Die neue Regierung muss schwierige Probleme bewältigen
Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Ghana sind frei und friedlich verlaufen; das Land hat einen neuen Präsidenten, John Kufuor, der sich auf eine solide Parlamentsmehrheit stützen kann. Doch die Anhänger von Jerry Rawlings sind im Staatsapparat noch überall präsent, der neue Mann im Präsidentenamt wird Mühe haben, die überfälligen Reformen durchzusetzen.
von Heinrich Bergstresser
Die Sensation ist perfekt, denn die Wähler haben gesprochen und für den radikalen Wechsel gestimmt. Was sich bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 7. Dezember 2000 bereits abzuzeichnen begann, ist drei Wochen später, am 28. Dezember in der Stichwahl um das Präsidentenamt, Wirklichkeit geworden. Der Politikwechsel kann vollzogen und das Ende des Systems Rawlings eingeleitet werden. John Agyekum Kufuor, der Kandidat der stärksten Oppositionspartei New Patriotic Party (NPP), steht nach dem zweiten Anlauf nun als strahlender Sieger da. 56,9 Prozent der Wähler stimmten für ihn, während sein Kontrahent Atta Mills von der bisher dominanten Regierungspartei National Democratic Congress (NDC) lediglich 43,1 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt. Präsident Jerry Rawlings durfte laut Verfassung nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren.
Im ersten Wahlgang hatte Kufuor 3,1 Millionen Wähler mobilisieren können und mit 48,4 Prozent der gültigen Stimmen die absolute Mehrheit knapp verpasst. Mills folgte mit deutlichem Abstand und erhielt fast 2,9 Millionen Stimmen, was einem Anteil von 44,9 Prozent entsprach. Die übrigen fünf Kandidaten der Convention People's Party (CPP), der People's National Convention (PNC), der National Reform Party (NRP), der Greater Consolidated Popular Party (GCPP) und der United Ghana Movement (UGM) spielten zur allgemeinen Überraschung überhaupt keine Rolle und schafften zusammen nicht einmal 7 Prozent.
In der Stichwahl votierten die Anhänger der erfolglosen Kandidaten dann überwiegend für Kufuor, der 500.000 Stimmen dazugewann, Mills dagegen verlor etwa 130.000. Dabei ist das gute Abschneiden von Kufuor in den nördlichen Regionen, den traditionellen Hochburgen des NDC, bemerkenswert, wo Mills lediglich in der Volta Region die Erwartungen voll erfüllen konnte. Ansonsten war sein Abstand zu Kufuor zu gering, den riesigen Vorsprung seines Gegners in den sechs südlichen Regionen wettzumachen. Die Wahlbeteiligung war mit 60 im ersten und 60,4 Prozent im zweiten Wahlgang fast identisch, und auch bei der Stichwahl blieb der Wille zum Wechsel ungebremst. Dieser Wechsel wird nun seine volle politische Wirkung entfalten, denn der neue Präsident kann sich zusätzlich zum Votum der Wähler auf eine satte Parlamentsmehrheit seiner Partei stützen, die mit ihrem Erdrutschsieg am 7. Dezember den Boden für diesen Wechsel bereitet hatte.
Im Gegensatz zur Präsidentschaftswahl, bei der die absolute Mehrheit der Stimmen für den Sieg notwendig war, galt bei den Parlamentswahlen das Mehrheitswahlrecht, das heißt der Kandidat mit den meisten Stimmen gewann direkt das Mandat. Der NDC schnitt zwar mit über 46 Prozent der Stimmen besser ab als sein Präsidentschaftskandidat im ersten Wahlgang. Doch verlor die Partei 41 ihrer 133 Mandate und damit die absolute Mehrheit im 200 Sitze umfassenden Parlament. Die NPP gewann 39 Mandate hinzu und stellt nun mit 100 Sitzen die Mehrheit. Besonders die Zugewinne in Greater Accra, der Eastern Region und in Brong Ahafo dokumentieren den eklatanten Stimmungswechsel und die damit verbundene schwere Niederlage des NDC. Die Mehrheit der Ghanaer mochte nicht mehr mitansehen, wie Präsident Jerry Rawlings, sein Vizepräsident und Nachfolgekandidat Mills und der NDC das Land immer tiefer in eine schwere Wirtschaftskrise hineinmanövrierten, ohne dass ein Ende der Talfahrt in Sicht war.
Kurz vor den Wahlen hatte ein Urteil des Obersten Gerichts für Aufsehen gesorgt. Die Richter hatten entschieden, auch die mit Daumenabdruck signierten Ausweise als Nachweis der Wahlberechtigung zuzulassen. In der Führung des NDC keimte nach dieser Entscheidung etwas Hoffnung auf. Die Wahlkommission hatte in einem Großprojekt die meisten Wahlberechtigten mit neuen Ausweisen ausgestattet, die mit dem Foto der Inhaber versehen wurden. Nur diese Ausweise sollten Gültigkeit besitzen, um Manipulationen zu unterbinden und Mehrfachregistrierungen zu vermeiden. Besonders in den ländlichen Grenzgebieten hatten bei früheren Wahlen viele nicht Wahlberechtigte wie zum Beispiel unter Achtzehnjährige und Ausländer mit Hilfe der alten Ausweise zu Gunsten des NDC ihre Stimmen abgegeben. Allerdings erhielten wegen technischer und logistischer Probleme besonders in den ländlichen nördlichen Gebieten nicht alle Wähler den neuen Ausweis. Das Gerichtsurteil spielte aber für den Wahlausgang letztlich keine Rolle, denn die Wähler hatten sich bereits entschieden.
Vergeblich hatte sich Rawlings mit seinem ungebrochenen Charisma in den Wahlkampf gestürzt, um die drohende Niederlage seiner Partei und seines Vize Mills zu verhindern. Aber nicht Rawlings stand zur Wahl an, sondern der NDC und sein Vizepräsident, die außer dem Willen zum Machterhalt nichts zu bieten hatten. Mills war erst wenige Monate zuvor zum Präsidentschaftskandidaten gekürt worden und besaß keine Möglichkeit, aus dem langen Schatten von Rawlings herauszutreten. Denn Rawlings hatte sich zum Parteivorsitzenden auf Lebenszeit wählen lassen, um im Falle einer Wahlniederlage ein gewisses Maß an institutionellem Schutz gegen mögliche Angriffe der Opposition auf seine Person zu haben. Damit konnte Mills auch kein eigenes Profil entwickeln, obwohl er Wirtschaftskompetenz besaß, denn kaum jemand traute ihm zu, diese Kompetenz gegen die bestehenden Partei- und Verwaltungsstrukturen ein- und umsetzen zu können.
An dieser Einschätzung änderten auch die Wahlgeschenke der Regierung nichts, die die Gehälter der Staatsbediensteten um 20 und das garantierte Mindesteinkommen um 50 Prozent anhob. Die bis an die Grenze der Diffamierung gehenden Attacken gegen die NPP und Kufuor, die unfähig seien, das Land zu regieren, verpufften denn auch. Der 1996 gegen Rawlings unterlegene Kufuor war bereits 1998 als Präsidentschaftskandidat bestätigt worden. Damit standen er und seine Partei im öffentlichen Bewusstsein zugleich für Kontinuität in ihrer Oppositionsrolle und für den ersehnten Wechsel. Ihre liberale und marktwirtschaftliche Ausrichtung war hinlänglich bekannt, sodass die politische und pragmatische Alternative zum regierenden NDC, der dem staatsinterventionistischen Ansatz, wann immer möglich, verhaftet blieb, nicht sonderlich betont werden musste.
Kufuor wählte aber einen fast schon genial zu nennenden Weg, seinen hohen Bekanntheitsgrad in potenzielle Wählerstimmen umzumünzen. Über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr war er durchs Land gereist und hatte an möglichst vielen Beerdigungen teilgenommen. Dies war angesichts der spirituellen Bedeutung des Begräbnisses in der ghanaischen Gesellschaft ein erfolgreicher Schachzug, Vertrauen gerade auch in NDC-dominierten Gegenden aufzubauen.
Vor diesem Hintergrund nutzte auch Rawlings Brandrede gegen die Opposition auf der Abschlusskundgebung in Accra zwei Tage vor der Wahl nichts. Diese Erkenntnis veranlasste Rawlings zu einer diplomatisch geschickten Kehrtwende. Am Vorabend der Wahl plädierte er in einer von staatsmännischem Pathos getragenen Ansprache an die Nation für friedliche und faire Wahlen und für die Akzeptanz des Wahlergebnisses, wie immer es auch sein möge.
Die Niederlage von Mills und des NDC ist auch eine persönliche Niederlage von Rawlings, mit dessen Abtritt von der politischen Bühne eine Ära zu Ende geht. Denn 20 Jahre lang bestimmte er das politische Leben in diesem kleinen westafrikanischen Land. Er wandelte sich vom Putschisten und Revolutionär in Uniform zum gewählten Präsidenten, der sich in keine Schublade stecken ließ, weder von Ghanaern noch von westlichen Diplomaten und so zwangsläufig extrem unterschiedliche Meinungen über sich selbst provozierte. Doch auch Rawlings musste sich, um politisch zu überleben, schließlich den allgemein akzeptierten Spielregeln des internationalen Systems anpassen und kooperierte letztlich eng mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds. Der Wille zur Macht, gepaart mit dem Druck der internationalen Gemeinschaft, zwang ihn, einen Demokratisierungsprozess einzuleiten, an dessen Spitze er sich selbst stellte. So konnte er die ersten acht Jahre der Vierten Republik gestalten. Dabei kann er für sich in Anspruch nehmen, die Medien - allen voran die elektronischen - erfolgreich liberalisiert zu haben. Nun hat die Demokratisierung ihn und seine Partei NDC eingeholt. Doch für Rawlings spricht, dass er sich an die Verfassung gehalten und nicht wie viele seiner afrikanischen Amtsbrüder versucht hat, sie zu seinen Gunsten zu verändern, um für eine dritte Amtszeit antreten zu können.
Als die 20.069 Wahllokale am 7. Dezember um 7 Uhr öffneten, hatten sich bereits lange Schlangen gebildet. In einigen ländlichen Gebieten Nordghanas gab es logistische Probleme, die Wahlunterlagen zeitgerecht anzuliefern. Ansonsten war die Wahlkommission sehr gut vorbereitet, und die beiden großen Parteien hatten an allen Wahllokalen ihre Vertreter postiert. Die kleinen Parteien waren dazu nicht in der Lage. In der zweitgrößten Stadt Kumasi, der Hochburg der NPP und zugleich ein Zentrum der Spannungen zwischen NDC und NPP, patroullierten Soldaten, was auf heftige Kritik der NPP stieß. Aber im Gegensatz zum Wahlbezirk Bawku im Nordosten Ghanas, blieb es in der Ashanti-Metropole ruhig. In Bawku hatte die NPP-Kandidatin das Mandat gewonnen, woraufhin NDC-Anhänger protestierten. Es kam zu einem Handgemenge, das zur blutigen Auseinandersetzung eskalierte, wobei mehrere Menschen ums Leben kamen. Zahlreiche Häuser wurden niedergebrannt und schließlich eine Ausgangssperre verhängt.
Ansonsten verlief die Wahl ruhig, und selbst Alte und Gebrechliche kamen zu den Wahllokalen, liebevoll unterstützt von anderen Wählern, die ihnen halfen, die Wahlzettel in die jeweils richtige Urne zu stecken. Zufällige Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe im größten Wahlbezirk der Hauptstadt, Ablekuma South, deuteten bereits auf einen leichten Vorsprung der NPP und ihres Kandidaten Kufuor hin. Um Punkt 17 Uhr gaben die Wahlvorstände in den 20.069 Wahllokalen für alle Anwesenden hörbar das Ende der Stimmabgabe bekannt. Nur wenige Minuten später waren die meisten Wahllokale von Menschen umringt, die die Auszählung beobachten wollten. Und in jedem Wahllokal übernahm ein Vertreter der Wahlkommission die Aufgabe, laut und deutlich jede Stimme zu zählen. Der Trend zeigte einen eindeutigen Vorsprung für die oppositionelle NPP, und die Spannung im Lande wuchs mit jeder Stunde.
An den folgenden drei Tagen gab es kein anderes Thema als die Wahl und die sich anbahnende Niederlage für Atta Mills und den NDC. Dabei spielten die Medien, allen voran die privaten Radiostationen, in beiden Wahlgängen eine entscheidende Rolle. Sie gaben die Ergebnisse bekannt und verhinderten zugleich durch ständige Appelle an die Vernunft der Wähler größere Zwischenfälle. Die Medien hielten ihren eigens für die Wahlen beschlossenen Verhaltenskodex zur Berichterstattung ein. In enger Abstimmung mit der Wahlkommission wurden die bestätigten Ergebnisse vom Pressezentrum in der Hauptstadt der Öffentlichkeit mitgeteilt. Inoffizielle Ergebnisse von außen wurden auch als solche gekennzeichnet, was letztlich wesentlich dazu beitrug, Provokationen jeglicher Art zu vermeiden. Zugleich war die Nervosität im NDC-Lager deutlich zu spüren. So wurden westliche Journalisten, die in Accra einige NDC-Funktionäre in der Parteizentrale aufsuchen wollten, abgewiesen und als Feinde Ghanas und des NDC beschimpft.
Ganz anders dagegen im nur wenige Straßenzüge entfernten Hauptquartier der NPP, wo der greifbare Sieg die Gesichter erstrahlen ließ. Den westlichen Besuchern standen die Türen weit offen, und die Funktionäre gaben bereitwillig Auskunft über den Stand der Dinge, wie er sich für die NPP darstellte. Auch das Haus des Präsidentschaftskandidaten Kufuor stand offen, und wenige Stunden vor der Bekanntgabe der Stichwahl gab er sich Journalisten gegenüber freundlich, locker und zugleich siegesgewiss, auch für einen zweiten Wahlgang.
Kufuors Zuversicht bestätigte sich, und der Sieg in der Stichwahl stand bereits 18 Stunden nach Schließung der Wahllokale fest. Dabei fiel das Ergebnis wesentlich deutlicher aus als erwartet und sicherte damit zugleich die gewaltfreie Machtübergabe an die neue Regierung, die am 7. Januar 2001 erfolgte.
Doch die neue Führung tritt ein schweres Erbe an. Denn Rawlings und sein NDC haben ein dichtes Netzwerk in der Staatsbürokratie, im Militär, in der Polizei und nicht zuletzt in der Justiz geflochten, das seine Erbhöfe nicht kampflos aufgeben wird. Um dieses Netzwerk zu verändern und für die überfälligen Wirtschaftsreformen nutzbar zu machen, bedarf es seitens der neuen Regierung Klugheit, diplomatischen Geschicks und Weitsicht, um den Übergang von einer Administration auf eine andere ohne Regierungserfahrung zu meistern. Die NPP hat zwar einige sehr kompetente Leute in ihren Reihen, aber die NDC-lastige Verwaltung dürfte den Übergang kompliziert und langwierig machen.
Die Wirtschaft liegt am Boden, die Staatskasse ist leer, denn Ghana hat seit Jahren von der Substanz gelebt, trotz struktureller Anpassungsprogramme und internationaler Hilfe. Dennoch haftet dem Land nach wie vor das Image eines gelungenen Beispiels von Strukturanpassung an. Der Grad der Demokratisierung ist durch den Machtwechsel eindrucksvoll belegt, dennoch lässt sich auf Dauer die schwere Wirtschaftskrise nicht verheimlichen. 16 Jahre Strukturanpassungsprogramme der Weltbank und des Internationalen Weltwährungsfonds (IWF) unter Rawlings sind bisher den Beweis schuldig geblieben, Unterentwicklung zu überwinden und ein selbsttragendes Wachstum zu erzeugen, das einem Großteil der Gesellschaft ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Ein historisch einmaliges Experiment einer Allianz zwischen einem populistisch-sozialistischen Regime und den beiden internationalen Institutionen hat Ghana zwar vor dem Ruin gerettet. Als nachahmenswertes Beispiel kann es aber bis auf weiteres nicht gelten.
Denn die wesentlichen Wirtschaftssäulen bestehen noch immer aus dem Export von Gold, Kakao und Holz, was die Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen des Weltmarktes verfestigt hat, und aus dem aufgeblähten, kostenintensiven und wenig produktiven Staatsapparat, der die Selbstbedienungsmentalität des herrschenden NDC gefördert hat. Die Finanzpolizisten in Washington duldeten die zögerliche und teilweise halbherzige Deregulierung und Privatisierung der ghanaischen Wirtschaft, denn sie brauchten Rawlings zur Durchsetzung ihrer Ideen zur Überwindung der Unterentwicklung, und Rawlings brauchte sie, um an der Macht zu bleiben.
In der Vierten Republik sind bis auf das Jahr 1994 alle wirtschaftspolitischen Ziele weit verfehlt worden. Die Wachstumsprognosen von fünf Prozent und mehr waren angesichts der Machtverhältnisse sowie der Kapazität und Produktivität der Ghanaer unrealistisch. Sie konsumierten rund 80 Prozent der Exportgewinne, was wiederum zu einer viel zu niedrigen Investitionsquote führte, um Wachtumsimpulse zu erzeugen. Die internationale Gemeinschaft hatte sich in Ghana zum Erfolg verdammt, abzulesen an den zahllosen nicht staatlichen Organisationen (NGOs), deren Finanzmittel aber wegen der realen Machtverhältnisse nur sehr bedingt von entwicklungspolitisch sinnvollen Projekten absorbiert werden konnten. Die Folge war eine schleichende Dollarisierung, und die Einkommensschere öffnete sich immer weiter und schneller. Das Waren- und Immobilienangebot war gut bis hervorragend, gleichzeitig sank die Kaufkraft der Ghanaer. Die Gewinner waren die Vertreter der Freien Berufe, allen voran Rechtsanwälte und Berater, Besitzer von Grund und Boden, Hoteleigentümer, die Spitzen in Partei und Staat und die Mitarbeiter der nationalen und internationalen NGOs sowie der internationalen staatlichen Entwicklungsagenturen.
Trotz dieser Entwicklung haben sich zwei Bereiche, die Medien und die Informationstechnologie, mit westlicher und asiatischer (malaysischer) Hilfe von staatlichen Fesseln befreien können und eine für afrikanische Verhältnisse geradezu atemberaubende Dynamik entfaltet. Die Vergabe von rund 30 Radiolizenzen, die zollfreie Einfuhr von Computern und ausländische Direktinvestitionen im Telekommunikationssektor haben Ghana schon jetzt zum Hoffnungsträger der IT-Branche in Westafrika gemacht. Vieles deutet sogar darauf hin, dass sich das Land schon bald zum IT-Zentrum der Region entwickelt und einen lang anhaltenden Wachstums- und Modernisierungsschub entfalten wird, der sogar finanzkräftige Exil-Ghanaer zu Investitionen hinreißen könnte. Diese Entwicklung trifft auf eine neue Regierung, deren wirtschaftspolitische Vorstellungen sich mit dieser Entwicklung decken. Damit könnte erstmals eine erfolgversprechende Verzahnung von politischer Macht und Wirtschaftsreform erfolgen, die viele Arbeitsplätze schafft und die extremen Einkommensunterschiede zumindest mittelfristig verringert. Kurzfristig kommt die neue Regierung nicht umhin, die hohen Subventionen für Benzin, Energie und Wasser abzubauen, was von der alten Regierung aus Opportunitätsgründen unterblieben war. Für die ohnehin geplagte Bevölkerung wird dies allerdings schwer zu ertragen sein.
Der unterlegene NDC geht harten Zeiten entgegen, denn die beiden schweren Niederlagen werden binnen Kürze zu innerparteilichen Auseinandersetzungen führen und ein erhebliches Machtvakuum offenbaren. Ohne ihre Galionsfigur Rawlings und abgeschnitten von der politischen Macht drohen schon bald erste Auflösungserscheinungen. Auch Rawlings selbst könnte nun ins Fadenkreuz seiner alten Gegner geraten. Denn die Exekution dreier Staatschefs und mehrerer hochrangiger Offiziere nach seinem ersten Putsch 1979 sowie der Mord an drei Richtern 1982, der angeblich in seinem direkten Umfeld geplant wurde, sind von den Angehörigen der Opfer nicht vergessen, und sie werden alles Erdenkliche versuchen, Rawlings vor Gericht zu bringen.
So großartig der Sieg Kufuors und der NPP auch sein mag, die wahren Sieger sind das ghanaische Volk und die Medien. Sie haben sich bei diesen beiden Wahlgängen am 7. und 28. Dezember emanzipiert, haben Mut, Verstand und Geduld bewiesen und den Demokratisierungsprozess in Ghana einen großen Schritt weitergebracht. Dies lässt hoffen - trotz der ständigen Hiobsmeldungen über Afrika. Dabei wissen die meisten Ghanaer, dass sie den Großteil der auf sie zukommenden Lasten tragen und zugleich ihre eigenen Kräfte stärken müssen. Unabhängige und selbstbewusste Institutionen wie die Wahlkommission sowie durch freie Medien vermittelte Transparenz und Offenheit werden ihnen beistehen.
GhanaInterreligiöses Forum setzte 10.000 Wahlbeobachter einAnders als vor vier Jahren fehlten in Ghana diesmal internationale Wahlbeobachterteams der EU, des Commonwealth und der USA. Nur das britische Außenministerium und die Organisation der afrikanischen Einheit (OAU) hatten Vertreter entsandt. Dadurch erhielt die Arbeit der einheimischen Beobachterorganisationen ein wesentlich höheres Gewicht. Bei den Präsidentschafts-und Parlamentswahlen 2000 stellten die einheimische Wahlbeobachter-Koalition Coalition of Domestic Election Observers (Codeo) und das Beobachterforum von Religionsgemeinschaften Forum of Religious Bodies die zwei bedeutendsten einheimischen Wahlbeobachtergruppen. Codeo, ein loser Zusammenschluss von über 20 meist kleineren nichtstaatlichen Organisationen (NGOs), hatte rund 5000 lokale Beobachter ausgebildet und in den Wahllokalen eingesetzt. Bereits Anfang der neunziger Jahre hatte der Christenrat mit seinen Mitgliedskirchen ein von der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE) unterstütztes Programm zur Förderung der Demokratie, Wählererziehung und Beobachter-Ausbildung in Angriff genommen. Das führte bald zur Gründung des Forum of Religious Bodies, dem außer dem Christenrat auch das Katholische Sekretariat, der Council of Independent Churches, der Pentecostal Council, der Council of Muslim Missions und die Ahmadiyya Muslim Mission angehören. Diese interreligiöse Gruppierung hat sich in Ghana bewährt und ist auch für andere Länder ein nachahmenswertes Beispiel für die Vermeidung ethnischer und religiöser Konflikte. Nach dem gemeinsamen Einsatz bei den Wahlen von 1996 hatte das Forum für die Wahlen im Jahr 2000 sein Ausbildungsprogramm für die Wahlprozessbegleitung intensiviert. Die sechs Organisationen und ihre Gliederungen konnten schließlich fast 10.000 Beobachter ausbilden und im ganzen Land in den Wahllokalen und bei der anschließenden Stimmenauszählung stationieren. Als Beitrag zu dieser beachtlichen organisatorischen und logistischen Leistung des Forums hatte Dienste in Übersee wie schon 1996 vier Wahlbeobachter zur Unterstützung entsandt. Sie konnten ihre Erfahrungen von ähnlichen Einsätzen in anderen afrikanischen Ländern einbringen und an der Ausbildung der Regionalkoordinatoren und der Erarbeitung der Wahllokal-Checklisten mitwirken. In verschiedenen Regionen eingesetzt, machten sie während des Wahltages stichprobenartige Besuche in insgesamt 77 Wahllokalen und beobachteten die Stimmenauszählung. Ihre Eindrücke wurden in den Gesamtbericht des Forums zur Weitergabe an die Nationale Wahlkommission und die Presse integriert. Vor dem Wahlgang hatte das Forum zehntausende Faltblätter über demokratisches Wahlverhalten verteilt und in mehreren Städten Kundgebungen und Friedensmärsche veranstaltet, an denen Anhänger der verschiedenen Parteien teilnahmen. Die deutlichen Aufrufe an die Parteien, Konfrontationen zwischen verschiedenen Ethnien und Religionsgruppen sowie Provokationen zu vermeiden, verfehlten ihre Wirkung offensichtlich nicht. Verglichen mit den Übergriffen, Terrorakten, Farmbesetzungen und anderen Gesetzlosigkeiten, die die Wahlen vom Juni 2000 in Simbabwe kennzeichneten, können die Wahlen in Ghana als transparent, frei und fair bezeichnet werden. Und hieran hatte die ghanaische Zivilgesellschaft erheblichen Anteil. Heinz F. Berger |
aus: der überblick 01/2001, Seite 91
AUTOR(EN):
Heinrich Bergstresser :
Heinrich Bergstresser ist Redakteur im Afrikaprogramm der Deutschen Welle und hat für seinen Sender über die Wahlen berichtet.