstieg vorgegeben, sie wird Kongressabgeordnete und schließlich Botschafterin in Paris. Neben der angefangenen Liebesgeschichte muss auch noch eine Verschwörung östlicher Schurken beendet werden. Für ideologische Umwertungen, so scheint es, ist keine Gestalt so geeignet wie der Auslandskorrespondent.
In den 1970er Jahren wurde der Auslandskorrespondent in der Form eines rasenden Reporters zu einem Teil der Jet-Set-Mythologie; in Toute une vie (Lebe das Leben - 1974) von Claude Lelouch geht es um den Journalisten (Yves Montand), den es an den Brennpunkten der Erde herumtreibt. Er muss seiner Frau (Annie Girardot) im Schlafwagen mitteilen, dass er eine andere Frau liebt. Der Film verfolgt den TV-Reporter nach Katanga und in den schmutzigen Krieg von Vietnam; bei seinen Abenteuern hat er sich in die Amerikanerin (Candice Bergen) verliebt, und all das bildet in seiner Mischung schließlich eine Form des Lebensdesigns jener Jahre ab: Anders als der amerikanische ist der europäische Auslandskorrespondent im Film ein möglicherweise melancholischer Held, der sich in der Todesnähe gar zum "existentialistischen" Helden wandelt, aber zum Medium realistischer Abbildungen des politischen Geschehens taugt er (noch) nicht.
Stattdessen geht der Blick erst einmal nostalgisch in die Vergangenheit. "Isabelle Eberhardt" (1991 - Regie: Ian Pringle) etwa schildert das Leben der leidenschaftlichen Journalistin (Mathilda May), die als Kind russischer Emigranten in Paris heranwächst und ein Star in den Salons und in der "Halbwelt" ist, bevor sie sich ihren Traum von Afrika erfüllt. Sie begibt sich auf eine Expedition, um den verschollenen Marquis de Mores in Algerien zu finden. In der Maskerade eines arabischen Mannes durchquert sie die Sahara und gerät zwischen die Fronten des Aufstandes. Sie findet heraus, dass der Marquis auf Befehl des machtgierigen Leutnants Comte (Richard Moir) umgebracht worden ist, der die Araber zu einem Aufstand provozieren will, um selbst als brillanter Strategie die Karriereleiter hinauf zu klettern. Dem "väterlichen" Major Lyautey (Peter O'Toole) dagegen scheint sie ausgeliefert. Als Isabelle einen kritischen Artikel über die französische Kolonialpolitik veröffentlicht, löst sie in Frankreich einen Skandal aus. Die wahren Umstände ihres Lebens und ihre Abenteuer zwischen Spionage und Rebellion können aus den spärlichen dokumentarischen Unterlagen kaum rekonstruiert werden. Dass ihr Abenteuer auch ein Sex- und Drogentrip durch die Wüste ist, vermag der Film immerhin zu behaupten.
Aber in diesen Jahren setzen neue, unübersichtliche Konflikte ein. Und wieder scheint der Journalist im Ausland eine ideale Projektionsfigur auch für Zweifel und Ratlosigkeit. Welcome to Sarajevo (1997 - Regie: Michael Winterbottom) nimmt die Produktion der Bilder vom Krieg zum Motiv. Er erzählt von einer Gruppe von Kriegsberichterstattern, die im belagerten Sarajevo des Jahres 1992 die Gewalt und das Elend erleben. Bei einem Besuch in einem Waisenhaus verspricht Henderson (Stephen Dillane) der kleinen Emira, sie nach England mitzunehmen. Doch der Versuch, dieses Versprechen einzulösen, erweist sich als lebensgefährlich.
Es stehen sich hier wieder die beiden Typen gegenüber, der kalte Zyniker, der alles für die Quote tut, und der Mann, der auch in diesem Geschäft sein Gewissen nicht verloren hat. Winterbottom verbindet Spielhandlung mit dokumentarischem Material und schafft auf diese Weise eine Reibung der Realitätsebenen.
Das Kino der 1990er Jahre zeigt CNN-Reporter in Bagdad unter Beschuss, zeigt Journalisten im Balkan-Krieg, die zu Partisanen oder aber zu Lebensrettern werden, es zeigt Auslandskorrespondenten, die zu Marionetten der Geheimdienste werden, zeigt vor allem und immer wieder die Verstrickung und Schuld und die Erfahrung der Ohnmacht. Natürlich kann das Kino eines so gut wie nicht zeigen, vermutlich das wichtigste im Leben eines Auslandskorrespondenten: Harte, zähe und geduldige Arbeit.
Der Auslandskorrespondent als Filmfigur wandelt im Irrgarten der politischen und kulturellen Verwicklungen. Er beginnt als naiver junger Mann und endet entweder als geläuterter (und daher und vor allem: heim gekommener) Held, oder als alternder Zyniker mit einer Tendenz zu Alkohol und andern Genussmittel wie Michael Caine in der Neufassung von The Quiet American (Der stille Amerikaner - 2002 - Regie: Phillip Noyce). Wenn Billy Wilder in Ace in the Hole (Reporter des Satans - 1951) den Sensationsjournalisten ein böses Ende bereitet, wenn Michelangelo Antonioni in Professione: Reporter (Beruf: Reporter - 1975) als Schlüsselfigur für das Scheitern der Identitätssuche des modernen Menschen beschreibt, so scheint Graham Greenes The Quiet American und seine Verfilmungen das Ende des Auslandskorrespondenten als eines Gestrandeten zu beschreiben. Einer, der zu genau erkannt hat, dass die Begegnung verschiedener Kulturen immer auch ein Gewaltverhältnis erzeugt, als dass er daran glauben könnte, "die Wahrheit" zu übermitteln.
Natürlich übertreibt das Kino, insbesondere in seinem melodramatischen Ausschmückungen, aber in jeder Mythologie steckt auch eine Wahrheit. Es ist nicht ganz einfach, in diesem Beruf die Bürgerliche Identität zu wahren, das Leben in einer doppelten Codierung ohne den Schutz, den, sagen wir Diplomaten, Militärs oder Missionare genießen, aber auch ohne deren Verdammung zu einem parteilichen Vorgehen. Es ist, was das Kino anbelangt, eher ein outlaw, ein verruchter Beruf. Also ein schöner.
aus: der überblick 04/2007, Seite 59
AUTOR(EN):
Georg Seeßlen
Georg Seeßlen ist Filmkritiker. Er hat in München Malerei, Kunstgeschichte und Semiologie studiert, war Dozent an verschiedenen Hochschulen im In- und Ausland und schreibt Zeitungskritiken, Aufsätze und Bücher, und dreht Dokumentarfilme fürs Fernsehen.