Wer Afrikas Big Men mit Dollars versorgt, untergräbt Entwicklung
Kann man Afrika unterstützen, indem man die Schulden erlässt und die Hilfe erhöht? Es spricht einiges dagegen, korrupten Regimen damit zu mehr Legitimation zu verhelfen.
von Robert Calderisi
Afrika war während des Kalten Krieges ein Schachbrett, auf dem die USA und die Sowjetunion entweder direkt oder durch Stellvertreter (Südafrika beziehungsweise Kuba) um ihren strategischen Vorteil konkurrierten. Heute gleicht der Kontinent mehr jenen therapeutischen Tintenklecksen, deren Interpretation einem in erster Linie etwas über die eigenen Neigungen und Prinzipien, Hoffnungen und Enttäuschungen verrät. Afrika hat eine besondere Bedeutung für Menschen, die an soziale Gerechtigkeit glauben. Aber auch Konservative sorgen sich um den Kontinent, selbst wenn viele von ihnen aufgrund von Bescheidenheit, Realismus oder Zynismus glauben, dass es schwer ist, Entwicklungen an weit entfernten Orten zu beeinflussen.
Während des letzten Jahres hat sich Afrika abgesehen von Darfur relativ positiv entwickelt. Paradoxerweise hatte das nur wenig mit dem Versprechen der Verdopplung der Entwicklungshilfe für Afrika auf dem G-8 Treffen im Juli 2005 zu tun. Und der diesjährige G-8 Gipfel in St. Petersburg hat ohnehin wieder andere Schwerpunkte gesetzt, allem voran die Energiesicherung der reichen Staaten. Die wichtigste Entwicklung in Afrika war etwas ganz und gar Unspektakuläres. Im Februar 2006 erhielt Nigeria erstmals ein formales Credit-Ranking der internationalen Ranking-Agenturen. Das ist nicht nur auf den hohen Ölpreis, sondern auch auf die grimmige Entschlossenheit von Nigerias damaliger Finanzministerin, Ngozi Okonjo-Iweala, zurückzuführen, die jahrzehntelange Misswirtschaft zu beenden. Das Land hat noch einen langen Weg vor sich der nicht frei von Rückschlägen sein wird , bis es sowohl von der internationalen Gemeinschaft als auch von seinen eigenen Bürgern als wirtschaftlich vertrauenswürdig betrachtet werden wird. Aber eine ordentliche Wirtschaftspolitik in Nigeria aufgrund seiner Größe, Komplexität und seines Potenzials auch als China Afrikas bezeichnet ist eine gute Nachricht für alle.
Das Wirtschaftswachstum in Afrika steigt, was vielen Regierungen nach Jahrzehnten des Eingezwängtseins zwischen einem starken Bevölkerungswachstum und schwindenden Märkten eine Atempause verschafft. Unglücklicherweise ist ein Großteil dieses Wachstums dem Ölboom geschuldet und weniger eine Folge von Fortschritt in der Landwirtschaft, dem eigentlichen Reichtum Afrikas.
Öl hat nämlich die Truhen einiger zweifelhafter Regime gefüllt (Angola, Gabun, Kamerun, Kongo-Brazzaville, Äquatorialguinea), deren politische Führer sich dadurch größtenteils länger als 20 Jahre im Amt halten konnten. Angeführt wird diese Gruppe von Gabuns Omar Bongo, der bereits 1967 an die Macht kam, als noch Kurt Georg Kiesinger die Bundesrepublik Deutschland und Walter Ulbricht die Deutsche Demokratische Republik regierten.
In den letzten Jahren haben einige der afrikanischen Big Men jedoch ihre Quittungen bekommen oder zumindest eine Ahnung dessen, wo ihre Grenzen liegen. Liberias Charles Taylor wurde an der Grenze zwischen Nigeria und Kamerun festgenommen und vom UN-Sondergerichtshof für Sierra Leone inhaftiert, der nun auch Taylors Rolle im Bürgerkrieg in Sierra Leone untersucht. Kenias Präsident Mwai Kibaki erlitt im November 2005 eine herbe Niederlage bei dem Referendum über eine neue Verfassung, die ihn mit mehr Macht ausgestattet hätte. Äthiopiens Ministerpräsident Meles Zenawi sah sich mit Straßenschlachten konfrontiert, weil die Wahlergebnisse im Mai 2005 angezweifelt wurden. Ugandas Yoweri Museveni musste sich durch einen harten Wahlkampf schlagen und mit lediglich 59 Prozent der Stimmen zufriedengeben. Nigerias Senat und nicht etwa westliche Journalisten durchkreuzten Präsident Obasanjos Pläne mit Hilfe einer Verfassungsänderung ein drittes Mal für das Amt zu kandidieren. Und sogar Hisséne Habré, ehemaliger Diktator des Tschad, der seit 1990 im Senegal im Exil lebt, muss sich seit Anfang Juli ernsthafte Sorgen machen, als die Afrikanische Union sich darauf einigte, ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht zu stellen.
Die Big Men mussten auch Platz machen für Liberias Ellen Johnson-Sirleaf, die zahlreiche Wahlkampagnen und Todesdrohungen überlebte um am Ende ihren jungen Konkurrenten, einen internationalen Fußballstar, zu schlagen. Zu ihrer Amtseinführung im Januar 2006 ordnete sie die Offenlegung aller Bankkonten ihrer Minister an und versprach, bis Juli 2006 die Lichter in der Hauptstadt Monrovia wieder angehen zu lassen. (Am 26. Juli, Liberias Unabhängigkeitstag, löste sie ihr Versprechen ein und zum ersten Mal seit 15 Jahren erleuchteten Lampen die Straßen in Monrovia). Mehrere tausend Kilometer Richtung Osten, in Benin, dem Land, wo 1991 erstmalig in Afrika eine Regierung durch demokratische Wahlen abgelöst wurde, fand bereits die vierte pluralistische Wahl in Folge statt.
Sogar im Kampf gegen HIV/Aids gibt es Positives zu vermelden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass etwa 17 Prozent derjenigen, die retrovirale Medikamente benötigen, diese auch tatsächlich erhalten. Auch wenn dies noch immer ein geringer Prozentsatz ist, so ist diese Zahl doch wesentlich höher als irgendjemand gewagt hätte vorauszusagen. Noch vor wenigen Jahren war vielfach befürchtet worden, dass Afrika gar nicht die Möglichkeit habe, aus den starken Preissenkungen für die lebenswichtigen Medikamente seinen Nutzen zu ziehen.
Trotzdem ist es zu früh, bezüglich Afrika zu optimistisch zu sein. So wie die Verlangsamung der HIV/Aids-Verbreitung hat die Öffnung der Politik gerade erst begonnen. Afrikaner treten zwar heute energischer gegenüber ihren Regierungen auf, aber diese können sie noch immer ausmanövrieren. Viele hofften, dass die Auslandshilfe dazu beitragen würde, ihre Regierungen zu mehr Ehrlichkeit und Offenheit zu verpflichten. Aber an vielen Orten ist eher das Gegenteil geschehen. In dem einen Showdown mit einem sturen Diktator ist der Westen dieses Jahr regelrecht in die Knie gegangen.
Bei der Tschad-Kamerun-Pipeline hatte alles anders werden sollen. Exxon, der Hauptinvestor dieses größten finanziellen Engagements einer Privatfirma in Afrika seit über einem Jahrzehnt, hatte die Weltbank eingeladen, das Projekt angemessen und fachkundig mitzugestalten. Kernstück der Bemühungen war ein Gesetz, das vorsah, den größten Teil der Einnahmen für die Armutsbekämpfung zu verwenden. Im Dezember 2005 änderte die tschadische Regierung dieses Gesetz dahingehend, dass das Geld auch für Verteidigungs- und Sicherheitsaufgaben ausgegeben werden durfte. Die Weltbank beendete sofort jegliche Zusammenarbeit mit dem Tschad und fror das Auslandskonto ein, auf dem die Öleinnahmen verwaltet werden. Dies war eine einwandfreie Entscheidung. Vier Monate später jedoch gab die Weltbank nach, als Tschads Präsident Idriss Déby damit drohte, die Pipeline komplett zu schließen. Die dahinter stehenden geopolitischen Überlegungen sind nachvollziehbar: Vom Nachbarstaat Sudan unterstützte Rebellen hatten die Hauptstadt angegriffen und keiner wollte das Risiko eines Sturzes der derzeitigen Regierung eingehen, während sich 200.000 Flüchtlinge aus Darfur im Tschad aufhalten. Aber die politischen und moralischen Folgen waren verheerend. Direkte Militärhilfe wäre sicher besser gewesen als der Regierung freie Hand über die Verwendung der Öleinnahmen zu lassen. Wie Nigerias Erfolg bei der Verbesserung der öffentlichen Finanzlage, so hatte auch dieses Ereignis Folgen für den gesamten Kontinent allerdings nachteilige.
Auch an anderen Orten schwelt es unter der Oberfläche. Am 2. März 2006 rechtfertigte Kenias Minister für Innere Sicherheit eine Razzia bei einer der größten Zeitungen und Fernsehstationen Nairobis, die die Regierung kritisiert hatte, mit den Worten: "Wenn man eine Schlange aufscheucht, muss man damit rechnen, gebissen zu werden." Auch die schwachen Versuche der Afrikanischen Union, Simbabwes Präsidenten Robert Mugabe zu zähmen, sind nicht gerade die Form von Peer Justice, die der Welt im Rahmen der hochgepriesenen New Partnership for Africa's Development (NEPAD) im Jahr 2001 versprochen wurde.
Das quid pro quo dieser Neuen Partnerschaft war eine drastische Zunahme der Auslandshilfe für Afrika, obwohl jeder weiß, dass die Auslandshilfe in Afrika kaum etwas bewirkt hat. Zwischen 1960 und 2005 ist das Pro-Kopf-Einkommen in Afrika im Durchschnitt lediglich um ein Viertel gestiegen (und das auch nur wegen des hohen Ölpreises in den letzten drei Jahren), während es in Südostasien um das 34fache zugenommen hat. Wie kann die Welt Afrika wirklich helfen? Das ist die zentrale Frage.
Höhere Hilfe ist nicht die richtige Antwort. Das ergibt ebenso wenig Sinn, wie der Einsatz eines größeren Zuges zum überqueren der Alpen, nachdem ein massiver Erdrutsch den Weg versperrt hat. Bevor überhaupt irgendein Zug, egal ob groß oder klein, durchkommt, muss der Weg wieder freigeräumt werden. Zunächst muss dabei zur Kenntnis genommen werden, dass der Kontinent zwischen 1970 und 1990 etwa die Hälfte seines Anteils am Weltmarkt umgerechnet 70 Milliarden US-Dollar Erlöse pro Jahr verloren hat. Das ist dreimal so viel wie Afrika an Auslandshilfe erhält. Dieser Verlust von Marktanteilen wurde nicht etwa durch obskure internationale Regeln, unfairen Wettbewerb oder Subventionen an reiche Landwirte in Europa und den USA verursacht. Er war die direkte Folge von wachsender Effizienz in anderen Entwicklungsländern bei der Produktion und Lieferung von tropischen Rohstoffen, wie in Brasilien, Indonesien und Vietnam. Aber anstatt eine Aufholjagd zu starten, ging es mit der Landwirtschaft in Afrika sogar noch bergab, hauptsächlich aufgrund schlechter Regierungsführung.
Die meisten Missstände in Afrika mit der Ausnahme von HIV/Aids und einigen regionalen Konflikten können auf den Niedergang der Landwirtschaft und die dafür verantwortliche schlechte Regierungsführung zurückgeführt werden. Auch ethnische Konflikte haben infolge von Missgunst und Streit um knapper werdende öffentliche Güter zugenommen.
Die hohe Verschuldung ist ein weiteres Symptom, keine Ursache, von Afrikas Problemen, denn zur Last wurde sie erst, als die Einkommen auf dem Kontinent zu sinken begannen. Der wirtschaftliche Niedergang hat Konsequenzen, die Afrika in eine Zwickmühle bringen. Mehr als 70.000 qualifizierte Fachkräfte verlassen jedes Jahr den Kontinent und etwa 40 Prozent der afrikanischen Vermögen sind im Ausland angelegt. Die meisten afrikanischen Regierungen reagieren auf diese Probleme lediglich mit dem Suchen nach Entschuldigungen, zeigen mit dem Finger auf andere und strecken die Hände aus, um mehr Geld zu erhalten. Dabei hält die Hilfe des Westens lediglich das weitere Zusammenfallen auf und trägt nicht ernsthaft zum Aufbau bei.
Der zweite wichtige Faktor ist, dass Auslandshilfe sowohl für Geber als auch für Empfänger gleichermaßen "moralisch verwirrend" sein kann. Kameruns Präsident Paul Biya ist seit etwa einem Viertel Jahrhundert an der Macht und trifft quasi niemanden außer seinem engsten Berater. Er hält den ehrwürdigsten katholischen Geistlichen seines Landes, Christian Tumi, für einen Oppositionsführer, nur weil dieser sich für die Menschenrechte einsetzt. "Ich wurde als Kameruner geboren", sagte mir der bodenständige Kardinal, "und dann wurde ich ein Christ und Priester. Warum darf ich keine Meinung über das haben, was in meinem Land geschieht?" Am 1. Mai 2006 entschied sich die internationale Gemeinschaft für Biya, nicht für Tumi, als sie dem Land einen Schuldenerlass in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar gewährte.
Ein anderer Gewinner in diesem moralischen Lottospiel war dieses Jahr die Republik Kongo (Brazzaville), regiert von einem Mann, der 1997 die gewählte Regierung stürzte. Die Afrikanische Union hatte einmal beschlossen, Regierungen nicht anzuerkennen, die mit Hilfe des Militärs an die Macht gekommen waren. Trotzdem entschied sich die höchste politische Instanz des Kontinents vor acht Monaten, Kongos Präsident Denis Sassou-Nguesso zu ihrem Vorsitzenden zu machen. Zugegeben, er war ein Kompromisskandidat, denn eigentlich wäre Sudans Staatsoberhaupt an der Reihe gewesen und in einem Anflug von Anstand wurde dies in letzter Minute verhindert. Aber genauso gut hätte man Simbabwes Robert Mugabe für diesen Posten bestimmen können.
Auch die übrige Welt war gut zu Nguesso, als ihm im März 2006 drei Milliarden US-Dollar Schulden erlassen wurden. Es ehrt den Weltbankpräsidenten Paul Wolfowitz, dass er noch versuchte, dies zu verhindern, nachdem er erfahren hatte, dass Nguesso 81.000 US-Dollar in einem New Yorker Hotel ausgegeben hatte. Aber er wurde überstimmt. In der Pressemitteilung der Weltbank hieß es vieldeutig, dass sich etwas ändern müsse, wenn das Geld "nicht durch private Interessen veruntreut werden solle".
Geschichten wie diese zeigen, warum viele Afrikaner von ihren Regierungen angewidert sind ebenso wie von den gut gemeinten Bemühungen des Westens zu helfen. Die Ziele von Entwicklungshilfe können nicht erreicht werden, solange Diktaturen oder schwache Imitationen von Demokratie auf dem Kontinent überwiegen. Die meisten afrikanischen Amtsinhaber haben andere Prioritäten als ihre Wähler oder westliche Regierungen. Sie ziehen es vor, Erste-Klasse-Tickets zu kaufen, statt "Erste-Klasse-Schulen" zu bauen. Sie sind misstrauisch gegenüber Kleinbauern und Geschäftsleuten, unterdrücken diese sogar. Und sie halten Armut für ebenso natürlich wie Regen und Wind. Verantwortlich regierte Länder, wie Ghana, Mali und Mozambique, die ihre Volkswirtschaften für private Investitionen und ihre Politik für andere Meinungen geöffnet haben, erhalten zu wenig Hilfe, während andere, wie Äthiopien und Kamerun, viel zu viel erhalten. Und die Hilfe geht zudem häufig von fehlender Kompetenz und mangelndem Unternehmergeist bei Afrikanern selbst aus.
Es gibt jedoch keinen Mangel an Ressourcen und Findigkeit in Afrika. Eine meiner liebsten Erinnerungen stammt aus Westafrika in den 1990er Jahren. In der Nähe meines Büros auf der Straße verkaufte eine Frau gebratene Bananen, die ganze Woche, sogar an Sonntagen. Sie blieb zwölf Stunden, wobei sie nicht mehr als zwei US-Dollar pro Tag verdiente und sich niemals einen Tag frei nahm. An einem Nachmittag sah ich sie in der Mitte eines Unwetters, unerschrocken, ihr Feuer am Leben erhaltend und in der Pfanne Bananen bratend, geschützt nur durch ein großes Sperrholzbrett, das sie auf ihrem Kopf balancierte, während der Regen in alle Richtungen abfloss. Für mich war dies das Bild Afrikas, beharrlich und guten Mutes im Angesicht von Schwierigkeiten. Ich traf auch einen Mann, der Millionär geworden war, weil er sieben Schiffscontainer Süßkartoffeln pro Monat, eingewickelt in buntes Papier, nach Washington D.C. verschiffte. Ich war überrascht, dass die Menschen, die diese Kartoffeln kauften, Immigranten aus Zentralamerika waren, denn ich hätte vermutet, dass sie Produkte aus Nicaragua oder El Salvador vorziehen würden. Tatsächlich aber hatten sie eine Vorliebe für westafrikanische Süßkartoffeln entwickelt und dieser Unternehmer hatte das entdeckt.
Wie kann diesem Ideenreichtum, dieser Findigkeit ein größeres Ventil gegeben werden? Autokratische Länder in Asien, wie Korea, Taiwan und Indonesien, haben erstaunliche wirtschaftliche Fortschritte gemacht, bevor sie begannen, ihre politischen Systeme zu öffnen. Die Diktatoren in Afrika haben nicht modernisiert, sondern sich selbst bereichert, waren gleichgültig gegenüber wirtschaftlichen Prozessen, haben die Landwirtschaft und das private Unternehmertum abgewürgt und Günstlingswirtschaft gegenüber bestimmten Gruppen betrieben. Vieles davon wurde unter dem Deckmantel des Nationalismus oder sogar des Sozialismus verborgen, aber einiges auch offen und direkt praktiziert. Als Gabuns Präsident Bongo im Jahr 2002 gefragt wurde, ob er Milliardär sei, antwortete er lässig: "Wurde der Palast in Versailles mit Geld erbaut, das dem französischen Staat oder Ludwig XIV. gehörte?" Wichtiger, als die öffentliche Hilfe zu erhöhen, ist es heute, Afrikas Freiheitskämpfer zu unterstützen ehrliche öffentliche Angestellte und Politiker, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Afrika braucht neue Führer, Ideen, Ansätze und Technologien das ist dringender, als Geld zur Verfügung zu stellen. Man sollte sich eher daran machen, Waffenkäufe des Westens an nicht repräsentative Regierungen zu unterbinden und Staaten zu isolieren, die einen Journalisten einsperren, der von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat. Man sollte darauf drängen, dass Gesetze abgeschafft werden, die Afrikaner mit Strafe bedrohen, die ihre Präsidenten kritisieren. Und man sollte die Entwicklungshilfe auf die Länder konzentrieren, die sie zu nutzen verstehen. Und schließlich sollte man undurchsichtige afrikanische Bankguthaben in westlichen Banken einfrieren, so wie einst die britische Marine auf hoher See Sklavenschiffe aufgebracht hat, nachdem der Sklavenhandel verboten worden war. Fortschritt in diesen Bereichen wird wirklich etwas verändern in Afrika. Aber es gibt noch einen weiteren, direkteren, fast unmodernen Weg zu helfen. Hilfe von Mensch zu Mensch, durch christliche oder säkulare private Organisationen, kann einen beeindruckenden Einfluss auf das Leben einzelner Afrikaner haben. Viele Schulen und Krankenhäuser in Afrika werden von christlichen Kirchen unterhalten.
Erfahrene Organisationen setzen relativ geringe Summen von Geld erfolgreich ein, trotz Diktatur und staatlicher Misswirtschaft. Solche Hilfe erreicht die Armen wesentlich direkter als offizielle Hilfe, stärkt die Moral vor Ort und ist viel mehr als staatliche Entwicklungshilfe ein Zeichen internationaler Solidarität. Eine Petition an den Bundestag, die Bewilligungen neuer Hilfszusagen an härtere Konditionen zu binden und die Sendung eines Schecks an den "Lutherischen Weltbund", World Vision oder "ärzte ohne Grenzen" sind zwei Seiten derselben Medaille. Sie kombinieren politische, moralische und materielle Unterstützung für Afrika, entziehen einem System der Mächtigen und Unehrlichen den Sauerstoff und geben diesen stattdessen den einfachen Menschen für ihr tägliches Leben.
Auf diese Weise können sich zivilgesellschaftliche Aktivisten im Westen und in Afrika auf der gleichen Seite wiederfinden, im Kampf gegen Gleichgültigkeit und Defätismus und beim Bau einer besseren Welt, Stein für Stein, gleich mehrere auf einmal.
aus: der überblick 03/2006, Seite 10
AUTOR(EN):
Robert Calderisi
Robert Calderisi arbeitete 30 Jahre bei der Weltbank und war als deren Afrika-Sprecher eng in das Tschad-Kamerun-Pipeline-Projekt eingebunden.
Sein Buch "The Trouble with Africa: Why Foreign Aid Isn't Working" wurde 2006 von Yale University Press (UK) veröffentlicht.