Mit seinem Restaurant Wandie's World setzt Ndala Zeichen für Südafrikas Wirtschaft
In Sowetos Dube-Viertel ist der 43-jährige Wandile Ndala bereits um fünf Uhr morgens aufgestanden und werkelt geschäftig in seiner Küche. Die erste Stunde verbringt er damit, die vielen Zutaten seiner Gerichte zu arrangieren: das Fleisch, die Gemüse, die verschiedenen Sorten Porridge, die Soßen und die Salate. Um sechs Uhr beginnt er dann zu kochen.
von Chris Marais
Es ist fünf Uhr morgens an einem bitterkalten Wintertag in Südafrikas Gauteng-Provinz: Der riesenhafte Krake Soweto kriecht aus dem Bett. Der Kohlenrauch der Kochstellen legt einen silbrigen grauen Nebel über die Township, und die Sichtweite ist gleich Null. Auf der Old Potchefstroom Road, die sich quer durch diese Stadt der zwei Millionen Seelen zieht, beginnt der Verkehrsstrom aus tausenden von Bussen und Taxis zu pulsieren.
In Sowetos Dube-Viertel ist der 43-jährige Wandile Ndala bereits aufgestanden und werkelt geschäftig in seiner Küche. Die erste Stunde verbringt er damit, die vielen Zutaten seiner Gerichte zu arrangieren: das Fleisch, die Gemüse, die verschiedenen Sorten Porridge, die Soßen und die Salate. Um sechs Uhr beginnt er dann zu kochen.
Die Töpfe enthalten Gerichte wie Huhn, Hammeleintopf, Curries, Kutteln, samp (harter Mais) mit Bohnen (auch mngqushu genannt, Nelson Mandelas Leibgericht), sauren pap (Maisbrei), boerewors (fette Bratwürste) in Tomaten- und Zwiebelsoße, ting (Sorghum-Brei) und Kürbis. Ndala überprüft seinen Weinvorrat vom Gut Ashanti in Paarl, Western Cape. Wandies trockener Roter ist sehr beliebt bei seinen Gästen. Die beiden Kakadus schreien die ganze Zeit zur Ermunterung, während sich Ndala auf einen weiteren Tag auf den Welttourismus vorbereitet.
Im Gastraum sind die Wände dekoriert mit Visitenkarten von Besuchern aus der großen weiten Welt und aus Johannesburgs Reichen-Vorort Sandton. Daneben hängen, wie in einem traditionsreichen New Yorker Steak-Restaurant, Fotos des Besitzers zusammen mit Prominenten wie Evander Holyfield, Walter Sisulu, Jesse Jackson, Quincy Jones, Johnny Cochrane (dem Anwalt von O. J. Simpson) und Richard Branson. Wie es scheint, will jeder mal bei Wandie kosten.
Was ist daran besonders? Schließlich gibt es überall auf der Welt berühmte Restaurants - und das an Orten wie Paris, New York, London und sogar Kapstadt. Als das britische »Winner’s Dinners« dem »Wandie’s« in Dube, Soweto, den Preis für das beste Restaurant in der Kategorie Ambiente verlieh, runzelte manch einer die Stirn, und das Interesse war geweckt. Die Gourmet-Brigade fiel im bis dahin bestgehüteten touristischen Geheimtipp Südafrikas ein. Und das, obwohl hier keine foie gras (Gänseleberpastete) oder Froschschenkel serviert werden. Hier isst man ausschließlich südafrikanisch.
Wandie’s ist die Art eines Symbols, die Soweto so nötig braucht. Die riesige Township, bewohnt von ganz normalen Arbeiter-Familien, aber auch von den amaGents, die von Kriminalität leben, ist das triste Gegenstück zu den früher rein weißen Edel-Vororten im Norden Johannesburgs. Aber so wie schwarze Manager ihren Weg in die parkartigen Eliteviertel in Sandton finden, beginnen die Weißen sich für das Leben in den Towships zu interessieren, das die Apartheid jahrzehntelang vor ihnen verborgen hat.
Ist man erst einmal hinter die Fassade von Soweto vorgedrungen, erschließt sich eine faszinierende Welt. Von den Shebeens (den einst illegalen Kneipen) über den Jazz, über die Jugendkultur Kwaito, über die Stände der Straßenverkäufer entlang der Heritage Route, die demnächst saniert werden soll, über die Bed & Breakfast-Angebote, über den Soweto Cappuccino Shop über die Verkäufer traditioneller Heilmittel bis nach Diepkloof, wo die wohlhabenden Bewohner Sowetos wohnen: Dies ist Johannesburgs Zwillingsschwester, die so lange auf Notration gesetzt war.
Es wird gemunkelt, dass frühere Bewohner der Township, die in die nördlichen Vororte Johannesburgs gezogen sind, um exklusiv zu leben, am Wochenende hierher zurückkommen, wo das Leben pulsiert. Und trotz der Schlagzeilen von Mord und Totschlag fahren jeden Tag die Touristenbusse durch Soweto. Ein befreundeter Reisejournalist sagt: »Wenn die Dollar- und Pfund-Touristen nach Afrika kommen, wollen sie schwarze Kultur sehen und nicht ihre Zeit in weißen Vororten verbringen. Dafür fährt man nicht in die Kaprepublik.«
Wandile Ndala ist immer ein guter Verkäufer gewesen - die Art Persönlichkeit, die gut und gerne eine Führungsrolle in der »Afrikanischen Renaissance« verkörpern könnte, die hier so viele wahrmachen wollen. Vor zwanzig Jahren hat er Möbel bei Lubners verkauft. »Heute vermissen sie mich da. Ich war sehr gut in meinem Job«, scherzt er, während er die Lunch-Angebote begutachtet und überprüft, ob alles an seinem Platz ist. »Dann kam ich nach Hause und eröffnete eine Shebeen. Die hatte großen Erfolg. Warum? Ich glaube, es lag an der Art, wie wir die Leute behandelten - und wie wir das immer noch tun. Wir hatten eine gute Zeit, viele fröhliche Parties.«
»Ich ließ keine Jugendlichen in meine Kneipe, und das machte viel aus. Dies war nie ein Ort für Jugendparties, wir spielen hier Jazz.« Vor zehn Jahren begannen seine Gäste nach Snacks zu fragen, die sie zu den Drinks verzehren konnten. Wandie begann daraufhin, zusammen mit den Getränken kleine Portionen pap und Steak zu servieren oder Fisch und Chips, dazu chakalaka, einen Dip aus Peperoni, Tomaten, Karotten, Zwiebeln und Chili. Dann fragte ein Freund: »Warum bietest Du solch’ Essen nicht als richtige Gerichte an?« Was er dann auch tat; mit einer kleinen Tageskarte fing er an. Heute stehen bis zu vierzig Gerichte auf der Speisekarte und Wandie arbeitet ständig an neuen Kreationen.
»Geschäftsleute kamen zu uns, und sie brachten ihre Freunde mit. Auch den Leuten aus dem Ort gefiel es, und sie mischten sich darunter.« Als 1994 die ersten freien Wahlen stattfanden, verpflegte Wandie auch Wahlbeobachter und Reporter. Schon 1996 war Soweto ein fester Programmpunkt auf der Route des internationalen Tourismus. Heute steht es auf Platz 16 der meistbesuchten Plätze Südafrikas. »Wir wurden wieder zu einem gefragten Ort, aber diesmal aus den richtigen Gründen«, sagt Wandie. »Die Häuser Nelson Mandelas und Bischof Tutus liegen nicht weit entfernt, und jeder wollte dorthin. Also kamen mehr Leute, um hier zu essen und zu trinken.«
»Ich denke gerne, dass wir ein Teil der Vision dieses Landes geworden sind«, sagt er. »Wir sind ein Vorzeigestück der Gastfreundlichkeit Sowetos, wir helfen anderen Bewohnern der Township zu verstehen, was Tourismus ist und wie wir alle von ihm profitieren können. Wie die Xhosa sagen: du musst ubuntu haben, die Menschen mit Freundlichkeit behandeln, einen Sinn für Humor haben - dann werden sie dich lieben. Und diese Leute werden anderen erzählen, wie die Südafrikaner sind.«
Ich frage ihn, wie viel Soweto vom Aufschwung des Tourismus profitiert hat. »Ein bisschen«, sagt er. »Die Infrastruktur war stark mitgenommen, ebenso wie die Menschen. Es gibt immer noch viel Kriminalität. Aber die Schulen werden wieder aufgebaut, und die Einsicht wächst, dass man für städtische Dienstleistungen bezahlen muss (unter der Apartheidsregierung boykottierten die Bewohner die Zahlungen für Strom und Wasser; die Redaktion). Wir haben diese Botschaft verbreitet. Wenn die Leute uns fragen, warum wir so erfolgreich sind, dann sagen wir ihnen, dass wir alles bezahlen und dass uns deshalb niemand belästigt.«
»Soweto braucht Werbung«, schluss-folgert Ndala. »Wir müssen die Kultur unterstützen, müssen Lieferanten mit einbeziehen, mehr Arbeitsplätze und Übernachtungsmöglichkeiten schaffen.« Kein Wunder also, dass Wandile Ndala, der Besitzer von Wandie’s Place, auch einer der jüngsten Vorstandsvorsitzenden des südafrikanischen Tourismusverbandes ist.
aus: der überblick 02/2001, Seite 82
AUTOR(EN):
Chris Marais:
Chris Marais ist freier Journalist und Fotograf in Johannesburg und betreibt den Feature Dienst Main Line Media.