Die Vorschuss-Lorbeer ist verwelkt
Die Politik der Versöhnung kennzeichnete die erste Wahlperiode der namibischen Regierung nach der Unabhängigkeit des Landes. Nachdem die Regierungspartei Swapo in der zweiten Wahl einen haushohen Wahlsieg errungen hat, macht sich jetzt aber zunehmend ein Klima der Intoleranz breit.
von Gwen Lister
Am 21. März feiert Namibia den Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Dass Namibias Demokratie bis heute ziemlich stabil geblieben ist, hat viele überrascht. Inzwischen deuten sich jedoch einige Risse im demokratischen System an.
Namibia hat als Afrikas letzte Kolonie im Jahr 1990 nach freien und fairen Wahlen unter UN-Kontrolle seine Unabhängigkeit erlangt. In den Wahlen von 1989 hatte die South West Africa People’s Organisation (Swapo) eine überwältigende Mehrheit errungen. Zuvor hatte sie einen 26 Jahre dauernden Befreiungskrieg gegen die koloniale Herrschaft des südafrikanischen Apartheidregimes geführt. Zu Beginn verfolgte die Swapo-Regierung gegenüber ihren früheren Feinden und anderen politischen Parteien einen Kurs der Versöhnung und Beratung. Von diesem Kurs begann sie sich mit den nachfolgenden Wahlen zu verabschieden, als die Swapo ihre parlamentarische Mehrheit auf über zwei Drittel der Sitze ausbauen konnte. Das hat Kritiker dazu veranlasst, Namibia als einen "von einer Partei dominierten Staat" zu bezeichnen.
Die ersten fünf Jahre der Unabhängigkeit waren jedoch von einer Politik der Versöhnung geprägt. Die gesamte Swapo-Führung stand fest zu den Grundsätzen dieser Politik. Zwischen der regierenden Partei und der parlamentarischen Opposition, der Demokratischen Turnhallen-Allianz (DTA) – in der Vergangenheit zwei erbitterte Feinde –, entwickelte sich ein bisweilen geradezu freundschaftliches Verhältnis. Die Namibier trugen beim Eintritt in die neue ra der Unabhängigkeit noch viel Hoffnung im Herzen. Präsident Nujoma persönlich hatte noch vor der Unabhängigkeit in einem Interview seinem Wunsch Ausdruck verliehen, dass Namibia "Afrikas erste Erfolgsgeschichte" würde. Unmittelbar nachdem Namibia die Fesseln des Kolonialismus abgeschüttelt hatte, schien es noch so, als könnte dieser Traum Wirklichkeit werden. Die Aufgabe war allerdings nicht leicht: Die Regierung hatte ein geteiltes Land geerbt, das von der Apartheid schwer gezeichnet war. Es mussten ausländische Investitionen angeworben werden, um für die Mehrheit der 1,6 Millionen Einwohner Namibias Arbeitsplätze und wirtschaftliche Sicherheit zu schaffen. Und die Regierung musste Vorsorge treffen, damit die Demokratie nicht gefährdet würde, weil etwa Weiße passiven Widerstand leisteten oder Schwarze und Farbige unrealistische Erwartungen hegten, dass sich ihr Leben schnell bessern würde.
Es war dabei kaum zu vermeiden, die Regierungsbürokratie aufzublähen. Die Politik der Versöhnung bedeutete, dass die Swapo die Weißen nicht einfach aus ihren Ämtern entlassen konnte, um den Weg für ihre schwarzen Landsleute frei zu machen, die mit der Unabhängigkeit hohe Erwartungen verknüpft hatten. Statt also den schon zu Apartheidzeiten großen Regierungsapparat abzubauen, wurde er deshalb ausgebaut, um zumindest einen Teil der zuvor benachteiligten schwarzen Namibier unterzubringen.
Die etwas später begonnene Politik der affirmative action, der gezielten Förderung von Schwarzen, war und ist ebenfalls ein kostspieliger Prozess, der nicht über Nacht abgeschlossen sein kann.
Aber aus dieser Strategie wurde mehr und mehr eine schädliche Patronage-Politik. Gerade auf höchster Regierungsebene wurde Geld für Vergünstigungen, hohe Gehälter und Luxusautos verschwendet. Indirekt gestand Präsident Sam Nujoma im vergangenen Jahr auf einer Klausurtagung in Swakopmund ein, dass diese Politik zu hohe Kosten verursacht. Er rief dazu auf, die "Mercedes-Kultur" zu beenden. Die Regierung brauche eine kostengünstige Autoflotte, sagte er, und kündigte billigere Optionen an. Ob er sein Versprechen auch in die Tat umsetzen wird, bleibt abzuwarten.
In der zweiten fünfjährigen Amtsperiode verfügte die Regierung über eine nochmals gewachsene Mehrheit im Parlament, nachdem die Namibier bei hoher Wahlbeteiligung überwältigend für die Swapo gestimmt hatten. Nun begannen die Dinge zu erodieren.
Es war immer weniger zu spüren, dass sich die Regierung zu einer Politik der Versöhnung und Beratung verpflichtet hatte. Offenbar war die Regierung der Meinung, dass sie die Bedürfnisse und Ansichten der Bevölkerung nicht mehr regelmäßig zu berücksichtigen brauchte, weil die Swapo ja schon in den Wahlen ein überwältigendes Mandat für ihre Politik erhalten hatte. Es gab und gibt außerhalb der Parteien – abgesehen von einer lebhaften, unabhängigen Presse – aber auch kaum starke nichtstaatliche Organisationen und Institutionen, die sich Gehör verschaffen. Ständig versucht die Regierung, die Programme ihrer Fernseh- und Radiosender zu kontrollieren. Sie unterhält die einzige Nachrichtenagentur des Landes und bringt alle zwei Wochen eine mit Regierungsgeld gesponserte Zeitung sowie ein wöchentlich erscheinendes Parteiblatt heraus.
Gleichwohl sind die Medien von direkten Regierungseingriffen, die für die Zeit vor der Unabhängigkeit typisch waren, einigermaßen verschont geblieben. Aber Regierungsmitglieder und hochrangige Politiker üben mehr und mehr Kritik an den Medien und greifen sie oft scharf an. An vorderster Stelle stand Landwirtschaftsministerin Pendukeni Ithana, die behauptete, dass die namibischen Medien sich "im ausländischen Besitz" befänden und "darauf aus seien, die Nation zu täuschen". Sie sprach von einer "anti-namibischen und Anti-Swapo-Opposition und deren Zeitungen" und warf ihnen vor, "Politiker in journalistischem Gewand" zu sein. Ein neuer Verwaltungsrat für den staatlichen Namibischen Rundfunk NBC wurde ernannt. Seine Zusammensetzung zeigt, dass die Regierung auf eine stärkere Beteiligung aus war. Der neue Direktor Uazuva Kaumbi gilt als "Aufpasser für die Regierung". Eine seiner ersten Handlungen war, die für Nachrichten und Aktuelles verantwortliche Redakteurin auf eine Ausbildungsstelle zu versetzen, weil sie den simbabwischen Oppositionsführer als "charismatisch" bezeichnet hatte. Auch Premierminister Hage Geingob holte zum Schlag gegen die Presse aus und forderte von ihr, "nicht antagonistisch" gegenüber der Regierung zu sein. Er warf der Presse vor, "die Bevölkerung von außen zu beeindrucken". Konkret erwähnte er eine Karikatur in der Zeitung Namibian, die den inzwischen ermordeten Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo, Laurent Kabila, auf einer Toilette sitzend darstellte. Geingob verlangte von der Presse, "den Präsidenten und andere Führer zu respektieren".
Andere nichtstaatliche Organisationen schlummern eher vor sich hin. Die Gewerkschaften, die früher mächtige Institutionen waren, sind in Folge ihrer Angliederung an die herrschende Partei weitgehend neutralisiert. Die Lehrergewerkschaft und der Studentenverband beispielsweise stehen unter dem Ruch der Misswirtschaft und Korruption, was ihre Arbeit zusätzlich behindert. Der Namibische Kirchenrat, in der Apartheid-ra eine mächtige Stimme für die Sprachlosen, ist weitgehend verstummt und scheint sich meist zu scheuen, die herrschende Partei zu kritisieren.
Im vergangenen Jahr jedoch drückte der Kirchenrat in einem seltenen Anflug von Freimut gegenüber Präsident Nujoma seine Sorge darüber aus, dass Namibia bei der Lösung des angolanischen Konflikts auf die militärische Karte statt auf einen Dialog gesetzt hätte; die Namibier "sollten Angola ermutigen, über Frieden zu reden, statt Krieg zu führen". "Wir sind besorgt darüber, dass unsere Regierung sich denjenigen angeschlossen zu haben scheint, die für eine militärische Lösung als Allheilmittel, den Bürgerkrieg zu beenden, optiert haben", meinte der Kirchenrat und warnte davor, dass dies Angola keinen Frieden, dafür Namibia aber Krieg bringen würde.
Die Rüge kam postwendend: Premierminister Hage Geingob zog über die Kirchenführer her und meinte, deren Erklärung sei "schlecht beraten". Die Katholiken und Lutheraner konterten später und tadelten ihrerseits den Premierminister dafür, dass er nach der bedeutenden Rolle, die sie im Kampf für die Unabhängigkeit Namibias gespielt hätten, nun ihre Bemühungen als "schlecht beraten" bezeichne. Dann traf man sich allerdings, um die Wogen zu glätten. Seither sind die Kirchen ruhig geblieben (siehe dazu den Artikel von Hanns Lessing in diesem Heft).
Als mit dem Kongress der Demokraten (CoD) eine neue Partei unter Leitung von Ben Ulenga, eines ehemaligen Kämpfers im bewaffneten Arm der Swapo und Häftlings auf Robben Island in Südafrika, auf der politischen Bühne erschien, wurde das Bekenntnis der Swapo zu Demokratie und Mehrparteien-System auf die Probe gestellt. Diese Probe bestand sie nur unzureichend. In den Wahlen von 1999 gelang es dem CoD, ebenso wie der bisher größten Oppositionspartei DTA sieben Sitze im Parlament zu erringen, jedoch noch mehr Stimmen als diese zu bekommen. Doch die Swapo tat alles in ihrer Macht stehende, um schließlich zu verhindern, dass der CoD die Rolle als offizielle Opposition einnehmen konnte. Der Wahlkampf des CoD erregte wohl besonders deswegen den Ärger der herrschenden Partei, weil viele CoD-Mitglieder früher der Swapo angehört hatten. Einige Swapo-Mitglieder erwiesen sich in ihrem Wahlkampf als überaus intolerant und führten einige äußerst unfaire Angriffe gegen den politischen Neuling.
Wahrscheinlich aber sind der Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo, noch mehr aber das Übergreifen des inner-angolanischen Krieges die Faktoren, die die namibische Demokratie am stärksten geschwächt haben. Die Beteiligung des Landes am fortlaufenden Krieg im Kongo und das Übergreifen des Konflikts vom benachbarten Angola aus haben zu einer instabilen Situation im Nordosten Namibias geführt und Besorgnis über zunehmende Menschenrechtsverletzungen ausgelöst. Auch die Arbeitslosigkeit, ein wachsendes Klima der Intoleranz sowie das Versäumnis der Regierung, die Geißel der Korruption zu bekämpfen, tragen zur Schwächung der Demokratie bei.
Doch es war die Entscheidung von Präsident Sam Nujoma, für eine dritte Amtsperiode zu kandidieren, die große Zweifel am Bekenntnis der regierenden Swapo zur Demokratie in Namibia hervorrief. Namibias Verfassung ist von vielen Politikern in aller Welt gepriesen worden. So hat Bill Clinton sie zu Beginn seiner Präsidentschaft als ein "leuchtendes Beispiel" auf dem afrikanischen Kontinent bezeichnet. Die Verfassung sah lediglich eine zweimalige Amtsperiode für den namibischen Präsidenten vor, was die für viele afrikanische Länder charakteristische Situation eines "Präsidenten auf Lebenszeit" verhindern sollte. Der Rückschlag kam, als das Parlament im Jahre 1999 mit einer Stimmenmehrheit von über zwei Dritteln einer dritten Amtsperiode für den Präsidenten zustimmte. Die Führung der Regierungspartei versuchte die Entscheidung damit zu begründen, dass es keinen "natürlichen Nachfolger" für Präsident Nujoma gäbe. Wenn dieser keine dritte Amtsperiode bekäme, wäre Instabilität die Folge. Und man versprach, in Zukunft der Nachfolgefrage Priorität beizumessen. Bis heute freilich ist die Nachfolge nicht öffentlich diskutiert worden. Die südafrikanische Regierungspartei African National Congress (ANC) bestätigte allerdings im vergangenen Jahr, dass die Swapo sich an sie gewandt und um Rat wegen der Nachfolgefrage gebeten habe.
Die Ermordung des kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila hat nicht, wie viele erwartet haben, zum Rückzug der namibischen Truppen aus dem Kongo geführt, die anfänglich dorthin entsandt worden waren, um das Kabila-Regime zu stabilisieren. Dieser Krieg hat von Namibia einen hohen Tribut gefordert, sowohl in finanzieller als auch in menschlicher Hinsicht. Der Krieg im Kongo trieb die Militärausgaben kräftig nach oben. Sie wurden um 65 Prozent aufgestockt, sodass der oppositionelle CoD und das Forschungsinstitut Namibia Economic Policy Research Unit (Nepru) davor warnten, dass die künftigen Generationen für die gegenwärtige militärische Ausgabenlawine zu zahlen hätten. "Das Geld, das für den Militäreinsatz des Landes im Kongo ausgegeben wird, fehlt zur Bezahlung von Programmen, die das große soziale Übel angehen, von dem unser Land betroffen ist, nämlich die Armut", sagte der CoD-Abgeordnete Tsudao Gurirab im namibischen Parlament. Den Familien von im Kongo getöteten Soldaten wurde die stattliche Summe von 250.000 Namibia- Dollar (gut 66.000 Mark) ausgezahlt, ein Betrag, der sich im Haushalt bereits auf etliche Millionen Dollar summiert hat und den sich das Land kaum leisten kann. Die Angriffe auf Zivilisten in dem vom Krieg betroffenen Nordosten Namibias dauern unvermindert an, da Präsident Nujoma als enger Verbündeter von Angolas Präsident Eduardo dos Santos den angolanischen Truppen erlaubt hatte, namibischen Boden zu betreten, was wiederum zu raschen Vergeltungsaktionen der Unita-Rebellen geführt hat.
Im Januar 2000 erschütterte ein schrecklicher Angriff das Land: Mutmaßliche Unita-Rebellen töteten in einem Hinterhalt im Westen des Caprivi-Zipfels drei Kinder von französischen Touristen. Die namibische Regierung – die meisten Kabinettsmitglieder hatten zu dieser Zeit noch Urlaub – reagierte erst spät. Erst einige Tage nach dem Überfall gab der Umwelt- und Tourismusminister den Unita-Banditen die Schuld am "kaltblütigen Mord an unschuldigen ausländischen Touristen". Doch mit Schlagzeilen wie "Namibias sicheres Image angeschlagen" verkündete die Presse bereits die schädlichen Auswirkungen auf die Tourismusindustrie des Landes, besonders im Nordosten. Der Tourismus schien ins Wanken geraten. Zahlreiche Stornierungen im Gefolge der Angriffe führten zum Stellenabbau in der Branche. Viele Geschäfte, darunter Naturpark-Lodges im Nordosten Namibias, blieben im letzten Jahr geschlossen, als der Konflikt dort weiteren Tribut von der Tourismusindustrie forderte. Auf die Unsicherheit in der Region reagierten zudem Schüler mit einem Unterrichtsboykott.
Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit kündigte amnesty international im letzten Jahr an, Menschenrechtsverletzungen in Namibia zu untersuchen und dabei auch dem Verdacht auf Folter im Zusammenhang mit dem Sezessionsversuch einer Rebellengruppe im Caprivi im August 1999 nachgehen zu wollen. In seinem Jahresbericht, in dem die Menschenrechtsverletzungen in Namibia aufgelistet werden, drängte amnesty später die namibische Ombudsfrau, Bience Gawanas, auf die Übergriffe zu reagieren und "Untersuchungen einzuleiten sowie den Behörden geeignete Empfehlungen zu machen". Amnesty warnte davor, dass Namibia auf die Liste der Länder gesetzt werden könnte, in denen vom Staat sanktionierte Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Die Menschenrechtsorganisation hatte in einem früheren Bericht Zeugen zitiert, die von Gräueltaten seitens namibischer Sicherheitskräfte berichtet hatten.
Mittlerweile hat der Prozess gegen 115 Namibier, die wegen des fehlgeschlagenen Sezessionsversuchs im Caprivi des Hochverrats angeklagt wurden, begonnen. Mitglieder der namibischen Armee NDF, die während des caprivischen Sezessionsversuchs Zivilisten gefoltert hatten, sind vor dem Militärgericht noch einmal glimpflich davon gekommen. Achtzehn von 21 Angeklagten wurden der vorsätzlichen schweren Körperverletzung für schuldig befunden. Sie erhielten zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Vor allem aus Angola strömen seit einiger Zeit Flüchtlinge nach Namibia. Im Flüchtlingslager Osire hält der Flüchtlingsstrom noch an. Seit Mitte Dezember 1999 ist die Bevölkerung dort um 2000 Menschen angewachsen. Das Rote Kreuz sagte im November, dass es aus Mangel an Gebergeldern dort nur eingeschränkt helfen könne. Mittlerweile ist das Flüchtlingslager Osire bis zum Bersten überfüllt.
Als während der Farmbesetzungen in Simbabwe auch in Namibia Menschen eine Umverteilung von Land forderten, erregte die Debatte um die Landfrage die Gemüter. Doch Präsident Sam Nujoma erklärte, dass Namibia "groß genug für alle" sei und dass solche Landnahme in Namibia "nicht passieren kann, solange wir nicht verrückt sind". Simbabwes Präsident Robert Mugabe, der auf Einladung der Swapo auf einer Versammlung zum Afrika-Tag sprach, drängte zwar Namibia und Südafrika, "unserer einfachen Lösung zu folgen und das Land zurückzunehmen". Doch die namibische Regierung schloss schließlich die Enteignung von Land als Reaktion auf die Frage der Landumverteilung aus.
Über die Jahre ist die Intoleranz gewachsen. Das gibt hinsichtlich der Stabilität der Demokratie zu größerer Sorge Anlass. Bei Angriffen auf Ausländer, die Justiz sowie Schwule und Lesben tat sich Namibias Innenminister Jerry Ekandjo besonders hervor. Kürzlich verlangte er von neuen Polizei-Rekruten, "Homosexuelle von namibischem Boden zu eliminieren". Nach einem Aufschrei des Entsetzens aus zahlreichen Gruppen und Organisationen des Landes versteifte er sich darauf, dass eliminieren nicht töten hieße, sondern ignorieren oder beiseite schieben. "Homosexualität ist ein Verbrechen", fuhr er fort (nach der namibischen Verfassung ist sie tatsächlich noch strafbar). Mit solchen Verbalangriffen steht er nicht alleine da.
Ein jüngster Gerichtsbeschluss gegen die Regierung stieß bei Ekandjo auf schroffe Ablehnung. Als Vergeltung drohte er damit, die Arbeitserlaubnis ausländischer Richter zu überprüfen. "Diese reaktionären Richter werden gezwungen, zu packen und zu gehen. Ich werde ihre Arbeitserlaubnis überprüfen lassen", drohte er. Er wurde zwar danach vom Präsidenten gezwungen, sich bei der Richterschaft zu entschuldigen, doch der Schaden war angerichtet und die Vorlage für all diejenigen gegeben, die nach Sündenböcken für die politischen Probleme des Landes suchen und den Ausländern, Schwulen und Lesben, ja sogar der Presse die Schuld in die Schuhe schieben wollen.
Wenn auch Namibias Demokratie in den elf Jahren seit der Unabhängigkeit im Wesentlichen intakt geblieben ist, so hat sie doch einen Schlag erlitten und bleibt in der Tat fragil. Mit vorsichtigem Optimismus kann man trotz der äußerst Besorgnis erregenden Tendenzen wie der Intoleranz davon ausgehen, dass die Swapo zumindest so realistisch bleibt, dass sie weiß: Sie muss ihre Demokratie intakt halten, wenn Namibia noch die entfernteste Chance darauf haben soll, "Afrikas erste Erfolgsgeschichte" zu werden.
aus: der überblick 01/2001, Seite 81
AUTOR(EN):
Gwen Lister :
Gwen Lister ist Chefredakteurin der namibischen Zeitung The Namibian und Mitgründerin des Media Institute of Southern Africa (MISA).