Gute Noten und neue Herausforderungen für Promotorinnen und Promotoren
Vier Jahre läuft das nordrhein-westfälische "Eine-Welt-PromotorInnen-Programm" jetzt bereits. Nach einer Zwischenbilanz im Jahr 1997 wurde im letzten Jahr ein umfassende Evaluierung vorgelegt. Diese hielt einerseits viel Lob für die Arbeit der Promotoren und Promotorinnen bereit. Auf der anderen Seite verlangt die Landesregierung in Folge der Studie jetzt von ihnen, dass sie ihre Arbeitsfelder genauer bestimmen und die Arbeit langfristiger planen. Die evangelische Kirche arbeitet auf regionaler und vor allem auf lokaler Ebene eng mit den Promotoren zusammen.
von Uwe Kerkow
Die nordrhein-westfälische Landesregierung beauftragte die österreichische Gesellschaft für Kommunikation und Entwicklung (KommEnt) mit der Durchführung der Untersuchung. KommEnt kam zu dem Schluss, dass die Promotoren ihre Aufgabe "im Wesentlichen gut gemeistert" hätten. Besonders hervorgehoben wurde ihr Engagement im Bereich "Lokale Agenda 21", der ungefähr zwei Drittel aller Aktivitäten des Programmes ausmacht. Während 1996 nur vier Kommunen in Nordrhein-Westfalen Beschlüsse zur "Lokalen Agenda" gefasst hätten, seien es Anfang 1999 schon 117 gewesen.
Doch auch die Kampagne "Entwicklungsland Deutschland" und die Öffentlichkeits- und Medienarbeit wurden gelobt. So sei es den Promotoren gelungen "das Thema éEine Welt‘ in wichtigen Teilen der Öffentlichkeit ins Gespräch zu bringen" und sie hätten "eindrucksvolle Beispiele lokaler Pressearbeit" gegeben. Das Beispiel "Altkleiderverwertung" habe ebenfalls gezeigt, wie den Promotoren gelungen sei, verschiedene gesellschaftliche Gruppen an einen Tisch zu bringen. In diesem Fall seien nicht nur die Wohlfahrtsverbände, Verbraucherschutz- und Eine-Welt-Gruppen beteiligt gewesen, sondern es sei auch gelungen, die Abfallwirtschaftsverbände in die Gespräche einzubeziehen. Die Gründung von acht neuen Eine-Welt-Foren in NRW wird von KommEnt als weiterer Beweis für die Qualität der geleisteten Arbeit angeführt.
Die von den Österreichern gemachten Verbesserungsvorschläge werden zum Teil derzeit in die Praxis umgesetzt, zum Teil haben sich die Promotoren und die beiden Träger des Programms, die Carl-Duisberg-Gesellschaft (CDG) und die Landesarbeitsgemeinschaft von Dritte-Welt-Zentren und Koordinationsstellen in NRW (LAG3W), jedoch entschieden, andere Wege zu gehen. So haben sie zum Beispiel – im Einvernehmen mit der Staatskanzlei - beschlossen, den von KommEnt vorgeschlagenen Beirat nicht zu bilden. "Es gibt schon so viele ständige Gremien, die die Landesregierung beraten", kommentiert Petra Leber, Landeskoordinatorin des Programms bei der LAG3W die Entscheidung. "Wir ziehen eine informelle Struktur vor."
Andere Empfehlungen, die von KommEnt kamen und die zum Teil von der Staatskanzlei in Düsseldorf bekräftigt worden sind, werden dagegen umgesetzt. So wurde das geforderte Leitbild vorgelegt, damit es noch vor den Landtagswahlen von den Parlamentariern durchgearbeitet werden konnte.
Ein anderes wichtiges Thema ist die Frage der Weiterbildung. "Bisher haben wir von der LAG Multiplikatoren-Schulungen angeboten", berichtet Leber. "In sechs Blöcken konnten sich die Promotoren und Promotorinnen dabei die Grundlagen aller wichtigen Arbeitsfelder und –methoden aneignen, die man braucht, um eine gute Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Praktisch alle Promotoren haben diese Kurse aber bereits durchlaufen." Zudem seien die Ansprüche an die Weiterbildung gestiegen. Immer wichtiger würden Techniken der Moderation und Konfliktbearbeitung, die insbesondere in den parteiübergreifenden "Agenda 21"-Prozessen von großer Bedeutung seien. "Da stricken wir zurzeit noch dran", räumt Leber ein.
Auch die weitere Finanzierung stellt neue Anforderungen an die Promotoren und die Träger des Programms. Bisher wurden dem Programm jedes Jahr zwei Millionen Mark von der Landesregierung zugewiesen. Übereinstimmend kritisieren sowohl die Autoren der österreichischen Studie wie auch die am Programm Beteiligten diese Verfahrensweise. Die jährliche Zuwendung verhindere eine langfristige Planung und erhöhe den Verwaltungsaufwand. KommEnt hatte einen Planungszeitraum von 10 Jahren vorgeschlagen. 1999 hat die Landesregierung erstmals – über die Zuweisung für 2000 hinaus – eine Verpflichtungsermächtigung für 2001 ausgewiesen. Dafür verlangt die Staatskanzlei jetzt ein Arbeitsprogramm, dass die Aktivitäten für 2000 und 2001 beschreiben soll. Ein workshop zur Erstellung des Programms ist bereits gelaufen. "Wir werden dieses Arbeitsprogramm ebenfalls Ende Februar – zusammen mit dem neuen Leitbild – vorlegen", verspricht Leber. "Und wir sind darüber hinaus auch der Aufforderung nachgekommen, mehr Drittmittel für die Arbeit der Promotoren einzuwerben."
In der KommEnt-Evaluation war der Drittmittelanteil bereits auf zirka 800.000 DM beziffert worden. "Diesen Betrag konnten wir auf rund eine Million Mark steigern", freut sich Leber. "Allerdings verfügen wir bisher nicht über einheitliche Maßstäbe, welche Mittel wir diesem Topf zuschlagen sollen und welche nicht. Viele Promotoren legen die Maßstäbe sehr eng an – andere nicht." Derzeit arbeiten die Träger mit den Promotoren an einem Schema, um die Gelder einheitlich zuzuordnen. Und Leber kann einen weiteren finanziellen Erfolg vorweisen: "Wir haben unlängst die erste frei finanzierte Promotorenstelle eingerichtet. Es handelt sich dabei um eine vom Deutschen Entwicklungsdienst getragene Stelle für eine Rückkehrerin."
Nicht ganz einer Meinung sind die Staatskanzlei in Düsseldorf und die am Promotorenprogramm Beteiligten wohl nicht nur, was die Finanzierung betrifft. Auch das Spektrum der möglichen Aufgaben wird offensichtlich unterschiedlich beurteilt. Während es in einer Stellungnahme der Staatskanzlei heißt, die Zielvorgaben würden angesichts der Ergebnisse der Evaluierung erweitert, spricht Leber von einer "Eingrenzung" des Tätigkeitsfeldes. "An den in der Stellungnahme der Staatskanzlei aufgezählten Feldern haben wir sowieso schon immer gearbeitet", ergänzt sie. "Um diese Vorgaben zu erfüllen, müssen wir eher wieder konzentrieren." Im Einzelnen sind das die Förderung: von Kooperation und Dialog mit den Menschen in Ländern des Südens, von fairem Handel und Konsum, fairem Wirtschaften, der Eine-Welt-Perspektive in Lokale Agenda-Prozessen, der Behandlung von Eine-Welt-Themen an den Schulen und die Förderung des ehrenamtlichen Engagements von Eine-Welt-Gruppen und –Initiativen.
Obwohl in dem Programm mittlerweile neun Fachpromotoren, drei Landeskoordinatoren und 24 lokale Promotoren arbeiten, wird bei näherem Hinsehen jedoch schnell klar, dass es nur einen Bruchteil der in NRW geleisteten entwicklungspolitischen Bildungs-, Informations- und Lobbyarbeit bewältigen kann. Das zeigt auch das Beispiel des Informationszentrums Dritte Welt in Herne. Dort arbeiten 12 hauptamtliche Fachleute – teils aus kirchlichen, teils aus sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen – mit über hundert ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammen. "Davon wird eine Stelle aus dem Promotorenprogramm finanziert", erläutert Pfarrer Harald Rohr aus dem Informationszentrum. Frau Kahlert ist bei uns für den Bereich Schule und Dritte Welt zuständig."
Der Träger des Informationszentrums ist der zur westfälischen Kirche gehörige Kirchenkreis in Herne. Von dem zirka 1,3 Millionen Mark schweren Etat des Zentrums übernimmt der Kirchenkreis 200.000 Mark. "Das ist - soviel ich weiß - einzigartig in Deutschland", meint Rohr. "Der Rest sind überwiegend Landesmittel, aber der Kirchenkreis steht als Ausfallbürge im Notfall für die gesamte Summe gerade." Trotzdem habe man sich in Herne "immer bemüht, die Hemmschwelle für unsere nichtkirchlichen Freunde so niedrig wie irgend möglich" zu halten. "Viele wissen gar nicht, dass wir zu 100 Prozent verfasste Kirche sind", ergänzt Rohr. "Wir arbeiten zu den Kampagnenthemen wie Erlassjahr, Landminen und Kinderarbeit. Unser Schwerpunkt liegt jedoch in der Beratung von Flüchtlingen und Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution."
Der Schwerpunkt lag in Herne schon immer bei der praktischen Arbeit. Deshalb, so vermutet Rohr, ist das Zentrum überregional auch so wenig bekannt. Man publiziere eben nicht. Drei der insgesamt 16 Mitgliedsorganisationen der LAG3W sind kirchlich getragene Nichtregierungsorganisationen. Die rheinische Kirche unterhält zum Beispiel ein Zentrum in Duisburg, in dem ebenfalls ein Dritte-Welt-Promotor mitarbeitet. Doch das sagt noch nicht viel über die Strukturen vor Ort aus. "Auf lokaler Ebene werden schätzungsweise 70 bis 80 Prozent der gesamten Arbeit von kirchlich gebundenen und meist auch über die Kirche organisierten Menschen geleistet", schätzt Leber. Und Pfarrer Rohr ist sich sicher: "Den oft gehörten Spruch von wegen Es läuft doch nichts kann ich nur dementieren".
aus: der überblick 02/2000, Seite 120