Handel, Hilfe und Diplomatie
Mindestens bis zur Straße von Mosambik ist er gelangt, der kaiserliche Admiral Zehng He, möglicherweise sogar 75 Jahre vor den Portugiesen bis zum Kap der Guten Hoffnung. Mit Stolz feiern die Chinesen derzeit ihren Admiral, der vor 600 Jahren mit dem Segelschiff nach Afrika und weite Teile Asiens gelangt ist.
von Anna Donata Quaas
Schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts tauschten Pekings Kaufleute mit den blühenden Stadtstaaten an der Küste Ostafrikas Waren aus. Als am Ende des Jahrhunderts die Europäer die Kontrolle über den Indischen Ozean übernahmen, wurden die direkten chinesisch-afrikanischen Geschäftsbeziehungen allerdings untergebrochen: Für mehr als vier Jahrhunderte lagen sie brach.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts schweißte das Gefühl, von den Europäern bevormundet zu werden, chinesische und afrikanische Intellektuelle zusammen. Die Verachtung durch die Europäer verbinde den afrikanischen Kontinent mit dem Reich der Mitte, erklärte beispielsweise der von afrikanischen Nationalisten geschätzte afroamerikanische Bürgerrechtler William Edward Burghardt Du Bois im Jahr 1935. Der chinesische Premier- und Außenminister Zhou Enlai unterstützte während seiner Afrikareise zur Jahreswende 1963/64 die Unabhängigkeitsbestrebungen afrikanischer Staaten. In den 1960er und 70er Jahren belieferte China verschiedene Guerillagruppen im südlichen Afrika mit Waffen, Geld, Nahrungsmitteln und Medikamenten. Ideologische Grundlage dafür waren Schriften Mao Zedongs aus dem Jahr 1939, die zur Revolution in Ländern unter kolonialer Herrschaft aufriefen.
Ein eigenes Ministerium koordinierte die chinesischen Hilfsprogramme. Mit Ausnahme von Malawi und Swasiland, zu denen Peking keine diplomatischen Beziehungen pflegte, waren in allen afrikanischen Ländern chinesische Entwicklungshelfergruppen eingesetzt: Mehr als 150.000 Chinesinnen und Chinesen arbeiteten bis Mitte der 1980er Jahre in mehr als 500 Projekten. Die Hilfe ging allerdings auch auf Kosten der eigenen Bevölkerung: Während China selbst unter einer politisch verursachten Hungerskatastrophe litt, durch die etwa 30 Millionen Menschen starben, schenkte es der jungen Republik Guinea zwischen 1959 und 1961 rund 30.000 Tonnen Reis als so Zhou Enlai »Hilfe von Armen für Arme« für ein Land, das durch die Auseinandersetzung mit der früheren Kolonialmacht Frankreich geschwächt war.
China wollte sich abheben von den Europäern, die Afrika ausgebeutet und im Stich gelassen hätten: Nachdem die internationalen Organisationen, westliche Geldgeber und sogar die Sowjetunion Hilfe zum Bau der TAZARA-Bahn (Tanzania Zambia Railway, vergl. Artikel von Jamie Monson in diesem Heft) abgelehnt hatten, sprang China ein. Die TAZARA-Bahn galt als das Vorzeigeprojekt chinesischer Entwicklungshilfe in Afrika. Sie wurde zwischen 1969 und 1975 gebaut und verband den Kupfergürtel Sambias mit dem Indischen Ozean. Die Ökonomien der zentralafrikanischen Länder sollten gestärkt und von den Bahnstrecken Rhodesiens und Südafrikas unabhängig werden. Etwa 25.000 chinesische Arbeiter bauten Seite an Seite mit ihren afrikanischen Kollegen eine 1860 Kilometer lange Strecke durch Ostafrika. Die nach Afrika entsandten chinesischen Entwicklungshelfer standen bald in einem guten Ruf: Sie würden auch selbst zupacken, seien höflich und nicht so überheblich wie die Europäer. Die 1972 formulierten Richtlinien der chinesischen Entwicklungspolitik haben zweifellos zu diesem Ansehen beigetragen: Entsandtes chinesisches Fachpersonal sollte keinen höheren Lebensstandard pflegen als im Gastland üblich, Kredite wurden nur mit geringem oder gar keinem Zins belegt und Rückzahlungen konnten lange aufgeschoben werden.
Auch eigennützige politische Interessen bestimmten die chinesische Entwicklungspolitik. Nachdem die heutige Demokratische Republik Kongo unabhängig geworden war, schürten die Chinesen antiwestliche Emotionen und unterstützten Guerillakämpfer. In der Taiwan-Frage suchte China die Unterstützung der afrikanischen Länder. Mit Hilfe ihrer Stimmen gelang es China dann im Jahr 1971, in der UNO an Taiwans Stelle zu treten. Schließlich war China daran interessiert, den Einfluss der Sowjetunion auf Afrika einzudämmen. Sudan und Somalia, deren Regierungen im Streit mit der Sowjetunion lagen, erhielten Waffenlieferungen. Das Beispiel Äquatorialguineas zeigt, dass Pekings Hilfe darauf angelegt war, China als Land der besseren Kommunisten darzustellen: Während mit sowjetischer Hilfe eine Flugverbindung zwischen Insel und Festland eingerichtet wurde, von der nur die herrschende Elite profitierte, schenkten die Chinesen Äquatorialguinea eine 3000 Tonnen-Fähre, die auch den einfachen Leuten nützen sollte. Am Ende der 1970er Jahre klang unter afrikanischen Intellektuellen die Begeisterung für China ab: Aufgrund der chinesisch-sowjetischen Fehde orientierte China sich stärker nach Westen und verzichtete auf Kritik am südafrikanischen Apartheidregime aus Angst, dass Aufstände in von Weißen beherrschten Gebieten der sowjetischen Expansion den Weg bereiten könnten. Viele Afrikaner klagten, dass chinesische Kollegen häufig wenig zugänglich seien, und Afrikaner, die in China studierten, berichteten außerdem von Feindseligkeiten und Diskriminierungen im Gastland.
Auch in China änderte sich der politische Kurs: Nach Maos Tod im Jahr 1976 konzentrierten sich die politischen Führer auf die Modernisierung des eigenen Landes. Entwicklungsprogramme wurden stark eingeschränkt 1980 flossen nur noch 200 Millionen Dollar nach Afrika, im Gegensatz zu 1,28 Milliarden jährlich noch zehn Jahre zuvor. Aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Übergabe von Projekten an afrikanische Kollegen, die für Wartungsarbeiten nicht ausreichend ausgebildet waren und dem Mangel an Ersatzteilen, konzentrierte sich die chinesische Regierung hauptsächlich auf Vorhaben, die schnell abgeschlossen werden konnten: die Anlage von Reisfeldern und den Bau von Sportanlagen zum Beispiel. Erst seit Beginn der 1990er Jahre spielt China in Afrika wieder eine deutlich aktivere Rolle.
aus: der überblick 04/2005, Seite 33
AUTOR(EN):
Anna Donata Quaas
Anna Donata Quaas ist Theologin und hat beim "überblick" hospitiert.