Der geplante Freiwilligendienst
Der geplante Freiwilligendienst in Übersee kann zur entwicklungspolitischen Bildung beitragen und der EED erwägt sich daran zu beteiligen, erklärt Wilfried Steen. Er gehört dem Vorstand des EED an und ist für Fachkräfte und Stipendien sowie Entwicklungspolitik und Inlandsarbeit zuständig.
Gespräch mit Wilfried Steen
Für wie nützlich halten Sie den neuen Freiwilligendienst?
Er ist sehr nützlich, weil junge Leute seit langem große Nachfrage nach einem Freiwilligendienst in Entwicklungsländern äußern. Gerade Menschen an der Schwelle zum Studium oder Beruf möchten sich oft ein Jahr im Ausland erproben.
Für junge Freiwillige ist das ein Gewinn, aber welchen entwicklungspolitischen Nutzen hat es?
Aus entwicklungspolitischer Sicht hat es nur dann einen Nutzen, wenn der Dienst erstens sorgfältig vorbereitet wird, das heißt die jungen Leute müssen gründlich entwicklungspolitisch informiert und geschult werden. Zweitens müssen sie am Einsatzort vernünftig begleitet werden. Drittens ist auch eine gründliche Nachbereitung nötig. Wir möchten ja, dass die zurückgekehrten Freiwilligen zur entwicklungspolitischen Bildungsarbeit zu Hause beitragen.
Es geht in erster Linie um Bildung und die Gewinnung von Multiplikatoren?
Ja, das ist richtig.
Wer kann die Begleitung am Einsatzort übernehmen?
Entweder die Partner im Süden oder speziell dafür abgestellte Kräfte. Im EED überlegen wir, ob wir unsere rund 200 Fachkräfte in Übersee einbeziehen und sie motivieren können, eine Zeit lang einen oder zwei Freiwillige zu betreuen. Man muss den jungen Leuten, die oft zum ersten Mal in Übersee sind, helfen, auch Schocks und Frustrationen am Einsatzort zu verarbeiten.
Wie äußern sich Partner in Übersee dazu, dass sie Freiwillige in ihre Arbeit einbeziehen und betreuen sollten?
Wir haben noch keine direkten Reaktionen, die Pläne sind ja noch nicht ausgereift. Es gibt aber EED-Partner, die bereits ausdrücklich um die Entsendung von Freiwilligen gebeten haben – zum Beispiel eine Organisation in Kambodscha. Freiwillige können dort keinen Entwicklungsdienst leisten wie Fachkräfte, dazu sind sie nicht ausgebildet. Sie können aber zum Beispiel in der Büroarbeit oder der Öffentlichkeitsarbeit helfen, etwa Material herstellen oder internationale Internet-Seiten bearbeiten. Sie können auch praktische Aufgaben übernehmen, etwa in der ökologischen Landwirtschaft.
Der EED will sich also an diesem Programm beteiligen?
Der EED ist im Herbst von seiner Mitgliederversammlung gebeten worden, sehr ernsthaft zu prüfen, ob er einen Freiwilligendienst leisten kann, und zwar in engem Kontakt mit Missionswerken und anderen kirchlichen Einrichtungen. Das ist noch nicht beschlossen. Aber wir bereiten uns darauf vor, ein Angebot zur Beteiligung an das BMZ abzugeben, sobald das Ministerium die Einzelheiten des Programms geklärt hat und wir wissen, was für uns die Bedingungen sind.
Die meisten Mitglieder des EED sind Landeskirchen. Warum sind die interessiert, dass der EED einen Freiwilligendienst anbietet? Wollen sie selbst Freiwillige entsenden?
Genau. Die Landeskirchen sind relativ große Einsatzzentren für Freiwillige, vorwiegend natürlich im Inland. Die badische Landeskirche allein hat ungefähr 350 Freiwillige im In- und Ausland im Einsatz. Der EED ist das evangelische Werk, das die Kontakte zum BMZ hält, daher ist er für die Landeskirchen, die junge Leute in das neue Programm des BMZ vermitteln wollen, der natürliche Ansprechpartner.
Welche Bedingungen müssen für den EED erfüllt sein, damit er an dem Programm teilnehmen kann?
Wenn wir ein Freiwilligenprogramm auflegen, müsste sichergestellt sein, dass wir nicht aus den Mitteln des kirchlichen Entwicklungsdienstes zuschießen müssen. Wir haben Fachleute für Personalvermittlung. Ob aber unsere Kosten für die Verwaltung des Programms gedeckt werden, ist bisher nicht klar. Man weiß nur, dass 70 Millionen Euro zur Verfügung stehen sollen, aber zum Beispiel nicht, mit welcher Zahl von Freiwilligen man beginnt. Mehrere Tausend Plätze werden ja nicht gleich am Anfang zur Verfügung stehen.
Das BMZ rechnet mit 580 Euro pro Monat und Freiwilligem für sämtliche Kosten wie Verpflegung, Unterkunft, Versicherung, Betreuung und Taschengeld, oder?
Ja. Der EED muss überschlagen, wie viel davon uns für die Abwicklung zur Verfügung steht – zum Beispiel 100 Euro pro Monat – und ob das genügt, um die Verwaltungskosten und die Betreuung zu gewährleisten. Wir müssen ja etwa Ansprechpartner haben, die man bei Problemen anrufen kann. Der Personalaufwand ist beträchtlich. Größere eigene Mittel können wir dafür im Grunde nicht einsetzen. Kleine Organisationen können das vielleicht, wenn sie etwa Spenden für Freiwillige bekommen oder Freiwillige ihren Einsatz selbst bezahlen lassen, so dass die 580 Euro im Monat nun zusätzlich hereinkommen. Wir müssten aber schon den Freiwilligen ein Taschengeld zahlen. Bevor wir beschließen, dass wir uns beteiligen, werden wir also zuerst das Kleingedruckte prüfen. Ohne Beteiligung nichtstaatlicher Träger wird das BMZ allerdings Probleme haben, die nötige Zahl von Einsatzplätzen zu finden.
Wer soll denn darüber entscheiden, in welchen Projekten Freiwillige eingesetzt werden?
Auch das ist noch unklar. Die beste Regelung wäre aus unserer Sicht eine, die dem Entwicklungshelfer-Gesetz entspricht. Es lässt den nichtstaatlichen Entwicklungsdiensten weitgehende Freiheit bei der inhaltlichen Gestaltung der Programme, in denen Entwicklungshelfer arbeiten. Wir werden darum kämpfen, dass dies beim Freiwilligenprogramm auch so geregelt wird.
aus: der überblick 01/2007, Seite 174
AUTOR(EN):
Die Fragen stellte Bernd Ludermann.