Die Fische, das Weltmeer und die Ökumene
24 Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.
25 Da ist das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt's ohne Zahl, große und kleine Tiere.
26 Dort ziehen Schiffe dahin; da sind große Fische, die du gemacht hast, damit zu spielen.
27 Es warten alle auf dich, dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit.
Psalm 104,24-27
von Eberhard le Coutre
Wir versuchen eine Annäherung an einen über zweieinhalb Jahrtausende alten Text. Was man in jeder Journalistenschule lernen kann, ist: Das Wichtigste am Anfang sagen. Also, es wird den geneigten Leserinnen und Lesern nahegelegt oder sogar dringend empfohlen, den ganzen Psalm 104 zu lesen, und am besten auch noch gleich mindestens die beiden ersten Kapitel der Bibel über die Schöpfung. Wer das tut, hat eine Menge für sich - wenn es gut geht, auch für seine Umgebung - getan. Der 104. Psalm ist neben den Schöpfungsberichten im Buch Genesis (Kapitel 1-11) wohl das eindrucksvollste Zeugnis der Schönheit und Vollkommenheit von Gottes Schöpfung, das uns in der Bibel überliefert worden ist.
Die Fische sind Lebensgefährten der Menschen von ganz besonderer Art. Wer eine Weltkarte betrachtet, oder besser noch einen Globus, kann es nicht übersehen: Mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche (71 Prozent) sind mit Wasser bedeckt. Man rechnet mit 178.000 Arten maritimer Lebewesen. Allerdings sind nur etwa 16 Prozent davon (28.500) Fische, sowohl in den Meeren als auch in den Binnengewässern. Einige von ihnen gehören zu den ältesten noch nicht ausgestorbenen Lebewesen. Zum Vergleich: Gegenwärtig leben auf der Erde etwa 4.200 Säugetierarten, einige davon auch im Wasser. Es gibt also fast siebenmal so viele verschiedene Fische wie Säugetiere. Für den Vergleich der Lebensräume ist ferner wichtig, dass es auf dem Land nur auf der Oberfläche Leben gibt, während für die Meerestiere eine über weite Teile der Ozeane bis in Tausende von Metern reichende Tiefe die Fülle ihres ganzen Lebensraumes ausmacht.
Wer anfängt, über die Fische und ihre Lebenswelten nachzudenken, kann sich leicht ins Spekulative und Verträumte verlieren. Dafür gibt es verständliche Gründe. Inzwischen wissen wir beispielsweise, dass die Fische keineswegs so stumm sind, wie lange behauptet und dass sie es verstehen, gut funktionierende Kommunikations- und Sozialsysteme aufzubauen und erfolgreich zu gestalten. Weiter haben wir gelernt, dass einige Meeresbewohner zu den intelligentesten Lebewesen gehören, die wir außer den Menschen kennen und dass die belebte Unterwasserwelt insgesamt einen ästhetischen Subkosmos von noch nicht annähernd vollständig erkannter und beschriebener Schönheit und Vielfalt bildet. Schönheit pur als schöpfungsgemäßer Selbstzweck, eine wichtige theologische Einsicht. Die Schöpfung bringt einmalig eindrucksvolle Objekte hervor ohne kongeniale Betrachter vorauszusetzen. Das zwielichtige Wort Unterwelt bekommt einen völlig neuen Sinn mit eigenem Glanz und eigener Würde. - Bei vielen heutigen Diskussionen um Schöpfung und Überleben, die oft genug von nicht immer gründlich durchdachten Moralisierungen und entsprechend mehr oder weniger intelligenten Forderungen geprägt sind, wird dieser Aspekt kaum gesehen. Bewahrung der Schöpfung aber ist mehr als Umweltschutz. Ästhetik ist nicht nur eine Kategorie der Kultur, sondern primär ein unverzichtbares und konstitutives Attribut der Schöpfung, oder - wie die Philosophen lieber sagen - des Seienden.
Man braucht vielleicht ein wenig ökumenische Erfahrung, aber nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen: Das große, weite, tiefe, bis heute wenig erforschte und schwer erforschbare Weltmeer mit allem, was darin lebt - teilweise höchst diszipliniert und geordnet, insgesamt aber auch voll größter Vielfalt und in sich immer wieder scheinbar willkürlich und frei veränderlichen Formationen - vom Wettergeschehen aus mehreren Tausend Meter Höhe bis hin zu den Bewegungen, welche die Gründe und Abgründe in den tiefsten Tiefen gestalten ... diese ganze, bestenfalls teilweise und bisher oft nur unzulänglich erkennbare und erforschte, letztlich unübersehbar bleibende Über- und Unterwasserwelt mitsamt ihrem Gewimmel, wie es in den deutschen Bibelübersetzungen (Luther, Buber/Rosenzweig) heißt, ist ein höchst eindrucksvolles Bild, das wir uns von der Vielschichtigkeit der Glaubenswelten und ihren Theologien machen können.
Man darf ja nicht übersehen: Ökumene ist nicht nur eine Vielfalt von Institutionen, Personen und Gemeinschaften, sondern letztlich die den Strukturen und Organisationen zu Grunde liegende Fülle - Gewimmel ist kein so schlechtes Wort dafür - geistiger Welten, Strömungen, Denkweisen, Traditionen und Befindlichkeiten. Bestenfalls ein sehr vereinfachtes und - gleichsam für museale Zwecke - verkleinertes Anschauungsmodell davon bildet die uns vertraute, weltweit organisierte und vernetzte Aquariumsökumene: Ein Minikosmos von teils größeren, teils kleineren Aquarien, verbunden durch mal besser, mal weniger gut bewachte Schleusen, die teils von hierarchisch hoch differenziert, teils eher chaotisch operierenden Schleusenwärtern mal auf und mal zu gemacht werden sowie hin und her, kreuz und quer durcheinander wimmelnde Ober-, Pilot-, Leit- und Zierfische, Kanäle sowie Bäche mit und ohne Stromschnellen und schließlich jeweils unterschiedlich effiziente Belüftungssysteme und variierende, neidisch beobachtete Futterzufuhrmechanismen.
Vermutlich werden dazu bestallte Berufsökumeniker, die alles Ungeregelte und Divergente immer so gern in einheitliche Ordnungen bringen wollen, das alles etwas anders sehen. Vielleicht aber könnte es auch deren Weltbild nicht ungünstig beeindrucken, wenn auch sie die Ökumene - wenigstens mal vorübergehend - nicht immer lediglich als durch das eine, einsame Schiff auf der Wasseroberfläche symbolisiert betrachteten. Man muss das Ganze, also die vielen (keineswegs immer in Kiellinie schippernden) Schiffe plus Besatzungen, plus Wetter und Wellen, plus Meer, plus Wassertiefen, plus allem, was sich im Wasser regt und bewegt als das umfassendere Bild für die uns zugängliche Vielfalt und Fülle der Wahrheiten Gottes und seiner Welt sehen lernen. Das große weite Weltmeer und seine Bewegungen: Ein in unserem unmittelbaren Erfahrungsbereich kaum zu überbietendes Symbol für die Unerschöpflichkeit der geistigen Welten, in denen wir denken, hoffen, leben. Nirgendwo lernt man besser als bei der Seefahrt: Die Oberfläche ist nicht alles. Zwar machen wir ganz entscheidende Erfahrungen und Erkundungen an den Oberflächen. Aber ein wesentlicher Teil dessen, was lebt und die ganze Schöpfung ausmacht, geschieht verborgen, unter den Oberflächen und grüßt nur ab und an durch kurzes Auf- und ebenso schnelles Wiederabtauchen oder wird bei Sturm und Wellen vorübergehend sicht-, wenn auch selten erkennbar.
Damit haben wir uns nun den biblischen Perspektiven vom Wasser und von den Fischen genähert. Um es gleich zu sagen: Erschöpfende Betrachtung ist nicht möglich. Was in manchen - oder: den meisten? - Kirchen verdrängt wird, nämlich dass sich aus der Bibel keine in allen Details kohärente und widerspruchsfreie Dogmatik ableiten und auf vernünftige Weise zur verbindlichen Kirchenlehre machen lässt, kann unter anderem gut studiert werden durch Vergleiche der verschiedenen Schriftstellen, in denen vom Weltmeer, von den Fischen und den anderen Lebewesen im Wasser die Rede ist.
Hier konzentrieren wir uns auf ein paar Sätze aus einem Psalm und wissen, dass es andere Stellen in der Bibel gibt, in denen ganz anders über die Fische und die Meere geredet wird. Zum Beispiel Jona, der Prophet im Bauch des Walfisches. Zum Beispiel Jesus und die Fischer am Galiläischen Meer - einer von ihnen, Simon Petrus, wurde nach dem Tode Jesu für eine Reihe von Jahren die wichtigste Führungspersönlichkeit der ersten christlichen Gemeinden. Oder denken wir an die große Speisung: Sieben Brote und ein paar Fische für "viertausend Mann, ausgenommen Frauen und Kinder" (Matthäus 15,38). Es ist fürwahr nicht überraschend, dass der Fisch schon sehr früh neben dem Kreuz, zum wichtigsten frühchristlichen Symbol geworden und es bis heute geblieben ist.
Bei dem Versuch, den 104. Psalm zu verstehen ist es vor allem wichtig, zu erkennen, wie hier von den Menschen in der Schöpfung die Rede ist. Ohne Herrschaftsauftrag. Die Menschen gehören zur Natur und ihren Abläufen wie die anderen Lebewesen auch. Für das Vieh lässt der Schöpfer Gras wachsen und für die Menschen Saat, damit er Brot backen kann (V. 14). Im übrigen geht der Mensch an seine Arbeit, wenn die Sonne aufgeht und an sein Werk bis an den Abend (V. 23). Zwei Gewächse allerdings privilegieren die Menschen: Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz werde schön vom Öl (15). Der Mensch soll - im Blick auf manche Kreise muss man eher sagen: darf - genießen und er darf auch etwas für seine Schönheit tun. Das klingt nicht nach Puritanismus oder Pflicht, nicht einmal nur nach protestantischem Profil.
Weiter fällt auf: Von allen Planungen und Werken der Menschen wird hier nur ein Menschenwerk genannt, nämlich die Schiffe. Bei genauerem Hinsehen fällt weiter auf, dass die Schiffe eigentlich gar nicht als Menschenwerke angesprochen werden (V. 26), sondern etwas ähnliches zu sein scheinen wie die Fische. Riskieren wir mal eine kühne Deutung: Schiffe sind wie nichts sonst die Konstruktion gewordene Sehnsucht des seinen herkömmlichen Lebensraum überschreiten wollenden Menschen. Seit es Zeugnisse vom Leben der Menschen auf der Erde gibt, müssen Fische und andere Meereslebewesen die Menschen fasziniert und muss deren Lebensraum, das Meer, einen besonderen Reiz auf die Phantasie und Erlebnisbedürftigkeit der Menschen ausgeübt haben. So wurden Schiffe für viele Jahrtausende die einzigen Fahrzeuge auf unserem Globus, die Menschen Schutz, Sicherheit und Versorgung bieten konnten für wochen-, monate-, jahrelange Reisen. Die beiden wesentlichen Antriebsarten, Segeln und Rudern, werden bis heute, nicht nur im Sport, sondern auch immer noch kommerziell genutzt. Jedes Schiff, das die großen Seen und Meere befährt, war und ist ein bergendes, abgeschlossenes Gefäß, ein alles Notwendige enthaltender, gut geschützter Raum, dessen Unversehrtheit von den Seeleuten permanent beobachtet und bei Bedarf sofort repariert wird. Jedes Meeresfahrzeug ist eine erfinderische Antwort auf ein uraltes und urstarkes Bedürfnis des die Welt in Besitz nehmenden homo sapiens. Jedes Schiff eine geniale, mit Phantasie und Hoffnung geplante und gebaute Investition in Zukunft.
Zum 26. Vers des 104. Psalm ist aber noch eine andere Anmerkung wichtig. Hier abgedruckt wurde aus der von der Evangelischen Kirche in Deutschland 1984 herausgegebenen revidierten Fassung der Lutherbibel, also aus der zur Zeit für den kirchlichen Gebrauch aktuellsten Übersetzung ins Deutsche. Der sehr poetisch und anmutig klingende Satz, dass Gott mit den großen Fischen spielt, lässt eine Seite Gottes - zu dessen Ebenbild die Menschen gemacht worden sind - erahnen, von der im allgemeinen wenig die Rede ist. Man ist zunächst versucht, zu sagen, auf solche Weise erscheine Gott menschlicher. Aber ebenso gut oder vielleicht sogar noch besser machte es Sinn, zu sagen, die Gottheit Gottes werde sozusagen vollständiger durch seinen Spieltrieb. Ehe sich die Phantasie aber nun auch ihrerseits selbst weiter verspielt, muss allerdings mitgeteilt werden, dass der Urtext hier grundsätzlich zwei Übersetzungsmöglichkeiten zulässt. So muss es nicht unbedingt heißen, dass Gott mit den Fischen spielt, es kann vielmehr auch heißen, dass er die großen Fische dazu gemacht habe, dass sie selbst miteinander spielen. In einer Lutherbibel aus dem Jahre 1824 ist die folgende, Gemüt und Phantasie mindestens ebenso anregende wie die heute gebräuchliche Fassung über das Leben im Meer zu lesen: "... da sind Walfische, die du gemacht hast, dass sie darinnen scherzen".
Wenn schon von sprachlichen Details die Rede ist, muss schließlich auch noch hinzugefügt werden: Im hebräischen Urtext erscheint hier nicht das übliche Wort für Fisch, sondern es wird hier der auch aus anderen antiken Zusammenhängen bekannte und berüchtigte Leviathan genannt. Damit wird an ein Fabelwesen aus den Zeiten vormonotheistischer Vorstellungen erinnert. Einzelheiten sind aus den biblischen und sonstigen Quellen nicht mehr eindeutig zu erkennen. Aber es hat sich offensichtlich um ein gottfeindliches, schlangenähnliches Ungeheuer gehandelt, das in der Urzeit von Jahwe vernichtet (zum Beispiel Psalm 74,14) oder - wie es der Text hier nahezulegen scheint - durch ihn überwunden und sozusagen zu einem schöpfungskonformen Mitlebewesen "zivilisiert" worden ist. Beiden Traditionen aber ist gemeinsam, dass der Schöpfer letztlich für überlebensfreundliche Verhältnisse im Weltmeer gesorgt hat.
Das Loblied des Psalmisten über den Schöpfer und sein Werk endet in Vers 34 mit den Worten "Mein Reden möge ihm wohlgefallen. Ich freue mich des Herrn." Aber es folgt dann mit Vers 35 noch ein Nachwort, zwei Sätze, in denen ganz anderes von den Menschen gesprochen wird, als zuvor:
"Die Sünder sollen ein Ende nehmen auf Erden
und die Gottlosen nicht mehr sein.
Lobe den Herrn, meine Seele! Halleluja!"
Das sind Sätze, die daran erinnern, dass Psalmen Texte aus ursprünglich liturgischen Zusammenhängen sind, in denen die Verurteilung der Sünde und der Gottlosigkeit ihren festen Platz haben. Es geht um Moral und Gottesfurcht, und insofern klingt das denn wieder recht vertraut, - so kennen wir die Kirchen und die Religionen.
Zwar nicht immer genau mit diesen Begriffen, aber doch der Sache nach genau darum geht es inzwischen allerdings nicht mehr nur bei den Religionsgemeinschaften, sondern oft viel lautstärker und radikaler noch - verbal, gedruckt und elektronisch, ätherisch wie esoterisch - von den Kanzeln und Altären der so genannten Zivilgesellschaft und ihrer säkularen Kultur. In Vielem, was wir heute über Bewahrung der Schöpfung, über Klima-, Meeres- und Umweltschutz, Rettung der Artenvielfalt hören und lesen, werden von Leuten, die es gut meinen, vor allem Forderungen, Appelle, Mahnungen, die vornehmlich an andere adressiert sind, artikuliert. Und dementsprechend erfolglos bleiben auch oft die Wirkungen solcher Ermahnungen. Im 104. Psalm sieht das jedoch etwas anders aus als in unseren zeitgenössischen säkularen Liturgien.
Mit diesem Psalm haben wir einen wunderschönen, poetischen und leicht verständlichen Text zum Lob des Schöpfers und der Schöpfung: 34 Verse Anbetung, Lobpreis, Erstaunen und Entfaltung theologischer Ästhetik. Und dann noch ein - eigentlich vielleicht überflüssiger - moralischer Schlusspunkt. Für das im klassischen Sinne kritische Denken ist klar: Wer sich mit Vernunft und Gewissen in alles das vertieft, was wir über die Schöpfung wissen können, dem erschließt sich die der Schöpfung entsprechende Moral oder Ethik von selbst. Diesen, die Moral als "Maxime" leitenden, in der Vernünftigkeit des eigenen Selbst fest angesiedelten "kategorischen Imperativ" wieder neu zu überdenken, - genau dazu vermitteln die in diesen Wochen und Monaten überall zu lesenden Erinnerungen an Immanuel Kant (22. April 1724 - 12. Februar 1804) viele hilfreiche Anregungen. Indessen, das im Sinne der Aufklärung kritische Denken ist nicht so weit verbreitet und so fest verwurzelt, wie Kant und so mancher nach ihm es gern hätte. Das gilt im Blick auf die Menschheit insgesamt, aber es gilt auch für jeden allein.
Das kritische Denken an sich ist natürlich weiter verbreitet, als das reflektierte Wissen über Aufklärung, Kant und seinen kategorischen Imperativ. Wichtiger aber ist: Nicht jeder, weder der naivste noch der intellektuellste Nachdenker, ist - obwohl prinzipiell dazu angelegt - jederzeit fähig, gewillt, disponiert oder motiviert dazu, alles was er in der Welt plant und tut, mit Gewissen und Vernunft zu betreiben. Deshalb bleibt der moralische Schlusspunkt, zum Beispiel der 35. Vers unseres 104. Psalms - außer theoretisch "vielleicht" überflüssig - im praktischen Leben ganz entschieden nach wie vor eben doch auch höchst notwendig. Denn, wozu brauchen wir die anspruchsvollsten und deutlichsten Imperative, wenn wir nicht wissen und sagen, was den eigentlichen Wert dessen begründet und ausmacht, dem Schutz und Bewahrung und dankbares Lob gelten soll und gelten muss?
Es werden hier ja keine spirituellen Glasperlenspiele vorgeführt, sondern es wird sehr konkret über unseren Alltag nachgedacht. Fast jeden Tag lesen wir Beispiele dafür in den Zeitungen, dass Menschen, die eigentlich ganz gut wissen, was sie dürfen und was nicht, sich selbst und ihre Umgebung täuschen und enttäuschen, die Vertrauen erst missbrauchen und es dann verlieren. Für die großen Fische unter ihnen bleibt dann oft noch ein bequemer Pool. Die kleinen Fische aber bleiben meistens, was sie immer waren, arme Schlucker.
Zusammengefasst: Wichtig bleiben die generellen Gewichtungen zwischen Sein und Sollen, und genau dazu ist aus dem 104. Psalm Entscheidendes zu lernen. Vierunddreißig Verse Anbetung und Lobgesang und dann ein moralischer Satz am Schluss. Vierunddreißig zu eins, das können wir als eine hoffnungsvolle Relation zwischen einerseits den Gründen und andererseits den Notwendigkeiten für schöpfungsgemäßes Handeln verstehen. Diese Formel lässt sich als Kern eines ermutigenden Kontrastprogramms für unsere so aufgeregte, ebenso moralsüchtige wie leider auch oft so moralunfähige Epoche begreifen.
aus: der überblick 02/2004, Seite 70
AUTOR(EN):
Eberhard le Coutre:
Eberhard le Coutre ist ehemaliger Chefredakteur des "überblicks" und lebt jetzt im Ruhestand.