In Südafrika hat der Beruf des Pädagogen schon vor Jahren sein Ansehen verloren
Im Kampf gegen das Apartheidregime und die staatlich verordnete "Bantu"-Erziehung hatten einst Jugendliche in den Townships die Parole ausgegeben "Befreiung geht vor Bildung". Unterricht fand dort kaum noch statt, und auch Lehrer beteiligten sich lieber am politischen Kampf. Heute fehlen qualifizierte Pädagogen. Doch auch als Folge von Fehlplanungen der heutigen Regierung herrscht ein drastischer Lehrermangel.
von Cornia Pretorius
Cassius Sibeko ist jung und hip. Er ist gut gekleidet und spricht artikuliert. Er unterrichtet die 6. Klasse der Eldridge-Grundschule in Johannesburg. Von seinen Kollegen wird der frühere Fußballspieler der U-23-Nationalmannschaft "der Adonis im Lehrerzimmer" genannt. Als junger Afrikaner entspricht Sibeko so gar nicht dem alt hergebrachten Klischee des Lehrers, der ergrautes Haar und eine konservative Einstellung hat - das wird heute eher mit weißen Frauen in Verbindung gebracht. Südafrika braucht mehr Lehrer wie Sibeko.
Für viele pfiffige Schulabgänger gehörte der Lehrerberuf früher zu den Berufen erster Wahl. Viele betrachteten das Unterrichten als Berufung. Andere wollten nicht wirklich unterrichten, sie suchten sich vielmehr ein Studienfach aus, das automatisch mit einem Stipendium der Regierung verbunden war. Ob die Leute nun unterrichten wollten oder ob sie eher wegen mangelnder Alternativen im Klassenzimmer landeten, ihr Beruf besaß einen hohen Status. Sie wurden respektiert, weil sie Lehrer waren.
Vor fünfzehn Jahren wusste man noch, ob in der gleichen Straße ein kompetenter Lehrer wohnte, selbst wenn er nicht an der eigenen Schule unterrichtete. Heute genieße der Lehrerberuf nicht mehr dieses Ansehen, sagt Sibeko. Der Respekt gegenüber den Lehrern schwindet. Und damit auch jedes Interesse an dem Beruf - besonders unter den jungen Schwarzafrikanern. In diesem Jahr hat sich kein einziger afrikanischer Student für das Grundschullehramt in einer der fünf öffentlichen Lehrerausbildungsstätten in der Westkap-Provinz eingeschrieben. Auch andere Universitäten verzeichnen einen Rückgang der Anmeldungen: Sowohl an der Universität von Venda als auch an der Universität von Zululand oder der des Oranje-Freistaates haben sich nur wenige afrikanischer Studenten für die Lehrerausbildung eingeschrieben.
Anfang der neunziger Jahre wurden in Südafrika noch etwa 100.000 Lehrer ausgebildet. Dieses Jahr sind es insgesamt nur noch 12.000 - von denen voraussichtlich 3000 den Abschluss machen werden. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zur Studienwahl von Schulabgängern von Michael Cosser und Jaques du Toit vom Human Sciences Research Council bestätigt den anhaltenden Trend weg vom Lehrerberuf. Lediglich 1,4 Prozent der 12.204 befragten Schüler der zwölften Klasse nannten Erziehung, Ausbildung und Entwicklung als erste Wahl. Damit liegt das Fach unter den zwölf abgefragten Studiengängen an vorletzter Stelle. Die beliebtesten drei Fächer sind Wirtschaft, Handel und Management, Industriegewerbe, Ingenieurwesen und Technologie sowie Gesundheits-und Sozialfürsorge.
Warum nicht unterrichten? Warum meiden die jungen Leute den Lehrerberuf? Warum verspotten sie ihre Altersgenossen, wenn diese Lehrer werden wollen? Skuta Ndlangamandla, der im ersten Jahr Naturwissenschaften und Technik an der Universität von Pretoria studiert, kann aus eigener Erfahrung berichten: "Die Leute lachen, wenn ich ihnen sage, dass ich studiere, um Lehrer zu werden."
Ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren hat den Beruf während der letzten zwei Jahrzehnte in Verruf gebracht. Die Apartheid hat ihren Teil dazu beigetragen. Sie war mit dafür verantwortlich, dass es heute 47.000 nicht-und schlecht qualifizierte Lehrer gibt. Hochschulen für Lehrerausbildung waren wie alle anderen Bildungseinrichtungen nach Rassen getrennt und wurden nach den politischen Vorgaben der Bantu Education betrieben, die darauf abzielte, schwarze Menschen bewusst ungebildet zu halten. Viele Lehrerseminare sahen keinen zwingenden Grund darin, gute Lehrer auszubilden, wie eine Untersuchung Mitte der neunziger Jahre bestätigte. In dem vernichtenden Bericht waren die Forscher zu dem Ergebnis gekommen, dass die Qualität der Lehrerausbildung äußerst schlecht war. Trotz ihrer unzureichenden Ausbildung gab es viele gute Lehrer. Bis die Soweto-Aufstände von 1976 viele Schulen in politische Schlachtfelder verwandelten und die Lehrer ihrer Macht, Autorität und ihres Ansehens beraubten, leisteten sie außerordentliche Arbeit.
Die Schüler waren die Avantgarde des Kampfes und skandierten "Befreiung geht vor Bildung". Schüler und junge militante Lehrer übernahmen in den Schulen die Macht. Sie vertrieben viele der Rektoren und älteren Lehrer als Vertreter eines illegitimen Regimes von den Schulen. Als in den achtziger Jahren die klare politische Tagesordnung aus den Klassenzimmern verschwand, glitten viele Schulen ins Chaos ab: Unterrichten und Lernen fanden kaum noch statt. 1994 war der Zusammenbruch des Bildungssystems schließlich offensichtlich.
Ab Mitte der achtziger Jahre organisierten sich die politisierten Lehrer zunehmend in Gewerkschaften. 1990 wurde die Lehrergewerkschaft Sadtu (South African Democratic Teachers Union) gegründet. Sie gehörte dem Mass Democratic Movement an, dem breiten Oppositionsbündnis von Weißen und Schwarzen gegen die Apartheid, und war mit ihm im Kampf engagiert. Doch das Jahr 1976 hatte die Lehrer in zwei Lager gespalten: Diejenigen, die gewerkschaftlich organisiert waren, und diejenigen, die als berufsmäßige Lehrer betrachtet wurden. Es wurde als unmöglich erachtet, zur gleichen Zeit Mitglied der Gewerkschaft und berufsmäßiger Lehrer sein zu können - eine Unterscheidung, die bis heute für Spannungen in den Schulen sorgt.
Zwar profitieren die Lehrer seit 1990 von den gewerkschaftlichen Verhandlungen über die Lohnentwicklung und die Arbeitsbedingungen, doch eine Reihe von Sadtu-Streiks in der Zeit zwischen 1995 und 1998 brachte das noch zerbrechliche Bildungssystem zum Erliegen, wodurch das Lehrerimage in der Öffentlichkeit weiteren Schaden nahm.
Aber die Auswirkungen der Apartheid auf das Schulsystem ist nur einer der Gründe, warum junge Menschen dem Lehrerberuf den Rücken kehrten. Seit 1995 haben zwei Faktoren alles noch verschlimmert: zum einen die Demokratisierung, zum anderen die Bildungspolitik der Regierung.
Nach den Wahlen von 1994 boten sich den jungen, talentierten Schwarzen nie dagewesene Möglichkeiten. Sie mussten nicht mehr Lehrer, Polizist oder Krankenschwester werden, um in die Mittelschicht aufzusteigen, was vorher praktisch nur in diesen Berufen möglich war. Jetzt konnte sich jeder mit einer entsprechenden Qualifikation auf eine Stelle bewerben, die zuvor den Weißen vorbehalten war. Deshalb und wegen der Gesetzgebung zur Gleichstellung am Arbeitsplatz, die die Unternehmer zwingt, eine Mindestquote an Schwarzen und Farbigen zu beschäftigen, verlor der Lehrerberuf seine Anziehungskraft.
Zudem bietet dieser kaum finanzielle Anreize. Lehrer sind für etwa 3000 Rand (etwa 325 Euro) im Monat tätig, ein erfahrener Rektor einer großen Schule kann bis zu 16.000 Rand (1730 Euro) verdienen. Ein Schwarzer, der mit ausgezeichneten Examensnoten frisch von der Universität kommt, kann im öffentlichen Dienst oder in der freien Wirtschaft das Gehalt eines Rektors bereits am ersten Arbeitstag beziehen.
Schulabgänger, die sich trotz der schlechten Bezahlung für das Lehramt entschieden haben, werden noch zusätzlich von der Politik des Bildungsministeriums abgeschreckt. Stipendien, die früher jedem Lehramtsstudenten im Ausgleich für ein paar Jahre Staatsdienst zur Verfügung standen, können heute nur noch Studenten erhalten, die Mathematik und Naturwissenschaften studieren. Das Bildungsministerium war davon ausgegangen, dass zu viele Lehrer ausgebildet worden sind, teilweise als Folge der Stipendien, die dem Ministerium viel Geld kosteten. Tatsächlich gab es für Religion und Geschichte mehr Lehrer als gebraucht wurden, doch für den Mathematik-und Sprachenunterricht wurde seit den frühen neunziger Jahren ein Lehrermangel prognostiziert. Alles in allem schreckt die neue Verordnung zur Stipendienvergabe alle ab, und verbaut gerade den ärmeren Studenten den Weg zum Lehrerberuf.
Um Kosten im Bildungswesen einzusparen, erließ das Bildungsministerium neue Richtlinien für die Entlassungen und Versetzungen von Lehrern. Die Bildungsabteilungen der neun südafrikanischen Provinzen gaben bis zu 90 Prozent ihres Haushalts für Lehrergehälter aus. Folge war, dass für andere dringende Anliegen wie die Instandsetzung von Klassenzimmern und die Anschaffung von Schulbücher kaum noch Geld übrig war. Um die Ausgaben für Gehälter zu kürzen, entschied das Ministerium, dass die Zahl der Lehrer im Bildungswesen beschnitten werden müsse. Lehrern, die zum Verlassen des Schuldienstes bereit waren, wurden Abfindungen angeboten. Zur gleichen Zeit konnten neue Hochschulabsolventen nur dann in den Schuldienst eintreten, wenn sie Fächer unterrichteten, für die Lehrer fehlten.
Gleichzeitig sollten mit dieser Politik Lehrer gleichmäßiger auf arme und reiche sowie städtische und ländliche Schulen verteilt werden. Als Norm wurde ein Schüler-Lehrer-Verhältnis von 1 zu 35 in Sekundarschulen und von 1 zu 40 in Grundschulen festgesetzt. Jeder Lehrer wurde auf eine Liste gesetzt und musste dorthin umziehen, wo zusätzliche Lehrkräfte gebraucht wurden. Die Schulrektoren saßen in den Bildungsgremien, die darüber entschieden, wer bleiben konnte oder wer gehen musste. Diese Praxis führte zu Chaos in den Lehrerzimmern: Der Lehrermoral wurde ein schwerer Schlag versetzt, die Folge waren Konflikte und Krankfeiern. Die Arbeitsplatzsicherheit, die einmal als Sonderzulage dieses Berufs bezeichnet wurde, schwand dahin. Den jungen Menschen, die Arbeit in einem Land haben wollen, in dem eine Arbeitslosigkeit von - je nach Bewertung - etwa 30 Prozent herrscht, signalisierte diese Politik, dass es keine Arbeitsplätze gibt.
Gleichzeitig muss eine Armee pflichtbewusster Lehrer in Schulen ohne Wasser, Strom, Schulbücher und Telefon unterrichten. Sie ringen mit der schlechter werdender Disziplin ihrer Schüler und geraten zunehmend auch in physische Gefahr. Gewalt und Gesetzlosigkeit in der Gesellschaft haben auch auf die Schulen übergegriffen. Es gab Fälle, wo Lehrer auf dem Spielplatz und in den Klassenzimmern ihrer Schule von Verbrechern getötet wurden - oder von ihren eigenen Schülern. Und wenn sie nicht persönlich bedroht werden, dann zumindest das Schuleigentum. Schulen sind zu leichten Zielen für Einbrecher und Diebe geworden, die es dort auf Computer, Bücher und Autos abgesehen haben.
Zusätzlich zu den harten und gefährlichen Arbeitsbedingungen wurden den Lehrern auch buchstäblich ein Dutzend neuer politischer Richtlinien auferlegt, die sie in die Praxis umzusetzen hatten - unter anderem ein ausgefeilter neuer Lehrplan. Ihr Arbeitspensum wurde verdoppelt. Seither leiden sie - wie man in Südafrika sagt - an einem übermaß an Politik. Immer wieder hört man davon, dass Lehrer unter dem Stress zusammengebrochen sind. Trotzdem haben sie von den Bildungsbeauftragten kaum Unterstützung bekommen, wie sie mit den Änderungen fertig werden könnten.
Und das Ansehen derjenigen, die sich eine positive Einstellung bewahren konnten, wird von einer Handvoll Lehrer untergraben, die Schülerinnen sexuell missbrauchen, die betrunken zur Schule kommen und die Hälfte der Zeit vom Unterricht fern bleiben. In den vergangenen zwei Jahren hat die südafrikanische Lehreraufsichtsbehörde zwanzig Lehrer wegen Bruchs des Verhaltenskodexes ein Berufsverbot erteilt. Die Mehrzahl der Fälle betraf sexuellen Missbrauch.
In den letzten Jahren sind die Schüler zu stillen Zeugen der Umstände geworden, unter denen ihre Lehrerinnen und Lehrer Unterricht abhalten müssen. Sie könnten die Lehrer von morgen sein, aber sie erfahren aus erster Hand, was in den Schulen passiert. Deshalb können sie sich nicht vorstellen, in die Schule zurückzukehren, um einen unterbezahlten und schlecht angesehenen Job auszuüben.
Professor Jonathan Jansen, Dekan der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Pretoria, merkt an, dass nur noch Afrikaans sprechende Studenten den Lehrerberuf als Berufung betrachten. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Umstände, unter denen sie erzogen wurden - gut ausgestattete Schulen mit gut ausgebildeten Lehrern -, zu ihrer positiven Haltung gegenüber dem Unterricht beitragen. Berufung oder harte Währung - die Schulen brauchen jeden Erfindungsgeist, den sie aufbringen können, um den weltweiten sinkenden Lehrerzahlen zu begegnen. Schätzungsweise zwölf Millionen Lehrer fehlen in den Klassenzimmern der ganzen Welt.
In Südafrika bleibt das tatsächliche Ausmaß des Lehrermangels wegen fraglicher Prognosen und widersprüchlicher Statistiken im Dunkeln. Der stellvertretende Staatssekretär im Bildungsministerium, Duncan Hindle, meint: "Es gibt keinen absoluten Lehrermangel. Das ist das Problem. Der Mangel besteht in bestimmten Fächern - Mathematik, Naturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Englisch werden am häufigsten genannt - und in bestimmten Regionen: Schulen auf dem Lande und in Townships ziehen keine ausreichend qualifizierten Lehrer an."
Viele Zahlen kursieren in der Debatte, wie viele Lehrer vorhanden sind und gebraucht werden: Es soll 350.000 Lehrer geben, von denen 50.000 arbeitslos und 47.000 unterqualifiziert sind. Gleichzeitig bestehe ein Bedarf an 30.000 Hochschulabsolventen jährlich, um die Verluste durch Aids auszugleichen. Circa 45.000 aktive Lehrer sollen mit HIV infiziert sein. Lehrergewerkschaften berichten davon, dass ihnen die Mitglieder wegsterben. Die Epidemie trifft die Lehrerausbildung zunehmend an einer empfindlichen Stelle: "Wir müssen mit ansehen, wie unsere Studenten nach und nach verschwinden", sagt Professorin Vika Gabela, Vize-Dekanin für Erziehungswissenschaften der Universität von Zululand. Die Universität gehört zur KwaZulu-Natal-Provinz, eine der Gegenden Südafrikas, die am stärksten von HIV/Aids betroffen sind.
Unterqualifizierte Lehrer weiterzubilden, hat zur Zeit aber Vorrang vor der Ausbildung neuer Lehrer. In diesem Jahr sind 10.000 Lehrer der 1. bis 7. Klasse in ein maßgeschneidertes zweijähriges nationales Ausbildungsprogramm eingeschrieben. Das Bildungsministerium übernimmt die Finanzierung für 2000 Lehrer. Insgesamt stehen dafür 165 Millionen Rand (rund 18 Millionen Euro) zur Verfügung.
Sue Muller, Vorsitzende des Lehrerdachverbandes National Professional Teachers Organisation, hält etliche Probleme für ungelöst, wenn auch Hoffnung bestehe und Geld vorhanden sei. Da gibt es zum Beispiel immer noch das Problem, dass qualifizierte Lehrer Fächer unterrichten, für die sie nicht ausgebildet wurden. Wie steht es mit dem neuen Lehrplan für Weiter-und Fortbildungen in den 10. bis 12. Klassen, der die Anzahl der Fächer von etwa 124 auf 35 reduziert? Unter den übrig gebliebenen Fächern gibt es solche wie Tourismus, für das lediglich eine Handvoll Lehrer ausgebildet worden sind. Zu den 35 Fächern gehören auch Mathematik oder mathematische Grundkenntnisse, beides obligatorische Fächer. Insgesamt fehlen jedoch schätzungsweise 4000 bis 12.000 Mathematiklehrer und ungefähr 16.000 haben eine Zusatzausbildung nötig.
Was sollen die Lehrer, deren Fächer verschwinden, unterrichten? Werden sie umgeschult? Wer wird Mathematik unterrichten? "Wir erwarten vom Bildungsministerium einen angemessenen Plan, der von den genauen Bedürfnissen ausgeht, von dem, was da ist, und der mittels Lehrerfortbildung den Bedarf zu decken hilft", sagt Muller. Doch selbst ein guter Plan wird Südafrika nicht aus seiner umfassenden Unterrichtskrise heraushelfen können. Professor Dirk Meerkotter, Dekan der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Westkap, weist darauf hin, dass Südafrika seine Fähigkeit verliert, Lehrer auszubilden. Innerhalb weniger Jahre ist die Anzahl der Ausbildungsstätten von 150 auf 23 gesunken (Colleges wurden den Universitäten angegliedert), das bedeutet bis zu zwei Drittel weniger Vorlesungen.
Südafrika wird wohl nicht umhin können, sich Lehrer aus anderen Ländern zu besorgen. Industrieländer wie Großbritannien haben das vorgemacht, indem sie die besten Lehrer aus Entwicklungsländern wegschnappten und so ihre eigenen Ausbildungsbemühungen herunterfahren konnten. Die etwa 30 Kubaner, die mit Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften aushelfen, sowie eine wachsende Zahl simbabwischer Lehrer, die in Südafrika arbeiten wollen, werden die Lücke aber nur schwerlich füllen können. Natürlich muss Südafrika das Problem innerhalb seiner Grenzen angehen. Nach Expertenmeinung wäre die Finanzierung von Lehramtsstudenten ein vernünftiger Ausgangspunkt. Stipendien und Darlehen sind bereits leichter verfügbar. Im Jahre 2001 reservierte das Ministerium 30 Millionen Rand (gut 3,2 Millionen Euro) für die Ausbildung neuer Lehrer über das "Nationale Studienfinanzierungsmodell", das für arme Studenten Darlehen bereitstellt. Die gesamte Summe wurde ausgeschüttet. Dieses Jahr stieg der zur Verfügung stehende Topf auf eine Summe von 50 Millionen Rand an - und ist bereits leer.
Duncan Hindle vom Bildungsministerium sieht einen Teil des Problems darin, dass nur Studierende mit einem Familieneinkommen unter 90.000 Rand im Jahr (etwa 9700 Euro) Anspruch auf das Programm haben. Außerdem deckt dieses nur 60 Prozent der gesamten Studiengebühren. An einer so vergleichsweise billigen Institution wie der Universität von Zululand zahlen die dort wohnenden Studenten immer noch Gebühren von 21.000 Rand (etwa 2270 Euro) - ohne die Kosten für Schulbücher. Das Ministerium bat die neun Provinzabteilungen für Bildung, zusätzliche Gelder zur Verfügung zu stellen.
Professor Jansen von der Universität von Pretoria hat eine andere neuartige Lösung anzubieten: Studenten dafür zu bezahlen, dass sie Lehramt studieren. "Stipendien sind ein Weg, mehr Leute zu gewinnen. Wir sollten schauen, ob es etwas bringt, wenn wir ihnen über die Stipendien hinaus für vier Jahre zusätzlich etwas geben", sagt er.
Ein anderes mögliches Mittel, wenn auch in seiner Reichweite begrenzt, ist eine Art Praktikantensystem, das 1998 bei der zuständigen Bildungsbehörde SETA eingetragen wurde. Während Lehramtsstudenten halbtags studieren, um die fachliche und theoretische Ausbildung zu bekommen, unterrichten sie an einer Schule, die bereit ist, sie zu betreuen und ihnen ein kleines Gehalt zu zahlen. Zur Zeit gibt es 210 solcher Praktikanten in der Lehrerausbildung. Sue Rees vom "Unabhängigen Schulverband des Südlichen Afrika", die diese Idee propagiert hat, weist jedoch darauf hin, dass dieses Modell nicht problemlos funktioniert. Manche Eltern beispielsweise bezweifeln die Fähigkeit der Auszubildenden, ihre Kinder adäquat zu unterrichten. Sie würden nicht dafür so hohe Schulgebühren bezahlen, so argumentieren sie, dass ihre Kinder von unerfahrenen Praktikanten unterrichtet werden. Diese Eltern scheinen nicht zu begreifen, wie verzweifelt die Lage ist.
Eltern sollten das Praktikanten-Modell unterstützen. Sie sollten sich mit den Behörden zusammentun, um ihre Kinder anzuregen, Lehrer zu werden. Phiwe Maqubela, die in der Barnato Park-Hochschule in Johannesburg die 12. Klasse besucht, sagt: "Das Problem ist darauf zurückzuführen, dass niemand für den Lehrerberuf wirbt." Maqubela hat während der fünf Jahre, die sie auf der Schule ist, keinen einzigen Versuch mitbekommen, Schüler für den Beruf zu erwärmen und sie als zukünftige Mitarbeiter anzuwerben.
Die Anwerbekampagnen einiger Universitäten waren offensichtlich nicht ausreichend, doch im nächsten Jahr werden ihre Bemühungen hoffentlich unterstützt werden, wenn das Bildungsministerium seinen Plan umsetzt, mit einer Straßenshow durch ganz Südafrika zu fahren, um mehr jungen Menschen das Unterrichten schmackhaft zu machen. Das Ministerium hat außerdem versucht, einige seiner politischen Maßnahmen mit nachteiligen Auswirkungen rückgängig zu machen. Es stoppte seine Rationalisierungs-und Versetzungspolitik, um neuen Hochschulabsolventen den Einstieg in das System zu ermöglichen und um dem Mythos zu begegnen, es gäbe keine Arbeitsplätze. Darüber hinaus richtete es ein Sondergremium ein, das Anreize für Lehrer ausfindig machen soll. Gedacht ist an höhere Lehrergehälter, Leistungsprämien und Zulagen für diejenigen, die ihren Beruf unter schwierigen Bedingungen, etwa in ländlichen Gegenden, ausüben müssen. Und in dem Versuch, den ramponierten Ruf des Lehrers wieder aufzupolieren, rief das Ministerium einen jährlich stattfindenden Wettbewerb ins Leben, um außergewöhnliche Lehrer mit einen Lehrerpreis anzuerkennen.
Noch liegt ein weiter Weg vor allen, die dem Lehrerberuf wieder Würde verleihen wollen. Aber nur wenn ein Lehrer wieder angesehen ist, werden mehr junge Menschen dieses Berufsziel wählen. Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengung. Politiker, die Öffentlichkeit, Eltern, Lehrer, Lehrerverbände, Bildungseinrichtungen und die ministeriellen Bildungsabteilungen werden alle ihren Beitrag zu leisten haben.
aus: der überblick 04/2002, Seite 14
AUTOR(EN):
Cornia Pretorius:
Cornia Pretorius berichtet über den Bildungssektor als Korrespondentin der südafrikanischen Zeitung "Sunday Times".