Der Anbau von Bäumen bringt in Sri Lanka vielfältigen Nutzen
Ein mit Holz betriebener Stromgenerator versorgt ein Dorf in Sri Lanka mit Elektrizität. Das von der Diakonie Katastrophenhilfe unterstützte Projekt verbessert nicht nur die Lebensverhältnisse, sondern ist auch ein wichtiger Beitrag zur Katastrophenvorbeugung: Der Anbau von Bäumen beugt Fluten und saisonalem Wassermangel vor.
von Peter Rottach
Die Nasenflügel von Bauer Wymaladasa zittern vor Wut. Vergangene Nacht hat eine Herde Elefanten seine Reisfelder verwüstet. Als er morgens seinen regelmäßigen Kontrollgang macht, findet er die unreifen Ähren herausgerissen, Dämme niedergetrampelt und Bewässerungskanäle zerstört. Nur die harten Pflanzenstängel ragen noch an manchen Stellen aus dem Boden. Die wählerischen Dickhäuter haben sie verschmäht.
Im Nachbardorf Pokunutenna im trockenen Südosten Sri Lankas wissen sich die Bauern gegen solche Übergriffe zu schützen: Sie haben mit Hilfe engagierter Umweltschützer ein elektrisches Abwehrsystem errichtet. Ein Elektrodraht umgibt dort den äußeren Rand der Felder. Wenn Elefanten ihn durchbrechen wollen, legen sie damit einen Lichtschalter um. Sofort verbreiten dann zahlreiche Energiesparlampen ein grelles, den Tieren unerträgliches Licht. Das schlägt sie in die Flucht. Letztlich dient das auch ihrem eigenen Schutz, denn immer wieder greifen genervte Bauern trotz strikten Verbotes zum Gewehr, um ihr Hab und Gut zu retten.
Der Strom für das System kommt aus einer ganz besonderen Quelle. Zwei Drittel der Bevölkerung Sri Lankas sind nicht an das nationale Stromnetz angeschlossen. In Pokunutenna haben die Umweltschützer daher eine dezentrale Stromerzeugungsanlage installiert. Dafür werden getrocknete Holzschnitzel in einem sauerstoffreduzierten Verbrennungsvorgang vergast. Das Gas wird in verschiedenen Filtern von Teer und anderen Bestandteilen gereinigt und treibt dann einen Generator indischer Bauart an, der fast das gesamte Dorf mit Strom versorgt. 70 Haushalte haben nun in den Abend- und Nachtstunden elektrisches Licht, können Radio hören und fernsehen. Darüber hinaus steht der Elektrodraht zum Schutz der Felder die ganze Nacht über unter Strom.
Pilotprojekte mit Holzvergasern nach dem so genannten Gleichstromverfahren laufen auf Sri Lanka bereits seit mehreren Jahren erfolgreich. Das Holz wird im Dorf erzeugt. Es handelt sich dabei um "Glyricidia Sepium", die seit Jahrhunderten in Sri Lanka als Heckenpflanze, Futterbaum oder zum Schutz gegen die Bodenerosion angebaut wird. Sie verbessert die Bodenfruchtbarkeit, wächst auch unter ungünstigen Bedingungen schnell und verträgt regelmäßiges Beschneiden der Zweige. Schon nach knapp zwei Jahren, wenn die Pflanzen etwa eineinhalb bis zwei Meter gewachsen sind, können die ersten Zweige geschnitten, mit der Machete in zehn Zentimeter große Stücke zerhackt, an der Sonne getrocknet und in den Holzvergaser eingespeist werden.
Ähnlich den europäischen Kopfweiden treibt die Pflanze an der Schnittstelle neu aus und produziert so über Jahrzehnte hinweg eine große Menge an verholzter Biomasse. Die nichtstaatliche Organisation Bio- Energy Association in Sri Lanka hat errechnet, dass sich pro Hektar rund 20 Tonnen Biomasse im Jahr erzeugen lassen. In den Dörfern sind keine hektargroßen Wälder geplant, sondern die Bäume werden in die bestehenden Ackerflächen integriert. Agro-Forstwirtschaft heißt diese Kombination aus jährlichen Anbaukulturen und Bäumen.
Landwirtschaftsexperten sind überzeugt, dass sie besonders gut gegen die Unbilden der tropischen Klimaschwankungen gefeit ist. Denn die Bäume bieten nicht nur kühlenden Schatten. Sie pumpen auch ausgewaschene Nährstoffe aus tiefen Bodenschichten, erhöhen den Humusgehalt chronisch nährstoffarmer Tropenböden und verbessern die Bodenstruktur. Dadurch werden Niederschläge wie in einem Schwamm aufgesogen. In den monsunfreien Trockenzeiten steht mehr Wasser zur Verfügung, und während der Starkregen zu Monsunzeiten geht das Risiko von Überschwemmungen spürbar zurück. Die Bewohner von Pokunutenna sind stolz auf ihre erneuerbare Energiequelle. Nicht nur wegen der Elefantenabwehr. Die Kinder können auch nach Einbruch der Dunkelheit noch ihre Hausaufgaben machen, das Informationsangebot hat sich durch Radio und Fernsehen verbessert. Das erhöht die Lebensqualität und dürfte auch der auf Sri Lanka zu beobachtenden Abwanderung in die Städte entgegenwirken. Den Bedarf an Glyricidia- Schnitzeln decken die Familien aus vorhandenen Beständen; für die Zukunft haben sie durch Neupflanzungen auf dem eigenen Acker und den ausgedehnten Ödländern vorgesorgt. Jede Familie muss eine halbe Stunde täglich Holz hacken ein vertretbarer Arbeitsaufwand.
Doch der nachwachsende Rohstoff Holz könnte in Sri Lanka ebenso wie in anderen Entwicklungsländern weit mehr als nur lokale Bedeutung haben. Das Land verfügt über ausgedehnte Ödflächen, die bislang kaum produktiv und rentabel genutzt werden. Sie befinden sich in der trockenen Osthälfte des Landes und nehmen mit über zwei Millionen Hektar fast ein Drittel der Gesamtfläche ein.
Für die robuste Glyricidia sind solche Flächen allemal gut genug. 400 Hektar werden benötigt, um mit dem Holz eine Stromanlage von einem Megawatt das ganze Jahr über zu betreiben. Der Stromertrag beträgt übers Jahr etwas mehr als sieben Gigawattstunden, wobei hier statt Holzvergasung die Turbinentechnologie zum Einsatz kommt. Der Gesamtstromverbrauch Sri Lankas erreichte im letzten Jahr 13.000 Gigawattstunden, wovon 30 Prozent aus Wasserkraft erzeugt werden. Um die verbleibenden 70 Prozent aus heimischen Holzreserven zu decken, wären also 500.000 Hektar Forstfläche erforderlich. Das heißt Sri Lanka könnte durch den Holzanbau auf einem Viertel seiner Ödländer jenen Teil der fossilen Energieträger vollständig ersetzen, der jetzt für die Stromerzeugung benötigt wird und zu hohen Kosten importiert werden muss.
Aus ökonomischer Sicht ergeben sich für das Land damit ungeahnte Möglichkeiten. Wenn sich nichts ändert, wird im Jahr 2010 jeder aus der Tee-, Gummi- oder Kokosproduktion eingenommene Dollar für Erdöl und Erdgas wieder ausgegeben werden müssen. Mit Hilfe der heimischen Biomasse können diese Ausgaben reduziert werden. In so großem Stil Strom aus Biomasse zu erzeugen, ist bisher nur ein Planspiel. Soll te es Wirklichkeit werden, wäre der Trend zu ausgedehnten Forsten mit dem Ziel einer Maximierung des Holzzuwachses sicher nur schwer zu vermeiden. Es würden sich schnell die bekannten Konflikte zwischen Ökologie und Ökonomie stellen, und wirtschaftliche Interessen der ansässigen Bevölkerung stünden auf dem Spiel. Denn auch Ödländer stellen erfahrungsgemäß gerade für die ärmeren Bevölkerungsschichten wichtige Weide-, Jagd- und Fischgründe oder Brennholzressourcen dar.
Andererseits kann der Ersatz fossiler Brennstoffe durch Biomasse auch der ländlichen Bevölkerung die Chance geben, sich aus Aufforstung, Holzeinschlag und Holzaufbereitung ein zusätzliches finanzielles Standbein zu schaffen. Familien wie die von Bauer Wymaladasa könnten, so die Zahlen der Bio-Energy Association, mehr als tausend Euro im Jahr dadurch einnehmen. Die ständig steigenden Stromkosten in Sri Lanka sind in dieser Berechnung noch gar nicht im Holzpreis berücksichtigt.
Für die Landwirtschaft ist bei Einsatz von Baumleguminosen auch der Ertrag an Stickstoffdünger interessant. Die Glyricidia ist eine Pflanze, die wie Hülsenfrüchte Stickstoff aus der Luft bindet. Ihr Laub ist eiweißreich (Stickstoff ist ein Bestandteil von Eiweiß) und kann als Viehfutter oder aber als Dünger eingesetzt werden, zum Beispiel als Mulch oder nach der Kompostierung. Pro Hektar fallen bei agro-forstlicher Nutzung der Bäume nach Angaben namhafter Agrarwissenschaftler 200 Kilo Düngemitteläquivalente an.
Die Umweltvorteile der Stromerzeugung aus Biomasse liegen auf der Hand: Da die Bäume, Büsche und Sträucher beim Verbrennungsprozess nur so viel Kohlendioxid abgeben, wie sie zuvor beim Wachstum aufgenommen haben, handelt es sich um eine CO2-neutrale Technik. Im Hinblick auf den Klimawandel, der nach den Prognosen der Klimaforscher besonders die ärmeren Entwicklungsländer schwer schädigen wird, ist das ein kaum zu überschätzendes Plus insbesondere wenn Länder wie Indien, die aufgrund ihrer großen Bevölkerungszahl spürbar zum globalen Ausstoß an CO2 beitragen, auf Biomasse umsteigen würden.
Gleichzeitig sind Aufforstungen sowie der Erhalt einer dichten Vegetationsdecke wichtige Stützpfeiler, um die Folgen von nicht mehr vermeidbaren Klimaveränderungen abzufedern. Denn zu diesen Folgen gehören mehr extreme Wetterereignisse: Trockenzeiten dürften länger, tropische Regenfälle noch stärker werden. Wenn die Böden aufgrund der Bewaldung mehr Wasser speichern können, werden diese Extreme besser abgepuffert. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat deshalb Bauerngruppen um Wymaladasa Unterstützung in Aussicht gestellt. Dabei geht es vor allem um einen verbesserten Katastrophenschutz durch die Anpflanzung neuer Bäume. Der Nutzen der Glyricidia für die Stromerzeugung schafft für die Bauernfamilien einen zusätzlichen Anreiz. Denn unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Voraussetzungen in Sri Lanka können es sich nur wenige von ihnen leisten, Geld, Zeit und Mühe in etwas zu investieren, das sich wie der unbestrittene ökologische Nutzen von Bäumen erst in zehn oder fünfzehn Jahren bezahlt macht. Durch die Verbindung mit Stromerzeugung lassen sich die Früchte der Pflanzarbeit aber schon kurzfristig ernten.
Neben der Glyricidia sollen in dem Projekt der Diakonie Katastrophenhilfe verstärkt heimische Baumarten mit ähnlichen Eigenschaften wie diese verwendet werden. So werden Monokulturen mit ihren schädlichen Begleiterscheinungen verhindert. Schließlich geht es darum, die Anfälligkeit der Bevölkerung gegenüber Naturgefahren dauerhaft zu verringern.
aus: der überblick 02/2006, Seite 105
AUTOR(EN):
Peter Rottach
Peter Rottach ist Programmkoordinator der
Diakonie Katastrophenhilfe.