Der Zivile Friedensdienst ist nützlich, wird aber mit Erwartungen überfrachtet
Fachleute für den Frieden werden seit 1999 unter dem neu geschaffenen Zivilen Friedensdienst in Krisengebiete entsandt. Sie leisten kleine Hilfen zur Bewältigung von Kriegsfolgen und unterstützen Menschen, die gewaltfreie Wege der Konfliktbearbeitung suchen. Sie können aber weder in Kämpfe eingreifen noch Leute versöhnen, die sich nicht versöhnen wollen.
von Bernd Ludermann
Bürgerkriege sind eines der schwersten Entwicklungshemmnisse - wenn nicht das schwerste. Den Frieden zu fördern ist deshalb in kriegsgeplagten Ländern die beste Entwick-lungshilfe. Dazu will der Zivile Friedensdienst (ZFD) beitragen, der 1999 seine Arbeit aufgenommen hat: Besonders ausgebildete Friedensfachkräfte (FFK) sollen in Ländern des Südens die gewaltfreie Konfliktbearbeitung fördern und Friedensprozesse festigen helfen.
So ist Felicitas Treue vom EED als ZFD-Fachkraft nach Mexiko vermittelt worden. Die Psychologin arbeitet in der Menschenrechtsorganisation ACAT (Christlicher Verein zur Abschaffung der Folter), die Folteropfer und ihre Familien betreut. Zwar wird in Mexiko nicht systematisch gefoltert, erklärt Treue. Aber als Ermittlungsmethode ist Folter nicht selten, und in Bundesstaaten, die am Rande des Bürgerkrieges stehen wie Chiapas, werden Misshandlungen eingesetzt, um das Vertrauen und den Zusammenhalt in indigenen Gemeinschaften zu untergraben. ACAT geht deshalb auch in die Dörfer und erklärt, wie man sich gegen diese Wirkung von Folter wehren kann, und schult Ärzte darin, Folgen von Folter zu erkennen, erklärt Treue.
Andere ZFD-Fachkräfte bilden Einheimische im Umgang mit Traumata, in Friedenspädagogik oder in gewaltfreier Konfliktbearbeitung aus. Sie helfen bei der Wiedereingliederung von Vertriebenen oder fördern Jugendprojekte, die Menschen aus verfeindeten Gruppen zusammenbringen. Sie unterstützen die Aufarbeitung von Gräueltaten oder schützen bedrohte Friedensaktivisten, wie es Christiane Schwarz für die internationale Organisation Peace Brigades International (PBI) in Kolumbien getan hat. Ständige Begleitung durch Ausländer gewährt einen gewissen Schutz vor Verschleppung und Ermordung und ermutigt Initiativen gegen den Krieg, berichtet sie.
Schwarz war die erste im ZFD eingesetzte Fachkraft; im Herbst 1999, als sie bereits als Freiwillige in Kolumbien war, erhielt sie einen Vertrag. Seitdem sind über 130 Fachkräfte des ZFD entsandt worden. Bis Anfang 2003 waren laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 94 ZFD-Projekte bewilligt, davon 35 in Afrika, 21 in Europa (fast alle auf dem Balkan), 23 in Lateinamerika (11 davon in Guatemala), 8 in Asien (vor allem in Ost-Timor und Indonesien) und 7 in Israel und Palästina. Rund 31 Millionen Euro wurden bis Ende 2001 für das Programm aufgewandt.
Ist das eine sinnvolle Investition in den Frieden? Eine klare Antwort kann man noch nicht geben, weil Friedensprozesse, bis sie hinreichend gefestigt sind, länger brauchen als drei Jahre. Aber Chancen und Probleme des ZFD lassen sich abschätzen. Eine Evaluierung, die das BMZ im vergangenen Jahr hat anfertigen lassen, wertet die Aufbauphase des ZFD (die Wirkung der Projekte könne man noch nicht beurteilen) insgesamt als Erfolg. Aber sie weist auch auf Mängel hin. So fehlten einheitliche Standards für die Ausbildung und Vorbereitung der Fachkräfte. Das langwierige Bewilligungsverfahren verzögere den Beginn vieler Projekte, und die Darstellung des ZFD in der Öffentlichkeit sei schlecht.
Schwerer wiegt, dass die Evaluierung Mängel des Konzepts beklagt. So müsse der ZFD seine besonderen Methoden klären und besser gegen die der Entwicklungshilfe abgrenzen. Viele ZFD-Projekte hätten zudem sehr allgemeine Ziele, zum Beispiel "Stärkung der Zivilgesellschaft". Die müsse aber weder immer zum Abbau von Konfliktpotenzial führen, noch sei stets klar, ob und wie sie mit ZFD-spezifischen Mitteln erreicht werden könne.
Solche Mängel sind zum Teil aus der Entstehungsgeschichte des ZFD zu erklären. Denn Pate standen unterschiedliche politische Ansätze. Geboren wurde die Idee im Umfeld der Friedensbewegung der 1980er Jahre. Die Forderung nach Abrüstung und einer sozialen, nichtmilitärischen Verteidigung Deutschlands führte angesichts der Kriege in Jugoslawien und der Intervention in Somalia 1993 zu der Frage, ob und wie man auch im Ausland ohne Militär Kriege beenden oder vermeiden helfen kann. Die Evangelische Kirche in Berlin und Brandenburg schlug 1992 die Einrichtung eines ZFD vor; Theodor Ebert, einer der Vordenker, verstand das als Alternative zum militärischen Eingreifen, auch in laufende Kriege. Einige Organisationen begannen Projekte im Ausland; so unterstützten Pax Christi und der Bund für Soziale Verteidigung Friedensgruppen und Versöhnungsprozesse auf dem Balkan. Im ForumZFD schlossen sich Gruppen aus dieser Strömung zusammen, die einen ZFD anstrebten.
Mitte der 1990er schalteten sich Entwicklungs- und Freiwilligendienste in die Debatte ein, die mit personeller Unterstützung im Ausland längere Erfahrung hatten. Jörg Schwieger von "Dienste in Übersee" (DÜ, jetzt Teil des EED), der am Konzept des ZFD maßgeblich mitwirkte, wies zum Beispiel darauf hin, dass DÜ bereits Friedensprojekte mit Fachkräften unterstützte, etwa die Wiedereingliederung von Soldaten in Äthiopien oder die Gewalt- und Wahlbeobachtung in Südafrika.
Die Entwicklungsdienste, das ForumZFD sowie die "Arbeitsgemeinschaft Dienste für den Frieden" (AGDF), in der kleinere Entwicklungs- und Friedensdienste Mitglied sind, fanden sich im Konsortium ZFD zusammen, um ein Konzept für den neuen Dienst zu entwickeln. Zur Debatte stand unter anderem das Verhältnis zum Staat und die Frage, ob man - wie die Friedensdienste zunächst wollten - viele Freiwillige entsenden sollte oder eher eine begrenzte Zahl von "Profis". Die Entwicklungsdienste setzten sich weitgehend durch: Entstanden ist ein staatlich finanzierter Friedensfachdienst im Ausland. Für eine Erweiterung auf Einsätze in Deutschland, zum Beispiel gegen rechtsradikale Gewalt, setzen sich weiter unter anderem das ForumZFD und die AGDF ein.
Nach dem Regierungswechsel von 1998 machte die Bundesregierung sich die Idee zu eigen. Das BMZ wollte zunächst selbst über den staatlich getragenen "Deutschen Entwicklungsdienst" (DED) tätig werden, während die NGOs Zuschüsse zu ihren Vorhaben wollten. Herausgekommen ist ein Unikum in der deutschen Entwicklungspolitik: Träger des ZFD sind die sechs Dienste, die von der Bundesregierung als Vermittler von Entwicklungshelfern anerkannt sind - DÜ (bzw. der EED), sein katholisches Pendant AGEH (Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe), DED, "Christliche Fachkräfte International", Weltfriedensdienst und Eirene -, außerdem die AGDF sowie das Forum ZFD. Diese beiden müssen Projekte des ZFD aber über die Entwicklungsdienste beantragen. So hat der EED zwei Friedensfachkräfte für PBI "Huckpack genommen".
Die NGOs planen die Projekte. Wenn das BMZ sie nach Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt bewilligt, übernimmt es - anders als bei üblichen Entwicklungsprojekten - die gesamten Kosten einschließlich der Verwaltungskosten im Inland. Das macht das Programm besonders für kleine NGOs attraktiv: Man kann damit seine Arbeit ohne Eigenmittel ausweiten. Der DED hat mit etwa 40 die meisten Friedensfachkräfte im Einsatz, der EED zur Zeit 13, die AGEH 26 und das ForumZFD 14. Um Konzepte der Friedensförderung in der Entwicklungsarbeit abzustimmen und weiter zu entwickeln, haben staatliche und nichtstaatliche Stellen außerdem die "Gruppe Friedensentwicklung" ins Leben gerufen. Beteiligt sind das BMZ, die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, das Konsortiums ZFD, der EED, Misereor, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung und die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung.
Die Idee, mit dem ZFD laufende Kriege anzuhalten, haben die Träger von Anfang an als unrealistisch verworfen. Der ZFD wendet sich an die Zivilgesellschaft im Krisengebiet, nicht an Politiker oder Kriegsherren, betont Bodo von Borries, der Vertreter des Konsortiums ZFD in der Gruppe Friedensentwicklung. Er hat seine Stärken in der Konfliktvor- und -nachsorge und ist kein Instrument, um heiße Kriege beizulegen. Schon weil dort die Sicherheit der Fachkräfte nicht gewährleistet werden kann, würde der EED niemand etwa nach Mogadischu schicken, ergänzt Oliver Märtin, der jetzt beim EED für den ZFD zuständig ist. An Grenzen stößt der ZFD laut von Borries auch in Gebieten, in denen die Regierung kein Gewaltmonopol besitzt wie im Ostkongo. Heikel ist, wenn kirchliche Träger Friedensfachkräfte in stark religiös wahrgenommene Konflikten entsenden.
Dass die Träger des ZFD aus verschiedenen Traditionen kommen, ist in ihrer Projektarbeit erkennbar. Das ForumZFD hat sich zunächst auf Südosteuropa konzentriert, inzwischen ist Israel/Palästina dazugekommen. Dagegen entsenden die Entwicklungsorganisationen vorwiegend in den Süden, wo sie vor der Einrichtung des ZFD bereits tätig waren. Regionaler Schwerpunkt der ZFD-Projekte des EED ist Afrika (Sierra Leone, Mosambik, Uganda und Kamerun); daneben gibt es ZFD-ler des EED in Mexiko und El Salvador, Kambodscha und Indonesien, Rumänien und Bosnien sowie Israel.
Unterschiedlich wird auch die Bindung an lokale Partner gehandhabt. Der EED und die AGEH vermitteln Fachkräfte, auch für den ZFD, nur auf Anforderung einer Partnerorganisation (auch wenn diese Anforderung zuweilen auf Anregungen aus dem Norden zurückgehen). Das ForumZFD hat dagegen in einigen Fällen von sich aus Friedensfachkräfte auf den Balkan entsandt, die erst lokale Partner gewinnen und ihre genauen Aufgaben finden mussten. Heinz Wagner erklärt, dass es keinen anderen Weg gab, weil kurz nach dem Krieg auf dem Balkan niemand für Versöhnungsarbeit Partner hatte. So etwas kann ausnahmsweise sinnvoll sein, befand die Evaluierung. Aber auf Dauer funktionieren ZFD-Projekte nur, wenn einheimischen NGOs sie sich zu eigen machen.
Aber wie eng sollen Friedensfachkräfte an die Partner gebunden sein? Die ZFD-ler des EED und der AGEH arbeiten in der Partnerorganisation selbst mit, auch unter deren Dienstaufsicht. Die Evaluierung gibt zu bedenken, dass dies ihre Neutralität beeinträchtigen kann, falls der Partner einer Konfliktpartei nahe steht. Heinz Wagner nennt als Beispiel ein Projekt des ForumZFD, das in Kroatien vertriebenen und dann zurückgekehrten Serben Rechtsberatung anbot. Die Fachkraft saß im Büro der serbischen Organisation und musste sich gegen die Erwartung wehren, uneingeschränkt den Standpunkt der serbischen Minderheit zu vertreten. Zugleich betrachteten die Kroaten sie als parteiisch. Erst als sie aus dem Büro auszog und nicht mehr den Weisungen des Partners unterstand, konnte das Problem gelöst werden.
Für den EED stellt sich dieses Problem nicht, erwidert Oliver Märtin: "Unsere Fachkräfte machen keine Vermittlung zwischen Konfliktparteien. Und sie konnten sich mit dem Ansatz des Partners immer identifizieren. Wenn man mit Folteropfern in Mexiko arbeitet, ist das ja weniger problematisch als mit Serben in Kroatien." Ist die Fachkraft bei der einheimischen NGO angestellt, dann sei zudem besser gewährleistet, dass die das Projekt als eigenes betrachte und nicht als von außen gesteuert.
Tatsächlich dürfte das angemessene Vorgehen von der Art des Projekts und des Konflikts abhängen. Wo eine übermächtige Regierung einer verwundbaren Opposition gegenübersteht, ist es sinnvoll, Partner auf der Seite der Opfer zu suchen und sie zu stärken (auch wenn das Konflikte offen legen und zunächst verschärfen kann). Neutralität ist da kein Problem. Bei der Hilfe für Opfer - etwa in der Trauma-Arbeit, der Flüchtlingshilfe und der Unterstützung von Wahrheitskommissionen - scheint Solidarität mit dem Partner der einzig angemessene Weg. Dagegen kann es in Konflikten zwischen ähnlich gearteten Gruppen, etwa verschiedenen Nationalismen, vernünftig sein, einen Dialog über die Fronten hinweg zu fördern. Da ist eine gewisse Distanz zu den Partnern wichtig. Nur so kann man Friedensbereite auf beiden Seiten erreichen. Auf einen anderen Nachteil der engen Partnerbindung weist von Borries hin: Sie kann den Zugang zu Friedensfeinden in der Zivilgesellschaft, auch nur einer Seite, erschweren - etwa zu nationalistischen Vereinen oder zu Journalisten, die Hass verbreiten. Ohnehin sei es eine Schwäche des ZFD, dass er oft den Bekehrten predigt.
Und der besondere Ansatz von PBI, nämlich Bedrohte durch Begleitung zu schützen, erfordert eine gewisse Neutralität. Auch PBI beginnt die Arbeit in einem Land auf Anfrage von einheimischen NGOs, erklärt Christoph Klotz von PBI Deutschland. Doch ihre Teams (die überwiegend aus Freiwilligen verschiedener Nationalität und nur zum kleineren Teil aus ZFD-lern bestehen) treten im Gastland als eigenständige Organisation auf, nicht als Mitarbeitende des Partners. Trauma-Arbeit kann man so nicht machen. Dafür kann PBI, erklärt Klotz, in gewissen Grenzen tun, was der ZFD eigentlich nicht kann: In heiße Phasen von Konflikten eingreifen wie in Kolumbien. Allerdings nur, wenn die Regierung aus Angst vor außenpolitischen Folgen Angriffe auf die PBI-Teams fürchtet und sie verhindern kann. Deshalb arbeitet PBI nicht in Gebieten, wo die Regierung keine Kontrolle ausübt.
Eine enge Partnerbindung scheint also nicht für alles passend. Einer ihrer großen Vorteile ist jedoch, dass sie die Gefahr verringert, Fachkräfte zu überfordern. Der Einsatz in einem Konfliktgebiet, vielleicht verbunden mit dem Umgang mit Traumatisierten, ist ohnehin belastender als "normale" Einsätze in einem fremden Land. Wenn Friedensfachkräfte dazu noch ihre Aufgabe im Konfliktgebiet und ihre Partner dort erst finden müssen, kann das zu einer tiefen Verunsicherung über die eigene Rolle führen - bis hin zu Zweifeln am Sinn der ganzen Aufgabe. Das scheint in einigen Projekten des ForumZFD zu Beginn passiert zu sein.
Eine gewisse Entlastung für die Fachkräfte wäre, sie nur in Teams zu entsenden. So geht PBI vor. Christiane Schwarz erklärt, das habe ihr in Kolumbien sehr geholfen. Sie spricht sich auch für internationale Teams aus - Freiwillige, die selbst aus einem Konfliktgebiet stammen wie Nordirland, empfand sie als große Hilfe. Ideal findet Lothar Rast, der für den ZFD zuständige Referatsleiter im DED, wenn deutsche bzw. europäische Friedensfachkräfte im Team mit einheimischen Fachkräften arbeiten (als ZFD-Kraft dürfen EU-Bürger angestellt werden).
Wichtig ist auch, den Fachkräften professionelle Begleitung anzubieten. Der EED hat dazu 1999 eine Studie anfertigen lassen. Drei Psychologinnen und Psychologen stellen mit den Fachkräften vor der Ausreise einen Begleitungsplan zusammen und geben dann bei Problemen telefonisch oder per E-Mail Rat. "Unsere Arbeit ist da wegweisend", sagt Oliver Märtin.
Was soll man nach all dem vom ZFD halten? Zunächst ist er ein neues Instrument in der Entwicklungsphase. Manche seiner Mängel kann man unter Startschwierigkeiten verbuchen - zum Beispiel dass die ersten Projekte unter großem Zeitdruck entstehen mussten und manche daher wenig durchdacht waren oder sich kaum von üblicher Entwicklungshilfe unterscheiden. Auch wurden manchmal Fachkräfte ohne der Aufgabe entsprechende Qualifikation eingesetzt.
Bei allen Mängeln ist der ZFD mehr als nur eine neue Finanzierungslinie für bewährte Projekte - da sind die Beteiligten sich einig. Er verschafft der Arbeit, die früher Freiwillige gemacht haben, Anerkennung als Beruf; "das verbessert meine Stellung nach der Rückkehr", erklärt Schwarz. Der neue Dienst hat den Stellenwert der Trauma-Arbeit in der Entwicklungsförderung erhöht und die Arbeit in Ländern erleichtert, wo "normale" Projekte kaum möglich sind, etwa in Liberia, erklärt Georg Sticker, der bis Ende 2002 für die AGEH am Aufbau des ZFD mitgewirkt hat. Weiter hat der ZFD für sein Arbeitsfeld besondere Qualifizierungsangebote und -anforderungen geschaffen, sagt von Borries. Die psychosoziale Betreuung für Helfende in Konfliktgebieten hat mehr Gewicht bekommen.
Für Lothar Rast hat die Einführung des ZFD vor allem dazu beigetragen, dass die Entwicklungspolitik Konflikte direkt angeht. "Das wurde früher als zu heiß gemieden", sagt er. Walter Hättig bestätigt das für seine Organisation, den Weltfriedensdienst. Er erwartet, dass der ZFD nach und nach die gesamte Entwicklungshilfe konfliktbewusster und damit besser machen wird. Und Oliver Märtin stellt fest, dass der inhaltliche Austausch unter den am Konsortium ZFD beteiligten Organisationen wesentlich enger geworden ist.
Gemessen an Theodor Eberts Forderung, eine Alternative zu Militärinterventionen anzustreben, sind das freilich kleine Erfolge. Kann der ZFD darüber hinaus neue Wege zum Frieden weisen? Die Träger aus der Tradition der Friedensbewegung antworten darauf weniger bescheiden als die Entwicklungsorganisationen - weniger realistisch, würden diese sagen. Das ForumZFD fordert, die Zahl der Friedensfachkräfte auf 500 zu erhöhen. Das steht im Einklang mit dem Befund der Evaluierung, dass erst eine "kritische Masse" an Fachkräften Wirkung erzielt. Eine Erhöhung des ZFD-Budgets von jetzt 13 auf 50 Millionen Euro pro Jahr bis 2006 hat das BMZ bereits angekündigt. Heinz Wagner hofft, dann mit einem dichten Netz von ZFD-Projekten das "Friedensklima" in Gesellschaften, namentlich auf dem Balkan, wirklich beeinflussen zu können.
Georg Sticker ist da skeptisch. "Schließlich haben die über zehntausend deutschen Entwicklungshelfer der letzten 40 Jahre auch nur Entwicklung im Kleinen bewirken können. Andere Faktoren sind da viel einflussreicher", sagt er. Für diese Skepsis spricht: Die "kritische Masse" soll laut der Evaluierung auch dadurch entstehen, dass der ZFD und die übrige deutsche Entwicklungsförderung an einem Strang ziehen. Doch es gibt zwischen den Beteiligten an der deutschen Entwicklungspolitik auch ohne den ZFD schon Abstimmungsprobleme. Zuweilen wirken auch verschiedene Politikfelder und Ressort einander entgegen. So haben die NGOs in manchen Fällen andere Vorstellungen von der Natur des Konflikts, auf den sie einwirken, als das BMZ und - häufiger noch - als das Auswärtige Amt. Die Spannung zwischen dem staatlichen Geldgeber und den nichtstaatlichen Trägern des ZFD dürfte ein Dauerthema bleiben. So fürchtet Christoph Klotz nicht als einziger, dass ZFD-Projekte zur nachträglichen Legitimierung von Militärinterventionen wie der im Kosovo eingesetzt werden könnten.
Noch schwieriger erreichbar ist ein kohärentes Eingreifen in einen Bürgerkrieg, wenn sich Regierungen und NGOs aus verschiedenen Geberstaaten abstimmen sollen. Kurz, der ZFD muss oft gegen Rahmenbedingungen anarbeiten, die er gar nicht beeinflussen kann. "Über Frieden und Krieg in Kolumbien wird auch in Washington und in internationalen Konzernen entschieden", erläutert Sticker. "Noch so viele Friedensfachkräfte im Land werden da nicht gegenhalten können."
Der ZFD kann zudem nur denen auf den Weg des Friedens helfen, die dazu bereit sind. Wenn maßgebliche politische Kräfte in einem Land keinen Frieden wollen, wird der ZFD wenig ausrichten. Entsprechend zurückhaltend definiert Felicitas Treue, die Fachkraft des EED in Mexiko, ihre Rolle: "Wir können den Prozess vielleicht fördern und ein Stück begleiten. Aber er hat begonnen, bevor wir gekommen sind, und geht weiter, wenn wir gegangen sind."
Ob das zu bescheiden ist, wird man erst sagen können, wenn die Wirkung des ZFD auf einzelne Kriegs- und, vor allem, Nachkriegsgesellschaften erkennbar ist. Die ist langfristig und schwer messbar, zumal Änderungen des Friedensklimas sich kaum auf einzelne Faktoren zurückzuführen lassen. Bis dahin kann der ZFD als ein kleiner zusätzliches Teil jenes Instrumentariums gelten, mit dem man, wenn es gut geht, Friedensprozesse fördern kann. Man sollte aber nicht einigen seiner Gründungsväter folgen und ihn mit Erwartungen überfrachten.
LesetippsGewaltfrei eingreifenWie der Zivile Friedensdienst entstanden ist, kann man nachlesen im von Tilman Evers herausgegebenen Buch Ziviler Friedensdienst. Fachleute für den Frieden (Leske und Budrich, Opladen 2000). Auch die Philosophie und die praktische Umsetzbarkeit von gewaltfreier Intervention wird behandelt, und die Debatte über das Konzept des ZFD lässt sich anhand teilweise kontroverser Beiträge nachvollziehen. Die meisten Autoren haben am Aufbau des ZFD mitgewirkt; unter anderem ist die Sicht von DÜ, des DED und des BMZ vertreten. Das Buch ist weiter wichtig, berücksichtigt aber noch keine Erfahrungen aus der Praxis. Die findet man in dem von der AGEH und Misereor herausgegeben Buch Spuren zum Frieden. Erste Erfahrungen und Perspektiven kirchlicher Entwicklungsarbeit zum Zivilen Friedensdienst (Aachen und Köln 2002). Leider sind von den fünf Erfahrungsberichten der Fachkräfte selbst nur die von Silke Maier-Witt und Christoph Hantel anschaulich und erhellend, die anderen wirken blutarm. Ein Schwerpunkt des Buches liegt auf den Konzepten für und Erfahrungen mit der Ausbildung der Fachkräfte. Einige der vielen kurzen Artikel greifen Schwächen des ZFD auf, eine Reihe kommt eher als werbende Absichtserklärung daher. Die besondere Arbeitsweise der Peace Brigades International (PBI) schildern Liam Mahony und Luis Enrique Eguren in ihrem Buch Gewaltfrei stören - Gewalt verhindern. Die Peace Brigades International (Rotpunktverlag, Zürich 2001). Es erzählt die Geschichte von PBI und ihrer Einsätze, vor allem des ersten in Guatemala. Mehrere Kapitel sind über die PBI hinaus sehr interessant - besonders das achte, das ausgezeichnet analysiert, wie und unter welchen Bedingungen die Präsenz von Ausländern den Spielraum für Repression einengen und Dissidenten ermutigen kann. Das englische Original ist 1997 erschienen; ein kurzes Vorwort zur deutschen Ausgabe bringt neuere Informationen und Bemerkungen zum ZFD aus der Sicht von PBI. Ein Themenheft über den Zivilen Friedensdienst hat vor kurzem die Zeitschrift "E+Z" (Heft 1/2001, Januar 2003) vorgelegt. Hier sind unter anderem die Evaluierung des BMZ und die Erkenntnisse des EED über besondere seelische Belastungen für Friedensfachkräfte zusammengefasst. Lesenswert ist auch der Artikel darüber, wie NGOs Strategien der Friedensförderung entwickeln und inwieweit man die Wirkungen messen kann. bl |
aus: der überblick 02/2003, Seite 108
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".