Besser ist nicht gut genug
Es steht außer Frage, dass der Beitrag von Frauen auch in Tansania für die gesellschaftliche Entwicklung von größter Bedeutung ist. Doch obwohl sie über die Hälfte der Bevölkerung stellen, werden sie nach wie vor sowohl im politischen System als auch in den Institutionen der Kirche Tansanias benachteiligt.
von Rachel Ramadhani
Zwar hat es in der jüngsten Vergangenheit Verbesserungen gegeben, das Erbe der Tradition und überkommener Verhaltensweisen hält sich jedoch hartnäckig. Frauen erwirtschaften in vielen ländlichen Gebieten Afrikas und auch in anderen Entwicklungsländern zwischen 60 und 80 Prozent der Nahrungsmittel. Frauen kontrollieren einen Großteil der nichtmonetären Wirtschaft - etwa der Subsistenz-Landwirtschaft und im Aufziehen der Kinder - und spielen eine wichtige Rolle in der monetären Wirtschaft. Von den Früchten dieser Arbeit haben sie allerdings wenig. Zum Beispiel können sie nach vielen afrikanischen Traditionen kein Land besitzen, obwohl sie es bebauen. Auch das Produkt ihrer landwirtschaftlichen Arbeit gehört ihnen oft nicht.
Die meisten Frauen leiten einen Haushalt und planen die tägliche Wohlfahrt der Familie - auch wenn die meisten kaum eine Ausbildung erhalten haben. Sie erwirtschaften mit harter Arbeit selbstständig kleine Einkommen, um die Ausbildung der Kinder oder eine Krankenhausbehandlung für sich, ihre Kinder oder Verwandte zu bezahlen. Große Teile dieser harten Arbeit werden nicht anerkannt und erfahren keine Unterstützung. Begründet liegt dies in traditionellen Praktiken, die den Frauen Individualität und die Möglichkeit des persönlichen Aufstiegs verweigern. Frauen wird suggeriert, ihr Wert liege allein in der Heirat und der Familienehre, und die Entwicklung ihrer Fähigkeiten zum Beispiel durch Bildung und die Teilnahme am gesellschaftlichen Entscheidungsprozess sei unnötig oder unbedeutend.
Die Beteiligung der Frauen am politischen System Tansanias ist minimal. Im Parlament haben sie lediglich 59 der insgesamt 296 Mandate inne. Nur 12 dieser Parlamentarierinnen sind in den Wahlkreisen gewählt worden, 47 dieser Sitze sind Frauen per Gesetz nach dem Wahlgang zugeteilt worden. Sehr wenige Frauen treten bei Parlamentswahlen oder bei Wahlen zu lokalen Gremien an. In den Distrikt- und Dorfverwaltungen beträgt der Anteil von Frauen an den Ämtern um die 25 Prozent.
Speziell für Frauen reservierte Sitze im Bundesparlament und in den lokalen Parlamenten werden den Parteien seit 1995 proportional zu ihrer Stärke zugewiesen. Ein entsprechendes Gesetz wurde erlassen, nachdem Frauen politischen Druck gemacht und gegen die Dominanz der Männer in öffentlichen Ämtern protestiert hatten. Die Frauenquote liegt momentan bei 20 Prozent und soll in den kommenden Urnengängen auf bis zu 30 Prozent erhöht werden. Diese Gesetzesänderung funktioniert, doch die bereitgestellten Sitze reichen nicht aus.
Trotz dieser juristischen Bestimmungen sind Frauen in öffentlichen Ämtern weiterhin nur gering vertreten. Viele Frauen zögern nach den langen Jahren der Benachteiligung, aus dem Schatten der Männer zu treten und für öffentliche Ämter zu kandidieren. Ihnen fehlt es oft an Selbstbewusstsein, Motivation und Ermutigung von Seiten der Gesellschaft.
Auch in Kirchen sind Frauen weiterhin nicht ausreichend repräsentiert. Mehr als die Hälfte aller Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias (ELCT) sind Frauen. Ihre Arbeit ist auf allen Ebenen, besonders in den Gemeinden, sehr sichtbar. Frauen arbeiten als Pastorinnen, Predigerinnen, Gemeindearbeiterinnen, Lehrerinnen, Ratsmitglieder und Freiwillige. Doch in den Entscheidungsgremien stellen sie, abhängig von der jeweiligen Diözese, höchstens ein Drittel der Amtsinhaber.
Das große Problem dabei ist, dass Frauen in den Gemeinden nicht ausreichend in die Planung ihrer eigenen Tätigkeiten einbezogen werden. Angestellte der Kirche planen die Arbeit und ignorieren dabei die Wünsche, Sorgen und Fähigkeiten der Frauen. Die Kirche ist sich dieses Problems bewusst und bildet in speziellen Programmen Frauen auf dem Gebiet der Planung weiter. Dadurch sollen sie in die Lage versetzt werden, die Frauen in den Gemeinden bei der Gestaltung ihrer Tätigkeit und bei der Einwerbung finanzieller Mittel zu unterstützen.
aus: der überblick 02/2002, Seite 40
AUTOR(EN):
Rachel Ramadhani:
Rachel Ramadhani ist die Frauenbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania.