Leserbrief zum "Erlaßjahr 2000" und zum Artikel: Flagge zeigen: AGKED-Organisationen und die Kampagne "Erlaßjahr 2000", der überblick 2/99, Seite 129
"Entwicklung braucht Entschuldung" war der Slogan der Kampagne "Erlaßjahr 2000". Ziel war es, einigen Entwicklungsländern aus der sogenannten "Schuldenfalle" zu helfen. Obwohl die kirchlichen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit nach meiner Überzeugung sicher in vielen Fällen sehr erfolgreich arbeiten, stelle ich mir die Frage, ob einige von ihnen ihre überseeischen Partner nicht manchmal in eine ähnliche Falle, ich nenne sie "Investitionsfalle", lotsen.
von Leserbrief von Josef Streitel
Nach meiner Erfahrung können die kirchlichen Partner in den Entwicklungsländern durch einseitige Finanzhilfen in ähnliche Situationen geraten wie die staatlichen Nehmer mit ihrem Schuldenproblem. Einseitig in dem Sinne, daß für manche Projekte nur Investitionshilfen gegeben werden, während auf Zuschüsse zu den laufenden Kosten ganz verzichtet wird. An unserem Management Training Institut in Moshi/Tansania haben die kirchlichen Geberorganisationen in den vergangenen Jahren erheblich in Neu- und Umbaumaßnahmen investiert. Dementsprechend sind die Folgekosten wie z. B. der Gebäudeunterhalt und andere Anwendungen wie z. B. Abschreibungen gestiegen, was sich konsequenterweise auch in der Höhe der Studiengebühren niederschlägt. Sie liegen derzeit bei etwa 2500 DM/Jahr (einschließlich Unterbringung und Verpflegung), ein Betrag, der den Jahreslohn eines einfachen Arbeiters in Tansania um mehr als das Doppelte übersteigt. Ähnlich wie die Kredite im staatlichen Bereich zu einer Belastung für die überwiegend arme Bevölkerung werden (z. B. erhöhter Steuereinnahmenbedarf), führen Investitionen zu erheblichen Folgebelastungen, die im Falle unseres Training Instituts von anderen Institutionen (z. B. kirchlichen Gesundheitseinrichtungen, Diözesen, etc.) oder von den Familien der Studentinnen getragen werden müssen und diese oft überfordern bzw. den potentiellen Studentinnen den Zugang zu unserer Einrichtung verwehren. Wie könnte der Weg aus solch einer "Falle" aussehen? Ich denke, daß für kirchliche Hilfsprojekte wie unser Training Institut Finanzierungskonzepte benötigt werden, die Investitionskosten und laufende Kosten in Betracht ziehen. Zumindest für einen begrenzten Zeitraum sollten auch Zuschüsse zum laufenden Betrieb bewilligt werden. Diese könnten zum Beispiel in Form von Stipendien vergeben werden, für die sich die Bewerber durch eine Aufnahmeprüfung qualifizieren müßten, damit auch begabte Studentinnen mit dünnem Geldbeutel oder einem finanzschwachen Arbeitgeber, z. B. einer kirchlichen oder staatlichen Gesundheitseinrichtung, zum Zuge kommen. Zuwendungen zum laufenden Betrieb (z. B. Stipendien) zu bekommen ist jedoch leider ausgesprochen schwierig, wie ich die letzten l 1/2 Jahre immer wieder erfahren mußte. Natürlich können und wollen es sich die Geldgeber nicht leisten, auf Dauer die laufenden Kosten zu übernehmen. Jeder, der mit der Entwicklungszusammenarbeit zu tun hat, kennt den Spruch: Gib einem Menschen einen Fisch und er wird einen Tag lang satt. lehre ihn Fischen und er wird ein Leben lang satt. "Ihn Fischen lehren" heißt für mich aber im übertragenen Sinn, ein Projekt eine Zeitlang zu begleiten und in den ersten Jahren gegebenenfalls auch im Bereich der laufenden Kosten finanziell zu unterstützen. Denn kaufte man dem sprichwörtlichen Menschen nur ein Netz und ein Boot, würde er vielleicht auch verhungern, bevor er das Fischen kann. Josef Streitel Der Autor des Leserbriefes arbeitet mit seiner Frau mit einem DÜ- Vertrag am "Management Training Institut" der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias in Moshi. der überblick - Dezember 1999
aus: der überblick 04/1999, Seite 123