Kirchliche Hilfswerke und Projekte von Partnerschaften - ein heißes Eisen?
Viele Gemeinden und Kirchenkreise unterhalten Partnerschaften mit Gemeinden im Süden. Oft wollen sie nicht darauf verzichten, diese mit Entwicklungsprojekten zu unterstützen. Kirchliche Werke sollten sie dabei beraten, statt solche Hilfe als Domäne der "Profis" anzusehen.
von Ruth Gütter
Ein Mitglied einer Kirchenkreispartnerschaft ruft mich an: "Wir fahren demnächst nach Südafrika und sind von unseren Partnern gebeten worden, den Aufbau eines Aids-Hospitals finanziell zu unterstützen. Wir wollen ja gern helfen, aber ich fürchte, wir übernehmen uns damit. Können Sie uns einen Rat geben?"
Solche Anrufe sind Glücksfälle. Oft werden Beauftragte für den kirchlichen Entwicklungsdienst (KED) oder andere kundige Personen in Missionswerken oder Landeskirchen gar nicht um Rat gefragt, wenn es darum geht, Projekte im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Gemeinden oder Kirchenkreisen in Nord und Süd zu planen und durchzuführen. Die Folge: Es fließt viel Geld ohne realistische Planung, ohne erkennbare Trägerstruktur und ohne Abschätzung der Folgekosten. Am Ende steht viel Frust, eine belastete, manchmal sogar zerbrochene Partnerschaft und ein Projekt, das scheitert oder im Sande verläuft.
Natürlich muss es nicht so laufen. Aus meiner nun zehnjährigen Erfahrung in der Mitarbeit in einer Kirchenkreispartnerschaft davon acht Jahre als Vorsitzende und meiner siebenjährigen Erfahrung als KED-Beauftragte in der Beratung von Partnerschaften gibt es auch viele gute Erfahrungen: beeindruckende Projekte, die von beiden Seiten verantwortet werden, die überschaubar sind und nachhaltig wirken.
Die Partnerschaftsgruppen sind meist sehr stolz auf ihre Projekte. Diese sind die nach außen sichtbaren Erfolge, die eine Partnerschaft vorzuweisen hat. Projekte bestärken die aktiven Mitglieder und Spender in dem schönen Gefühl, Not zu lindern, persönlich und direkt zu helfen. Dagegen ist zunächst auch nichts einzuwenden. Wenn jedoch die Höhe der Spenden oder die Zahl und Größe der Projekte die einzigen oder vorrangigen Gradmesser für die Qualität einer Partnerschaft sind, dann sind Partnerschaften nur ein Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich an materiellen Erfolgen misst. Sind die Projekte dann noch so angelegt, dass sie zu Abhängigkeit zwischen Spendern und Empfängern führen oder sie verfestigen, dann können sie die Beziehung der Partner belasten und wirkliche Partnerschaft verhindern.
Aus diesem Grund habe ich jahrelang mit mäßigem Erfolg versucht, unsere Kirchenkreispartnerschaft davon zu überzeugen, dass sie auch ohne Spenden und Projekte eine gute und lohnende Sache sein kann. Immerhin ist unsere Partnerschaft sehr sensibel für die Art der Beziehungen geworden und engagiert sich viel stärker als früher in der politischen Lobbyarbeit, etwa der Entschuldungskampagne und dem Aktionsbündnis gegen Aids. Aber ganz ohne Spenden und Projekte geht es eben doch nicht. Spätestens dann, wenn wieder eine Nord-Süd-Reise stattgefunden hat, lebt besonders bei denen, die das erste Mal in die Partnergemeinde reisen, der Wunsch wieder auf, sich in Projekten zu engagieren. Natürlich wecken solche Wünsche auch Begehrlichkeiten bei den Partnern, die folgerichtig manchmal die Güte ihrer Partner an der Höhe der finanziellen Unterstützung messen.
Wenn Partnerschaften offenbar nicht auf Projekte verzichten können, dann sollten sie nach meiner Meinung in ihrem Projektmanagement möglichst umfassend und kompetent beraten werden. Ich wünsche mir sogar, dass Wege gefunden werden, wie Projekte, die das Vermögen von Kirchenkreispartnerschaften übersteigen, von den "Profis" in Missions- oder Entwicklungswerken übernommen werden können.
Partnerschaften in ihrem Projektmanagement zu beraten, ist eine sensible Sache. Manche Partnerschaftsausschüsse lassen sich nur ungern in ihre Karten sehen. Teils meinen sie, sie wüssten schon, wie das geht, teils wollen sie nicht zugeben, dass es Schwierigkeiten mit Projekten gibt oder sie mit einem Projekt gescheitert sind.
Aber andere würden gern Hilfe annehmen und haben Fragen, auf die sie oft keine Antwort bekommen. Zum Beispiel, wie man überhaupt ein Projekt plant und aufbaut, wo man mehr Geld dafür locker machen kann oder ob man das Projekt nicht sogar einem Entwicklungswerk "andienen" kann. Diese Fragen werden recht oft an mich herangetragen, weil manche Aktivisten in den Partnerschaften mit "Kirchlichem Entwicklungsdienst" (KED) die Vorstellung verbinden, ich wäre auch für Projekte in den Partnerländern zuständig. Dann muss ich die Anrufer darüber aufklären, dass ich als KED-Beauftragte fast nichts mit den Projekten im Süden zu tun habe.
Partnerschaften, die sich im Projektmanagement beraten lassen wollen, finden es oft schwierig herauszubekommen, wer eigentlich zuständig ist. Soll man in der Landeskirche die Mitarbeitenden im Bereich Mission und Ökumene fragen oder Beauftragten für kirchlichen Entwicklungsdienst, soll man sich an die Missionswerke wenden oder eins der beiden kirchlichen Entwicklungswerke, den EED und "Brot für die Welt"? Wenn man endlich an Adressen, Namen und Telefonnummern herangekommen ist, bekommt man oft recht unterschiedliche Auskünfte. Es kann gut sein, dass man abgewiesen wird mit der Begründung "für Partnerschaften sind wir nicht zuständig" jedenfalls nicht für die Projekte der Partnerschaften. Als Lobbyisten für die Bildungs- und Lobbyarbeit sind Partnerschaften den Werken natürlich willkommen, aber wehe sie mischen sich ins eigene Kerngeschäft ein. Dann werden sie schnell von Verbündeten zu Konkurrenten. Es kann auch passieren, dass von Projekten abgeraten wird, weil Partnerschaften nicht das nötige Wissen hätten und Projekte doch lieber den Profis in den Werken überlassen sollten.
Wenn man etwas mehr Glück hat, bekommt man einen Tipp, an wen man sich am besten wenden sollte. Noch mehr Glück hat man, wenn man nicht einfach nur weitervermittelt wird, sondern sich tatsächlich jemand zuständig fühlt und einen fachkundigen Rat gibt. Doch so weit kommen nur die ganz Hartnäckigen. Denn eins der größten Probleme ist, dass ungeklärt ist, welche "Profis" für die Beratung von Partnerschaftsprojekten zuständig sind.
Der Streit um Partnerschaftsprojekte macht auch das Problem der scharfen, manchmal künstlichen Trennung von "Inlandsarbeit" und "Internationaler Arbeit" deutlich, also zwischen Lobby- und Bildungsarbeit hier und Projekten im Süden. In der Partnerschaftsarbeit sind solche Trennungen gar nicht möglich, weil es ihr gerade um die Wechselwirkung geht. Vieles, was eine Gemeinde in Deutschland in der Lobby- oder Bildungsarbeit tut, geschieht im Interesse der Partner, und manche Partner im Süden bekommen davon Impulse für ihre Arbeit vor Ort. Jede einigermaßen erfolgreiche Kampagne wie die Entschuldungskampagne (vgl. "überblick"-FORUM 4/02) oder das Aktionsbündnis gegen Aids lebt von einer gut abgestimmten Arbeitsteilung zwischen den Nord- und Südpartnern. Das wissen auch die Entwicklungswerke, die ja Mitträger solcher Kampagnen sind; sie entwi-ckeln deshalb "Eine-Welt-Projekte" oder "Eine-Welt-Themen", bei denen die Projektarbeit im Süden stärker mit der Lobbyarbeit im Norden verzahnt wird.
In diesen Prozess gehört meines Erachtens auch die Beratung und entwicklungspolitische Qualifizierung der Partnerschaftsarbeit. In diesem Feld sind alle Beteiligten Lernende, weil Partnerschaft nach meinem Verständnis ein Zielbegriff ist und wohl kaum jemand den Anspruch erheben kann, tatsächlich schon eine gleichberechtigte Partnerschaft erreicht zu haben. Das mahnt alle Beteiligten zu etwas mehr Bescheidenheit und auch zu mehr Kooperationsbereitschaft.
Das Problem der ungeklärten Zuständigkeiten für die Beratung von Partnerschaften ist ein heißes Eisen, mit dem sich nach meinem Eindruck kaum jemand befassen möchte. Landeskirchen und Kirchenkreise betrachten "ihre" Partnerschaften oft als etwas, was nur sie etwas angeht. Manche lassen diesen Partnerschaften viele Freiheiten, andere haben brauchbare Förderkriterien oder Leitlinien entwickelt. Es gibt keinen verlässlichen Überblick über die Zahl der Partnerschaften oder gar über die dort fließenden Spendengelder. Aber Insider sind sich sicher, dass die Größenordnung bei mindestens zweistelligen Millionenbeträgen liegen muss. Schon deshalb ist das Thema so schwierig, denn die Beteiligten sind natürlich auch alle mehr oder weniger Konkurrenten in einem umkämpften Markt für Spenden und Kirchensteuermittel.
Auf diesem "Markt" halten sich immer noch einige hartnäckige Vorurteile. Bei manchen Spendern und auch in Partnerschaften herrscht der Verdacht, dass bei den großen Organisationen alles zu anonym sei und man nie wisse, ob das Geld wirklich ankomme. Und auf der Seite der Profis findet man das Vorurteil, dass Projekte in den Partnerschaften stümperhaft betrieben würden.
Einzelne versuchen immer wieder, diese Gräben zu überbrücken und die Partnerschaften in ihrem Projektmanagement zu qualifizieren. Meistens ist das bisher ohne große Unterstützung von den leitenden Ebenen der Landeskirchen und Werke geschehen. Zwei Hefte mit praktischen Tipps und den Adressen der entscheidenden Ansprechpartner, die einige KED-Beauftragte vor mehreren Jahren herausgegeben haben und die für diese Qualifizierung sehr nützlich sind, wurden so oft nachgefragt, dass sie nun vergriffen sind. Sie müssten dringend aktualisiert und neu aufgelegt werden, doch das geschieht trotz mehrmaliger Anfrage beim EED und der EKD nicht.
Ich denke, dass es so nicht weitergehen kann. Dringend nötig ist erstens eine Klärung der Zuständigkeiten und eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Landeskirchen, Missionswerken und Entwicklungswerken bei der Beratung von Partnerschaften in Fragen des Projektmanagements. Zweitens müssen die beiden Broschüren neu aufgelegt werden. Drittens sollte personelle Kapazität bereitgestellt werden, um das weite Feld der Projektarbeit in Partnerschaften zu sichten und den Beratungsbedarf dort zu erheben. Und viertens sollten die Entwicklungs- und Missionswerke bereit sein, geeignete Projekte aus den Partnerschaften in die eigene Förderung aufzunehmen.
aus: der überblick 02/2004, Seite 95
AUTOR(EN):
Ruth Gütter:
Dr. Ruth Gütter ist Beauftragte für Kirchlichen Entwicklungsdienst der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und Vorsitzende des
Inlandsbeirates des EED.