Probieren geht über Studieren Ein Diskussionsbeitrag von Hans-Christoph Bill, Mitglied des Weltladen-Dachverbandes
Fair, aber mit begrenzter Wirkung? Natürlich, der Überschrift über dem letzten Forum muss man recht geben wer oder was hat schon unbegrenzte Wirkung? Aber fragen lassen muss sich der Faire Handel nach etwa 30 Jahren, was denn erreicht worden ist und warum immer noch so wenig Verbraucherinnen und Verbraucher im Weltladen oder zumindest TransFair-gesiegelte Produkte im Supermarkt einkaufen.
von Hans-Christoph Bill
Die im letzten Jahr erschienene Studie "Entwicklungspolitische Wirkungen des Fairen Handels" stellt, trotz ihrer methodischen Begrenztheit, viele richtige Fragen. Wie könnte der Faire Handel im Inland, im Ausland und in der Politik mehr Wirkung erzielen? Ich möchte mich aber hier nicht an der Studie selbst "abarbeiten". Eine ausführliche Analyse aus der Sicht der Weltläden und ihres Dachverbands ist in weltläden aktuell Nr. 79 (Februar 2001) nachzulesen.
In der letzten Ausgabe von der überblick hat Claudia Greifenhahn, Geschäftsführerin des Ladencafé aha in Dresden, einige der Punkte benannt, die eine größere Reichweite des Fairen Handels behindern. Mir fällt es schwer, darauf eine Erwiderung zu schreiben denn sie hat mit fast allen Punkten recht. Aus meiner Sicht als Ladenmitarbeiter, (hauptamtlichem) Gruppenberater und (ehrenamtlichem) Vorstand des Weltladen-Dachverbands möchte ich einige Pointierungen und Ergänzungen hinzufügen:
1. Der Faire Handel ist keine Alternative zu bestehenden Handelsstrukturen, sondern hat nur eine Nischenfunktion. Das stimmt, schließt sich aber gegenseitig nicht aus. Die Frage, ob der Faire Handel nun ein "Symbol" oder ein "Modell" sei, ist wichtig für die ständige Selbstreflexion, aber die Antwort wird vermutlich je nach Produkt, Land und politischem Konzept irgendwo zwischen diesen Polen liegen. Sich damit abzufinden, dass der Faire Handel immer nur "Stachel im Fleisch" der herrschenden Ökonomie sein kann, mag unbefriedigend sein, aber sollte nicht davon abhalten, die Nische ständig vergrößern zu wollen.
2. Claudia Greifenhahn bemängelt als zweites das Fehlen eines klaren, umfassenden handels- und entwicklungspolitischen Konzepts. Das ist richtig, aber es wäre verwunderlich, wenn der Faire Handel eines hätte denn meiner Ansicht nach hat es ansonsten auch niemand. Das mag ein Problem der Postmoderne sein, keine eindeutig richtigen Antworten zu haben, oder mit der im Laufe der zunehmenden Globalisierung gewonnenen Einsicht zusammenhängt, dass die weltweiten Beziehungen zu komplex geworden sind, um darauf mit einem Konzept zu antworten. Mir ginge es eher darum, genau das zu erkennen! Der Faire Handel kann nicht die Lösung für alle Probleme sein, sondern ist manchmal genau das richtige Instrument und manchmal eben nicht.
3. In diesem Zusammenhang fordert Claudia Greifenhahn die Fair-Handels-Akteure zu mehr Kooperation untereinander auf und das ist wichtig. Doch es gibt in den letzten Jahren positive Ansätze, die es zu stärken gilt:
Aber: Nationale und internationale Kooperation ist nur möglich, wenn die eigenen Organisationen gestärkt werden. Von der Notwendigkeit zum Beispiel eines starken Weltladen-Dachverbands scheint aber noch nicht jeder Laden überzeugt (hier geht eine herzliche Einladung auch nach Dresden...).
4. Dass die Kriterien des Fairen Handels grundlegend überarbeitungsbedürftig sind, glaube ich nicht. Dass der faire Preis in der Außendarstellung zu viel Raum eingenommen hat, stimmt dagegen auf alle Fälle. Denn oft ist es nicht der Preis, der den Produzentinnen und Produzenten des Fairen Handels ein menschenwürdiges Leben ermöglicht, sondern vielmehr die Beratung, die langfristigen Kontakte etc. Ein Blick in die "Konvention der Weltläden Kriterien für den Fairen Handel" zeigt zudem, dass dort insgesamt sechs Kriterien aufgeführt und für alle Akteure des Fairen Handels (Produzentinnen und Produzenten, Importeure, Weltläden) erläutert sind.
Für mich gibt es auf der Ebene der Weltläden vor allem zwei Gründe für die begrenzte Wirkung des Fairen Handels:
1. Die karitative Spendenmentalität vieler (kirchlicher) Aktionsgruppen und Weltläden behindert die Weiterentwicklung. Der Satz von Dom Helder Camara "Eure Almosen könnt Ihr behalten, wenn ihr gerechte Preise zahlt" ist das Leitmotiv des Fairen Handels. Wer das erwirtschaftete Geld nicht dafür investiert, den Fairen Handel größer und bekannter zu machen, handelt meines Erachtens gegen das Interesse der Produzentinnen und Produzenten. Die notwendige Professionalisierung vieler Aktionsgruppen und Weltläden betrifft die Verkaufs- und Informationsarbeit gleichermaßen und bedeutet keine Abkehr vom Ehrenamt sondern eher eine andere Einstellung.
2. Die fehlende Bereitschaft, sich deutlich politisch einzumischen. Noch mehr Läden und Aktionsgruppen könnten bei den Europäischen Weltladenkampagnen mitmachen (bei "Land Macht Satt" standen das Agrarabkommen der WTO und die Frage der Ernährungssicherheit im Mittelpunkt). Und gerade von den anderen Fair-Handels-Akteuren vermisse ich die Bereitschaft, auch politisch aktiv zu werden.
Insgesamt, so ist mein Eindruck, verschließen sich die einzelnen Organisationen und Läden aber nicht der notwendigen Diskussion. Und oft gilt wohl: Probieren geht über Studieren!
Zum Weiterlesen:
Die erwähnte Ausgabe der
Zeitschrift weltläden aktuell ist erhältlich beim
Weltladen-Dachverband e.V.
Hindenburgplatz 2
55118 Mainz
Tel.: 06131/68907-80 Fax: -99
www.weltlaeden.de
e-mail: info@weltlaeden.de
aus: der überblick 03/2001, Seite 132
AUTOR(EN):
Hans-Christoph Bill:
Hans-Christoph Bill ist Mitglied des Weltladen-Dachverbandes.