In Ägypten haben die Mittelschichten mit ihrem Konsum das Land verändert
von Mona Abaza
Wer in Ägypten in den sechziger Jahren, in der Zeit von Präsident Gamal Abdel Nasser, aufgewachsen ist, wird sich noch an langlebige Gebrauchsgüter im Haushalt erinnern, die im Land selbst von dem Staatsunternehmen Ideal produziert worden waren. Da gab es den Herd, den Kühlschrank, Schränke, Betten und Tische aus Metall alles in wenig attraktivem Design, aber funktional. Um die Wohnungsnot zu lindern, adaptierte das herrschende Regime die Bauhaus-Architektur aus Deutschland, die dort als Kind einer Zeit der Knappheit entstanden war. Mittelschichten-Familien hatten auch zur Zeit Nassers schon Autos in Ägypten montierte Fiats. Die wenigen Begüterten, die importierte Luxuswaren besaßen, wurden als die Elite der sechziger Jahre betrachtet.
Das sozialistisch orientierte Nasser-Regime hatte Mittelschichten hervorgebracht, die auf Konsum aus waren, der aber nur unzulänglich durch einen wachsenden, aber trostlosen lokalen Markt gedeckt wurde. Während der vielen Jahre unter der Ideologie Nassers lernten die Mittelschichten, mit wenigem auszukommen, wenn sie in langen Schlangen vor den staatlichen Genossenschaftsläden anstanden, um Speiseöl, Seife, Reis, Hammel-, Rind- oder Geflügelfleisch zu kauften, sofern diese Waren gerade vorrätig waren.
Als Präsident Anwar Sadat sich in den frühen siebziger Jahren vom Bündnis mit der Sowjetunion abkehrte und eine Allianz mit dem Westen schmiedete, folgte eine Politik der "offenen Tür" und Privatisierung auf Kosten der großen Staatsindustrien. Das Umsatteln von Nassers Staatskapitalismus zur vollen Integration in das kapitalistische Weltsystem ging bei den Ägyptern Hand in Hand mit viel versprechendem Konsumdenken und neuen Lebensstilen. Kaufen war jetzt für die, die es sich leisten konnten, ein wichtiger Teil des Lebens. Doch es brauchte einige Jahre, bis die besser verdienenden Schichten den Anschluss an den Westen fanden.
Ein Symbol dafür war 1989 der Bau der ersten großen Shopping Mall in Kairo, dem Yamama Center im Stadtteil Zamalek, einem auf einer Nilinsel gelegenen besseren Wohnviertel. Bauherr und Besitzer war eine saudi-arabische Gesellschaft. Von dort und aus den Golfstaaten übernommen, begann sich auch ein neuer Begriff von Stadtentwicklung durchzusetzen. Das Konzept von "Entwicklung" bedeutet dort eines und nur eines: Die Expansion von Konsum mit Hilfe des Baus neuer Einkaufszentren, verbunden mit internationalen Hotels und Touristen-Resorts.
In Kairo begann in den neunziger Jahren ein regelrechter Boom im Shopping- Center-Bau. Heute gibt es rund 30 solcher Einkaufszentren in der Metropole. Und bei einigen Malls können die besser betuchten Kunden in Luxuswohnungen gleich über dem Einkaufskomplex einziehen.
Wie kann man diesen Wildwuchs von Konsumenten-Paradiesen erklären, wo doch die meisten Geschäfte zeitweise kaum Kunden fanden? Infolge der Rezession um die Jahrtausendwende und der Abwertung des Ägyptischen Pfunds im Winter 2002 sank die Kaufkraft bei den Mittelschichten und die typische Lebensspanne von Läden in Shopping Malls betrug nur zwischen 18 und 24 Monaten. Schätzungsweise ein Fünftel der Ägypter konnte es sich leisten, in Shopping Malls zu kaufen, und einige der schicksten Malls verwandelten sich in "Geisterstädte" weitgehend verlassen von den Konsumenten. Warum wurden dennoch neue Shopping Malls gebaut? Der Hauptzweck mancher Mall, so wollten Gerüchte wissen, sei, als Geldwaschanlage zu dienen.
Wird sich Kairo in eine gigantische Shopping Mall verwandeln, umgeben von wild wuchernden Slums?
Liebhaber der Stadt der tausend Minarette sind sich seit langem der dramatischen Transformation der Stadt bewusst, die zu einer aggressiven Verwandlung der Stadtlandschaft geführt hat. Die treibenden Kräfte sind offenkundig: Grundstücksspekulation hat zum Abriss von Slum-Vierteln geführt, um Platz zu machen für Hochhäuser, Hoteltürme, Multiplex-Kinos, Restaurants und andere Freizeitzentren. Eine gewaltsame "Anreicherung" hat stattgefunden, während die städtische Armut kaschiert und verdrängt wird. Derzeit kann dieser Prozess am besten in dem historischen Viertel Boulaq im Zentrum und mehr und mehr in der Satellitenstadt Nasr City im Osten von Kairo beobachtet werden.
Boulaq war einst berühmt für seine alten Gebäude, für seine historischen Hammam-Badehäuser und Moscheen, seine wunderschöne belle époque europäischer Architektur. Die Nachbarschaft war bekannt wegen der Secondhand- Kleidungsmärkte, Autowerkstätten, Kleidungs- und Stoffhändler, Metall-Märkte und für den Handel gebrauchter Armee-Waren.
Das alles ist allmählich verschwunden und hat Platz gemacht für eine neue Art öffentlichen Raumes und einen neuen Lifestyle. Die am Nil entlang verlaufende Hauptstraße Corniche al Nil wird mehr und mehr erobert von einer Kette von Hochhäusern, die internationale Hotels und Konsumimperien beherbergen.
Treibende Kraft für die Beseitigung des alten Boulaq ist die Grundstücksspekulation von rund 20 kapitalkräftigen Großfamilien und ihren Helfershelfern, die Platz für Hochhäuser, Hotels, Multiplex-Kinos, Restaurants, Malls und Freizeitzentren schaffen wollen. Die Armen werden dabei weiter an den Stadtrand gedrängt. Die Bewohner von Boulaq haben das Gefühl, dass die Verwaltung dabei mithalf. So wurde der Verkehr für die Belieferung der Märkte von Boulaq auf bestimmte Zeiten beschränkt, baufällige Gebäude wurden nicht instand gesetzt.
Aber vor allem in Nasr City im Osten Kairos kann man eine dramatische Verbreitung von Shopping Malls beobachten, die dort offenbar bessere Geschäfte machen als in anderen Teilen der Stadt. Die meisten dieser Malls wurden in den späten neunziger Jahren eröffnet. Viele schreiben den dortigen Erfolg der kommerziellen Zentren dem Schachbrettmuster dieser relativ neuen Satellitenstadt zu. Mit ihren langen Straßen und quadratischen Zement-Wohnblöcken hat dieser Stadtteil kein eigentliches Zentrum. Das scheint aber wenige zu stören, denn die Straßen sind dort breiter und die Wohnungen größer und preiswerter als in begehrten Vierteln wie Mohandessin oder Zamalek. Außerdem haben die Städteplaner daran gedacht, Parks anlegen zu lassen.
Andere schreiben den Erfolg von Nasr City jedoch dem Militär zu. In Nasr City gibt es nämlich die größte Konzentration militärischer Einrichtungen und subventionierten Wohnraums für Militärangehörige. In den siebziger Jahren war dort noch ein großer militärische Sperrbezirk mit Kasernen. An der breiten Hauptstraße, die zum Flughafen führt, wurde nach dem Überraschungsangriff Ägyptens gegen Israel im Jahr 1973, bei dem Ägypten den Suezkanal zurückeroberte, eine Kette von Hochhäusern mit Wohnungen für Armee-Offiziere errichtet. Nach dem Friedensabkommen von Camp David im Jahr 1979 gingen viele frühpensionierte Militärs als Unternehmer in die Wirtschaft oder gründeten private Sicherheitsfirmen, deren Wachleute heute die Malls schützen. Stück für Stück wurden die Armee-Grundstücke an Zivilisten verkauft, und der Stadtteil verwandelte sich in das, was er heute ist. Ein paar Shopping Malls werden sogar von ehemaligen Militärs gemanaged. Und immer noch beherbergt Nasr City das Hauptquartier der Armee, die Militärakademie, das Verteidigungsministerium, den Sitz der Geheimpolizei, ein Militärhospital, ein Militärmuseum, Mietshäuser für Militärs sowie verschiedene Offiziersclubs. Auch eine Reihe von Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes haben ihren Standort in Nasr City. Mehrere Hotels in dem Stadtteil sind ebenfalls im Besitz von Militärs.
Hat das Militär also dazu beigetragen, dass Nasr City heute ein Zentrum des Konsums ist? Zumindest ist Nasr City stark gewachsen, als das Militär und seine Partner aus dem Privatsektor Wohnblock für Wohnblock und zahlreiche Gewerbeflächen immer weiter hinaus in die Wüste am Stadtrand pflanzten. Und das Einkommen vieler dort Wohnender und Arbeitender ermöglicht es ihnen, ein Auto zu besitzen geradezu Voraussetzung für den Einkauf in einer der Shopping Malls. Und für die und die endlose Vielfalt an Läden, Freizeiteinrichtungen, Restaurants, Cafés und Kinos ist Nasr City heute bekannt.
Die Leute sagen oft, dass die Mall-Kultur aus den USA über die Golfstaaten nach Ägypten exportiert worden sei. Auf jeden Fall hat der Importweg Einfluss auf das Endergebnis gehabt. So haben wir in Ägypten Malls, die das ursprüngliche Konzept der Saudi-Arabisation mit europäischen Gebräuchen mischen. Besonders ägyptische Arbeitsmigranten, die aus Saudi-Arabien zurückgekehrt sind, haben die Gewohnheit angenommen, ihre Freizeit damit zu verbringen, in klimatisierten, geschlossenen Räumen Einkaufsbummel zu machen. Sie haben sich das in der unerträglichen Hitze der saudischen Halbinsel angewöhnt.
Und in den Sommermonaten werden die Shopping Malls von Kairo auch stark von Arabern aus den Öl produzierenden Ländern frequentiert. Schwarz verhüllte Frauen kann man bei einer Tasse Kaffee oder sogar Wasserpfeife rauchend sehen. Die First Mall im Stadtteil Giseh auf der westlichen Nilseite, eines der teuersten Einkaufszentren in Kairo, richtet sich vor allem an arabische Kundschaft. Und in Nasr City gibt es auf dem Messegelände sogar eine Snow-City, ein Versuch, mit dem Reichtum Saudi- Arabiens und der Golfstaaten zu wetteifern. In Snow-City kann man, wenn es draußen fast 40 Grad Celsius sind, bei minus 15 Grad eine Ski-Piste hinunterfahren oder inmitten einer Eislandschaft mit Eifelturm, Weißem Haus, dem Kreml, Pyramiden und Abu Simbel eisskaten und natürlich die zugehörige Winterkleidung kaufen oder leihen.
Erstaunlicherweise liegen viele der Malls von Nasr City nah beieinander. Ihre Manager behaupten aber dennoch, dass sie nicht in Konkurrenz zueinander stünden, weil ihre Kundschaft, die Waren und die Preise sich sehr voneinander unterscheiden. Tiba Mall beispielsweise richtet sich an große Familien, während die Geneia Mall mit ihrer großen Eisbahn, Bowling Bahn, dem Billard Center und Computer-Spielhallen die Jugend anzieht und daneben Tagestouristen aus kleineren ländlichen Städten.
Angesichts der Knappheit an öffentlichen Parks in Kairo sind die neuen Malls zu den Treffpunkten der Jugend geworden. In einem Land, in dem zwei Drittel der Bevölkerung unter 30 Jahre alt ist, zeigt sich die Jugendkultur dort jetzt deutlich. Viele dieser Jugendlichen mögen zwar aus den Slums kommen, aber sobald sie diese geschlossenen, sauberen, sicheren und exklusiven Räume betreten, haben sie teil an einem simulierten sozialen Aufstieg. Hier gehören sie zu einer besseren Welt, auch wenn die meisten von ihnen nichts kaufen, sondern nur einen Schaufensterbummel machen können. Sie flanieren an den Auslagen entlang, berieselt von Musik, Fernsehbildern zu Gebetszeiten unterbrochen von Koran-Zitaten , wandeln treppauf und treppab, finden abgeschirmte Ecken für ein Rendezvous.
Wer sich nicht wie die besseren Schichten kleidet, ist in den Shopping Malls nicht gern gesehen. In der Arcadia Mall im Zentrum Kairos etwa wird jemand, der aussieht, als ob er aus dem nördlich gelegenen Armenviertel Sabtiyyah kommt, vom Sicherheitspersonal mit sanftem Druck des Platzes verwiesen, sofern er es überhaupt geschafft hat, durch die Eingänge der Mall zu schlüpfen. Leute aus Sabtiyyah, so klagen die Manager, würden oft Glühbirnen und Wasserhähne in den Toiletten stehlen.
Aber man kann diese Welt des Luxus nicht völlig abschneiden von der Welt da draußen. Eine große Menge Pendler ist unvermeidlich, weil Hausangestellte, Fahrer, Wachmänner, Techniker, Verkäuferinnen und Verkäufer, Kellner und andere ihr Leben damit verbringen, zwischen den beiden Welten hin- und her zu wandern. An einem gewissen Punkt werden diejenigen, die in Oberschicht-Gegenden wohnen, beginnen, sich zu fürchten, und ihr Lebensraum wird mit hohen Mauern umgeben werden müssen, um sie von den potentiell gewalttätigen Armen zu schützen.
Schon jetzt sind durch Mauern gesicherte, bewachte Gebiete, eingezäunte, nur durch ein bewachtes Tor zugängliche Wohnviertel und Eigentumswohnungskomplexe, private Strände, friedliche Freizeit-Inseln, Ski-Resorts in der Wüste und andere Unterhaltungsparks, die von privaten Sicherheitskräften und mit neuester Technik überwacht werden, um vor "Gesindel" von außen zu schützen, keine Zukunftsfantasie mehr.
Die meisten der nicht gerade gut bezahlten Sicherheitsleute der Tiba-Mall in Nasr City stammen aus Ober Ägypten. Sie schlafen in der Garage der Mall und besuchen vielleicht einmal im Monat ihre Familien zu Hause. Manche von ihnen haben sogar einen Universitätsabschluss. Aber angesichts der hohen Akademikerarbeitslosigkeit sind sie froh, überhaupt einen Job zu haben.
Auch Verkäuferinnen und Verkäufer sind froh über ihren Job. Sie arbeiten lieber in den Shopping Malls als in kleinen Läden an der Straße, wo die Luft verschmutzt ist und die Leute sich drängeln und schubsen. In den Shopping Malls verdienen sie nicht unbedingt mehr, doch sie sagen, die Kunden benähmen sich dort besser.
Wenn wir versuchen uns vorzustellen, wie die Städte im Nahen Osten in 20 oder 50 Jahren aussehen werden, können wir vorhersagen, dass die Mehrheit von sich immer weiter ausbreitenden Slums und grassierender Armut geprägt sein wird, Seite an Seite mit großen Flächen, die dem Konsum, der Freizeit und internationalen Hotelketten gewidmet sind für diejenigen, die es sich leisten können. "Disneyfizierte" Satellitenstädte in der Wüste werden die vorstädtischen Anhängsel für die besser Betuchten versorgen. Moderne Kommunikationssysteme und -technologien zumindest im formellen Sektor der Wirtschaft werden so effizient wie in jedem westlichen Land sein.
Schon heute bieten Kairos Supermärkte, wie der französische Mega-Markt Carrefour, alles, was man sich vorstellen kann, von Haushaltswaren, Nahrungsmitteln, Getränken bis zur ins Haus gelieferten fertigen Mahlzeit. Und selbst im abgelegensten Dorf im Nildelta findet man heute einen Supermarkt. Kredit- und Geldautomaten-Karten, vor einem duzend Jahren fast unbekannt, werden zunehmend populär. Im Jahr 1999 gab es gerade mal 200.000 Handy-Besitzer in Ägypten. Ende 2007, so die derzeitigen Prognosen, werden es über 23 Millionen sein. Rund jeder dritte Ägypter wird dann über ein Handy verfügen, was natürlich auch die Zahl der Taschendiebe in die Höhe treibt, die Handys entwenden. Die neuen Shopping Malls, Super- Hypermärkte und Megastores in Ägypten sind ein Zeichen für die dramatischen Veränderungen im Konsumverhalten.
Extravagante Restaurants und Bars mit pompösen Namen schießen wie Pilze aus dem Boden. Zum Ramadan konkurrieren internationale Fünf- Sterne-Hotels um das beste Angebot von iftars (dem Menü zum Fastensbrechen) und traditionellen Ramadan-Abenden mit Buffets orientalischer Küche, schicken Zelten, Wasserpfeifen, und Unterhaltungsprogrammen einschließlich tanzender Derwische. Die coffee shop-Kultur findet zunehmend Gefallen bei Mittelschicht-Ägypter. Zwar gab es schon in den sechziger Jahren eine Kaffee-Kultur aus der Zeit der Vor-Nasser-Elite. Aber heute frühstücken Mittelschicht-Ägypter mit Croissants, Espresso und Cappuccino, essen beim Japaner, Italiener, Thailänder, Inder, Iraner oder Libanesen dank der zahlreichen Restaurants mit internationaler Küche. Freizeitzentren, Zweitwohnungen und mit hohen Mauern abgeschirmte und bewachte Wohnviertel wie Qattamiyya Heights und Beverly Hills haben sich in Ägypten vervielfacht. Anzeigen verkaufen Träume grandioser Villen in neuen Stadtvierteln in der Wüste außerhalb der Stadt. Sie sind Teil von Eigentumswohnungsanlagen, teils mit Swimmingpool, Fitness Center und der letzte Schrei Golfplatz. Mit anderen Worten, sie bieten alles, was zu einem gesunden, luxuriösen vorstädtischen Leben gehört, ein Gegenbild zum verfallenden, umweltbelasteten alten Kairo.
Höchst faszinierend ist dabei, wie man mit der Verschmelzung verschiedener Design- und Architekturstile in den neuen abgeschirmten Siedlungen und Beach Ressorts experimentiert. Das Al-Gouna Resort am Roten Meer beispielsweise wurde von der Orascom-Gruppe erbaut, einer der mächtigsten Finanzierungsgesellschaften in Ägypten. Die künstliche Lagune von Al-Gouna beherbergt eine Reihe von Fünf-Sterne-Hotels und Villen in Privatbesitz. In einem Prospekt für Al-Gouna wird die Architektur angepriesen als "die Vereinigung von Geschmacksrichtungen, wo Westen und Osten sich treffen". Die Werbefotos zeigen elegantes und anspruchsvolles Interieur mit aus Indien, Indonesien, Thailand oder aus dem Westen importierter Inneneinrichtung.
Die Architektur spiegelt, wie andere Bereiche auch, globalen Einfluss und damit den Wandel der Einstellungen der Konsumenten wider. Aber ist es nur Nachahmung oder entwickelt sich durch Verschmelzen ein neuer Stil? In Al-Gouna kann der Immobilien-Käufer wählen zwischen einer Villa nach Toskana-Art, entworfen vom berühmten italienischen Architekten Alfredo Freda, Villen mit arabisch-islamischen Akzenten inspiriert von dem international anerkannten Architekten Michael Graves aus Princeton, USA, oder Villen in pseudo-griechischem Stil. Auch die "Weißen Villen", vom prominenten ägyptischen Architekten Shehab Maznar entworfen, strahlen ein mediterranes Flair aus.
Der verstorbene ägyptische Architekt Hassan Fathi, der durch seine Theorie "Konstruktion für die Armen" bekannt ist und für die Verwendung von traditionellen lokalen Baumaterialien wie Lehmziegel plädierte, wird heute von der ägyptischen Müßiggänger-Klasse hofiert. Fathis Arbeit war stark durch sein langes Studium der nubischen Kunst und Architektur inspiriert worden. Kuppeln, Bögen, Gewölbe, die das Markenzeichen für Fathis geniale Wiederbelebung traditioneller Architektur waren, werden in den neuen Ressorts und Fünf-Sterne-Hotels bewusst wieder populär gemacht im Rahmen der "Folklorisierung der Kultur", wie der heute emeritierte Soziologie- Professor Sami Zubaida es genannt hat. Inzwischen kommen auch reiche Russen in großer Zahl und kaufen Immobilien entlang der Küste.
Die ägyptischen Mittel- und Oberschichten haben auch anderes übernommen, was bei den Betuchten der Welt gerade "in" ist. Fernost ist das exotische Reiseziel für besserverdienende Ägypter geworden, die mittlerweile Thailand, Malaysia und Singapur entdeckt haben. Internationale Musik ist weit verbreitet und arabische Musik-Videoclips sind zunehmend durchsetzt mit internationalen Elementen. Beliebte Satelliten-Fernsehkanäle zeigen Programme mit einer Mixtur von beispielsweise indischen und thailändischen Tänzen und Landschaften, jungen Sängern aus Ägypten und den Golfstaaten sowie Motive und Musik europäischen oder nordamerikanischen Geschmacks.
Der traditionelle professionelle ägyptische Bauchtanz hat hingegen ein großes Kontingent ausländischer Konsumenten und sogar Tänzer angezogen, seien es Russen, Argentinier, Schotten, Österreicher oder Amerikaner. Eine Lokalzeitung schätzte, dass rund 5000 ausländische Bauchtänzerinnen in Ägypten sind. Kurioserweise stellen Russinnen heute den größten Anteil dieser Profession. Das hat dazu geführt, dass die Regierung versucht, den Bauchtanz wieder zu nationalisieren, indem sie die Arbeitserlaubnis für ausländische Tänzerinnen beschränkt.
Wird der Unterschied zwischen den Wohlhabenden und Habenichtsen, der mehr und mehr schamlos zur Schau gestellt wird, nicht zu einer Gegenbewegung führen? Muss nicht die Prahlerei mit dem Reichtum die Klassengegensätze verschärfen?
Als Hauptopposition und künftigen Akteure in der politischen Arena werden die Islamisten betrachtet. Werden diese eine Haltung einnehmen, die den Konsumerismus als eine Form von Vergiftung durch den Westen ablehnt oder werden sie ihn pragmatisch akzeptieren?
aus: der überblick 03/2007, Seite 90
AUTOR(EN):
Mona Abaza
Mona Abaza ist Associate Professor für Soziologie an der "American
University" von Kairo.
Ihr Buch "Changing
Consumer Cultures of Modern Egypt: Cairo's Urban
Reshaping" ist 2006 bei Brill Academic Publishers. Leiden/Boston, erschienen.