Ethnien und Nationalstaatenbildung in Südostasien
Angesichts der ethnischen Vielfalt in Südostasien ist es schwierig, Nationalstaaten mit stabilen inneren Verhältnissen zu schaffen. Die dortigen Regierungen versuchen, bei der Bevölkerung ihrer Staaten ein neues nationales Selbstverständnis zu wecken. Zumeist soll die Lebensweise der vorherrschenden Ethnie das Modell für die nationale Kultur sein. Einige Staaten versuchen dagegen, Kulturen verschiedener Ethnien zu einer neuen nationalen Identität zu verschmelzen.
von Ooi Giok-Ling
Wird eine "Balkanisierung" Indonesiens stattfinden – ausgehend von den anhaltenden ethnischen Auseinandersetzungen in Aceh in Nord-Sumatra und den anderen "Brennpunkten", die zu offenen Konflikten werden? Wird es eine Lösung geben für separatistische Bestrebungen von Muslimen, wie sie sich derzeit in den Philippinen zeigen und vor kurzem im südlichen Thailand zu sehen waren? Wird der Konflikt mit der Volksgruppe der Karen in Birma ein Ende finden? Und was wird aus den Problemen der chinesischen Minderheiten in Ländern Südostasiens?
Mit diesen Fragen waren die Regierungen in Südostasien in den letzten Jahrzehnten konfrontiert. Auch im neuen Jahrtausend können sie die soziale und politische Stabilität der Region erschüttern.
Die unabhängig gewordenen Nationalstaaten weisen eine große ethnische Vielfalt auf. Das ist zum Teil dem diesen Ländern gemeinsamen kolonialen Erbe zugeschrieben worden. Obwohl sie bereits seit rund vier Dekaden unabhängig sind, werden diese südostasiatischen Länder immer noch als Nationalstaaten im Aufbau betrachtet. Diese Sichtweise wird zweifellos gefördert durch die verschiedenen politischen Strategien, die angewendet worden sind, um die schwierigen Beziehungen zwischen den Ethnien in den Griff zu kriegen und aus ihren multi-ethnischen Gesellschaften Nationalstaaten zu formen. Nach Erlangung der Unabhängigkeit von den Kolonialmächten mussten Länder wie Singapur Staaten mit verschiedenen ethnischen Gruppen bilden, die zwar in dem selben Gebiet lebten, aber ansonsten wenig gemein hatten, was sie zu Staatsbürgern eines modernen Nationalstaates machen konnte. In gleicher Weise mussten auch die Bergstämme und andere relativ isoliert lebende Gruppen in den Staaten des südostasiatischen Festlands, in Birma, Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam neue Identitäten entwickeln – entlang der auferlegten nationalen Grenzen. Was es für Mitglieder einer ethnische Gruppe, die diesseits und jenseits der Grenze lebt, bedeutet, Bürger eines modernen Nationalstaats zu sein, bleibt eine offene Frage. Die separatistischen Karen in Birma beispielsweise sind als Typ einer Gemeinschaft angesehen worden, die zu einer größeren ethnischen Gruppe gehört, welche auch jenseits der Grenze lebt.
Die Idee des Nationalstaats gilt als westliches Konzept, das den asiatischen Ländern und ihren Gesellschaften übergestülpt worden ist. Dazu gehören oft die politische Gemeinschaft und die Staatsbürgerschaft. Für viele Menschen in Südostasien war Staatsbürgerschaft ein relativ neues Konzept, das erst in den fünfziger Jahren, gegen Ende der Kolonialherrschaft, eingeführt worden ist. Die Nationalstaatenbildung wurde überdies erschwert durch das gemeinsame koloniale Erbe und dadurch, dass die nationalen Grenzen während der Kolonialzeit aufgenötigt worden waren. Diese Grenzen orientierten sich an den wirtschaftlichen und territorialen Interessen der Kolonialmächte, nicht jedoch an den Interessen der Menschen in Südostasien, die innerhalb der neuen Grenzen lebten.
In den neuen Nationalstaaten wie Indonesien, Malaysia und den Philippinen gab es dominierende ethnische Gruppen, die nach der Unabhängigkeit die politische Macht übernahmen. Im Stadtstaat Singapur wurde hingegen mehr eine multi-ethnische Elite zur herrschenden politischen Kraft – und zwar durch die politische Partei People’s Action Party (PAP), die seit der Unabhängigkeit Singapurs regiert. Als Singapur unabhängig wurde, gab es nämlich keine vorherrschende indigene Gruppe, hingegen eine Elite aus Intellektuellen, die aus Großbritannien zurückgekehrt waren, und aus chinesischen Geschäftsleuten.
Die Tabelle zeigt, wie die ethnischen Gruppen über Südostasien verteilt sind. Sie verdeutlicht, dass es Chinesen als eine Minderheitsgruppe in allen Nationen Südostasiens gibt – ausgenommen im Stadtstaat Singapur, wo sie die Mehrheit stellen. Ebenso gibt es Inder in Malaysia, Birma und Singapur oder Malaien in Brunei, Singapur und den Philippinen.
Die nationalen Grenzen und politischen Strategien, die entwickelt wurden, um eine Bevölkerung aus mehreren Ethnien und mit verschiedenen Sprachen und Religionen zu regieren, wirkten sich auf das Selbstverständnis der verschiedenen ethnischen Gruppen aus.
Die Regierungen der gerade unabhängig gewordenen Staaten zeigten aber wenig Verständnis dafür, dass die ethnischen Unterschiede innerhalb der Bevölkerung mit dem Ziel in Einklang gebracht werden mussten, eine nationale Identität zu schaffen. Von Wahlen und gesicherten Grenzen abgesehen gründeten die Regierungen der neuen Nationalstaaten ihren politischen Legitimitätsanspruch unter den ethnisch sehr verschiedenen Bevölkerungsgruppen weitgehend auf soziale und wirtschaftliche Entwicklungsprogramme, die die unterschiedlichen Gruppen wie ein Scharnier verbinden sollten.
Die Länder Südostasiens haben – mit der Ausnahme Thailands – eine relativ ähnliche Kolonialgeschichte gemein. Alle südostasiatischen Staaten waren als multi-ethnische Staaten gegründet worden. Ihre nationale Identität war nach der Unabhängigkeit noch schwach entwickelt und es kam oft zu starken Spannungen zwischen den Ethnien. Deshalb bemühten sich ihre Führer, eine neue Nation auf Basis der Grenzen aus der Kolonialzeit aufzubauen. Man glaubte grundsätzlich, dass das ethnische Selbstbewusstsein eine spaltende Kraft sei, die zu politischer Instabilität und schließlich zur Auflösung des Staates führen könne. Die Regierungen der Nationen in Südostasien haben gleichwohl zumeist versucht, die nationale Identität ausgehend von der Lebensweise der indigenen Bevölkerung zu begründen. Normalerweise wurden die Sprache, Symbole, das Erziehungswesen und die Institutionen der ethnischen Gruppe, die die Mehrheit bildete oder vorherrschend war, als nationale Kennzeichen gewählt. In den nationalen Verfassungen ist eine sich daraus ableitende Hierarchie von Rechten zu erkennen.
In Staaten mit einer großen indigenen Gruppe genießen andere ebenfalls indigene Minderheitsgruppen offenbar mehr Rechte als Minderheiten wie die Chinesen oder Inder. Das neue nationale Selbstverständnis, das für den jeweiligen Nationalstaat entwickelt wurde, hat die Lebensweisen der indigenen Minderheiten berücksichtigt, aber grundsätzlich die der zugewanderten Minderheiten systematisch ausgeschlossen. Deren Kultur ist sogar unterdrückt worden, damit sie die Doktrin der vorherrschenden ethnischen Gruppe nicht infrage stellen könnte. In Thailand gründete sich die Nation auf die Thai, und die Modell-Philippinos waren die Tagalogsprechenden Einwohner. In Malaysia erhielten die Malaien (einschließlich indigener Minderheiten) Vorzugsbehandlung, während in Indonesien vor allem die Javanesen, aber auch die Batak (christlich) und Minagkabau (islamisch) in Sumatra, als Modell für die Nation dienten.
Die neuen Nationalstaaten gingen aber in einem unterschiedlich vor: Manche definierten die Nation nur nach der Kategorie Kultur, andere nach Kultur und Rasse. Für Thailand und die Philippinen gilt Ersteres, sodass jeder, der die dortige Kultur, insbesondere die Sprache annimmt, als Thailänder oder Philippino gilt. Hingegen werden in Ländern wie Indonesien, Brunei, Birma und Malaysia beispielsweise Chinesen oder Inder nicht völlig als gleichwertige Mitglieder der Nation betrachtet. Die jeweilige Regierungspolitik und Verfassung spiegeln derartige Ungleichheiten wider. Solche Nationen werden als Ethno-Staaten oder ethnische Staaten bezeichnet. Das hat Folgen für das Vertrauen, welches Mitglieder der verschiedenen ethnischen Gruppen in die staatlichen Institutionen setzen und ob sie sich als Ethnie mit ihrer Sprache, Religion und Kultur repräsentiert sehen.
Dabei ging es nicht nur darum, wer Staatsbürger der neuen Nationalstaaten werden durfte, sondern auch, wer von den neuen Entwicklungsprogrammen profitieren konnte. Weil Letzteres wiederum überwiegend von der Staatsbürgerschaft abhing, war es für die meisten ethnischen Gruppen äußerst bedeutsam, ob ihre Mitglieder Staatsbürger werden konnten.
Mehrere Regierungen haben die Sprache und Religion der vorherrschenden oder größten ethnischen Gruppe als nationale Sprache und Religion gewählt. So kann es nicht überraschen, dass Mitglieder der vorherrschenden ethnischen Gruppe auch die meisten politischen Schlüsselfunktionen innehaben. In Malaysia und Brunei genießen die bumiputra oder einheimischen Malaien in der Tat Vorzugsbehandlung im Hinblick auf die angestrebte Entwicklung, und die Nationalsprache ist Malaiisch. Andere Rassen haben sich mit dem Staat arrangiert, aber ihre eigene Identität behalten.
Die "Neue Wirtschaftspolitik" wurde dort eingeführt, um bei Lebensstandard und Bildung das Gefälle zwischen ethnischen Minderheiten (insbesondere den Chinesen) und der einheimischen Mehrheit der Malaien zu verringern. Eines der Ziele war, eine Schicht malaiischer Unternehmer zu schaffen. Tatsächlich konnte der Kapitalanteil von Malaien im Unternehmenssektor von 1,9 Prozent im Jahr 1970 auf 30 Prozent im Jahr 1975 erhöht werden, dem Jahr, in dem der "Zweite Malaysia Plan" endete. Große und erfolgreiche Unternehmen im Besitz von Chinesen wurden unter Druck gesetzt, ihre Kapitalstruktur zu ändern und Malaien als Teilhaber aufzunehmen. Staatliche Lizenzen und Aufträge wurden überwiegend an Malaien oder staatlich unterstützte Unternehmen von Malaien vergeben. Malaien wurden bevorzugt bei Landschenkungen im Rahmen von Entwicklungsprojekten, die Regionen mit geringerem Wirtschaftswachstum fördern sollten; sie erhielten privilegierten Zugang zu Universitäten, standen an erster Stelle bei der Vergabe von Anteilsscheinen an Unternehmen und von Arbeitsplätzen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Vor Kurzem trat ein chinesischer Minister der Regierung Malaysias zurück, weil er sein Wahlversprechen, sich für einen zweiten Chinesen im Kabinett stark zu machen, nicht hatte einlösen können. Die Quoten bei der politischen Vertretung reichen also bis in die Regierung.
Es gibt allerdings zwischen Malaysia und Brunei auch Unterschiede in der Minderheitenpolitik. In Malaysia durften die Schulen der Chinesen und anderer Minderheiten ihren Unterricht in der Muttersprache fortsetzen. Die Schüler müssen aber zusätzlich Malaiisch als Pflichtfach belegen und werden darin auch im Examen geprüft. In Brunei hingegen müssen seit 1992 alle Schulen in Malaiisch unterrichten. Brunei ist immer noch ein malaiisches Sultanat und eine absolute Monarchie. Deshalb gibt es dort kaum ein Konzept, eine Nationalstaats-Identität zu schaffen, wenngleich der Monarch von Zeit zu Zeit versucht, ein Nationalbewusstsein bei Bruneis Bürgern zu wecken.
Im Entwicklungskonzept Indonesiens stehen seit der Unabhängigkeit von der holländischen Kolonialherrschaft Java und die Identität der Javanesen an erster Stelle. Das bedeutet, dass alle anderen Gruppen sich daran anpassen müssen. Institutionen wie Schulen, Massenmedien und Bürgervereinigungen wie die chinesischen Vereine, die nicht Sprache und Glauben der vorherrschenden Ethnie propagierten, wurden ausgeschaltet.
In Indonesien und Malaysia gibt es eine klar abgegrenzte Kategorie von Bürgern, die mehr Rechte als zugewanderte Gruppen haben: die pribumi (Indigene) oder bumiputra (Einheimische). Auch in Birma haben die Einheimischen Privilegien. Die Regierung teilt die Bürger in folgende Kategorien ein: volle, assoziierte und eingebürgerte Staatsbürger. Jede Gruppe hat unterschiedliche soziale und politische Rechte.
In Malaysia sind allerdings kulturelle Rechte von Minderheiten wie der Chinesen von der Verfassung garantiert. Und inzwischen, da die 1970 eingeführte "Neue Wirtschaftspolitik" ausläuft, gibt es Bemühungen, unabhängig von der ethnischen Abstammung eine eher multi-ethnische und multi-kulturelle Identität für Malaysia zu fördern. Der Prozess der sozialen Integration der verschiedenen ethnischen Gruppen wird wahrscheinlich mehr Zeit und erheblich mehr Anstrengungen erfordern als bisher. Und ethnische Gruppen wie die Chinesen werden mehr Unterstützung vonseiten der Regierung für ihre Schulen, Sprache und Kultur bekommen müssen.
In Thailand und den Philippinen wurden hingegen die Charakteristiken von zwei oder mehr Gruppen miteinander verschmolzen, um eine neue, gemeinsame Identität zu formen. Allerdings haben die Regierungen in den Philippinen und Thailand auch die Politik verfolgt, dass sich die anderen Ethnien an die vorherrschenden Malaien bzw. die Thai-Mehrheit anpassen mit dem Ziel, dass die Minderheiten langsam in der vorherrschenden Ethnie aufgehen und ihre ethnischen Charakteristiken wie Namen und Sprachen an Bedeutung verlieren.
In den bisher aufgeführten Fällen hinderte die Regierungen in ihrer Strategie zur Nationenbildung zumeist die ethnischen Minderheiten daran, ihre besonderen Kulturen voll auszuleben. Dagegen ist Singapur eine Nation, in der die indigene ethnische Gruppe selbst in der Minderheit ist. Die Regierung hat deshalb eine Strategie der Bildung einer multi-kulturellen, multireligiösen und mehrsprachigen Nation gewählt, um die aus vielen Ethnien und Rassen zusammengesetzte Bevölkerung unter einen Hut zu kriegen. Das heißt den Institutionen, die für die Verbreitung der verschiedenen Kulturen der Bevölkerung in Singapur von Bedeutung sind, ist Gelegenheit gegeben worden, ihre Arbeit in dem modernen Stadtstaat fortzusetzen.
Zum Beispiel müssen Schüler in der Schule neben Englisch ihre "Muttersprache" als Pflichtfach belegen. Da jedoch nicht für alle vorkommenden Sprachen Lehrkräfte eingestellt werden können, wurde die "Muttersprache" für jede ethnische Gruppe offiziell festgelegt. Für die Inder zum Beispiel, die aus zahlreichen Sprachgruppen kommen, wurde Tamil zur "Muttersprache" erklärt. Jedoch ist Englisch die Lingua franca zwischen den ethnischen Gruppen und wird auch als Wirtschaftssprache bevorzugt. Das hat zu einer gewissen Frustration bei der chinesischen Mehrheit geführt, die mit Mandarin aufgewachsen ist und sich im Englischen nicht so sicher fühlt. Für die verschiedenen Religionen plant die Regierung bei der Stadtentwicklung und beim Wohnungsbau entsprechende Räume für Gebete und Gottesdienste ein. Der Umgang mit den Ethnien in Singapur wird als kulturell pluralistisch bezeichnet.
Malaysia und Singapur regeln die Beziehungen zwischen den Ethnien mit eiserner Hand, haben dabei aber alle Ethnien an sozialen und wirtschaftlichen Verbesserungen teilhaben lassen. In Singapurs öffentlichem Wohnungsbau bekommen die Berechtigten nach der Reihenfolge der Anmeldung eine Unterkunft zugewiesen, egal welcher Ethnie sie angehören. Dabei wird Wert darauf gelegt, die Ethnien auch räumlich zu integrieren, bis hin zu Quoten für die verschiedenen Ethnien in jedem vom Staat gebauten Apartment-Block.
In Malaysia werden indigene Gruppen bevorzugt behandelt – die Malaien und die kleineren ethnischen Gruppen wie die Aboriginals, die Ibans, die Dayaks und Kadasanen in Ost-Malaysia. Malaiisch ist jedoch die Nationalsprache und der Islam die nationale Religion. Zwar werden andere Sprachen – Mandarin, Tamil und Englisch – noch an Schulen unterrichtet; Prüfungen werden aber in Malaiisch abgehalten. Es gibt Quoten für Malaien, die ihnen Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft sichern, und bis vor kurzem gab es für sie auch einen Anteil bei Lizenzvergaben und Investitionsvorhaben. Die Zulassung zu Universitäten sowie die Zuteilung von Wohnungen und Land folgt einem ähnlichen Quotensystem.
Es ist nicht leicht zu sagen, welche Strategie im Umgang mit den Beziehungen zwischen den Ethnien erfolgreicher war im Hinblick auf den Erhalt der politischen und sozialen Stabilität. Es scheint jedoch so, dass die Politik einer multi-ethnischen Vertretung mehr Anklang bei den Bürgern der im Aufbau befindlichen Nationalstaaten Südostasiens findet, selbst wenn sie nicht perfekt ist. Deutlich zeigt sich, dass Indonesiens Weg der Assimilierung – einen ähnlichen Weg haben Thailand und die Philippinen gewählt – von einer multi-ethnischen Bevölkerung weniger akzeptiert wird. In Malaysia und Singapur hat es bisher stabile Beziehungen zwischen den Ethnien gegeben. In Malaysia hat sich jedoch die Politik stark gewandelt und der Aufstieg der pro-islamischen Malay-Partei verschreckt die nicht malaiische und nicht islamische Bevölkerung. Die jüngsten nationalen Wahlen zeigten eine Spaltung der Wählerschaft, die die Kluft in der Politik gegenüber den Rassen widerspiegelt. Die multi-ethnische Führung einer großen Oppositionspartei, der Demokratischen Aktions-Partei, wurde nicht wiedergewählt, nachdem die Partei eine Allianz mit der ebenfalls in Opposition befindlichen pro-islamischen Malay-Partei, Parti Islam Sa-Malaysia (PAS) eingegangen war. Chinesische und indische Wähler haben diese Allianz offenbar abgelehnt und sich überwiegend der Regierungskoalition zugewandt, die mehr multi-ethnisch zusammengesetzt ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine große Aufgabe ist, angesichts ethnischer Vielfalt in Südostasien Nationalstaaten zu schaffen. Das verdeutlichen Alltagsszenen, die man etwa in Java in Indonesien oder in Birma beobachten kann. Man sieht dort an einem Ort muslimische Pilger mit weißen Kappen, Ortsvorsteher, indische, arabische und chinesische Ladenbesitzer – und sogar Bergbauern, die ihre Früchte oder ihr Vieh verkaufen. Gleichwohl steht – wie der bitische Kolonialverwalter J.S. Furnival, der dann zum Sozialwissenschaftler wurde, bemerkt hat – "jede Gruppe zu ihrer eigenen Religion, ihrer eigenen Kultur, ihren eigenen Ideen und Lebensweisen. Nur auf dem Marktplatz treffen sie sich – kaufend und verkaufend – als Individuen." Vor allem die wirtschaftlichen Interessen der Kolonialregierungen haben viele der Menschen Südostasiens zusammengebracht, und das Ende der Kolonialzeit hat zur Gründung neuer Nationalstaaten mit den Grenzen der ehemaligen Kolonien geführt. Man kann nur hoffen, dass mehr als nur wirtschaftliches Interesse, nämlich das Interesse zu überleben, den Prozess der Nationenbildung in Südostasien vorantreiben wird. Es gibt für die Menschen und Gemeinschaften in Südostasien viel zu gewinnen, wenn soziale und politische Stabilität gesichert werden kann. Sie können aber auch viel verlieren, wenn man es zulässt, dass dort die Konflikte zwischen Ethnien eskalieren.
Tabelle: Ethnische Profile of Bevölkerung in Südostasien | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Staat | Einwohner | ethnische Gruppe | ||||||
Trunei | 315.292 | Malaien 64%, Chinesen 20%, Sonstige 16% | Birma | 47.305.319 | Birmanen 68%, Shan 9%, Karen 7%, Rakhine 4%, Chinesen 3%, Mon 2%, Inder 2%, Sonstige 5% | |||
Kambodscha | 11.339.562 | Khmer 90%, Vietnamesen 5%, Chinesen 1%, Sonstige 4% | ||||||
Indonesien | 212.941.810 | Javanesen 45%, Sundanesen 14%, Maduresen 7.5%, Küsten- Malaien 7.5%, Sonstige 26% | ||||||
Malaysia | 20.932.901 | Malaien und sonstige Indigene 58%, Chinesen 26%, Inder 7%, Sonstige 9% | ||||||
Philippinen | 77.725.862 | christliche Malaien 91.5%, muslimische Malaien 4%, Chinesen 1.5%, Sonstige 3% | ||||||
Singapur | 3.490.356 | Chinesen 76.4%, Malaien 14.9%, Inder 6.4%, Sonstige 2.3% | ||||||
Thailand | 60.037.366 | Thai 75%, Chinesen 14%, Sonstige 11% | ||||||
Laos | 5.260.842 | Lao-Lum (Tiefland) 68%, Lao-Theung (Berghänge) 22%, Lao-Sung + Hmong und Yao (Hochland) 9%, ethnische Vietnamesen/Chinesen 1% | ||||||
Vietnam | 76.236.259 | Vietnamesen 85%-90%, Chinesen 3%, Rest: Muong, Tai, Meo, Khmer, Man, Cham | ||||||
Zusammengestellt aus Statistiken der Staaten |
aus: der überblick 03/2000, Seite 75
AUTOR(EN):
Ooi Giok-Ling:
Dr. Ooi Giok-Ling ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institute of Policy Studies Kent Ridge in Singapur und Associate Professor an der National University of Singapore.