Fundamentalistische Prediger schaffen Probleme für Protestanten im Libanon
Das Donnergrollen von manchen amerikanischen Kanzeln bereitet den Protestanten im Libanon Kopfschmerzen. Christlich-zionistische Prediger wollen das Heilige Land von Ungläubigen befreien und wettern gegen »diese Araber«. Um nicht schräg angesehen zu werden, haben sich nahöstliche Kirchenführer von diesen amerikanischen Christen distanziert.
von Reem Haddad
Die im Libanon so häufig gestellte Frage hing noch in der Luft und wartete auf eine Antwort. Ich zögerte. »Ich bin, äh, Protestantin«, antwortete ich vorsichtig. »Evangelisch.« Und bevor ein Stirnrunzeln auf dem Gesicht meines Inquisitors erschien, wies ich schnell jede Verbindung zu den amerikanischen Evangelikalen weit von mir. Es war überlebenswichtig, dass man mir glaubte. In diesen gefährlichen Zeiten kann eine irrtümlich angenommene Verbindung zu christlichen Fundamentalisten in den USA besser bekannt als christliche Zionisten leicht das Leben kosten.
Ihre Existenz wurde mir erstmals bei einem USA-Besuch vor ein paar Jahren bewusst. Ich hörte mich durch verschiedene Radiosender, als eine Stimme aus dem Gerät dröhnte: »Es ist unsere Christenpflicht, diese Araber aus Palästina zu vertreiben.« Diese Araber? Welche Araber? Meinte er die Bewohner des Landes die Palästinenser? Die Fortsetzung der Predigt war so voller Gift und Hass gegen die Palästinenser, dass ich unbedingt herausfinden musste, wer der Vortragende war. Ich war schockiert, als ich hörte, wie der Rundfunksprecher einem evangelischen Prediger für seine Worte dankte. Diese Predigt war so ganz anders als alle christlichen Predigten, die ich bisher gehört hatte, und sie hatte absolut nichts gemein mit den Friedenspredigten meines Pfarrers in Beirut. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Die protestantische Kirche im Libanon war Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gegründet worden. Damals kamen amerikanische Missionare in den Nahen Osten, um Katholiken zu bekehren. Sie eröffneten Schulen, Universitäten und Druckereien. Schulbildung für Mädchen und Frauen damals keine Selbstverständlichkeit wurde eingeführt und gefördert. Im Arabischen wurde die neue Glaubensgemeinschaft unter dem Namen Enjelieh die sich an die Bibel halten bekannt. Direkt übersetzt heißt das »evangelisch«. Und so wurde unsere Kirche die »Evangelische Kirche von Beirut«.
Als jedoch der evangelikale Fundamentalismus in den USA stärker und stimmgewaltiger wurde, begann unsere kleine Gemeinschaft im Libanon schräg angesehen zu werden. Christliche Zionisten glauben, dass Jesus erst dann wiederkommen und auf Erden herrschen kann, wenn das jüdische Volk ins Heilige Land zurückgekehrt ist, in Jerusalem die heiligen Stätten des Islam zerstört und den Tempel wieder aufgebaut hat. Bei der Schlacht von Armageddon würden dann Millionen Menschen umkommen, und die Juden würden zum Christentum bekehrt.
Solche Glaubensinhalte erschienen mir recht harmlos (schließlich hat jeder seinen eigenen Glauben), bis ich erfahren musste, dass diese Gruppe bereit ist, zur Unterstützung Israels bei der Besetzung palästinensischer Gebiete Geld zu sammeln und Einfluss auf amerikanische Politiker zu nehmen. »Wer sich gegen Israel stellt, stellt sich gegen Gott«, verkündete Jerry Falwell, einer ihrer führenden Männer. »Wir glauben, dass die Geschichte und die Heilige Schrift beweisen, dass Gott die Völker danach behandelt, wie sie Israel behandeln.«
Im Jahr 1980 genehmigte die israelische Regierung die Einrichtung einer »Internationalen Christlichen Botschaft« in Jerusalem. Zu ihren Aufgaben gehört es, weltweit bei den Christen um Unterstützung für Israel zu werben, die israelische Politik zu rechtfertigen und den Bau jüdischer Siedlungen im besetzten Westjordanland zu fördern.
Als ob das nicht genug wäre, wurden amerikanische Prediger wie Falwell in ihren verbalen Ausfällen gegen Araber und Muslime sehr deutlich. »Mohammed war ein Terrorist«, verkündete Falwell vor zwei Jahren in der amerikanischen Fernsehsendung 60 Minutes. Seine Äußerungen provozierten internationalen islamischen Protest und eine Fatwa (Rechtsgutachten der Muftis), die seinen Tod forderte.
Entsetzt gaben Kirchen im Nahen Osten eigene Stellungnahmen ab. »Diese Leute (von der Christlichen Botschaft) sprechen nicht für das Christentum und nicht für die Christenheit«, erklärte Pater Raed Awad Abusahlia, Kanzler der katholischen Kirche von Jerusalem. »Sie haben keinerlei Beziehung zu den hiesigen offiziellen christlichen Kirchen, und sie stehen in keiner Verbindung mit der palästinensisch-arabischen Welt. Das sind Gruppen, die das Christentum für sich in Anspruch nehmen, das sind mit amerikanischen Dollars finanzierte Importe. Deshalb erklären wir ausdrücklich, dass sie nicht zu uns gehören und dass wir keinerlei Verbindung mit ihnen oder ihren Ansichten haben.«
Vor zwei Jahren wurde eine amerikanische evangelische Missionarin in der überwiegend von sunnitischen Muslimen bewohnten Stadt Sidon im südlichen Libanon erschossen. Der Täter wurde nie gefasst. Als Motiv vermutet man Zorn über ihre Versuche, Muslime zum Christentum zu bekehren ein gefährliches Unterfangen in der Welt nach dem elften September.
Jetzt verstehen Sie wohl, warum wir Christen im Libanon so sehr darauf bedacht sind, uns von den christlichen Zionisten zu distanzieren. Bisher sind wir zwar nicht direkt bedroht worden, unsere kleine protestantische Gemeinschaft hält jedoch die Augen offen. »Die meisten Libanesen wissen, dass wir mit diesen verrückten Evangelikalen absolut nichts zu tun haben«, sagte ein Kirchenmitglied, »aber wir haben immer Angst, dass eine kranke Person eine Verbindung wahrzunehmen meint und gewalttätig wird. Ich halte es daher im Moment für das Beste, wenn wir uns möglichst bedeckt halten.« Andere verlassen sich einfach auf ihr Glück.
aus: der überblick 01/2005, Seite 57
AUTOR(EN):
Reem Haddad:
Reem Haddad arbeitet für den »Daily Star« in Beirut. Diesen Beitrag haben wir dem »New Internationalist« vom Dezember 2004 entnommen und veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.