Piraten, die im Trüben fischen
Wie brisant die Fisch-Piraterie ist, machte Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), in seinem Bericht an die 43. UN-Generalversammlung zum Tagesordnungspunkt "Ozeane und Seerecht" im Oktober 2000 deutlich: "Das Überhandnehmen von illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter (IUU) Fischerei kann als eines der schwerwiegendsten Probleme, welche die Weltfischerei bedrohen, betrachtet werden. Sie hat mit großer Wahrscheinlichkeit weitreichende Konsequenzen für die langfristige nachhaltige Bewirtschaftung von Fischereien."
von Hans-Albrecht Wiehler
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) geht davon aus, dass bis zu 30 Prozent der gesamten weltweiten Fangmenge aus illegaler Fischerei stammt. Aber was ist eigentlich illegale Fischerei? Vorbei sind die Zeiten, in denen der Ozean als rechtsfreier Raum und der Fisch als freies Gut galten. Durch die Einrichtung der Exclusive Economic Zones (EEZ, ausschließliche Wirtschaftszonen) in den Küstengewässern, in denen unter anderem die Fischereirechte dem jeweiligen Küstenland gehören, und die Einsetzung von internationalen Fischerei-Management Organisationen für die hohe See existieren eine Reihe von Regelungen.
Die IUU-Fischerei hat deshalb verschiedene Gesichter: In den Küstengewässern wird entweder ohne eine Lizenz gefischt oder Regeln, die für die Nutzung festgelegt wurden, werden verletzt. So dringen immer häufiger große Fabrikschiffe in die für die Kleinfischer reservierten Zonen vor, und die Übertretung der ausgehandelten Quoten gehört mancherorts zur Routine.
Auf hoher See sind Nutzungsrechte keiner bestimmten Nation zugeteilt; hier liegt die Illegalität beispielsweise in der Anwendung verbotener Fangtechniken oder Falschmeldungen über die Mengen der gefangenen Fische. Überfischt werden dort besonders Fischarten, die einen hohen Marktwert haben, - zum Beispiel Schwarzer Seehecht. Im Restaurant werden für eine Portion dieser Spezies bis zu 50 Euro bezahlt. Bei der Anlandung kann ein einziger Fisch bis zu 1000 Euro einbringen, über 10 Euro je Kilo. Bei 150 Tonnen Fangmenge pro Fahrt ergibt das einen Erlös von rund 1,5 Millionen Euro bei sehr geringem Risiko, weil die Fanggebiete kaum kontrolliert werden. Häufig kommen bei diesen Operationen veraltete, abgeschriebene Schiffe zum Einsatz, so dass kein fühlbarer Verlust entsteht, wenn sie aufgebracht werden. Schon der nächste Raubzug kann so viel einbringen, wie das Schiff gekostet hat.
Außerdem fahren die Schiffe meist unter einer so genannten Flag of Convenience (FOC). Sie sind damit in einem Land registriert, das sie für eine geringe Gebühr einträgt, aber nicht seiner Verpflichtung zur Überwachung nachkommt. FOCs bieten dem Eigner somit Vorteile: Er kann internationale Regelungen umgehen und seine Fischereiaktivitäten verschleiern. Laut Greenpeace sind 1300 industrielle Fischereischiffe ausgeflaggt, also in anderen Ländern registriert. 1000 davon fahren unter den Flaggen von Belize, Panama, Honduras oder St. Vincent und die Grenadinen. Die Nutzung von FOCs und IUU-Fischerei sind praktisch nicht zu trennen.
Einige dieser Schiffe fuhren vorher unter der Flagge eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU). Die EU bemüht sich aber darum, ihre Fangkapazität zu vermindern und zahlt Reedern Ablösesummen dafür, dass sie Schiffe außer Dienst stellen. Viele Eigner kassieren diese Subvention und registrieren ihre Schiffe dann unter einer FOC, um unter erleichterten Bedingungen weiter zu fischen.
Hier zeigt sich der eigentliche Grund für die illegale Fischerei: die Überkapazität der industriellen Fangflotte. Immer mehr Fischer jagen immer weniger Fisch und dies vermehrt illegal. Auf der anderen Seite steht ein immer noch fragmentiertes und nicht ausreichend von der internationalen Staatengemeinschaft gestütztes Rechtssystem, das kaum in der Lage ist, Übertretungen zu ahnden. Ferner mangelt es an Geld, um die Weiten des Ozeans zu überwachen. Viele Entwicklungsländer können nur zusehen, wie sogar in ihren Küstengewässern die Fischgründe geplündert werden. Guinea etwa stehen für die Überwachung seiner EEZ nur vier Schlauchboote zur Verfügung.
Als ein Schiff von Greenpeace im September 2001 eine Woche lang vor Westafrika kreuzte, entdeckten die Beobachter elf FOC-Schiffe, zwei weitere hatten keinen Namen, zwei hatten zwei Namen, zwei hatten den gleichen Namen und 27 zeigten weder ihren registrierten Hafen noch das Land, in dem sie gemeldet waren. Einige Schiffe waren schon bei vorherigen Erhebungen als illegal fischend aufgefallen.
Solche Stichproben verdeutlichen, wie verbreitet die IUU-Fischerei tatsächlich ist und wie schwer es alleine schon ist, die Schiffe zu identifizieren, geschweige denn, sie zu überwachen und bei Übertretungen zu verfolgen.
Weil die Fangschiffe nicht ausreichend kontrolliert werden, fordert Greenpeace von der EU, dass wenigstens die Häfen für die Anlandungen aus illegalem Fischfang gesperrt werden sollen. Vom Hafen Las Palmas de Gran Canaria zum Beispiel ist bekannt, dass große Mengen illegal gefangenen Thunfisches angelandet werden und eine Reihe FOC-Fischflotten von hier aus operieren. Dass ein Anlandeverbot durchgesetzt werden kann, macht der Hafen Kapstadt vor: Er lässt das Löschen von Thunfisch von FOC Schiffen nicht zu. Eine Anfang Mai von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris abgehaltene Tagung von internationalen Fischereiexperten forderte von Staaten, in ihren Häfen das Umladen, die Anlandung und den Handel mit illegal gefangenen Fischen zu verbieten. Auch eine bessere Kontrolle der Umladung und Verarbeitung auf See sei nötig.
aus: der überblick 02/2004, Seite 33
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Hans-Albrecht Wiehler:
Hans-Albrecht Wiehler ist Fortwirt und Biologe. Er war bei der Vorbereitung und Redaktion dieses Heftes Hospitant bei "der überblick".