Schwierige Heimkehr
Viele Fachkräfte empfinden nach einem Einsatz im Süden die Heimkehr als nicht leicht. Nicht nur weil es schwierig ist, wieder im Berufsleben Fuß zu fassen. Oft finden sie auch, wenn sie sich zu Hause für Belange der armen Länder einsetzen, nicht das erwartete Interesse. Wer als Fachkraft einige Jahre in Projekten in Afrika, Asien oder Lateinamerika gearbeitet hat, bringt lebensnahe Einsichten in den Alltag und die Probleme dort mit nach Deutschland zurück. Er oder sie sieht oft die eigene Gesellschaft mit anderen Augen als zuvor. Diese Erfahrungen können zu Hause fruchtbar gemacht werden etwa für die entwicklungspolitische Bildung oder die Lobby-Arbeit zugunsten armer Länder.
von Bernd Ludermann
Das Potenzial dafür ist beträchtlich. Rund 2500 Fachkräfte hat "Dienste in Übersee", das im Jahr 2001 im EED aufgegangen ist, seit 1960 in arme Länder vermittelt. Ende 2003 waren 126 im Einsatz (plus weitere 26 von Missionswerken oder der Diakonie, die über den EED einen Entwicklungshelfer-Vertrag erhalten haben); etwa 50 kommen jedes Jahr zurück. Alle Entwicklungsdienste zusammen hatten Ende 2003 knapp 1500 Fachkräfte im Übersee, davon 226 der katholische Personaldienst AGEH und über tausend der quasi-staatliche Deutsche Entwicklungsdienst (DED).
Wie viele sich nach ihrer Rückkehr etwa in Kirchengemeinden oder Solidaritätsgruppen für entwicklungspolitische Belange einsetzen, wird nirgends zentral erfasst. Zu einer Tagung mit früheren DÜ-Fachkräften, die der EED Anfang Juni 2004 ausgerichtet hat, sind über 50 Engagierte aus allen Teilen Deutschlands erschienen. Sie fühlten sich noch Jahre nach ihrem Einsatz mit DÜ verbunden wie rund ein Drittel aller früheren Fachkräfte, wenn man einer mehrere Jahre alten Befragung glaubt. "Es wäre schade, dieses Potenzial unter den Tisch fallen zu lassen", sagt Kathy Geiss-Rigoni, die beim EED in der Nachbetreuung der Zurückgekehrten arbeitet.
Die Heimkehr ist für viele Fachkräfte nicht einfach. Zunächst aus praktischen Gründen. "In den ersten Monaten ist man erst einmal mit unmittelbaren Problemen beschäftigt", sagt Gudrun Dapprich, die 1989 bis 1992 mit DÜ in Simbabwe war. Dringend sind dann etwa die Suche nach einer Wohnung und einem Arbeitsplatz und die Organisation des Alltags in einer neuen oder fremd gewordenen Umgebung.
Auf dem Arbeitsmarkt haben Zurückgekehrte heute viel größere Schwierigkeiten als noch zu Beginn der 1990er Jahre. Der Hauptgrund ist die gestiegene Arbeitslosenrate, erklärt Ulrich Lottmann, der Geschäftsführer des "Förderungswerks", das Zurückkehrende aller Dienste bei der beruflichen Wiedereingliederung unterstützt. Hinzu kommt, dass die Fachkräfte immer seltener Gärtner, Landwirt, Arzt oder Krankenschwester sind und öfter Geisteswissenschaftler, die etwa Organisationsberatung übernehmen. Für sie waren die Berufsaussichten in Deutschland auch früher schwieriger, erklärt Lottmann. Heute nutzten viele von ihnen den Einsatz im Entwicklungsdienst als eine Art Berufseinstieg und versuchten, hinterher für Entwicklungswerke in Deutschland zu arbeiten und vielleicht erneut in Übersee.
Der Versuch, Entwicklungshilfe derart zum Beruf zu machen, sei gefährlich, sagt Lottmann: Im Alter um die Fünfzig komme man an die Grenze und finde dann auch keinen anderen Beruf mehr. Die Fachkräfte des EED trifft das weniger, denn der vermittelt Personal nur auf Anfrage an Partner im Süden und nimmt dafür kaum je Berufsanfänger. Doch auch unter den vom EED Vermittelten wächst nach dem Eindruck von Geiss-Rigoni die Zahl derjenigen, die wegen der Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt wieder nach Übersee gehen oft nicht mit dem EED, sondern mit anderen Personaldiensten.
Doch der Beruf ist nicht das einzige Problem der Integration. Rückkehrende wollen auch ihre Einsichten weitervermitteln und besuchen daher etwa Kurse über Öffentlichkeitsarbeit. Nicht wenige haben jedoch den Eindruck, dass ihre Erfahrungen aus dem Süden auf nur oberflächliches Interesse stoßen. "Sind die Deutschen nur mit sich selbst beschäftigt?", hieß es leicht frustriert auf der erwähnten Tagung des EED im Juni. Zuweilen, so berichten frühere Fachkräfte, gelten ihre Erfahrungen im Ausland als quasi wertlos oder gar hinderlich. "Wir sind hier nicht in Afrika", bekam etwa Gudrun Dapprich einmal von einem Arzt zu hören, als die Intensiv-Krankenschwester einen Fehler machte.
Auch alte Bekannte können zuweilen nicht nachvollziehen, dass nach dem Aufenthalt im Süden manches an der Heimat befremdlich wirkt. "Aus der Sicht der Daheimgebliebenen hat der Rückkehrende etwas verpasst", erklärt Rudolf Schmid, der Vorsitzende des EED-Rückkehrerinnenausschusses (RKA). Nicht wenige Fachkräfte berichten, dass sich ihr Freundeskreis nach der Rückkehr verändert hat, weil man sich mit den früheren Freunden nicht mehr viel zu sagen hatte. Geiss-Rigoni, selbst eine frühere Fachkraft, meint allerdings, dass man dies vermeiden kann: Man sollte sich von Anfang an mit der Rückkehr beschäftigen, Freunde schon in die Entscheidung zur Ausreise einbeziehen und einen echten Austausch nach Deutschland aufrecht erhalten.
Schwierig kann auch sein, dass Fachkräfte im Ausland einen besonderen Status haben, zu Hause aber nicht mehr. Viele haben zudem in Übersee erlebt, dass ihre Arbeit Wichtiges bewirkt, einen echten Unterschied ausgemacht hat. Zurück in Deutschland bekommen sie den Eindruck, dass es hier auf sie kaum ankommt. Denn in der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit werden ganz langsam dicke Bretter gebohrt. Die Gefahr, vom eigenen Engagement in Deutschland zu viel zu erwarten, ist anscheinend besonders groß für Fachkräfte, die in Konfliktgebieten gearbeitet haben wie in Israel und Palästina. Dort ist die Lage derart schlimm, dass man Bekannten unbedingt von hier aus wirksam helfen will. Dass dies kaum möglich ist, belastet frühere Fachkräfte.
Auf eine weitere Schwierigkeit der Wiedereingliederung weist Lottmann hin: Manche Fachkräfte bringen aus dem Gastland einen Lebenspartner mit, der oder die in Deutschland erst heimisch werden muss. Problematisch sei das besonders dann, wenn sie Kinder haben und in der Familie nicht Deutsch gesprochen wurde. Auch hier, so Lottmann, sollte man sich frühzeitig auf die Anforderungen nach der Rückkehr einstellen.
Die meisten Zurückgekehrten haben ein starkes Bedürfnis, ihre Erfahrungen im Ausland zu Hause einzubringen, zumindest in den ersten Jahren nach der Rückkehr. In der Bildungsarbeit engagieren sich vor allem Fachkräfte, die noch nicht allzu lange zurück sind so jedenfalls der Eindruck von Richard Brand, der nach einem Einsatz in Mosambik nun beim "Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee" arbeitet. Dieses Engagement wollen die meisten Dienste, die Fachkräfte entsenden, verstärkt nutzen. Brand zufolge hängt das auch damit zusammen, dass die Bedeutung von Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit stärker gesehen wird. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) etwa hat seine Ausgaben dafür seit 1998 vervierfacht.
Bei vielen Zurückgekehrten hält das Befremden an der deutschen Gesellschaft jedoch lange an und macht sie zu einer Art Unruhefaktor "das Salz in der Suppe", wie Schmid sagt. Sie wollen etwa Vorurteilen über Afrika entgegentreten oder das Bewusstsein für die Not anderswo wach halten. Nicht zuletzt erklären viele, dass sie etwas von der menschlichen Nähe weitergeben wollen, die sie in armen Ländern so beeindruckt hat. "Ich habe von dort so viel Mitgefühl und menschliche Wärme mitgebracht", sagt Gudrun Dapprich, "dass ich heute, nach vielen Jahren, noch immer davon zehre." Solche Erfahrungen scheinen manchen Zurückgekehrten die Kraft zu geben, zu Hause sehr dicke Bretter zu bohren.
aus: der überblick 03/2004, Seite 116
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann :
Bernd Ludermann war viele Jahre Redakteur beim "überblick". Er arbeitet jetzt als freier Journalist in Hamburg und betreut unter anderem als Redakteur die Forum-Seiten im "überblick".