Die EU verfolgt die Integration von Entwicklung und Sicherheitspolitik
Wer Konflikte in Afrika verhindern, sie unter Kontrolle bringen und Frieden durchsetzen will, kann sich nicht allein auf Entwicklungspolitik stützen. Vielmehr sind Stabilität und Sicherheit Voraussetzung für Entwicklung. Dem trägt die EU mit neuen Konzepten und Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union Rechnung.
von Aldo Ajello
Seit Mitte der neunziger Jahre ist zunehmend deutlich geworden, dass die Entwicklungspolitik der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten in Afrika südlich der Sahara keinen Erfolg gehabt hat. Die wachsende Anzahl gewalttätiger Konflikte auf dem Kontinent hat den Druck verstärkt, die EU-Politik einer Überprüfung zu unterziehen. Auch mit Blick auf andere Krisenherde wurden die westlichen Länder in den letzten Jahren gezwungen, sich stärker mit der Frage von Sicherheit und Stabilität zu befassen. Neue globale Bedrohungen, bankrotte Staaten, Korruption und Konflikte haben zu einer völlig veränderten Sichtweise auf Afrika geführt.
Die EU-Politik der Konfliktverhütung legt großen Wert auf die Beseitigung der Ursachen von Konflikten, in der Vergangenheit hat sie dabei jedoch fast ausschließlich auf Entwicklungshilfe gesetzt, eine sehr traditionelle Herangehensweise. Angesichts der beharrlichen Argumente einer wachsenden Zahl von Vertretern der "neuen Schule", die auf eine Ausweitung auf andere Politikbereiche drängen, hat sich der Schwerpunkt allmählich verlagert. Inzwischen wird im Grundsatz akzeptiert, dass "Entwicklungsgeld" in außergewöhnlichen Fällen auch zur Unterstützung von friedensstiftenden oder -erhaltenden Maßnahmen verwendet werden kann.
Heute erkennt die EU die ständig wachsende Interdependenz und die Notwendigkeit an, Strategien zu entwickeln, die sich mit dem gesamten Konfliktzyklus befassen. Weltweite Sicherheit und Wohlstand hängen zunehmend von einem multilateralen System mit gut funktionierenden internationalen Institutionen und einer auf rechtsstaatlichen Grundsätzen beruhenden internationalen Ordnung ab.
Die ideologische Kluft zwischen der Kultur der Entwicklungspolitik und der Kultur der Friedenserhaltung hat bei der Umsetzung von Friedensabkommen einigen Schaden verursacht. Die Entwicklungskultur beruht auf langfristig angelegten, bedarfsorientierten Planungs- und Prüfungsverfahren und geduldiger Übertragung von Technologie und Wissen. Wie viel Zeit benötigt wird, um das zu erreichen, ist von sekundärer Bedeutung. Wesentlich ist der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Empfänger für den Prozess. Man hat dafür gern das folgende Paradigma bemüht: Ist jemand hungrig, so gib ihm keinen Fisch, sondern eine Angel, und bringe ihm bei, wie man einen Fisch fängt. Engagement und Investitionen für Sicherheitsaspekte und Stabilitätsvorkehrungen haben als Vorbedingung für eine nachhaltige Entwicklung selten Beachtung gefunden.
Bei Friedenserhaltungsoperationen besteht das grundlegende Ziel darin, den Friedensprozess aufrechtzuerhalten und den Frieden in möglichst kurzer Zeit abzusichern. In den meisten Fällen stehen freie und faire Wahlen am Ende des Übergangsprozesses. Die Eigenverantwortlichkeit für den Prozess ist in der Verhandlungsphase wichtiger als in der Durchführungsphase, wenn die Vereinten Nationen (UN) - in einigen Fällen von anderen internationalen Kräften unterstützt - in ihrer Eigenschaft als unparteiischer Makler die Führungsrolle übernommen haben. In besonderen Fällen wie beim Prozess der Entwaffnung von Soldaten, Demobilisierung und Wiedereingliederung ist es sogar kontraproduktiv, die Definition des Programms den jeweiligen Regierungen zu überlassen, die in den meisten Ländern zu dem Zeitpunkt noch nicht demokratisch gewählt sind.
Anders als bei den langen Zeiträumen, die für die Durchführung von Entwicklungsprogrammen erforderlich sind, ist Zeit beim Prozess der Abrüstung, Demobilisierung und Wiedereingliederung von vorrangiger Bedeutung. Zeit ist Geld - eine friedenserhaltende (-schaffende, -durchsetzende) Operation ist äußerst kostspielig, und eine rasche Durchführung ist entscheidend, um die politische Dynamik aufrechtzuerhalten. Ein Verlust an Dynamik würde erhebliche Verzögerungen beim gesamten Friedensprozess hervorrufen und diesen letztlich sogar gefährden.
Die Unzulänglichkeit der Entwicklungshilfe hat zu Diskussionen über eine neue EU-Entwicklungspolitik geführt und dadurch eine Rivalität geschaffen zwischen den "Entwicklungspuristen", die dafür eintreten, dass Entwicklungsgelder weiterhin ausschließlich für Entwicklungsziele verwendet werden, und der "neuen Schule", die für einen umfassenden Ansatz plädiert, einschließlich der Verwendung von Entwicklungsetats etwa des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) zur Konfliktlösung, was auch bedeutet, dass militärische Kräfte Unterstützung erhalten. Diese Verlagerung ist als "Politisierung" der Hilfe auf Kosten der wirklich armen und sozial marginalisierten Menschen in Entwicklungsländern kritisiert worden. Als 2003 beschlossen wurde, Geld aus dem Europäischen Entwicklungsfonds für die Bezahlung von Nahrungsmitteln für demobilisierte burundische Soldaten zu verwenden, galt das als krasse Verletzung von humanitären Prinzipien. Dass diese Soldaten mit ihren AK-47 für die Zivilbevölkerung eine größere Gefahr bildeten, wenn sie nicht angemessen versorgt würden, konnten manche nur schwer akzeptieren.
Die EU ist bei weitem der größte Geber in Afrika. In den letzten Jahren hat sie einen umfassenden Ansatz gegenüber den Krisenregionen entwickelt, indem sie alle verfügbaren Instrumente - politische/diplomatische, finanzielle/wirtschaftliche und schließlich militärische/Sicherheitsinstrumente nutzte - letztere insbesondere in der Übergangszeit in der Demokratischen Republik Kongo. Im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) sandte die EU Anfang 2005 eine Polizeimission nach Kinshasa (EUPOL), um die erste Integrierte Polizeieinheit (IPU) zu überwachen und zu beraten.
Dadurch wurde die Sicherheit in der Hauptstadt des Landes verbessert. Dann beschloss die EU, für das kongolesische Militär Beratung und Unterstützung durch eine kleine Expertengruppe (EUSEC) bereitzustellen, die auf den entscheidenden Ebenen des Verteidigungssystems präsent war. Diese Mission setzte auch die Reform der Besoldungskette für die Soldaten in Gang, die zuvor mit der Befehlskette identisch war. Das alte System hatte den ranghöheren Militärs regelmäßige monatliche Einkommen dadurch beschert, dass sie den Sold für Untergebene einbehielten. Das Ergebnis dieses korrupten Vorgehens war, dass die Menschenrechte von niemandem so stark gefährdet wurden wie von den Streitkräften, da einfache Soldaten, die keinen Sold bekamen, von der Zivilbevölkerung lebten und die Ärmsten der Armen drangsalierten, ausplünderten, attackierten und töteten.
Die neue Politik der EU - einschließlich des Einsatzes der EUFOR - während des Wahlprozesses hat erheblich zum Erfolg der Wahl und des Friedensprozesses in der Demokratischen Republik Kongo beigetragen. Die Zusammenarbeit und Koordination mit anderen internationalen Organisationen, insbesondere der UN, hat dabei gut funktioniert. Für die EU und die Afrikanische Union (AU) liegt nämlich die primäre Rolle und Verantwortung für Konfliktmanagement und -lösung bei den UN. Angesichts des Scheiterns der Friedenserhaltungsoperationen in Somalia, Ruanda und Angola in den neunziger Jahren schien die UN nicht in der Lage zu sein, mit afrikanischen Krisen fertig zu werden, und nicht dazu gerüstet, von Friedenserhaltung zur Friedensschaffung und noch weniger zur Friedensdurchsetzung überzugehen. In dieser Situation war die Wiederentdeckung von Begriffen wie "afrikanische Eigenverantwortlichkeit" und "afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme" attraktiv und galt als Weg aus der Krise.
Die Idee war, die Verhütung und das Management sowie die Lösung der wachsenden Zahl von Krisen auf dem afrikanischen Kontinent auf die Afrikanische Union und ihre subregionalen Organisationen zu übertragen. Dieser Ansatz passte sowohl den westlichen als auch den afrikanischen Ländern. Afrikaner waren geleitet von dem Stolz und dem Willen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, westliche Länder von ihrer Absicht, die afrikanischen Krisen los zu werden. Leider hat sich gezeigt, dass dieser Ansatz eher schlau als weise war, denn die afrikanischen Krisen wurden durch die Tür weggeschoben und kamen dann durchs Fenster wieder zurück. Regionale und subregionale Organisationen können afrikanische Krisen nicht ohne den politischen Schirm der UN und die finanzielle und logistische Unterstützung für Militäroperationen durch die Gebergemeinschaft verhüten, managen und lösen. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, worin der komparative Vorteil besteht, wenn regionale und subregionale Organisationen statt der Vereinten Nationen eingesetzt werden.
Die Erfahrung zeigt, dass das gern zugunsten der subregionalen Organisationen vorgebrachte Argument der räumlichen Nähe nicht stichhaltig ist. Im Gegenteil: Sie hat sich häufig als kontraproduktiv erwiesen. Diese Organisationen werden nicht unbedingt als neutral empfunden, denn deren Mitgliedstaaten verfolgen oft ihre eigenen Interessen, die mit den Interessen des von der Krise betroffenen Landes in Konflikt stehen können.
Selbst wenn das nicht der Fall ist: Es zählt nicht, was wahr ist, sondern was wahrgenommen wird. Ein Mangel an Neutralität und Unparteilichkeit - sei er nun echt oder vermutet - ist das vollkommene Rezept für ein Scheitern. So konnte die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) keine positive Rolle bei der Lösung der Krisen in der D. R. Kongo spielen, da ihr Parteilichkeit und Verfolgung eigener Interessen nicht nur unterstellt wurde, sondern auch tatsächlich bestand. Einige SADC-Mitgliedstaaten waren als kriegführende Staaten direkt beteiligt (Angola, Namibia und Simbabwe). Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) war dagegen in der Lage, mit den größten Konflikten in dieser Region fertig zu werden (insbesondere in Sierra Leone und Liberia), doch für diesen relativen Erfolg war das bedeutende Engagement Großbritanniens im Falle von Sierra Leone und der Vereinigten Staaten im Falle von Liberia von grundlegender Bedeutung.
Bei kontinentalen Organisationen ist das anders. Die Afrikanische Union hat die gleichen technischen und finanziellen Probleme wie die meisten subregionalen Organisationen, doch kann ihre Unparteilichkeit nicht in Frage gestellt werden. Ferner kann sie bei ausreichender finanzieller und logistischer Unterstützung eine Friedenserhaltungs- oder -durchsetzungsmission in wesentlich kürzerer Zeit durchführen als die UN, unter Umständen auch wesentlich preiswerter.
Im Kontext der rasch wachsenden Zahl von Friedenserhaltungsoperationen ist zweierlei zu fragen: Erstens: Warum sind die UN in Afrika meistens gescheitert? Aus der Analyse verschiedener Fallstudien geht klar hervor, dass es einen Mangel an politischem Willen der internationalen Staatengemeinschaft gegeben hat, sich angemessen mit den Konflikten zu befassen. Die Folge davon war, dass fehlende oder knappe Finanzierung das Risiko des Scheiterns erheblich erhöht hat. Beide Mängel haben fast automatisch zu einem unzureichenden Mandat mit einer ungenügenden Zahl an Militärstreitkräften und ineffizienter Ausrüstung geführt.
Aus diesem Befund ergibt sich die zweite Frage: Ist die internationale Staatengemeinschaft bereit, der Afrikanischen Union und ihren subregionalen Organisationen wie ECOWAS, SADC, Intergovernmental Authority on Development (IGAD) zu geben, was sie der UN nicht zu geben bereit war? Wenn man sich das jüngste Beispiel in Burundi ansieht, gibt es keinen Grund zum Optimismus. Die AU-Mission in Burundi (AMIB) wurde dank des Beschlusses der EU und der burundischen Regierung, 25 Millionen Euro aus dem Europäischen Entwicklungsfonds bereitzustellen, möglich gemacht. Der Beitrag der übrigen internationalen Staatengemeinschaft war sehr gering. Wenige Monate später musste die Mission in eine Friedenserhaltungsoperation der UN (ONUB) umgewandelt werden, weil die AU sie finanziell nicht tragen konnte.
Die AU ist sich darüber im Klaren, dass Planung und Durchführung einer Friedensunterstützungsoperation angemessene Infrastrukturen, qualifiziertes Personal und ähnliche Ressourcen erfordern, einschließlich einer gesicherten Finanzierung. Die EU hat bereits einen bedeutenden Beitrag zu den Kosten der Friedenserhaltungsoperation geleistet, etwa Tagegelder für afrikanisches Personal, Gehälter von Zivilisten, Nahrungsmittel, Treibstoff, Transport von Personal, medizinische Güter, Versicherung. Die Ausbildung von afrikanischen Militärplanern in der AU, subregional und auf Länderebene, ist jedoch komplexer und erfordert längerfristige, umfassende Lösungen. Auch der aus dem Europäischen Entwicklungsfonds im Jahr 2004 mit 250 Millionen Euro gespeiste Sonderfonds "Afrikanische Friedensfazilität" (AFF) ist möglicherweise nicht in der Lage, das gesamte Spektrum der Militärausbildung für Afrikaner zu finanzieren.
Zwei Lektionen lassen sich jedoch aus dieser Mission lernen: Erstens hat die AU durch die Aufstellung von drei Bataillonen in einer sehr kurzen Zeit dazu beigetragen, die Situation in Burundi etwa ein Jahr lang zu stabilisieren, was der UN Zeit gegeben hat, eine robustere Mission unter Einbeziehung der AMIB-Kontingents und Hinzufügung neuer Truppen aufzustellen und einzusetzen. Diese Formel sollte als effektivster Weg betrachtet werden, regionale oder subregionale Organisationen einzusetzen, um dem afrikanischen Kontinent Frieden und Stabilität zu bringen.
Zweitens ist klar, dass diese Operationen nicht durch freiwillige Beiträge von Gebern finanziert werden können. Ein auf den Bedarf abgestimmter Haushalt ist notwendig, und die Länder der Region können das nicht leisten. Die 250 Millionen Euro für die AFF, die im Jahre 2006 um 50 Millionen Euro aufgestockt wurden, sind nur das Startkapital. Die 250 Millionen wurden fast völlig für die Friedensunterstützungsoperation der AMIS in Darfur (vergl. "der überblick" 3/2006) verwendet. Deshalb wurde ein neues Finanzpaket in Höhe von 350 Millionen Euro für den Zeitraum 2008 bis 2013 geschnürt.
Nach der Gründung der AU im Jahre 2002 und der offiziellen Einrichtung des Friedens- und Sicherheitsrates (PSC) im Jahre 2004 haben die EU und alle ihre internationalen Partner begonnen, anzuerkennen, dass die AU den politischen Willen hat, eine afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur zu schaffen. Sie hat bereits bedeutende organisatorische Änderungen vorgenommen. Allerdings gibt es noch wenig Vertrauen in diese Bemühung, und eine Änderung der Haltung einiger Hauptakteure der internationalen Staatengemeinschaft könnte dem Prozess förderlich sein. Afrikanische Eigenverantwortlichkeit kann auf einer Ebene, auf der Partikularinteressen nicht so bedeutsam sind und auf der politische Aufrichtigkeit stärker etabliert ist, am ehesten zum Tragen kommen.
Wer kritisiert, dass die Friedenserhaltungsoperationen der UN schlecht funktionieren, sollte in Rechnung stellen, dass die Industrieländer immer weniger bereit sind, den Vereinten Nationen Truppen zur Verfügung zu stellen und praktische Unterstützung zu liefern. Somit stehen wir vor der paradoxen Situation, dass nur Entwicklungsländer - vor allem aus wirtschaftlichen Gründen - bereit sind, den UN Truppen zu schicken. Diese sind häufig schlecht ausgebildet und miserabel ausgerüstet. In letzter Zeit wurden aber einige Fortschritte erzielt, die es dem Department of Peacekeeping Operations (DPKO), der UN-Hauptabteilung für Friedenserhaltungsoperationen, ermöglicht haben, auf den Sachverstand der EU und ihrer Mitgliedstaaten zurückzugreifen. Im September 2003 haben die EU und die UN eine Erklärung unterzeichnet, in der ein gemeinsamer Konsultativmechanismus für eine Zusammenarbeit beim Krisenmanagement beschlossen wurde. Dieser Erklärung folgte die vom Europäischen Rat im Juni 2004 beschlossene EU-UN-Zusammenarbeit beim militärischen Krisenmanagement im Rahmen des Zwischenberichts der Präsidentschaft über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP).
Der Rat hat sich auf einen Weg zur Ausarbeitung von Modalitäten für die mögliche Bereitstellung von militärischen Kapazitäten der EU zur Unterstützung der UN geeinigt, die in enger Beratung mit den UN aufgestellt werden und eine möglichst rasche Reaktion umfassen. Die praktische Zusammenarbeit mit der UN ging in Form einer gemeinsamen Erkundungsmission nach Burundi im Februar 2004 weiter. Dabei wurde die Möglichkeit untersucht, eine UN-Friedenserhaltungstruppe einzusetzen. Das jüngste Beispiel einer EU-UN-Zusammenarbeit war das Ersuchen der Hauptabteilung für Friedenserhaltungsoperationen um Unterstützung der MONUC in der Demokratischen Republik Kongo beim Wahlprozess im vergangenen Jahr. Die EU setzte vier Monate lang (30. Juli bis 30. November 2006) die so genannte EUFOR RD Congo ein, die aus rund 2000 Soldaten bestand, von denen ein Teil in Kinshasa und ein Teil in Gabun stationiert wurde und der Rest als Bereitschaftstruppe in Europa blieb.
Auf strategischer Ebene wurden zur Bereitstellung einer nationalen militärischen Kapazität der UN-DPKO zwei bedeutende Konzeptionen für künftige Tätigkeiten vorgelegt, nämlich der Clearing-House-Mechanismus (Verrechnungsstelle) und die Einrichtung von Battle Groups (Kampfeinheiten). Das neue Instrument des Clearing-House-Prozesses zielt darauf ab, einen Rahmen zu schaffen, durch den EU-Mitgliedstaaten Informationen über Beiträge für eine Friedenserhaltungsoperation der UN austauschen und ihre nationalen Beiträge zu den UN miteinander teilen und koordinieren können. Als zweites Instrument für die Friedenserhaltungsoperationen schafft die EU auf Ersuchen der UN Kampftruppen, die auf ein rasches Eingreifen vorbereitet sind und im Laufe des Jahres 2007 einsatzfähig sein sollen. Diese könnten als zur Überbrückung (wie Artemis in Ituri/D.R.Kongo und Shirbrig im Grenzkonflikt zwischen Eritrea und Äthiopien) dienen. Sie könnten auch einige Einheiten zur Unterstützung der Friedenserhaltungsoperationen der UN zur Zeit der Übernahme bereitstellen. Sie könnten ferner als Bereitschaftstruppen dienen und in Notsituationen eingreifen.
Die von der UN-Hauptabteilung für Friedenserhaltungsoperation übernommenen Aufgaben sind komplexer und ehrgeiziger geworden.
Drei Hauptfaktoren sind für den Erfolg oder das Scheitern einer Friedenserhaltungsmission von Bedeutung: erstens die Motivierung der Konfliktparteien, zweitens die Beteiligung von Akteuren von außen (Nachbarstaaten, regionale Kräfte, internationale Gemeinschaft beziehungsweise Mitglieder des UN-Sicherheitsrates) und drittens nationale Rohstoffe, deren Erlöse einen Konflikt finanzieren und damit anheizen und in die Länge ziehen können, wenn der Kampf um diese Rohstoffe geht.
Vieles muss erwogen werden, um die Gefahren des Scheiterns zu verringern: die gesamte Politik des Sicherheitsrates sowie deren Elemente, das exakte Mandat für eine Operation und andere Aspekte wie Druck von außen, einschließlich seitens der Medien. Ebenso wichtig ist die Frage, wer die Operation leiten soll, welche Länder Truppen stellen oder sonstige Unterstützung leisten und wie das Mandat interpretiert wird. Ein Mandat gemäß Kapitel VII der UN-Charta (Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen) wie im Falle der MONUC garantiert nicht unbedingt die Durchsetzung des Friedens, falls die Regeln für ein Engagement noch die gleichen sind wie unter Kapitel VI (Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten) und falls keine zusätzliche Verstärkung der Truppen und Ausrüstungen hinsichtlich Qualität und Quantität erfolgt.
Auf Seite des Empfangslandes müssen die Geschichte und Ursachen des Konflikts, die Art des Friedensabkommens, wie es ausgehandelt wurde und wie der ganze Friedensprozess vom Land eigenverantwortlich gestaltet wurde, berücksichtigt werden. Bei mehreren afrikanischen Konflikten wurden Friedensabkommen von der internationalen Gemeinschaft durchgesetzt. Dabei hing die Bereitschaft der ehemaligen Kriegsherren, den Kampf aufzugeben und sich an der Durchsetzung des Friedensabkommens zu beteiligen, häufig davon ab, dass sie mit einflussreichen Regierungsposten belohnt wurden, die bei den Verhandlungen vereinbart worden waren.
Nach einem Bürgerkrieg oder Krieg kann die internationale Gemeinschaft die verschiedenen Handlungsfelder nicht mehr nach der Devise business as usual getrennt behandeln. Die entwicklungspolitischen Bestrebungen müssen sich in die Friedens- und Sicherheitspolitik einordnen. Wer immer noch dem Credo von einer "unabhängigen" oder "neutralen" Entwicklungspolitik anhängt, sollten sich vor Augen führen, dass sein Anliegen nur im Rahmen eines stabilen Friedens eine Chance hat.
aus: der überblick 01/2007, Seite 122
AUTOR(EN):
Aldo Ajello
Aldo Ajello hat von 1992 bis 1994 die friedenserhaltende Mission der UN in Mosambik (ONUMOZ)
geleitet und war 1996 bis Ende Februar 2007 EU-Sonderbeauftragter für die Region der
Großen Seen.