Unabhängige Journalisten geraten ins Visier der Regierung
Angolanische Journalisten, die die Kriegspolitik der Regierung kritisieren , müssen befürchten, verhaftet, entführt oder gar ermordet zu werden. "der überblick" gibt hier einem angolanischen Journalisten die Möglichkeit, die Probleme der Medien und seinen eigenen Fall zu schildern.
von Rafael Marques
Mit stillschweigender Zustimmung des Auslands ist Angola dabei, einen Frieden herbeizuführen, den man als Friedhofsruhe bezeichnen kann. Seit 25 Jahren stellt die Partei MPLA (Volksbewegung für die Befreiung Angolas) die Regierung. Über all die Jahre befand sich Angola fast ununterbrochen im Bürgerkrieg. Die Regierung betrachtet es dabei als legitim, Stimmen zu unterdrücken, die sich gegen den Krieg und den Raubbau an den Ressourcen des Landes aussprechen. Seit etwa einem Jahr sind vor allem Journalisten in die Schusslinie der Regierung geraten. Damit will sie verhindern, dass ihre Verderbtheit vor aller Öffentlichkeit bloßgestellt wird.
Am 19. Juli dieses Jahres beispielsweise brachen zwei Männer, einer von ihnen in Polizeiuniform, das Auto eines für Voice of America arbeitenden Journalisten auf und stahlen eine Kassette mit einem Interview und eine Diskette mit Informationen, ließen aber die wertvollen Aufnahmegeräte im Auto. Zuvor hatten bewaffnete Männer auf der Suche nach den Journalisten Victor Silva und Eugénio Mateus das Büro von Voice of America verwüstet. Am 24. Juni dieses Jahres entführten vier bewaffnete Männer den Priester und Chefredakteur des katholischen Senders Rádio Ecclésia, José Paulo. Der Sender hatte zuvor eine Live-Debatte darüber zu dem Thema ausgestrahlt, wie die Öl- und Diamanteneinnahmen des Landes den Bürgerkrieg schüren. Paulo konnte fliehen, als das Fahrzeug seiner Entführer auf einer Buschpiste im Schlamm stecken blieb. Die Regierung gibt in solchen Fällen gern "subversiven Elementen" die Schuld.
Ich selbst wurde am 16. Oktober vergangenen Jahres verhaftet, nachdem ich in einem Kommentar in der Wochenzeitung Agora den Präsidenten Dos Santos einen Diktator genannt hatte, der "für die Zerstörung des Landes und die Ausbreitung der Korruption verantwortlich" sei, die die Moral unseres Landes wie ein Krebs zerfrisst. Ein dutzend Männer der schnellen Eingreiftruppe der Polizei und etwa ebenso viele in Zivilkleidung stürmten daraufhin am frühen Morgen mein Haus und brachten mich mit vorgehaltenen Maschinenpistolen in eine Haftzelle des kriminaltechnischen Labors der Polizei.
In dieser Zelle wurde ich elf Tage lang in Isolationshaft als Rebell gefangen gehalten. Man wollte mich zwingen, auf leeren Papierbögen Blankounterschriften zu leisten. Jeweils nach Mitternacht holte mich mehrmals der zuständige Wärter aus der Zelle und schrie mich an, ich solle unterschreiben. Ich sei selbst schuld, wenn ich nicht überlebe. Ich widerstand dem psychischen Druck und begann einen Hungerstreik, den ich 14 Tage durchhielt.
Proteste der angolanischen Öffentlichkeit und internationaler Menschenrechtsorganisationen und Diplomaten bewirkten, dass ich in eine "normale" Haftanstalt verlegt wurde. Dort werden die Insassen wie Sardinen in der Dose in Zellen gepfercht, die penetrant nach Exkrementen stinken. 39 Tage musste ich dort verbringen, bis Anklage gegen mich erhoben wurde. Dank des internationalen Aufschreis wurde ich gegen Kaution freigelassen.
Die Anklage lautete auf Verleumdung des Präsidenten und des Generalstaatsanwaltes. Zwei Tage vor meiner Verhaftung war ich nämlich bereits vom Generalstaatsanwalt vorgeladen worden. In einem Interview hatte ich unter Verweis auf das Gesetz über die Generalstaatsanwaltschaft erklärt, der Generalstaatsanwalt versichere zwar, dass Journalisten nicht mehr nach dem aufgehobenen Strafrechtsparagrafen wegen Gefährdung der Staatssicherheit vor Gericht gestellt würden. Doch habe er gar nicht die Macht, seinen Worten Taten folgen zu lassen, weil er ein Untergebener des Präsidenten ohne eigene Machtbefugnis sei. Jetzt begriff ich, wie gefährlich es war, sich öffentlich auf Gesetze zu berufen.
Worauf stütze ich meine Behauptung, dass Angola unter einer Diktatur lebt? Angola hat zwar im Jahr 1991 eine demokratische Verfassung angenommen, dem Präsidenten darin aber eine Reihe von Ausnahmen von demokratischen Verfahrensweisen eingeräumt. Er hat praktisch die absolute Macht. Mit Artikel 65 hat er sich Immunität verschafft; er kann für seine Handlungen während der Amtszeit nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Ferner schützt ihn das Mediengesetz Nummer 22/91 vor Kritik. Denn niemand darf Beweismaterial vorlegen, wenn sich der Präsident beleidigt fühlt. Schließlich stellt der Präsident nach Artikel 3 des Gesetzes über die Generalstaatsanwaltschaft diese rechtlich unter seine Vormundschaft. Artikel 5 verdeutlicht, dass der Generalstaatsanwalt direkte Anweisungen vom Präsidenten erhält und diese befolgen muss. Es gibt also keine Gewaltenteilung in Angola.
Ohne solche Gewaltenteilung kann der Präsident nach afrikanischer Mentalität soviel Geld aus der Staatskasse abzweigen, wie er will, und das Land nach seinen Launen leiten und zerstören, auch wenn die Bevölkerung hungern muss. Er kann trotz alledem behaupten, er handele nach dem Gesetz. Deshalb habe ich gewagt, meine Kritik direkt auf den Präsidenten zu konzentrieren, weil das Hauptproblem Angolas in seinem Amt liegt.
Präsident José Eduardo dos Santos ist seit zwanzig Jahren an der Macht. Sein am deutlichsten sichtbarer Erfolg ist bisher die tägliche Festigung seiner Macht und der seiner Clique. Was er für das Wohl der Mehrheit der Angolaner getan hat, wird er schwerlich sagen können. Aber Herr Dos Santos muss sich vor der Bevölkerung nicht rechtfertigen. Er hat als Sündenbock den Rebellenführer Jonas Savimbi gefunden und kann alles, was schiefläuft, dem Krieg und Savimbi in die Schuhe schieben. Damit das weiter funktioniert, muss das Regime oppositionelle Stimmen unter Verschluss halten. Deshalb ist heute der schärfste Konflikt, abgesehen von dem Krieg, der zwischen dem autoritären Regime und denen, die die Grenzen der Presse- und Meinungsfreiheit ausdehnen wollen.
In den vergangenen zwei Jahren sind mehr als 30 Journalisten zeitweilig inhaftiert gewesen. Sie sind verhört und gepeinigt worden, weil sie Kritik an der schlechten Regierungsführung geäußert hatten. Bei den geschilderten jüngsten Attacken auf Voice of America und Rádio Ecclesia sind scheinbar dunkle Kräfte am Werk. Diese Überfälle rücken auch wieder die Morde an den Journalisten Ricardo Melo, António Casimiro, Feliciano Zau Bunge und Maurício Cristóvão ins Licht. Bis heute konnte die Regierung die Täter nicht vor Gericht bringen und versucht, dem Thema auszuweichen.
Am 19. Januar dieses Jahres drohte mir der MPLA-Abgeordnete Mendes de Carvalho in einer Rede vor dem Parlament mit dem Tod. Wenn ich weiterhin den Präsidenten kritisiere, so betonte er gegenüber den Parlamentsmitgliedern, würde ich keine 40 Jahre alt werden. Dieser Satz fiel während einer Debatte über die Pressefreiheit und den Respekt vor dem Medienrecht. Die Debatte sollte den Druck von Journalisten nehmen, verstärkte ihn jedoch in Wahrheit.
Im vergangenen März wurde gegen mich und zwei andere Kollegen in einer Art "Volksgericht" verhandelt. Die Verhandlung wurde in den lokalen und internationalen Medien als armselige Rechts-Farce geschildert. Die Anklage beschuldigte den Direktor und den Chefredakteur der Wochenzeitung Agora, Aguiar dos Santos und den Redakteur António Freitas, meine Ko-Autoren bei der angeblichen Verleumdung des Präsidenten und des Generalstaatsanwalts gewesen zu sein. Mein Artikel "Der Lippenstift des Diktators", für den ich ins Gefängnis musste, war in der Wochenzeitung Agora veröffentlicht worden, und zwar als eine Reaktion auf einen Artikel eines MPLA-Parlamentariers, der mich kritisiert hatte. Aguiar dos Santos hatte allerdings ebenfalls einen kritischen Artikel geschrieben, in dem er die 20-jährige Herrschaft von Dos Santos analysiert und ihn einen scharfsinnigen und geschickten Manipulator genannt hatte. Das Vergehen von António Freitas war schlicht, der Redakteur zu sein. Die Anklagepunkte waren willkürlich und führten nicht im Einzelnen aus, wer was geschrieben hatte.
Der Richter Joaquim Cangato verhandelte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Er ließ es nicht zu, dass mein Anwalt mich angemessen verteidigen konnte. Stattdessen suspendierte er ihn für sechs Monate von seiner Anwaltstätigkeit, denn mein Anwalt hatte aus Protest dagegen, dass er sein Plädoyer nicht hatte vortragen dürfen, den Gerichtssaal verlassen. Vor dem Gericht wurde ich anderer Vergehen beschuldigt, derer ich mir nicht bewusst war, etwa dass ich die Moral der angolanischen Armee untergraben hätte, weil ich die Kraftanstrengungen der Armee gegen die Unita-Rebellen sabotiert hätte; ferner sei ich das Sprachrohr einer internationalen Verschwörung zum Sturz der Regierung Dos Santos. Die Beschuldigungen kamen vom Sprecher des Präsidenten, Aldemiro Vaz da Conceição, der als Zeuge des Präsidenten in den Gerichtssaal gerufen worden war. Der mir anstelle meines Anwalts zugewiesene Rechtsbeistand wusste nur zwei Sätze zu sagen, wenn er zur Verteidigung aufgerufen wurde: "Ich bin zufrieden, Euer Ehren" oder "Ich fordere Gerechtigkeit, Euer Ehren!"
Ich gab während des vier Tage dauernden Prozesses keine Stellungnahme ab. Das war ohnehin keine ernst zu nehmende Verhandlung. Der Richter erlaubte nicht einmal, Zeugen zu meiner Verteidigung aussagen zu lassen. Lediglich pro forma durfte einer meiner Zeugen, Fernando Macedo, für weniger als eine Minute in den Zeugenstand treten. Als dieser erklärte, es sei verfassungswidrig, ihn nicht Beweismaterial vorlegen zu lassen, unterbrach der Richter ihn und raubte mir so die Chance eines Minimums an Verteidigung.
Wiederum half Druck aus dem Ausland, insbesondere vom Open Society Institute unter Führung des Philantropen George Soros sowie vom US State Department, der britischen Regierung und dem Europäischen Parlament: Unmittelbar bevor der Richter das Urteil verlesen wollte, wurde es geändert. Ich wurde zu sechs Monaten Haft und 17.000 US-Dollar Strafe verurteilt, Aguiar dos Santos zu zwei Monaten Haft und 6.000 US-Dollar Strafe, während António Freitas freigesprochen wurde. Der Richter erteilte mir außerdem für unbestimmte Zeit ein Verbot, ins Ausland zu reisen und dort etwas zu veröffentlichen oder als Redner aufzutreten.
Wir legten vor dem obersten Gericht Berufung ein. Doch bis heute hat der Oberste Gerichtshof keine Verhandlung anberaumt. Die Strategie der Regierung ist offenbar, den Fall auf ewig ohne Entscheidung beim Obersten Gerichtshof schmoren zu lassen. Das alles hat mich aber nicht zum Schweigen bringen können. Ich werde weiterhin für den Frieden, für Menschenrechte und die Pressefreiheit eintreten.
Um weiteren Druck aus dem Ausland zu vermeiden, hat der Kommunikationsminister am 25. Juli Vertreter der angolanischen Gesellschaft aufgefordert, Vorschläge für ein neues Mediengesetz zu unterbreiten. Er würdigte den Präsidenten als großen Demokraten, weil dieser das Volk an der Debatte für ein so wichtiges Gesetz teilnehmen lasse. Auch aus dem Ausland gab es Stimmen, die diesen Schritt der Regierung begrüßten, bevor sie überhaupt die Gesetzesvorlage gesehen hatten. Im Inland verhielten sich die Leute eher abwartend.
Tatsächlich ist das vorgeschlagene neue Mediengesetz schärfer als das gegenwärtige, das wegen seiner verfassungswidrigen Passagen angefochten wird, zum Beispiel wegen des Artikels 46, der Journalisten nicht erlaubt, Beweise vorzulegen, wenn der Präsident der Kläger ist. Das neue Mediengesetz wird unabhängigen Journalismus durch eine Reihe von Auflagen für die Berichterstattung oder Kommentierung von Regierungsangelegenheiten behindern. Wer sich nicht an diese Auflagen hält, kann mit bis zu zwölf Jahren Haft oder mit einer Geldstrafe von bis zu hundert Monatsgehältern bestraft werden. Das neue Mediengesetz wird höchstwahrscheinlich verabschiedet werden, da die regierende MPLA die absolute Mehrheit im Parlament hat. Die Öffentlichkeit ist lediglich zu Propagandazwecken um Vorschläge gebeten worden.
Präsident Dos Santos ist ein Diktator, der eine demokratische Maske braucht, um im Amt zu überleben. Nur ein paar Journalisten haben die Möglichkeit, ihm diese Maske wegzureißen und aufzudecken, worauf sich seine Macht wirklich gründet: auf Korruption, Propaganda, Inkompetenz und Repression. Ich möchte hier als Beispiel anführen, was die Wochenzeitung Agora am 24. November vergangenen Jahres aufdeckte: Die Regierung hatte einen Haushaltsposten in Höhe von 3,15 Millionen US-Dollar für Propaganda in den ehemaligen Hochburgen der Unita, Bailundo und Andulo, reserviert, um dort kostenlos Fernsehgeräte, Radios, Batterien und Propaganda-T-Shirts zu verteilen. Gleichzeitig hatte die Regierung internationale Hilfsorganisationen gebeten, etwas gegen den Hunger in diesen Städten zu tun, und daraufhin von Norwegen 300.000 US-Dollar erhalten, um Trockenfisch an der Küste zu kaufen und zu den Hungergebieten zu bringen.
Als Journalist kann ich nicht einfach in die Flüchtlingslager gehen und berichten, wie Kinder an Hunger sterben. Nein, ich muss mich für wirkliche Veränderungen einsetzen. Angola kann ein Land des Friedens und der Menschenwürde werden, es kann auch ein wohlhabendes und wirklich demokratisches Land werden. Die Ausübung des Rechts auf Meinungs- und Pressefreiheit ist der einzige Weg für Angolaner, ihre Probleme zu lösen und ihre Führer für deren Taten zur Verantwortung zu ziehen. Ich bin stolz darauf, an vorderster Front zu stehen, wenn es darum geht, mehr Raum für die freie Presse und freie Meinungsäußerungen zu erkämpfen.
aus: der überblick 03/2000, Seite 72
AUTOR(EN):
Rafael Marques:
Rafael Marques, 29 Jahre alt, ist Journalist in Angola und schreibt unter anderem für die Zeitungen Agora und folha 8. Er vertritt das "Open Society Institute" in Angola, das zur George Soros Stiftung gehört.