Die größte Frauenzeitschrift Marokkos femme du Maroc
Wie viele ihrer jungen Kolleginnen ist Aicha Zaimi Sakhri keine ausgebildete Journalistin. Die 36jährige hat Betriebswirtschaft studiert und für Teleplus gearbeitet, einen der Marktführer im Bereich Printmedien in Marokko. Doch als ihr Chef 1995 eine neue Monatszeitschrift für Frauen auf den Markt bringen wollte, ergriff sie die Gelegenheit und tauschte den Schreibtisch in der Marketing-Abteilung gegen den Sessel der Chefredakteurin.
von Martina Sabra
Bevor Femmes du Maroc (Frauen Marokkos) im November 1995 auf den Markt kam, gab es keine einzige marokkanische Frauenzeitschrift - abgesehen von La Citadine (Die Städterin), die einen Monat vorher erstmals erschienen war, aber inhaltlich und gestalterisch bei weitem nicht mit Femmes du Maroc mithalten konnte. "Wir wollten eine Zeitschrift machen, die internationalen Qualitätsstandards genügt und in der die Marokkanerinnen sich gleichzeitig mit ihrer eigenen Kultur wiederfinden", sagt Aicha Zaimi Sakhri. Auf den Modeseiten von Femmes du Maroc erscheinen deshalb nicht nur Lippenstifte, Miniröcke und Badeanzüge, sondern auch traditionelle Kosmetik, Kaftane und Djellabas.
Manche kritisieren den hohen Preis (16 Dirham, rund 3 Mark) und die aufwendige Aufmachung des Blattes. Doch von Anfang an überraschte die Zeitschrift mit professionell recherchierten, gut geschriebenen Reportagen, die soziale Ungerechtigkeiten in Marokko aus Frauensicht kritisieren: Alltag in den Slums, Analphabetismus und Bildungsmisere, Gewalt gegen Frauen, Kinderarbeit, die Situation der Kindersklavinnen in marokkanischen Haushalten, die traurige Lage auf marokkanischen Entbindungsstationen und die Probleme lediger Mütter. Femmes du Maroc beteiligt sich darüber hinaus intensiv an frauenpolitischen und kulturellen Debatten. "Wir sind in Kontakt mit sämtlichen Vereinen und Personen, die sich um bessere Lebensbedingungen für Frauen in Marokko bemühen", so Aicha Zaimi Sakhri. "Die Zeitschrift ist für uns ein wichtiges Mittel zur Vernetzung."
Gelegentlich fällt das Magazin jedoch auch auf die Nase - so mit einem Dossier über die Sexualität von Jugendlichen im Sommer 1998. Die konservativen Religionsgelehrten protestierten, und Femmes du Maroc mußte von den Kiosken entfernt werden. "Zum Glück waren die meisten Exemplare schon verkauft", schmunzelt Aicha Zaimi Sakhri. Dieser Fall hat uns gelehrt, daß wir nicht in Europa sind. Vielleicht wollten wir auch zu viel auf einmal. Aber der Islam ist ja nicht gegen das sexuelle Vergnügen an sich. Jetzt achten wir darauf, daß es immer um Sex innerhalb der Ehe geht." Auf diese Weise kann die Zeitschrift selbst über so gewagte Themen wie die Penislänge des Mannes oder intime Küsse schreiben. Offiziell ist die Zensur in Marokko zwar seit 1988 abgeschafft, doch der rechtliche Rahmen, in dem sich die Presse bewegt, ist nicht klar abgesteckt", kritisieren die marokkanische Menschenrechtsorganisation OMDH (Organisation Marocaine des Droits des Hommes) und die in London ansässige Menschenrechtsorganisation Artikel 19 in ihrem gemeinsamen Buch über Presse- und Informationsfreiheit in Marokko von 1995. "Selbstzensur ist immer noch verbreitet", meint auch Aicha Zaimi Sakhri.
Femmes du Maroc hat seine Auflage von 8000 auf 20.000 Exemplare pro Monat gesteigert und ist mittlerweile aus den roten Zahlen heraus, auch wenn das Blatt nach Angaben der Chefredakteurin unterm Strich noch keine Gewinne macht. Gelesen wird die Zeitschrift hauptsächlich von gebildeten, berufstätigen Frauen zwischen 25 und 40 Jahren in den Metropolen Casablanca und Rabat; die Hälfte der Leserinnen ist unverheiratet. Aber auch Männer lesen Femmes du Maroc; das belegen die zahlreichen Telefonanrufe und Zuschriften von Männern. Auch Töchter von Emigranten in Frankreich und Belgien lesen das Blatt: "Wir vermitteln ihnen ein moderneres, angemesseneres Bild von Marokko als ihre Eltern, die die gesellschaftliche und politische Entwicklung nicht miterlebt haben und oft noch alten Vorstellungen anhängen", meint die Chefredakteurin. Die Gesamtzahl der Leserschaft wird auf 100.000 geschätzt.
Nach wie vor erscheint das Magazin aber ausschließlich auf Französisch. Bisher gibt es keine marokkanische Frauenzeitschrift in arabischer Sprache - lediglich einige von saudi-arabischen Verlegern in London. "Was darin steht, spiegelt in keiner Weise die Realität der Durchschnittsmarokkanerinnen wider. Wenn wir Femmes du Maroc auf Arabisch herausbrächten, wäre die Zahl der Leserinnen dreimal so hoch", erklärt Sakhri überzeugt. Allerdings verdienen die arabophonen Leserinnen im Schnitt weniger als die frankophonen. Die Zeitschrift müßte also billiger sein und die Produktpalette, für die geworben wird, müßte anders aussehen. Das würde geringere Werbeeinnahmen bedeuten.
Im Jahr 2000 will Femmes du Maroc dennoch den Versuch wagen und ein preisgünstiges, aber qualitativ hochwertiges arabisches Pendant auf den Markt bringen. Aicha Zaimi Sakhri erklärt: "Wir sind es leid, daß die französischsprachigen Publikationen immer viel ansprechender gestaltet und auf besserem Papier gedruckt sind als die arabischen, so, als ob die arabische Sprache weniger wert wäre. Diesen Fehler möchten wir nicht wiederholen."
aus: der überblick 04/1999, Seite 62
AUTOR(EN):
Martina Sabra:
Martina Sabra ist freie Journalistin. Sie befaßt sich vorwiegend mit Frauenalltag und Frauenbewegung in arabischen Ländern. Seit 1995 begleitet sie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung Frauenprojekte in Nordafrika.