Der Klimawandel verändert auch die Arbeit der Entwicklungswerke
von Bernd Ludermann
Die Erderwärmung wird für die Nord-Süd-Beziehungen, auch die der Kirchen und ihrer Entwicklungswerke, weitreichende Auswirkungen haben. Denn die Hauptverursacher des Klimawandels sind die reichen Nationen im Norden. Von den ökologischen Folgen werden aber sehr wahrscheinlich weite Teile des Südens schneller und härter getroffen.
Das hat das internationale Expertengremium Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) in seinem Bericht über die Folgen des Klimawandels vom April deutlich gemacht. Danach kann das Abschmelzen von großen Gletschern die Wasserversorgung von mehr als einem Sechstel der Weltbevölkerung gefährden. Betroffen ist vor allem das dicht bevölkerte Asien, aber auch die Andenregion. Küstengebiete und Flussmündungen dürften öfter von Fluten und Stürmen heimgesucht werden; auch das trifft Asien besonders, weil dort sehr viele Menschen in solchen Zonen leben. In feuchten Teilen der Tropen und Subtropen erwartet das IPCC mehr Starkregen und Überflutungen, in trockenen Teilen dagegen noch weniger Niederschläge und mehr Dürren. Besonders in Teilen Afrikas werden sich wahrscheinlich die Wüsten ausbreiten und nutzbares Land verloren gehen. Zudem dürfte bereits bei einer begrenzten Erderwärmung der durchschnittliche Ertrag der Landwirtschaft in den Tropen abnehmen, während er in höheren Breiten (etwa in Westeuropa und Kanada) sowie global möglicherweise zunimmt. Erst wenn die Erwärmung etwa 3 Grad überschreitet, erwartet das IPCC auch hier sowie global einen deutlichen Rückgang der Nahrungsproduktion.
Einige dieser Folgen beobachten Projektpartner der kirchlichen Werke bereits zum Beispiel an den Küsten von Bangladesch. Dort setzt sich die nichtstaatliche Organisation (NGO) Prodipan, ein Partner von "Brot für die Welt" und der Diakonie Katastrophenhilfe, seit 1983 für die arme Bevölkerung im Delta des Ganges ein. Sie hat festgestellt, dass Wirbelstürme stärker geworden sind und Deichbrüche in dem flachen Gebiet häufiger vorkommen. Die Brackwasserzone, in die bei Flut Meerwasser eindringt und sich mit dem Süßwasser der zahlreichen Flussarme mischt, ist dreimal so groß wie vor zehn Jahren und reicht bis 60 Kilometer ins Land. Das führt zur Versalzung des Trinkwassers und des Bodens und schädigt den Anbau von Reis und Gemüse. Es begünstigt aber die Anlage von Garnelenfarmen, die weniger Menschen Arbeit geben als die Kleinlandwirtschaft.
Allerdings sind die Erwärmung und die dadurch bedingte Erhöhung des Meeresspiegels nicht die einzigen Ursachen der Veränderungen. Die Versalzung wird auch dadurch gefördert, dass Staudämme am Oberlauf des Ganges in Indien den Süßwasserfluss vermindern. Für Deichbrüche sind die Besiedlung der Deiche und Mängel bei ihrer Pflege mitverantwortlich. Und das Vordringen von Garnelenfarmen ist auch darauf zurückzuführen, dass große Unternehmen die Nachfrage in den reichen Ländern befriedigen wollen. Sie lassen dafür Teile des Mangrovenwaldes abholzen, der in der Brackwasserzone wächst und die Kraft von Stürmen und Fluten mildert. Das Beispiel zeigt: Der Klimawandel ist in der Regel einer von mehreren Faktoren, die die Lebensgrundlagen armer Menschen untergraben. Für die Betroffenen ist er oft nicht der am ehesten sichtbare. Unter anderem deshalb wird der Klimawandel bisher von vielen Projektpartnern des EED und von "Brot für die Welt" noch nicht direkt thematisiert.
Die Folgen des Klimawandels werden arme Länder nicht nur deshalb härter treffen, weil Stürme, Dürren oder Fluten besonders dort zunehmen werden. Arme Länder sind auch weniger in der Lage, sich an veränderte Klimabedingungen anzupassen und auf Katastrophen vorzubereiten. Vor allem schwache Staaten mit wenig leistungsfähigen Institutionen sind damit überfordert. Dort können, warnt das jüngste Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung, die Folgen des Klimawandels wie Wasserknappheit, Rückgang der lokalen Nahrungsproduktion und Zunahme der Migration auch Gewaltkonflikte anheizen oder neu auslösen.
Innerhalb der Entwicklungsländer sind ebenfalls die Ärmsten besonders gefährdet. Etwa drei Viertel der extrem Armen weltweit leben auf dem Land und hängen von Einkommen aus der Landwirtschaft ab als Kleinbauern oder auch als Tagelöhner. Und in vielen Städten sind die Ärmsten gezwungen, ihre Hütten an Hängen oder in Niederungen zu bauen, die sturm- und flutgefährdet sind.
Die Industrieländer haben damit eine doppelte Pflicht. Sie müssen sowohl das Ausmaß des Klimawandels auf das nicht mehr Vermeidbare begrenzen als auch arme Länder und Gemeinschaften, die am wenigsten zur Verursachung des Problems beitragen, bei der Bewältigung des Unvermeidbaren unterstützen. Was können kirchliche Werke hier tun?
Ein Beispiel für Projekte, die zur Vermeidung von Emissionen beitragen, ist die nachhaltige Bewirtschaftung des Tropenwaldes im Norden Guatemalas. Dort hat ACOFOP, eine Genossenschaft von über zwanzig Gemeinden, Konzessionen über rund eine halbe Million Hektar Wald vom Staat übernommen. Der EED hat sie mit einer Fachkraft für die Vermarktung weniger bekannter Holzarten unterstützt und hilft jetzt mit Beratungsleistungen aus Nikaragua. ACOFOP folgt bei der Holzernte strengen Regeln. So ist die Konzession in 25 Teile unterteilt; in jeder dürfen nur alle 25 Jahre eine bestimmte Anzahl Bäume gefällt werden. Die Genossenschaft verarbeitet Holz auch weiter. Das Projekt bietet rund 14.000 Menschen ein Auskommen.
ACOFOP nutzt den Wald nicht nur, sie schützt ihn auch. Der Staat hat andere Teile des Tropenwald-Gebietes an private Forstkonzerne vergeben und noch andere zum Naturschutzgebiet erklärt. Satellitenbilder zeigen, dass in den Konzessionen von ACOFOP die Bedeckung mit ursprünglichem Wald am dichtesten ist und Waldbrände am seltensten vorkommen. Am häufigsten brennt es in Naturschutzgebieten. Denn die Forstbehörden sind schlecht ausgestattet und scheinen gelegentlich den Waldschutz zurückzustellen, wenn Großgrundbesitzer neue Gebiete für die Viehzucht erschließen oder einflussreiche Unternehmer Holz einschlagen wollen. ACOFOP ist dagegen am Erhalt des Waldes interessiert; die Gemeinden unterhalten Hilfsfeuerwehren. Damit leisten sie auch einen Beitrag zum Klimaschutz. Denn rund ein Fünftel des Kohlendioxids, das global freigesetzt wird, stammt aus Abholzung überwiegend von Tropenwald.
Projekte zum Schutz von Tropenwäldern können Armutsbekämpfung und den Einsatz für Benachteiligte mit Emissionsminderungen verbinden. Auch bei der Förderung erneuerbarer Energien kann das gelingen (vgl. FORUM in "der überblick" 3/2004). Darüber hinaus sind die Möglichkeiten kirchlicher Werke, mit Entwicklungsprojekten zu Emissionsvermeidung beizutragen, aber gering. Schließlich müssen in erster Linie die Industrieländer ihre Emissionen verringern, nicht arme Länder oder gar arme Gemeinschaften dort. Anders sieht das bei Hilfe zur Anpassung an Klimaveränderungen aus. Dazu kann zum Beispiel Aufforstung nötig sein oder der Schutz von Wasserquellen und des Ackerbodens Schritte, die zum gängigen Repertoire von ländlichen Entwicklungsprojekten gehören.
Gut geplante Projekte fördern hier oft auch die Fähigkeit, Folgen des Klimawandels zu bewältigen zum Beispiel wenn sie die kommunale Katastrophenvorbeugung unterstützen wie mache Vorhaben des EED. Der "Nebeneffekt" kann als zusätzliches Verkaufsargument für Projekte genutzt werden, die ohnehin durchgeführt würden.
Doch die Folgen der Erderwärmung machen auch Veränderungen in der Förderung nötig. So will der EED laut Claudia Warning, der Leiterin seiner Abteilung internationale Programme, die Partner stärker auf die Möglichkeiten erneuerbarer Energien hinweisen. Die Diakonie Katastrophenhilfe fördert mit dem Projekt "Katastrophenvorsorge im Zeichen des Klimawandels" die Vorbereitung auf Folgen der Erderwärmung in besonders gefährdeten Regionen Asiens und Nordkenias. Die Besonderheit des Projekts ist, so dessen Leiter Peter Rottach, dass es sich gezielt an Gebiete und Bevölkerungsgruppen richtet, für die das Risiko klimabedingter Katastrophen hoch ist.
Eine ist der Süden Bangladeschs. Prodipan treibt hier mit Hilfe aus STuttgart die Verbreitung von salzresistenten Reis- und Gemüsesorten voran. Sie regt den Bau von Speichern an, in denen das Saatgut der Kleinbauern vor Flut und Sturm geschützt ist. Sie hilft beim Bau von Hügeln, auf denen das Vieh bei Fluten Zuflucht findet. Und sie setzt sich für den Erhalt der Mangrovenwälder ein und forstet sie wieder auf.
Solche Projekte wirken natürlich nur punktuell. Sie sind kein Ersatz für einen fairen, international bindenden Lastenausgleich zwischen den Verursachern und den Opfern des Klimawandels. "Brot für die Welt" und der EED unterstützen die Lobby- und Anwaltschaftsarbeit ihrer Partner etwa des indischen Centre for Science and Environment (vgl. das Interview mit Sunita Narain) -, die unter anderem das einfordern. Auf Anregung und mit Unterstützung von "Brot für die Welt" haben Prodipan und zwei andere NGOs das Klima-Netzwerk Bangladesch gegründet. Es wirkt an staatlichen Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Klimaänderungen mit und engagiert sich im globalen Klimaschutz.
Hier aber sind Veränderungen in den Industrieländern entscheidend. Kirchliche Werke treten seit langem dafür ein. Die Gründung der Klima-Allianz im Frühjahr diesen Jahres dürfte den Forderungen nach wirksamem Klimaschutz in Deutschland nun mehr Nachdruck verleihen (siehe Kasten). Denn sie wird von einem breiten Bündnis zwischen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen getragen und bezieht zu strittigen Einzelschritten Position, etwa der Verkehrs- und Energiepolitik. Ob schnell drastische Maßnahmen zur Verminderung des Ausstoßes von Treibhausgasen durchgesetzt werden können, ist auch entscheidend dafür, welchen Sinn es noch hat, arme Länder bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen.
aus: der überblick 03/2007, Seite 144
AUTOR(EN):
Bernd Ludermann
Bernd Ludermann ist Redakteur des FORUM in "der überblick".