Ein Eine-Welt-Projekt der Aktion Brot für die Welt
Blumen machen Freude und sind ein beliebtes Geschenk zum Muttertag, zu Geburtstagen oder anderen festlichen Anlässen. Der Anblick einer Blume verrät jedoch nicht, unter welchen ökologischen und sozialen Bedingungen sie produziert wurde.
von Jörg Jenrich
Vor allem in den Wintermonaten stammen viele Blumen, die bei uns verkauft werden, aus Ländern der Dritten Welt: Kolumbien, Kenia, Ekuador oder Simbabwe. Kolumbien ist hinter den Niederlanden weltweit der zweitgrößte Exporteur von Schnittblumen. Auf dem europäischen Markt hat Kenia dem südamerikanischen Land mittlerweile den Rang abgelaufen. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich die kenianischen Blumenexporte in die Europäische Union mehr als verdreifacht. Ihr Wert betrug im Jahr 2000 etwa 140 Millionen US-Dollar. Ekuador liegt an dritter Stelle mit einem ebenfalls rasanten Zuwachs der Exporte. Auch Sambia, Tansania und Uganda drängen mit Macht auf den lukrativen Markt.
Schnittblumen sind für die Länder des Südens ein zunehmend wichtiges Exportprodukt geworden. Die Gründe liegen auf der Hand: Für die meist von wenigen Exportprodukten abhängigen Länder bieten Schnittblumen die Möglichkeit, ihr Angebotsspektrum zu erweitern. Die Produktion ist arbeitsintensiv und schafft Arbeitsplätze. Was die Energiebilanz angeht, haben in den Wintermonaten Schnittblumen insbesondere aus afrikanischen Ländern die Nase vorn gegenüber europäischen Gewächshausblumen.
Den zahlreichen Vorteilen stehen aber Probleme gegenüber. Die kapitalintensive Produktion bedeutet für die Unternehmen ein großes Risiko. Viele Produzenten wollen mit einem hohen, vorbeugenden Pestizideinsatz das Schädlings- und Krankheitsrisiko minimieren. In der Regel sind in den Produktionsländern nur wenig Fachkenntnisse für die Blumenproduktion vorhanden. Dies führt vor allem beim Umgang mit den Pestiziden immer wieder zu schweren Unfällen. Auch wirft die Schnittblumenproduktion ökologische Probleme auf, beispielsweise durch den sehr hohen Wasserbedarf.
Die Schnittblumenindustrie in Afrika und Lateinamerika ist in den letzten Jahren aber vor allem wegen der Arbeitsbedingungen in Verruf geraten. Überwiegend Frauen sind auf den Plantagen beschäftigt. Vor allem in den Wochen vor Valentinstag oder Muttertag müssen sie zwölf, vierzehn und mehr Stunden am Tag arbeiten. Der Lohn aber reicht nicht aus, um eine Familie ausreichend zu ernähren. So verdient beispielsweise eine Blumenarbeiterin in Kenia umgerechnet 1,80 DM am Tag - weniger als eine Rose bei uns kostet.
Viele Blumenarbeiterinnen und -arbeiter sind von Subunternehmen angestellt und besitzen nur Zeitverträge. So vermeiden die Plantagen die Zahlung von Sozialleistungen. Häufig werden Arbeitsgesetze umgangen und Angestellte wegen der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft entlassen. Überhaupt ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad unter den Blumenarbeiterinnen und - arbeitern sehr gering. Das hängt einerseits mit der Repression zusammen, der Gewerkschaftsmitglieder in Ländern wie Kolumbien ausgesetzt sind. Andererseits messen die Gewerkschaften dem Blumensektor trotz seines rapiden Wachstums meist kaum Bedeutung zu.
Im Frühjahr 1991 führten Brot für die Welt, die Menschenrechtsorganisation FIAN, das Kinderhilfswerk terre des hommes und andere Organisationen erstmals eine Blumeninformationskampagne in Deutschland durch. Ziel war es, über die Probleme zu informieren und die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Blumenarbeiterinnen und -arbeitern zu verbessern. Die Kampagne richtete ihr Augenmerk anfangs vor allem auf Kolumbien, dem damals mit Abstand wichtigsten Produzenten unter den Ländern der Dritten Welt. In enger Zusammenarbeit mit kolumbianischen Partnerorganisationen leistete die Kampagne eine intensive Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit: Es wurde Informationsmaterial erstellt, eine "Blumenzeitung" herausgegeben, Aktionsgruppen und Kirchengemeinden zur Mitarbeit angeregt, das Thema in die Medien gebracht, Gespräche mit den Verantwortlichen in Industrie und Handel geführt, Tagungen und ein Symposium beim Europäischen Parlament veranstaltet. Brot für die Welt machte aus der Blumenkampagne ein "Eine-Welt-Projekt", bei dem Spenden auch für die notwendige Lobbyarbeit in Deutschland verwendet werden.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich ein breites Bündnis, an dem Organisationen und Gewerkschaften aus Ekuador, Kenia, Simbabwe, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Großbritannien und Schweden mitwirken. Nach anfangs nur bescheidenen Erfolgen gelang schließlich der Durchbruch: Seit Mai 1999 werden in Deutschland Blumen aus dem "Flower Label Programm" angeboten. Die Plantagen, die an diesem Programm beteiligt sind, werden von unabhängigen Prüfern kontrolliert. Existenzsichernde Löhne, Gewerkschaftsfreiheit, Verbot von Kinderarbeit, Verbot von hochgiftigen Pestiziden und Gesundheitsvorsorge für alle Beschäftigten lauten einige der wichtigsten Auflagen.
Das "Flower Label Programm" wird gemeinsam von der Blumen-Kampagne, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, dem Blumengroß- und Importhandel und dem Fachverband Deutscher Floristen unterstützt. Eine Liste von Fachgeschäften, die Blumen aus dem "Flower Label Programm" verkaufen, ist im Internet unter www.fian.de zu finden. Für die Betroffenen brachte das Programm schon bald erhebliche Verbesserungen: Blumenarbeiterinnen in Simbabwe haben jetzt Festverträge mit dem Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub von drei Monaten. Vorher waren sie meist ohne Vertrag und nur für wenige Monate eingestellt worden. Der Einsatz von Pestiziden ging in den beteiligten Betrieben um bis zu 50 Prozent zurück.
Der Weg zum Erfolg der Kampagne war gewiss dornig. Entscheidend waren zwei Faktoren: die Hartnäckigkeit der drei Trägerorganisationen, trotz mancher Rückschläge am Thema zu bleiben und die von Beginn an enge Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in Übersee. Vor allem wurde deutlich, dass Erfolg in der Tat einen langen Atem braucht.
aus: der überblick 01/2001, Seite 138
AUTOR(EN):
Jörg Jenrich :
Jörg Jenrich ist Mitarbeiter bei "Brot für die Welt" in den Bereichen Bildungs- und Advocacy-Arbeit