Politischer Einsatz gefragt
Was erwarten Partner im Süden vom Zivilen Friedensdienst (ZFD)? Welche Erfahrungen haben sie damit gemacht? Erste Antworten darauf gab Anfang Dezember, rund drei Jahre nach Entsendung der ersten Friedensfachkräfte, eine Partner-fachtagung in Bonn.
von Bernd Ludermann
Ausgerichtet hatten die Tagung der EED sowie die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) von katholischer Seite. Beide gehören zu den Trägern des Zivilen Friedensdienstes (ZFD), das heißt sie unterstützen mit Friedensfachkräften Projekte der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und Konfliktnachsorge ihrer Partnerorganisationen oder -kirchen (vgl. "überblick"-Forum 2/2003). 26 Vertreterinnen und Vertreter solcher Partner aus 13 Ländern waren zu der Tagung gekommen - von Kambodscha bis Rumänien und Peru. Mehrfach vertreten waren Kenia, Uganda, Mosambik, Sierra Leone und Kolumbien.
Die Debatten warfen ein Schlaglicht auf das unvermeidliche Spannungsverhältnis zwischen Konzepten aus dem Norden und Initiativen im Süden und auf die Schwierigkeiten, politische Prozesse auf beiden Seiten aufeinander abzustimmen. Ein Problemfeld ist die Rolle der Fachkräfte. Manchmal entspricht deren westlich geprägte Ausbildung nicht den gemeinschaftsorientierten Ansätzen der Trauma-Heilung in Afrika, merkten Vertreterinnen aus Sierra Leone und Uganda an. Entscheidend fanden mehrere aus dem Süden, wie gut Fachkräfte von außen mit ihrem für das Gastland sehr hohen Gehalt sich in die Organisation einfügen, für die sie arbeiten, und dem örtlichen Lebensstil anpassen. Andererseits wies etwa Daniel Botha aus Namibia darauf hin, dass Friedensfachkräfte mit ihrer Arbeit in einem fremden und problematischen Umfeld "Opfer bringen". Weil man das schätze, zögere man, sie gegenüber der entsendenden Organisation zu kritisieren. "Kann das zur Folge haben, dass Probleme zu spät angesprochen werden?", fragte daraufhin Oliver Märtin vom EED.
Ein zweites Problemfeld ist der institutionelle Rahmen des ZFD in Deutschland - manche Partner würden sagen, das bürokratische Korsett. Mehrfach wurde gefragt, warum Fachkräfte nur für drei Jahre entsandt werden. Auch die Anforderungen an Berichte und Evaluierungen wurden kontrovers beurteilt. Sie können hilfreich sein, weil sie zum Nachdenken über die eigene Arbeit zwingen, erklärte Viveca Hazboun von einer in der Trauma-Arbeit tätigen nichtstaatlichen Organisation (NGO) in Jerusalem. Viele Partner empfanden sie aber eher als Kontrolle von Seiten der Geber.
Zum Teil liegt das an Zweifeln bezüglich der Methoden. So kann die Frage nach Fortschritten in der Behandlung von Traumatisierten verfehlt sein, wenn Gewalt immer wieder neue Traumata erzeugt, sagte Hazboun: "Manchmal arbeiten wir in Israel sehr hart, nur um Verschlechterungen zu verhindern." Und Pfarrer Paulus Widjaja von einer indonesischen NGO, die in der Friedenserziehung tätig ist, bezweifelte, ob diese Arbeit ähnlichen Erfolgkriterien unterworfen werden könne wie klassische Projekte. Denn sie sei langfristig angelegt und viel schwerer quantifizierbar als etwa der Bau von Brunnen. Niemand zog aber den Schluss, man solle deshalb auf Bewertungen und Kontrollen verzichten. Einige Partner berichteten, wie sie selbst den Nutzen ihrer Arbeit abzuschätzen versuchen: Sie sprechen zum Beispiel mit Gemeinschaften, in denen Traumatisierte leben, über deren Verhalten oder schätzen die Wirkung von Bildungsmaßnahmen anhand von Vergleichen ab, wie eine Gruppe vorher und nachher kritische Situationen bewältigt.
Bei den Organisationen aus dem Süden und Osten scheint aber das Verständnis für die Zwänge, denen die Geber aus dem Norden unterliegen, mit der Tagung gewachsen zu sein. Viele erfuhren erstmals im Einzelnen, dass der ZFD als Gemeinschaftsunternehmen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und deutscher NGOs konstruiert ist. Bei manchen löste das Erstaunen aus; sie können sich derart kooperative Beziehungen zum Staat in ihrer Heimat schwer vorstellen.
Immer wieder wurden zwei Grundprobleme des ZFD angesprochen: das Verhältnis zur klassischen Entwicklungsarbeit und die Notwendigkeit, stärker auf die Ursachen statt die Symptome von Friedlosigkeit einzuwirken. Über die erste Frage waren die Süd-NGOs nicht einig: Während Ermelindo Monteiro aus Mosambik den Zusammenhang von Frieden und Entwicklung betonte, warnte Widjaja davor, Friedensarbeit zum Teil der Entwicklungsförderung zu machen. In der zweiten Frage stimmten die Süd-NGOs weithin überein. Der ZFD setzt an der Basis der Gesellschaft an, doch die Kriegstreiber sitzen oft an der Spitze, erklärte etwa Widjaja. Zu den einheimischen Eliten haben Fachkräfte des ZFD aber keinen Zugang. Auf sie solle der ZFD über den Umweg der Politik in Deutschland stärker einwirken.
Diese Forderung nahmen die Vertreter des EED, der AGEH und des BMZ in der Abschlussdiskussion auf. Einhellig plädierten Thomas Kemper vom Aufsichtsrat des EED, Michael Steeb von der AGEH und Winfried Steen vom EED für mehr partnerschaftliche Advocacy-Arbeit im Rahmen des ZFD: Die Träger in Deutschland sollten den Anliegen und den Vertretern der Partner Zugang zur deutschen Politik öffnen und diese beeinflussen helfen. Dazu müsse der ZFD stärker in die deutsche Öffentlichkeit wirken; auch Kritik der Kirchen an der Bundesregierung könne nötig sein. Wie realistisch oder nur wünschenswert ein koordiniertes Herangehen an die Friedensförderung ist, blieb aber offen. Die Zusammenarbeit aller Träger ist angesichts von deren ganz verschiedenen Partnern nicht immer sinnvoll, bemerkte etwa Steeb.
Insgesamt wurde der ZFD bei allen Schwierigkeiten als wichtige Errungenschaft bewertet. Den größten Nutzen der Tagung sahen die Partner in der Chance, sich untereinander kennen zu lernen. Sie entdeckten, dass Menschen in anderen kriegsgeplagten Ländern ganz ähnliche Probleme haben wie sie selbst. Mehrere baten um ein Programm, das ermöglicht, sich stärker auszutauschen und gegenseitig zu besuchen. Darauf sagten die Träger aus Deutschland: Das können wir vermutlich finanzieren helfen, aber organisieren müsst Ihr das selbst.
aus: der überblick 01/2004, Seite 150
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".