Saparmurad Nijasow, der absolute Alleinherrscher Turkmenistans
Er lässt sich Turkmenbashi nennen, Vater aller Turkmenen. Für sie hat er das Ruhnama geschrieben das Buch der Seele. Es gehört zum Unterrichtsstoff der Schulen und Universitäten, und bei ihren Prüfungen müssen Studenten ganze Passagen daraus auswendig können. In diesem goldenen Buch des Turkmenen predigt er einen maßlosen Patriotismus.
von Sylvie Lasserre
Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 steht Saparmurad Nijasow als Diktator an der Spitze Turkmenistans. Er ist omnipräsent, stets fällt das Auge auf Plakate, die ihn abbilden. Wodkaflaschen, Teedosen, alle möglichen Gegenstände tragen sein Bild. Er hat Denkmäler und Moscheen zu seinem Ruhm errichten lassen, Statuen und Büsten stellen ihn dar, wie er einer strahlenden Zukunft entgegengeht, die er ebenso strahlend verkündet.
Mit Hilfe seiner Geheimdienste und einer allgegenwärtigen Polizei beherrscht er ein ganzes Volk. Sein Reichtum ist immens, da er sich die Einkünfte aus den reichen Gas- und Ölvorkommen im turkmenischen Boden angeeignet hat. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt dagegen unter der Armutsgrenze, und die Arbeitslosenquote liegt inzwischen bei 60 Prozent. Der ehemalige Ingenieur, geboren im Jahr 1940 in Kiptchak, einem Dorf in der Nähe der Hauptstadt Aschabad, zur Sowjetzeit Chef der kommunistischen turkmenischen Partei, nach der Unabhängigkeit dann Präsident des Landes, hat einen Persönlichkeitskult entwickelt, vor dem der Koreaner Kim II Sung vor Neid erblasst wäre.
Saparmurad Nijasow lässt sich Turkmenbashi, wörtlich Vater aller Turkmenen, nennen. Krasnovodsk, ein großer Hafen am Kaspischen Meer, wurde nach ihm in Turkmenbashi umbenannt. Von den riesigen farbigen Plakaten aus sieht er einem stets freundlich entgegen, mit aufgesetztem Lächeln, einnehmend und tatkräftig. Wendet man den Blick ab, schaut er einen von woanders her an. Unmöglich zu vergessen, wer hier herrscht.
In den Straßen stellen ihn vergoldete Statuen dar. Auf einem der höchsten Denkmäler der Hauptstadt, dem Bogen der Neutralität, erscheint er mit zum Himmel erhobenen Armen, triumphierend der Zukunft entgegenschreitend. Die goldene, mindestens 50 Meter hohe Statue ist stets der Sonne zugewandt, dreht sich mit ihr dank eines unter dem Sockel liegenden Mechanismus. Im Fernsehen ist er zu einer Dauererscheinung geworden, sein Konterfei verziert als Sendelogo den rechten oberen Bildrand. Über diesen Persönlichkeitskult hinaus mehren sich seine ausgefallenen Initiativen und Verordnungen. Um nur einige zu nennen: die Monate wurden umbenannt, ein Monat heißt jetzt Gurbansoltan nach seiner Mutter, ein anderer Turkmenbashi nach ihm selbst. Männern ist es verboten, einen Bart oder lange Haare zu tragen. Jungen Menschen dürfen keine Goldzähne haben. Er hat Opernballette verbieten lassen und das Schminken von Fernsehmoderatoren.
Ausländische Beobachter mögen sich an diesen Schrullen ergötzen, das Volk begeistern sie nicht. Die Turkmenen leben in Angst. Turkmenistan ist heute eines der Länder, in der die Menschenrechte am stärksten mit Füßen getreten werden. Die Presse wird so scharf kontrolliert wie fast nirgends. Auf der Skala, wo es die freieste Presse gibt, rangiert Turkmenistan unter 167 Ländern auf Platz 165. Ausländische Journalisten werden nicht im Land geduldet. Alle Oppositionellen sind im Gefängnis. Ihre Familien werden verfolgt.
Die reichlichen Einnahmen aus Gas- und Ölvorkommen des Landes werden in einen Präsidentenfond umgeleitet, in dem heute ungefähr drei Milliarden US-Dollar liegen dürften. Daraus hat der Diktator den Ausbau von Aschabad zu einer Hauptstadt finanziert, die ganz seiner Maßlosigkeit entspricht. Denkmäler und Paläste aus weißem Marmor, jede Mengen Springbrunnen, riesige Prachtstraßen, vergoldete Kuppeln, pharaonische Moscheen. Seit zehn Jahren verwandelt sich die Hauptstadt immer mehr in eine Art Disneyland, derweil der Rest des Landes im Schmutz lebt. Alle Krankenhäuser außerhalb der Hauptstadt sind geschlossen worden. Das Bildungssystem verkommt, die Schulpflicht ist von zwölf auf neun Jahre verkürzt worden. Die Zahl der Studenten ist von 40.000 auf 6.500 zurückgegangen. Die Kinder werden von klein an indoktriniert. Probleme der Rentenkasse löste Turkmenbashi auf seine Weise: Er strich kurzerhand die Rente für alle, die nach Abzug von Ferien und Krankheitstagen weniger als zwanzig Jahre in Turkmenistan gearbeitet hatten.
Solcher Art Fürsorge kann anhalten: Im Jahr 1999 ließ sich Nijasow zum Präsidenten auf Lebenszeit erklären. Nun will er auch noch zum Propheten erklärt werden. Sein Buch Ruhnama gehört wie es sich für prophetische Schriften geziemt für Schüler und Studenten zum Unterrichts- und Prüfungsstoff. Um ihren Beruf ausüben zu dürfen, müssen sogar die Ärzte eine Prüfung über den Ruhnama ablegen.
Wehe denen, die es wagen zu protestieren. Auf der ersten Seite des Ruhnama steht ein Eid. Dieser Eid endet mit den Worten: Wenn ich Turkmenistan, mein Vaterland, verrate, wenn ich den Führer Saparmurad Turkmenbashi verrate, dann soll mein Leben zunichte sein! Wer also gegen Rentenstreichung zu demonstrieren wagte, bräuchte dann ohnehin keine Rente mehr.
aus: der überblick 01/2006, Seite 12
AUTOR(EN):
Sylvie Lasserre
Sylvie Lasserre ist freie Journalistin in Paris. Sie schreibt über Zentralasien und islamische Staaten.