Der Faire Handel ist keine Alternative zum Welthandel, sondern ein komplementäres Instrument der Entwicklungsförderung
So jedenfalls lautet eine Kernthese einer Studie von Brot für die Welt, Misereor und der Friedrich-Ebert-Stiftung. Mindestens so umstritten wird in der "Branche" die kritische Auseinandersetzung der Studie mit dem Konzept des "fairen Preises" sein.
von Frank Kürschner-Pelkmann
Es muss 1973 oder 1974 gewesen sein, als ich das Regionallager des Dritte Welt-Handels in der Großen Brunnenstraße in Hamburg-Altona betrat. Als erster "Lagerverwalter" bestand meine vordringliche Aufgabe darin, in diesem großen, aber etwas schäbigen Laden die Kisten, Kartons und Körbe zu öffnen und die Ware auszupacken. Unvergessen sind mir die Kolonnen von Massai-Kriegern und Antilopen geblieben, die einen wesentlichen Teil des Warenangebots bildeten. Wenn engagierte Mitglieder von Kirchengemeinden und Gruppen kamen, um fair gehandelte Waren zum Weiterverkauf zu holen, war ich unsicher, ob ich nun hoffen sollte, die Krieger möglichst bald los zu werden oder den Käufern dazu raten sollte, andere Waren wie Kaffee mitzunehmen.
Mehr als ein Vierteljahrhundert ist seither vergangen. Die "Abrüstung" im Fairen Handel ist sehr weit vorangekommen, vor allem aber die Ausweitung der Handelsstrukturen und des Produktangebots und die Professionalisierung des Verkaufs. Davon konnte ich mich bei der Lektüre der Studie "Entwicklungspolitische Wirkungen des Fairen Handels" (Misereor Medienproduktion und Vertriebsgesellschaft, Aachen 2000) überzeugen. Sie wurde gemeinsam von Misereor, Brot für die Welt und der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegeben, die den Fairen Handel unterstützen und nach drei Jahrzehnten feststellen wollten, wo diese Form des alternativen Wirtschaftens und der entwicklungspolitischen Bewusstseinsbildung heute steht und welche Perspektiven sie hat.
Die Autoren der Studie haben die Inlandswirkungen des Fairen Handels, seine politischen Wirkungen und die Konsequenzen für die Partnern im Süden untersucht, und sie sind — neben kritischen — zu vielen positiven Erkenntnissen gekommen. So hat sich der Umsatz im Fairen Handel seit den siebziger Jahren vervielfacht, es sind viele Hundert Läden und Verkaufsstellen entstanden und Tausende von Produzentinnen und Produzenten erhalten für ihre Waren einen höheren Preis als auf dem Weltmarkt. Heute beträgt der Anteil des Fairen Handels knapp 0.1 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels. Ist das viel oder verschwindend wenig? Da beginnt bereits die Debatte, die die Studie angestoßen hat. Der Faire Handel ist keine Alternative zum Welthandel, sondern ein komplementäres Instrument der Entwicklungsförderung, lautet eine Kernthese der Studie. Mindestens so umstritten wird in der "Branche" die kritische Auseinandersetzung der Studie mit dem Konzept des "fairen Preises" sein.
Dies sind nur zwei von vielen Fragen, vor denen der Faire Handel steht. Wir möchten gern im Forum eine Debatte über die Perspektiven dieses Handels führen und haben Claudia Greifenhahn gebeten, sie zu eröffnen. Weitere Beiträge sind willkommen. Übrigens: Ich habe den Käufern dann doch geraten, die Massai-Krieger stehen zu lassen, aber wir sind sie im Laufe der Zeit trotzdem los geworden, vielleicht "weil es ja für einen guten Zweck ist", aber das ist auch schon wieder so ein Thema im Fairen Handel .
aus: der überblick 02/2001, Seite 101
AUTOR(EN):
Frank Kürschner-Pelkmann:
Frank Kürschner-Pelkmann ist Redakteur der FORUM-Seiten im überblick