"Für den Dialog wird jetzt mehr Geld angeboten"
Spannungen zwischen Christen und Muslimen haben in Tansania in den 1990er Jahren zugenommen. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT) hat daher einen interreligiösen Dialog angeregt, der zur Gründung der Muslimisch-Christlichen Kommission für Frieden, Entwicklung und Konfliktlösung (Tuwwamuta) Ende 2000 geführt hat. Sie wird vom EED unterstützt. Amani Mwenegoha, der Generalsekretär der ELCT und von Tuwwamuta, von der Ausbildung her Jurist, erklärt die Probleme und den Ansatz der Organisation.
von Bernd Ludermann
Was ist das Ziel von Tuwwamuta?
Wir wollen Frieden zwischen Muslimen und Christen in Tansania schaffen. Das zweite Ziel ist, sich für gute Regierungsführung und Demokratie in Tansania sowie für die Rolle religiöser Gemeinschaften im öffentlichen Leben einzusetzen. Tuwwamuta will auch gemeinsame Entwicklungsprojekte ins Leben rufen. Muslime beschweren sich, dass sie im Erziehungswesen benachteiligt sind, und wir wollen ihnen helfen, gemeinsame Schulen einzurichten, vor allem Grundschulen. Wir konzentrieren uns auf die ärmsten Gebiete, die vorwiegend entlang der Küste liegen.
Und die sind vorwiegend muslimisch.
Ja. Das ist das Problem. Die Klagen von Muslimen über Benachteiligung sind zum Teil berechtigt. Aber die Nachteile sind nicht in religiöser Diskriminierung begründet und auch nicht das Ergebnis irgendwelcher Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre, sondern ein zufälliges Ergebnis der Geschichte.
Sind die Spannungen zwischen Christen und Muslimen nicht in den vergangenen zehn Jahren gewachsen?
Ja. Angehörige beider Gruppen haben sich Straßenkämpfe geliefert. Seit 1989 gab es Demonstrationen, die zum Teil mit Gewalt und Aufruhr einhergingen. Jugendliche Muslime zerstörten Geschäfte wie zum Beispiel Metzgereien, die Schweinefleisch anboten. Sie erklärten, sie wollten Tansania von allem befreien, was gegen den Islam sei. Wenn sie es geschafft hätten, die Metzgereien in Dar es Salam zu beseitigen, wären sie als nächstes zu den Kirchen gegangen. Sie verlangten einen islamischen Staat in Tansania.
Haben Christen zurückgeschlagen?
Sie haben nichts zerstört. Aber sie haben zum Ausdruck gebracht, dass sie bereit waren zu kämpfen und zur Verteidigung ihrer Metzger und ihrer Lebensart auch zu töten. Die Leute hatten wirklich die Nase voll. Die Regierung ist dann eingeschritten.
Warum haben die Spannungen gerade damals zugenommen? Wegen der politischen Öffnung?
Das hat vor allem mit Einfluss von außen zu tun. Lange Zeit hatten Muslime und Christen friedlich zusammengelebt. Aber der Frieden ist vom Auftauchen islamischer und auch christlicher Fundamentalisten - so will ich sie einmal nennen - in Frage gestellt worden. Mitte der achtziger Jahre wurden eine Reihe Jugendlicher aus Tansania zum Religionsstudium nach Libyen, Kairo und in andere arabische Staaten gebracht. Als sie nach zwei bis drei Jahren zurückkamen, haben wir zum ersten Mal Beleidigungen gegen das Christentum und alles Christliche erlebt. Einige der beteiligten Jugendlichen wurden für dieses Auftreten bezahlt.
Haben auch Christen von außen schädlichen Einfluss ausgeübt?
Ja, es gibt Prediger ohne Anbindung an große Kirchen, die Muslime bekehren wollen und dabei in ihrer Sprache keine Rücksicht auf die Christen im Land nehmen. Sie kommen vor allem aus den USA, aber auch Reinhard Bonnke aus Deutschland zählt dazu; dessen Predigten empfinden Muslime als beleidigend. Wir haben die Regierung gedrängt, solche Evangelisten nicht ins Land zu lassen. Aber es ist schwieriger, mit islamischen Fundamentalisten umzugehen. Denn die haben mehr Geld und gehen im Verborgenen vor. Selbst unsere Partner auf muslimischer Seite kennen sie nicht.
Woher wissen Sie dann von ihnen?
Unsere muslimischen Partner erklären uns, dass Islamisten aus bestimmten Ländern, zum Beispiel Iran, nach Tansania kommen. Das macht ihnen Sorge.
Und was sagen sie dazu?
Sie informieren uns, aber aus Angst vor Jugendlichen, die von Islamisten bezahlt werden, nehmen sie nicht offen Stellung. Wir ermutigen einheimische Muslime, diese neue Marke des Islam nicht zu akzeptieren und den Arabern nicht zu erlauben, in ihren Moscheen zu predigen. Sie können das verhindern, denn in Tansania werden die Moscheen laut Gesetz von Einzelpersonen geführt, die beim Staat registriert sind. Die Moscheen der Fundamentalisten, die sie manchmal an großen Straßen bauen, besuchen die meisten tansanischen Muslime nicht.
Wird die Religion stärker als früher für parteipolitische Zwecke eingesetzt?
In den neunziger Jahren ja. Vorher gab es das nicht, weil wir nur eine politische Partei hatten. Aber auch heute gibt es nur eine Partei mit religiöser Neigung - die CUF - , und auch die sagt das nicht offen. Man erkennt es nur daran, dass sie zum Beispiel im Wahlkampf 1995 und 2000 politische Mobilisierung in Moscheen betrieben hat. Zur Zeit wird allerdings auch über mehr Selbstverwaltung für religiöse Gruppen debattiert. Einige Muslime verlangen einen Kadi - einen obersten Richter - , der etwa in Ehestreitigkeiten nach der Scharia richtet, dem islamischen Recht. Das halte ich für sinnvoll, vorausgesetzt das staatliche Recht hat Vorrang, falls einer der Ehepartner das will. Aber dieser Einschränkung stimmen manche Muslime nicht zu. Unsere Kirche sieht das mit Sorge, weil wir um die Rechte muslimischer Frauen fürchten.
Gibt es Beispiele, dass Tuwwamuta Konflikte entschärft hat?
Ja. Muslimische Jugendliche haben beim Obersten Gericht eine Verfügung beantragt, wonach die Christen nicht mehr öffentlich Jesus als Sohn Gottes bezeichnen dürften, denn Gott - Allah - könne keine Kinder haben. Wenn wir das vor Gericht ausgetragen hätten, wäre die Folge sicher eine Polarisierung zwischen den Religionen gewesen. Daher haben wir Sendezeit im Staatsfernsehen für den obersten Geistlichen des Muslimrates gekauft. Er hat darauf hingewiesen, dass Christen Jesus auch als "das Wort" bezeichnen, und die Muslime aufgerufen, sich nicht um Fragen zu kümmern, die ihre eigene Religion gar nicht betreffen. Daraufhin haben die Jugendlichen die Klage zurückgezogen. Seitdem haben wir nichts mehr von der Angelegenheit gehört.
Hat Tuwwamuta auch christliche Fundamentalisten in Zaum gehalten?
Was man christliche Fundamentalisten nennen kann, waren nur etwa 40 junge Leute aus verschiedenen Kirchen, die ihrerseits Verachtung für den Islam zum Ausdruck bringen wollten. Eine Zeit lang habe ich die auch unterstützt - zum Teil weil wir ratlos waren und nicht wussten, was wir tun sollten. Aber als wir den Dialog begannen, wurde uns klar, dass wir mit Gleichgesinnten unter den Muslimen reden konnten und die dort die Mehrheit waren. Deshalb hat die Gruppe ihre Haltung geändert: Sie versucht jetzt Christen zu sensibilisieren, statt Muslime zu beleidigen.
Gibt Tuwwamuta öffentliche Stellungnahmen ab?
Wir haben uns nur einmal öffentlich geäußert: Anlässlich der letzten Wahlen haben wir die Parteien aufgerufen, nicht in Kirchen oder Moscheen Wahlkampf zu machen, und uns für freie und faire Wahlen ausgesprochen. Sonst arbeiten wir im Hintergrund. Tuwwamuta ist noch eine junge Organisation, und wenn wir zu stark öffentlich Position beziehen, schaffen wir uns Feinde, so dass die Existenz der Organisation gefährdet wird.
Wer ist Mitglied von Tuwwamuta?
Wir haben zur Zeit im Wesentlichen Mitglieder aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias (ELCT) und aus dem Nationalen Rat der Muslime Tansanias.
Nicht aus anderen christlichen Konfessionen?
Die Katholiken, andere protestantische Kirchen und auch Pfingstler haben an der Konsultation im August 1999 teilgenommen, aus der Tuwwamuta entstanden ist. Aber sie hatten Vorbehalte. Ich hoffe, dass die christlichen Kirchen zusammenfinden und sich mit den Muslimen für das gemeinsame Wohl aller Tansanier einsetzen. Es gibt aber einige andere Initiativen - wie die der Weltbank für globalen interreligiösen Dialog - , die sich in Tansania auswirken. Tansania ist ein sehr großes Land mit schlechter Infrastruktur. Tuwwamuta kann nicht beanspruchen, das ganze Gebiet abzudecken, nur um groß zu erscheinen. Ich begrüße und unterstütze daher jede ernsthafte lokale Initiative zum Dialog zwischen Christen und Muslimen.
Haben Sie Einfluss in den Gemeinden?
Nein, noch nicht. Wir konzentrieren uns dieses Jahr darauf, unsere Registrierung beim Staat zu erreichen. Danach wollen wir Friedenszentren in allen Regionen aufbauen und von da herunter in die Distrikte und dann in die Gemeinden gehen.
Arbeiten Sie in Sansibar?
Auch das planen wir. Ich bin deshalb selbst im Februar in Sansibar gewesen und habe mit dem Mufti und dem Kadi gesprochen. Aber dort herrscht eine besondere Lage: Der Kadi wird ebenso wie der Mufti, der führende islamische Geistliche, von der Regierung der Insel ernannt - auch wenn das nicht offiziell festgelegt ist. Als ich mit ihnen über einen Religionsdialog sprach, baten mich beide, mich zuerst an die Regierung Sansibars zu wenden. Das zeigt, wie politisch heikel das dort ist. Wir haben diese Pläne deshalb zurückgestellt.
Haben die Anschläge in den Vereinigten Staaten und die Gewalt in Israel und Palästina den Dialog erschwert?
Bisher nicht. Solidaritätskundgebungen für die Palästinenser haben bisher, bis Mitte April, nicht stattgefunden. Es gab eine Demonstration der Solidarität mit Osama bin Laden, aber sie war offenbar politisch manipuliert: Auf vielen Plakaten ging es um die Wahlen in Sansibar, und das hat mit Osama bin Laden gar nichts zu tun. Einige wollten offenbar Chaos stiften und erwarteten, die Regierung würde eine Kundgebung für Osama nicht erlauben. Aber die Regierung wusste, dass es nicht um Osama ging, und ließ die Demonstration zu. Die Kundgebung war sehr groß, aber hinterher löste sich das in nichts auf.
Bieten nach den Anschlägen mehr Geber Geld für Dialogprojekte wie Ihres an?
Allerdings, es gibt jetzt mehr Geldangebote. Aber wir sind noch nicht so weit, mehr Geld zu nehmen, und natürlich vorsichtig, von wem wir uns finanzieren lassen. Zum Beispiel haben die Tansanier Verständnis für die Angriffe der USA auf Afghanistan, aber wenn der Irak oder Somalia zum Ziel werden sollen, haben sie Zweifel. Geld aus den USA würden wir daher nicht nehmen.
Sehen Ihre muslimischen Partner ein Problem darin, dass Tuwwamuta überwiegend von christlichen Gebern finanziell unterstützt wird?
Nein.
Erhält Tuwwamuta denn auch Zuschüsse von muslimischen Gebern?
Ich habe meine muslimischen Partner gebeten, sie sollten versuchen die einzuwerben, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie Erfolg haben. Arabische Länder geben dafür nichts.
aus: der überblick 02/2002, Seite 116
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".