Neuer Look und neuer Sinn
In Botsuanas Hauptstadt Gaborone gehen Frauen, die als weltoffen angesehen werden wollen, zu Frisörinnen, die aus Ghana stammen. Diese verzaubern ihre Kundinnen nicht nur mit dem letzten Schrei westafrikanischer Haarmode, sondern machen sie auch spirituell zu neuen Menschen.
von Rijk van Dijk
Von einem höchst mysteriösen Ereignis, das ihr vor rund einem Monat widerfahren war, berichtete eine Frau, Mitglied einer ghanaischen Pfingstkirche in Gaborone, Botsuana, einer Gruppe Frauen aus Ghana. Voll Schrecken hörten sich die Frauen an, was sie erzählte: Es war beim Ankleiden vor dem Spiegel in ihrem Schlafzimmer. Plötzlich wurde sie eines großen, hässlichen Hundes im Spiegel gewahr, der auf sie losgehen wollte. Die seltsame Kreatur begann heftig zu bellen. Das war kein richtiger Hund, fuhr sie fort, sondern ein Geisterhund. Obwohl das Schreckgespenst nur ein Spiegelbild war, kam seine Schnauze ihr so nahe, als ob es sie jeden Moment beißen wollte. In panischer Angst flüchtete sie - nur halb angezogen - ins Wohnzimmer. Dort las ihr Mann Zeitung. Als sie schreiend hereinstürzte und verlangte, er solle das gefährliche Spiegelbild sofort untersuchen, antwortete er lediglich: ‘Ach, ihr Christen denkt euch ständig irgendwelche Geschichten aus!’
Die Zuhörerinnen zuckten an dieser Stelle mit den Achseln: ‘Männer sind nutzlos’, beurteilten sie einstimmig seine Gleichgültigkeit.
Als der Mann die Panik in den Augen seiner Frau bemerkte, raffte er sich schließlich doch auf und schaute nach. Sekunden später kam er kreidebleich zurück. Obwohl er kein Christ war, hatte er das furchterregende Spiegelbild gesehen. Er hielt das für ein böses Omen: Jemand betreibt üble Hexerei mit uns, schlussfolgerte er.
Die Frau fuhr in ihrem Bericht fort, wie sie sich plötzlich erinnerte, dass eine ihrer Angestellten sich in letzter Zeit merkwürdig verhalten hatte. Als Besitzerin eines der zahlreichen ghanaischen Frisier- und Schönheitssalons in der Stadt beschäftigte sie einige Botsuanerinnen. Eine von ihnen hatte sie sofort in Verdacht, mit der okkulten Drohung etwas zu tun zu haben. Mit wachsender Spannung verfolgten die Zuhörerinnen, wie sie weiter erzählte, dass sie die junge Frau zur Rede gestellt und gefragt habe, ob sie etwas im Schilde führe und dazu etwas benutzt habe, was von ihrem Körper stamme. Die junge Frau gestand: Sie habe eine Haarlocke der Salon-Besitzerin einem Sangoma, einem Medizinmann, gegeben. Der sollte daraus eine Medizin herstellen, welche die ghanaische Besitzerin dazu bringe, die junge Beschäftigte mehr zu mögen und sie gegenüber den anderen Arbeitskräften vorzuziehen, so dass sie nie entlassen würde. Ihr Geständnis bewirkte allerdings das Gegenteil. “Ich habe sie sofort gefeuert”, berichtete die Inhaberin. “Ich wollte mit diesen Einheimischen nichts mehr zu tun haben, die Zaubermittel gegen dich einsetzen, während du sie bezahlst!”
Die Zuhörerinnen aus Ghana - allesamt Besitzerinnen von Frisier- und Schönheitssalons in Botsuana - stimmten zu: Man könne nie vorsichtig genug sein gegenüber den einheimischen Angestellten mit ihrem Zugang zu “besonderen Mitteln”, mit denen sie ihre Ziele erreichen wollen.
Der erste ghanaische Salon in Gaborone war in den späten siebziger Jahren von einer Frau eröffnet worden, die heute zu den Prominenten der Stadt zählt. Ihrer Initiative folgten in den frühen achtziger Jahren eine Reihe von Frauen aus Ghana, die zunächst in der Fußgängerzone der Innenstadt Gaborones, dann in dem neuen Einkaufszentrum im Stadtteil Broadhurst und später in anderen Teilen der schnell expandierenden Hauptstadt Frisier- und Schönheitssalons sowie Modeboutiquen eröffneten. Manche von ihnen besitzen inzwischen bis zu vier Läden mit bis zu zwanzig Beschäftigten. Die meisten dieser Frauen sind heute Ende dreißig bis Anfang vierzig. Sie stammen aus der Aschanti-Region in Ghana, wo die Menschen bekannt sind für ihren unternehmerischen Geist. In den achtziger Jahren sind viele ihren Ehemännern gefolgt, die damals in Botsuana als qualifizierte Fachkräfte leicht einen Job fanden.
Für Frauen war es schwieriger, Arbeit zu finden, und deshalb gründeten sie ihre eigenen Unternehmen. Mit Beschäftigten aus Ghana, die sich bestens in Haar- und Kleidermoden auskannten, hatten sie schnell großen Erfolg. Die Läden wurden zugleich zu Treffpunkten für die Ghanaer in Gaborone, selbst wer sich nicht die Haare machen lassen wollte, kam auf einen kleinen Schwatz vorbei.
In der boomenden Branche fanden bald auch Einheimische Arbeit, nachdem sie die nötigen Fertigkeiten und die westafrikanischen Stile erlernt hatten. Manche machten schon nach kurzer Zeit ihr eigenes Geschäft auf. Während der neunziger Jahre hatten die ghanaischen Geschäftsfrauen zunehmend mit einheimischer Konkurrenz zu kämpfen und fühlten sich benachteiligt, weil die Regierung beschlossen hatte, diese Branchen zu “lokalisieren”, also in einheimische Hand zu überführen. Ab den späten Neunzigern benötigten die ghanaischen Besitzerinnen besondere Genehmigungen für ihre Salons und Boutiquen und Arbeitserlaubnisse für Beschäftigte aus ihrem Heimatland Ghana, auf die sie wegen derer besonderen Kenntnisse, die manche Haarmode erforderte, nicht verzichten konnten. Die Regierung Botsuanas wollte aber der eigenen Bevölkerung mehr Arbeitsmöglichkeiten verschaffen. Allerdings zeigte diese mehr Faszination für das, was die Ghanaerinnen boten. Auf keinen Fall wollten sie die Expertinnen aus dem westafrikanischen Land missen.
Die Ladeninhaber aus Ghana sind abhängig von einheimischen Kunden und Arbeitskräften und müssen deshalb sorgsam darauf achten, wie sie und ihr Geschäft von diesen wahrgenommen werden. Sie müssen die Kunden zufrieden stellen und die Auflagen der Regierung erfüllen, indem sie die erforderliche Quote an Einheimischen beschäftigen und sie anlernen, sowie die Steuern und Gebühren ordnungsgemäß bezahlen.
Ebenso müssen die einheimischen Arbeitskräfte die Wünsche ihrer Kunden wie die der Ladenbesitzerinnen erfüllen und verstehen, was den ghanaischen Stil und den ghanaischen Sinn für Schönheit und Aussehen ausmacht. Die auf beiden Seiten durchaus vorhandene Angst vor dem Fremden und die Fremdenfeindlichkeit können dabei überwunden werden - einerseits durch den Zwang, Geld verdienen zu müssen, andererseits durch den Wunsch, sich möglichst weltoffen zu zeigen. Wie man aussieht, kann schließlich entscheidend sein in einer urbanen Wirtschaft, wo Arbeitsplätze knapp sind, und wo Chancen und Erfolg oft vom ersten Eindruck abhängen.
Aus der Sicht der einheimischen Beschäftigten muss man in den ghanaischen Salons einiges einstecken können. Die Besitzerinnen wie die Kundinnen verlangen Spitzenleistung. Sie betrachten die Frisur als eine teure Investition (Frisuren sind in der Tat teuer), die flugs komplett ruiniert ist, wenn der Job nicht richtig gemacht wird. Geduld mit der Selbstherrlichkeit der Besitzerinnen und den kritischen Anforderungen der Kunden ist also erforderlich. Man muss mit den Beschimpfungen und Beleidigungen umgehen können und es aushalten, dass man niemals die hohen Standards erreicht, welche die Ghanaerinnen für sich selbst gesetzt haben. Es ist eine Beziehung voll Misstrauen. Es kann vorkommen, dass einheimische Arbeitskräfte sogar geschlagen werden, wenn etwas furchtbar schief läuft. Man müsse also eine Strategie entwickeln, erläutert eine Frisörin, die bewirke, dass die Kundin sich leicht und wohl fühlt; man müsse nicht nur den Kopf sondern auch das Gemüt bearbeiten, so dass sie entspannt ist wie nach einer Massage. Das werde auch der Besitzerin gefallen, weil dann die Kundin zufrieden gehe und gerne wiederkomme.
Gleichwohl machen nur wenige Einheimische Karriere als Frisörin. Das eigentliche Frisieren ist weitgehend den Fachfrauen aus Ghana vorbehalten. Die einheimischen Mädchen arbeiten zumeist nur als Shampoo-Girl. Sie waschen und spülen das Haar vor dem eigentlichen Frisieren. Erst anschließend kommt die ghanaische Frisörin, zelebriert ihre magischen Tricks und macht aus schnödem Haar eine perfekte Kreation.
Dass die Shampoo-Girls die Kopfhaut als erste direkt berühren, hat auch noch einen anderen Grund: die Furcht vor einer Ansteckung mit HIV/Aids. Es gibt ein ghanaisches Vorurteil über die Sexualmoral der Einheimischen in Botsuana. Die ghanaischen Frisörinnen wollen nicht Opfer einer, wie sie meinen, minderwertigen Sexualmoral werden und mit ihrer Arbeit das Risiko eingehen, sich zu infizieren. Wenn das Shampoo-Girl Wunden oder Entzündungen an der Kopfhaut einer Kundin entdeckt, ist sie die Überbringerin der schlechten Nachricht. Sie muss der Kundin die Wahl überlassen, den Laden zu verlassen oder sich von jemandem mit Gummihandschuhen bedienen zu lassen, was wiederum den anderen Kundinnen signalisieren würde, dass die Beschäftigten eine HIV-Infektion befürchten, und äußerst peinlich wäre. Wenn die Kundin dennoch darauf besteht, richtig frisiert zu werden, muss das Shampoo-Girl sie (meist ohne Handschuhe) frisieren und das Risiko tragen.
Die Weigerung vieler ghanaischer Frisörinnen, unreine Kopfhaut zu berühren, macht sie abhängig von einheimischen Angestellten, die an “vorderster Front” arbeiten. Sie hat aber noch einen weiteren Grund: Aus ghanaischer Sicht ist das Haar der Ort, wo sich spirituelle Kräfte in der Alltagswelt offenbaren können. Weil das Haar aus dem Schädel heraus in die äußere Welt wächst, ist es zugleich ein Zeichen für den Geist und spirituelle Kräfte im menschlichen Körper. Ghanaische Frisörinnen erklärten unerbittlich, dass sie nie, niemals, Rasta-Locken frisieren würden. Denn diese seien das untrügliche Zeichen eines dämonischen Einflusses, der sich in der äußeren Erscheinung der Person offenbart. Die Rasta-Locken sind zwar ein Extremfall, aber die Assoziation von Haar mit Gedanken, Geist und persönlichen Absichten machen das Frisieren zu einem Gewerbe, für das spirituelle Stärke und spiritueller Schutz nötig sind. Deshalb fürchten ghanaische Frisörinnen Zaubermedizin. Und all die Geschichten, die sie darüber hören, machen sie unsicher, wo sich diese Magie körperlich zeigt. So können einheimische Kundinnen verdächtigt werden, - vielleicht unbewusst - gewisse Kräfte in den Laden zu tragen, die das Geschäft oder die Gesundheit der Frisörin ruinieren können. Auch deshalb werden die Shampoo-Girls an die “vorderste Front” geschickt, in der Hoffnung, was immer die Kundinnen in den Laden einschleppen, werde zuerst diese treffen. Die einheimischen Arbeitskräfte würden - so vermuten und erwarten die Frauen aus Ghana - schon Zugang zu lokalem Gegenzauber haben, der ihnen selbst nicht zur Verfügung steht.
MigrationGlauben aus GhanaAls Anfang der siebziger Jahre in Botsuana Diamantenminen ihre Arbeit aufnahmen, verzeichnete das Land über rund zwei Jahrzehnte ein sehr hohes Wirtschaftswachstum. Es gab einen großen Bedarf an Fachkräften, der mit einheimischem Personal nicht gedeckt werden konnte. Deshalb schickte die Regierung in den siebziger und achtziger Jahren Teams in Länder wie Ghana und Malawi, die Lehrer, Universitätsdozenten, Manager, Staatsanwälte, Richter und andere hochqualifizierte Kräfte anwarben. Diese Fachkräfte blieben größtenteils in Botsuana und haben bis heute eine angesehene Stellung in der Gesellschaft. In den frühen achtziger Jahren begann auch eine andere Schicht von Ghanaern nach Botsuana auszuwandern, die weit weniger qualifiziert, aber bereit waren, unternehmerisches Risiko auf sich zu nehmen. Auslöser für ihre Emigration war die sich verschlechternde soziale, wirtschaftliche und politische Lage in Ghana, wo nach einer Reihe von Militärcoups Leutnant Jerry Rawlings eine Militärdiktatur etablierte. Rund 15 Prozent der Bevölkerung Ghanas, so schätzt man, sind in den achtziger Jahren ausgewandert. Im Zuge dieser Auswanderungswelle kamen auch viele Frauen aus Ghana nach Gaborone, der Hauptstadt Botsuanas, wo sie als Unternehmerinnen Frisiersalons und Boutiquen im westafrikanischen Stil gründeten. Die Einwanderergemeinde aus Ghana war der Boden, auf dem dann in den neunziger Jahren Ghanaische Pfingstkirchen in Botsuana Fuß fassen konnten. Einige der ghanaischen Frisiersalons wurden gewissermaßen Außenposten für diese Pfingstkirchen, weil sie einheimische Kundinnen über die Existenz dieser Kirchen informierten und sie mit ihnen näher bekannt machten. Die oft recht persönlichen Gespräche beim Frisieren dienten durchaus als informelle Missionierung. So manche der Kundinnen wurden nicht nur zu einer “neuen Person” infolge ihrer neuen Haarpracht, sondern auch innerlich gewandelt und zur “wiedergeborenen Christin”. RvD |
aus: der überblick 04/2004, Seite 39
AUTOR(EN):
Rijk van Dijk:
Dr. Rijk van Dijk ist Ethnologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am "African Studies Centre"
der Universität Leiden in den Niederlanden. Er ist Experte für Religion in Afrika, besonders für
Pfingstbewegungen und Migration. Seine Forschungen konzentrieren sich vor allem auf Ghana
und Malawi.