Wie Südafrika aufrüstet und dabei den wirtschaftlichen Ruin in Kauf nimmt
Mit einem großen Waffenbeschaffungsprogramm will Südafrika die alte, noch aus der Apartheid stammende Ausrüstung von Marine, Luftwaffe und Heer ersetzen. Ob das wirklich nötig ist, ist allerdings heftig umstritten. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Korruption im Spiel war. Präsident Thabo Mbeki spielt bei alledem gegenüber den Medien eine beklagenswerte Rolle.
von Jakkie Cilliers
Der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki hat eine schreckliche erste Amtszeit. Dass es keine leichte Aufgabe sein würde, die Nachfolge einer Legende wie Nelson Mandela anzutreten, war abzusehen. Aber Mbeki stolpert von einer Krise in die nächste, und die hat er sich überwiegend selbst zuzuschreiben. Kaum eine Entscheidung hat ihm so anhaltend Probleme verursacht wie der Entschluss im Jahr 1999, die veraltete technische Ausrüstung der südafrikanischen Streitkräfte zu ersetzen. Bis Mitte des Jahres 2001 hat dieses schlecht geplante, überdimensionierte Geschäft enorme Kosten verursacht, und die Vorwürfe wegen Misswirtschaft und Korruption nehmen kein Ende.
Bis 1961 war Südafrika eine Kolonie Großbritanniens und Mitglied des Commonwealth. Daher waren auch die Ausrüstung und die Operationspläne zur Verteidigung des Landes Teil der Verteidigungsstrategie des britischen Reichs. Auch nachdem die National Party im Jahr 1948 die Macht übernommen hatte und ihre Apartheidpolitik umzusetzen begann, bezog Südafrika seine militärische Ausrüstung weiter aus Großbritannien. Das änderte sich, als Südafrika 1961 eine unabhängige Republik im Commonwealth wurde. Als die Regierung in der Folge international isoliert wurde, verstärkte sie die Handelsbeziehungen und die Zusammenarbeit zunächst mit Frankreich, später mit Israel. Bis 1977, als der UN-Sicherheitsrat ein Waffenembargo gegen Südafrika verhängte, hatte sich Frankreich zum wichtigsten Lieferanten für militärische Ausrüstung an Südafrika entwickelt. In den Folgejahren gelang es Südafrikas staatlichem Rüstungskonzern ARMSCOR und den mit ihm verbundenen Unternehmen, das Land in Bereichen wie Artilleriegeschütze, Panzerfahrzeuge und alle Arten von Munition vom Ausland unabhängig zu machen. Aber Südafrika besaß nicht die erforderliche Finanzkraft, um eine eigene Produktion für den Ersatz größerer und technologisch anspruchsvollerer Rüstungssysteme aufzubauen.
Als sich das Land in den achtziger Jahren in einen eskalierenden Krieg im Süden Angolas verstrickte, investierte es große Summen in landgestützte Waffensysteme und vernachlässigte dabei die Ausrüstung von Marine und Luftwaffe. Ersatzbeschaffungsprogramme für die Marine wurden von Jahr zu Jahr vertagt. Ebenso fehlte dem Land das Geld, um Kampfflugzeuge zu entwickeln, die sich mit den von Kuba und der ehemaligen Sowjetunion nach Angola gebrachten hochmodernen Systemen messen konnten.
Als Südafrika 1989 auf eine Bürgerkriegskatastrophe zuzusteuern drohte, brachte der Fall der Berliner Mauer und die Übernahme der Macht in Südafrikas Regierung durch Frederik Willem de Klerk eine glückliche Wende. Die Verhandlungslösung erlaubte es der Regierung, teure Pläne zur Entwicklung eigener, im Land produzierter Alternativen für die alternden Kampfschiffe, für die Daphne-U-Boote, Allouette-III-Hubschrauber, Impala-Schulungsjets und Mirage-Flugzeuge zu den Akten zu legen.
Als das internationale Waffenembargo gegen Südafrika 1994 aufgehoben wurde, bot das Land einen attraktiven neuen Markt, da praktisch alle seine Flugzeuge und Marineschiffe veraltet waren und trotz der weit geringeren Verteidigungsbedürfnisse eines Landes, das nun in Frieden mit seinen Nachbarn lebte, dringend Ersatz beschafft werden musste. In der Tat würde die Marine bis zum Jahr 2004 ohne den Zukauf neuer Schiffe keine Kampffähigkeit über Wasser mehr haben. Und mit der Ausmusterung der Daphne-U-Boote im Jahr 2005 verbliebe der Marine ohne Zukauf auch keine Unterwasserausrüstung mehr.
Die Verhandlungen, die 1994 schließlich zur Wahl Nelson Mandelas zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas führten, dauerten vier Jahre. In den ersten drei Jahren davon erlaubte die National Party keinerlei Kontakt zwischen den gegnerischen Streitkräften, der South African Defence Force und dem bewaffneten Flügel des ANC, Umkhonto we Sizwe. Erst als klar war, dass der politische Prozess in der Tat unumkehrbar war und kein Bürgerkrieg drohte, durften die Uniformierten miteinander sprechen. Um Mitternacht vom 26. auf den 27. April 1994 wurde die South African Defence Force aufgelöst und die South African National Defence Force gegründet. Ein chaotischer Prozess der Integration von sieben ehemals gegnerischen Streitkräften folgte, und Entscheidungen über Ersatzbeschaffungen wurden weiter vertagt.
Unterdessen wurde es immer schwieriger, die alte Ausrüstung mit einem Budget instand zu halten, das innerhalb von wenigen Jahren um mehr als die Hälfte gekürzt wurde. Unter Mandela befand sich Südafrika in einer ganz anderen Sicherheitslage als zuvor. Südafrika lebte nun in Frieden mit seinen Nachbarn, die überwiegend aus weißen Wehrpflichtigen rekrutierte Armee war durch ein Freiwilligenheer mit Menschen aller Rassen ersetzt worden, und das Militär musste sich umfassender ziviler und parlamentarischer Kontrolle unterwerfen. Die völlig veränderte internationale und regionale Sicherheitslage erforderte eine umfassende Neubestimmung der südafrikanischen Verteidigungspolitik. Aus diesem Prozess gingen 1995 das Verteidigungsweißbuch White Paper on Defence und kurz darauf der Verteidigungsbericht Defence Review hervor. Beide Veröffentlichungen dienten im Grunde politischen Zwecken: Das Militär sollte aus der Innenpolitik fern gehalten und etwaiges Potenzial für eine Umkehrung oder Unterwanderung des Veränderungsprozesses entschärft werden.
Der Verteidigungsbericht skizzierte Streitkräfte nach europäischem Vorbild sowie eine enge, konventionelle Verteidigungsrolle und ignorierte die neuen Anforderungen für die nationale und regionale Sicherheit. Das Kabinett machte sich diese etwas vereinfachenden und naiven Vorschläge aber dennoch im wesentlichen zu eigen; damit wurde der Weg für Neuanschaffungen frei. Da der veranschlagte Bedarf an neuen Rüstungsgütern aber in so eklatantem Widerspruch zur veränderten Sicherheitslage stand, gab es bald erheblichen Widerstand gegen Umfang und Art der geplanten Käufe.
Benommen sah das Land zu, wie ausländische Rüstungsanbieter für den potenziell lukrativen neuen Markt in Position gingen. Es begann konfus und wurde lange hinausgezögert; doch dann setzte die Regierung den Rahmen für den größten Waffenkauf seit Jahren. Als das Kabinett den Vorschlag für das Beschaffungspaket zum ersten Mal gesehen hatte, bestand er – bereits deutlich beschnitten – aus einer Wunschliste von 48 modernen leichten Jagdflugzeugen, 154 Panzern, vier Korvetten, fünf Marinehubschraubern für die Korvetten, vier U-Booten und 60 Hubschraubern. Der nun folgende langwierige Verhandlungsprozess reduzierte die Liste weiter, bis die Regierung 1998 die Beschaffung von insgesamt drei dieselelektrischen U-Booten und vier Korvetten von deutschen Konsortien, 30 italienischen leichten August-Mehrzweckhubschraubern, neun schwedisch-britischen modernen leichten Jagdflugzeugen (Gripen) mit der Option zum Kauf von weiteren 19 im Jahr 2004 sowie zwölf Hawk-Schulungs-Jagdflugzeugen der British Aerospace mit der Option zum Kauf von weiteren zwölf im Jahr 2002 beschloss. Der Wert des Programms belief sich 1999 auf insgesamt 4,8 Milliarden US-Dollar und sollte über einen Zeitraum von zwölf Jahren bezahlt werden.
Der Umfang des Programms überraschte viele Beobachter, die ein bescheideneres Beschaffungspaket und eine kürzere Zahlungsperiode erwartet hatten – vor allem weil ein weiterer Kursverlust der südafrikanischen Währung Rand gegenüber den meisten wichtigen Währungen erwartet wurde und die Beschaffung für Südafrika dann künftig teurer würde. Überdies war bekannt, dass der Finanzminister Trevor Manuel gegen das Projekt war. Im April 2001 veröffentlichte die südafrikanische Wochenzeitung Mail & Guardian Auszüge aus einem vertraulichen Kabinettspapier, das auf mögliche schwerwiegende finanzielle Auswirkungen durch den Umfang des Beschaffungsprogramms und die Dauer der finanziellen Bindung hinwies.
Das Dokument aus dem Jahr 1999 ist vernichtend in seinem Urteil, dass bei dem Geschäft der Kursverlust des Rand gegenüber anderen Währungen die südafrikanische Regierung in vollem Maß treffen werde. 1998 war der Kurs des Rand auf einen Gegenwert von 6,40 Rand für einen US-Dollar gefallen. Im April 2001 musste man bereits über 8,10 Rand für einen Dollar bezahlen, und der Kabinettsvermerk sagte für das Jahr 2003/04 einen Kurs von 9,6 Rand und für 2013/14 einen Kurs von 28,50 Rand pro Dollar voraus. Unerklärlicherweise hatte die Regierung ein Beschaffungspaket unter Missachtung jeder Sorgfalt beschlossen und musste deshalb die Finanzierung über einen langen Zeitraum ausdehnen, in dem das Kabinett selbst einen fortgesetzten Kursverlust des Rand erwartete. Der Kabinettsvermerk warnt sehr deutlich: »Die Verteidigungsbeschaffungen sind mit erheblichen Wechselkurs- und Zinsrisiken verbunden. Es ist klar, dass diese Kosten vor allem auf dem Devisenmarkt sehr hoch sein können. ... Die mit dem Waffenkauf verbundenen Zusatzausgaben werden kurz- und mittelfristig einen erheblichen Anteil der zusätzlichen Steuereinnahmen der Regierung aufzehren ...«
Zumindest drängt sich bei diesem offenkundigen Verstoß gegen den Grundsatz der Vorsicht und gegen den Rat führender Kabinettsmitglieder die Frage auf, warum überdimensionierte Rüstungskäufe zu einer Zeit des friedlichen Zusammenlebens mit den Nachbarn getätigt würden. Nicht zuletzt deshalb folgten jedem Schritt der Rüstungsbeschaffung von Anfang an Vorwürfe der Bestechung und Misswirtschaft.
Zunächst zielten Kommentare und Kritik darauf, welche Wirkungen die Gegengeschäfte oder ausländischen Industriebeteiligungen wirklich haben würden, die im Gegenzug zu den Rüstungskäufen vereinbart worden waren. Die Verhandlungen waren jedenfalls hart geführt worden, und Südafrika hatte den deutschen, britischen, schwedischen und italienischen Firmen, die Zuschläge erhalten hatten, Zusagen für außerordentlich vorteilhafte Industriebeteiligungen entlocken können. Der Wert der an die Lieferverträge gekoppelten Kompensationsprogramme wurde zur Zeit des offiziellen Geschäftsabschlusses auf etwa 11,7 Milliarden US-Dollar veranschlagt mit der Aussicht auf rund 60.000 neue Arbeitsplätze.
Aber die Gegner der Rüstungskäufe liefen gegen die Vereinbarungen Sturm. Denn die Regierung hatte zwar die Vorteile betont, die aus den Industriebeteiligungen oder Kompensationsgeschäften im Gegenzug zu den Rüstungskäufen erwachsen würden. Sie hatte aber nicht erwähnt, dass dieser zusätzliche Zufluss ausländischer Direktinvestitionen nach Südafrika lediglich einige der schädlichen Auswirkungen des mit den Käufen verbundenen hohen Kapitalabflusses ausgleichen würde. Weil die Regierung – wie im Kabinett Mbeki übrigens üblich – den Medien kein überzeugendes Konzept darstellen konnte, stürzten sich diese darauf, dass nicht alle zugesagten Industriebeteiligungen zustande kommen könnten – was durchaus möglich ist. Bis zum Jahr 2000 wurde daraus geradezu eine Flut misstönender Schlagzeilen.
Bei genauerem Hinsehen zeigte sich aber schnell, dass die Kampagne von einer Koalition aus erfolglosen Anbietern im Rüstungsgeschäft und Antimilitaristen ausging, die sich zusammengeschlossen hatten, um jeden und alles, was mit den Rüstungskäufen zu tun hatte, zu diskreditieren und in den Schmutz zu ziehen. Da die Regierung keine überzeugende Medienstrategie hatte, ergriffen populistische Oppositionspolitiker, allen voran Frau Patricia de Lille vom Pan African Congress (PAC), nur zu gern die Chance, die Regierung bei jeder Gelegenheit mit Erfolg in Verlegenheit zu bringen und so mit diesem Einzelthema den Einfluss des PAC wieder zu stärken, der schon lange am Schwinden ist. Und immer konnte die Kampagne auf einen allzeit bereiten Widerstand der Öffentlichkeit gegen das unangemessen große Beschaffungspaket bauen, das so offenkundig in keinem Verhältnis zu Südafrikas tatsächlichen Sicherheitsbedürfnissen steht.
Trotz vieler Vorwürfe fehlt ein stichhaltiger Beweis für direkte Korruption. Die Verhandlungen, die den Kaufentscheidungen vorausgingen, waren äußerst komplex und schlossen viele Details ein. Viele Organisationen waren daran beteiligt, und zahlreiche Prüfungen wurden vorgenommen, um die geeignetsten Ausrüstungen, die besten Finanzierungsmodalitäten und die attraktivsten Gegengeschäfts-Angebote zu ermitteln. Die abschließenden Empfehlungen wurden mit Hilfe einer komplizierten Wertematrix erarbeitet, die ARMSCOR und die Ministerien für Verteidigung, Finanzen sowie Handel und Industrie gemeinsam entworfen und schließlich verabschiedet hatten. Anscheinend akzeptierte das Kabinett diese Empfehlungen in der vorgelegten Form, und es gibt keinen Beweis dafür, dass »andere« Überlegungen die Entscheidungen auf dieser Ebene beeinflusst hätten.
Aber die Frage, warum man sich für einen so umfangreichen Kauf entschieden hat, bleibt unbeantwortet. Es hat auch den Anschein, als hätten einige der im Zuge der Gleichstellung der Schwarzen neu gegründeten Firmen – vor allem African Defence Systems (ADS) und Futuristic Business Solutions (FBS), die mit hochrangigen ANC- Mitgliedern in Verbindung gebracht werden, – von den an sie vergebenen umfangreichen Unteraufträge erheblich profitiert. FBS erhielt rund 70 Unteraufträge, die dem Unternehmen in den nächsten fünf Jahren Gewinne in Höhe von etwa 93 Millionen US-Dollar und Umsätze von fast 125 Millionen US-Dollar im Bereich Verteidigungslogistik einbringen können.
Nach Zeitungsberichten fehlen FBS die nötige Infrastruktur und das Fachwissen. Andere Berichte zitieren ausländische Anbieter mit der Behauptung, führende Beamte hätten auf eine Beteiligung von ADS oder FBS oder beiden als Unterauftragnehmer bestanden, wenn die Angebote eine Chance haben sollten, den Zuschlag zu bekommen. Beide Unternehmen verlangten angeblich Verwaltungs- und Managementgebühren in Höhe von mehreren Hunderttausend Dollar für den Abschluss und die Verwaltung von Aufträgen. Im Zusammenhang damit, dass geeignete Prozeduren zur Vermeidung von Interessenkonflikten fehlten, hat der oberste Rechnungsprüfer Shauket Fakie bereits festgestellt, dass erhebliche Abweichungen von allgemein akzeptierten Beschaffungsregeln sowie eventuelle Unregelmäßigkeiten bei der Vertragsvergabe an Unterauftragnehmer aufgedeckt worden seien. Die Beteiligten wurden lediglich aufgefordert, Interessenkonflikte freiwillig zu melden; die für solche Fälle vorgesehenen Regeln wurden nicht befolgt.
Im Zentrum vieler dieser Anschuldigungen stehen zwei gut zusammenarbeitende Brüder. Der eine ist Shamin »Chippy« Shaik, ein führender Beschaffungsbeamter im Verteidigungsministerium. Er war an den Verhandlungen wesentlich beteiligt. Der andere, Shabir Shaik, besitzt größere Anteile an Rüstungsfirmen, die von den Kaufentscheidungen profitierten. Der frühere Vorsitzende des ständigen Verteidigungsausschusses, Tony Yengeni, heute parlamentarischer Geschäftsführer des ANC, steht ebenfalls unter Verdacht, da er nicht zufriedenstellend erklären konnte, wie er – vermittelt über die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) – ein rund 90.000 Mark teures Mercedes-Benz Geländefahrzeug sieben Monate kostenlos fahren und danach billig erwerben konnte. Die EADS erhielt im Rahmen des Beschaffungspakets den Auftrag, Raketen und Radargerät im Wert von über 50 Millionen US-Dollar zu liefern. Bald stellte sich heraus, dass die EADS in den vergangenen drei Jahren rund 30 hochrangigen Beamten und Politikern beim günstigen Erwerb von Fahrzeugen »geholfen«hatte. Der frühere Verteidigungsminister, Joe Modise, ist eine weitere prominente Persönlichkeit, deren Name in diesem Zusammenhang häufig fällt. Kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Kabinett im Jahr 1999 wurde Modise Präsident und Hauptaktionär der Firma Conlog, die an dem Rüstungspaket wesentliche Anteile hat. Während seiner letzten Wochen im Amt war Modise unnatürlich stark daran interessiert, das deutsche Korvettengeschäft unter Dach und Fach zu bringen.
Trotz des anhaltenden öffentlichen Protests blieb die Regierung bei all diesen Vorgängen stumm. Wenn Kabinettsmitglieder überhaupt reagierten, dann in der aggressiven Art, die für Mbekis Amtsführung typisch geworden ist: Sie übten sich in lautstarker Rhetorik und Verzögerungstaktik, was dem Verdacht, die Regierung habe etwas zu verbergen, neue Nahrung gab. Die journalistischen Ausfälle gegen die Regierung zeigten einmal mehr das zunehmend verbitterte Verhältnis zwischen einer Regierung, die an chronischer Verschlossenheit zu leiden scheint, und einer südafrikanischen Presse, die in gleichem Maße geneigt ist, mangels Fakten Gerüchte und Spekulationen zu verbreiten. Krassestes Beispiel war der Umgang der Regierung mit der Entscheidung des Präsidenten, den damaligen Leiter der Sondereinheit zur Korruptionsbekämpfung, Richter Willem Heath, von der Prüfung des Waffengeschäfts auszuschließen.
Das Verhältnis zwischen Mbeki und Justizminister Penuell Maduna auf der einen Seite und dem Richter, der als eine Art Gallionsfigur im Kampf gegen die Korruption galt, auf der anderen Seite hatte sich in gleichem Maß verschlechtert, wie die Sondereinheit an Unterstützung aus der Bevölkerung gewann. Nach einer Reihe vor aller Augen geführter Schlammschlachten zwischen beiden Seiten beschloss die Regierung, die Heath-Kommission von der Prüfung der Waffenkäufe auszuschließen, und verkündete wenig später die Auflösung der Einheit. Als die Regierung schließlich buchstäblich keine andere Wahl mehr hatte, kündigte sie eine Prüfung durch die oberste Anklagebehörde (Directorate of Public Prosecutions), den obersten Ombudsmann (Public Protector) und den obersten Rechnungsprüfer (Auditor-General) an.
Untersucht werden verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit dem Waffengeschäft, unter anderem Vorwürfe der Bestechung und Bestechlichkeit gegen mehrere führende – ehemalige und heutige – Regierungsvertreter einschließlich Yengenis. Die Entscheidung, die Prüfung zu veranlassen, ist überfällig und begrüßenswert. Da die Öffentlichkeit hohes Vertrauen auf die Integrität der drei beteiligten Institutionen setzt, bestehen gute Chancen, dass sie ihre Aufgabe objektiv und energisch ausführen und letzten Endes viele Beschuldigungen entkräften werden.
Die Regierung hat aber auch versucht, die Untersuchung auf andere Weise zu kontrollieren. Im Januar setzte sie Andrew Feinstein, den Leiter des ständigen Haushaltsausschusses des ANC, ab, nachdem er sich zu energisch für eine Prüfung eingesetzt hatte, und besetzte den Ausschuss mit treuen Parteianhängern. Vizepräsident Jacob Zuma hatte zuvor einen scharfen Brief an Gavin Woods, den Leiter des parlamentarischen Haushaltskontrollausschusses und Mitglied der Parlamentsfraktion der Inkatha Freedom Party, geschrieben. Darin warf er dem Ausschuss schlechte Amtsführung und unbegründete Schlussfolgerungen vor.
Die Ironie des Rüstungsdebakels liegt darin, dass so viele Probleme hausgemacht sind. Hier zeigt sich eine Unfähigkeit im Umgang mit den Medien und ein Grad von Paranoia im Präsidentenamt, die innerhalb und außerhalb Südafrikas Anlass zu ernster Sorge geben. Die Reaktion der Regierung hat mehr als alles andere dafür gesorgt, dass die Rüstungskäufe zu einer Art Lackmustest für das Land geworden sind, der von der südafrikanischen Bevölkerung wie auch von der internationalen Gemeinschaft sehr genau beobachtet wird.
Deutschlands Rüstungsexporte: Moratorium gefordertEin Moratorium für umstrittene deutsche Rüstungsexporte nach Südafrika fordern Medico international, das internationale Konversionszentrum Bonn (BICC) und die Gemeinsame Konferenz der Kirchen für Entwicklung (GKKE). In Südafrika selbst hat sich eine Allianz aus 30 Organisationen gebildet - darunter der Südafrikanische Kirchenrat und der Dachverband der nichtstaatlichen Organisationen -, die sich gegen das Waffenbeschaffungsprogramm wendet. Deutschland ist an den Rüstungsexporten nach Südafrika mit der Lieferung von drei U-Booten und vier Korvetten im Wert von drei Milliarden Mark beteiligt. Dabei soll auch Bestechung im Spiel gewesen sein. Der frühere südafrikanische Verteidigungsminister Joe Modise soll umgerechnet mehr als drei Millionen Mark von deutschen Rüstungsfirmen erhalten haben; das behauptet zumindest Terry Crawford-Browne, Vorsitzender der südafrikanischen Sektion der Economist Allied for Arms Reduction (ECAAR) in Kapstadt. Zusätzlich soll Modise noch zinslose Darlehen für den Erwerb von Aktien eines Unternehmens bekommen haben, das an den Waffengeschäften beteiligt ist. Zumindest bis zur Klärung der Korruptionsvorwürfe, so fordern die oben genannten drei Organisationen, sollen nun die deutschen Rüstungsexporte gestoppt werden. Das Rüstungsgeschäft wird auch ganz abgesehen von den Korruptionsvorwürfen kritisiert. So wird in dem Aufruf erklärt, dass der südafrikanische Rüstungsetat gegenwärtig bereits dreimal höher ist als der für das Gesundheitswesen. Um die Zahlungen in dem vorgesehenen Zeitraum von zehn Jahren zu leisten, müsste der jetzige Rüstungsetat von knapp 11 Milliarden Rand (3,2 Milliarden DM) kräftig erhöht werden. Das wiederum könnte nur durch drastische Kürzungen in anderen Bereichen geschehen. Dazu gehören die bereits knappen öffentlichen Mittel zur Bekämpfung von AIDS, für die Ausbildungsförderung sowie für die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Stellung verarmter Bevölkerungsschichten. Auch die internationalen Auswirkungen des Rüstungshandels werden von der GKKE, dem BICC und Medico international beargwöhnt. Südafrika ist bereits jetzt die führende Militärmacht der Region. Die Kosten des Beschaffungsprogramms sind höher als die jährlichen Militärausgaben aller anderen Länder Afrikas. Die Modernisierung der Ausrüstung der südafrikanischen Streitkräfte könnte also Bedrohungsängste in den angrenzenden Ländern hervorrufen und zu einem Rüstungswettlauf führen. Schließlich bleibt offen, ob die von der südafrikanischen Regierung gepriesenen Gegengeschäfte wirklich die erwarteten 65.000 Arbeitsplätzen schaffen werden. So soll zum Beispiel die Essener Firma Ferrostahl, die bei den Gegengeschäften der deutschen Seite maßgeblich beteiligt ist, bereits jetzt Schwierigkeiten haben, die geplanten Investitionen zu realisieren. Auch ist äußerst umstritten, ob das von Ferrostahl geplante Stahlwerk an der Ostküste die Umwelt nicht zu sehr belastet. Airi Schmidtpott |
aus: der überblick 02/2001, Seite 77
AUTOR(EN):
Jakkie Cilliers:
Jakkie Cilliers ist Geschäftsführender Direktor des Institute for Security Studies in Pretoria, Südafrika.