Wie die AIDS-Epidemie die Situation von Witwen verändert
Die Zahl junger Witwen, die unverheiratet bleiben, ist in Sambia durch die AIDS-Epidemie gestiegen. Verwitwete Frauen gelten angesichts von HIV/AIDS einerseits als todgeweihte Opfer, andererseits aber als tödliche Verführerinnen. Als unverheiratet bleibende Frauen passen sie nicht mehr in die hergebrachten Geschlechterrollen und Familienbilder und werden daher ausgegrenzt. Während viele Witwen sehr darunter leiden, nutzen andere diese Zuschreibungen und genießen dadurch größere Freiheiten als verheiratete Frauen.
von Johanna A. Offe
Alice Banda (Name geändert), eine 40-jährige Witwe und Lehrerin an einer höheren Schule in Kasama, der Hauptstadt der Nordprovinz von Sambia, erzählte mir, dass sie permanent in einem Dilemma gefangen sei: Wenn sie sich feine Kleider anziehe, verdächtigten ihre Nachbarn sie, neue Männer angeln zu wollen und mit ihnen »unschickliche« Beziehungen einzugehen. Wenn sie jedoch dunkle, abgetragene Stoffe trage und sich nicht die Haare machen lasse, sagten die Leute, dass sie unter Depressionen leide und wie ihr Ehemann sterben werde. Wie dieses Beispiel verdeutlicht, werden Witwen im nördlichen Sambia einerseits als potentiell gefährdet wahrgenommen und gelten andererseits als gefährliche Verführerinnen.
Die Nordregion Sambias wird seit dem späten 17. Jahrhundert mehrheitlich von den Bemba bewohnt und war seit der Kolonialzeit Reservoir für Arbeitskräfte der Minen im Kupfergürtel von Sambia. Kasama ist zu einem Hauptzentrum für Handel und Verkehr geworden, weil es in der Nähe der Grenze zu Tansania liegt und durch eine neu gebaute Straße und die TAZARA-Eisenbahn gut angebunden ist. Als eine Folge von Arbeitsmigration und Handel hat sich das HI-Virus in der Region stark verbreitet.
In den letzten Jahren ist die Zahl der Witwen angestiegen. Grund dafür ist, dass in der Folge von AIDS sehr viel mehr Männer sterben und viele Frauen nach dem Tod ihrer Ehemänner allein bleiben. Da verwitwete Männer hingegen oft schnell wieder heiraten, gibt es in Sambia sehr viel mehr Witwen als Witwer.
Die Lebenssituation von Witwen hat sich im nördlichen Sambia durch die AIDS-Epidemie beträchtlich verändert. Weil Menschen infolge von AIDS oft sterben, wenn sie noch jung aber bereits verheiratet sind, müssen sich viele der hinterbleibenden Frauen um kleine Kinder kümmern. Viele Witwen sind ihrerseits mit dem Virus infiziert, und einige leiden bereits an den Symptomen von AIDS. Wenn der Ehemann an AIDS gestorben ist, bleibt die restliche Familie oft verarmt zurück, weil die Pflege zu viel Arbeitskraft gekostet und die Geldreserven verbraucht hat. Die HIV/AIDS-Epidemie führt zudem häufig zu Erbschaftsstreitigkeiten zwischen Witwen und ihrer angeheirateten Verwandtschaft, weil Männer oft in einem Alter an AIDS sterben, in dem zwei oder sogar drei Generationen von ihrer Unterstützung abhängig sind. Diese Konflikte um Besitz kommen oft während der Beerdigungen zum Ausbruch. Dabei wird der Witwe von der Familie des Ehemannes im Zeichen von AIDS häufig vorgeworfen, den vermuteten AIDS-Tod ihres Gatten verursacht zu haben: Sie habe HIV in die Ehe gebracht oder ihren Mann nicht davor »geschützt«, mit anderen Frauen sexuell zu verkehren.
Während bis vor zehn Jahren Witwen in der Gesellschaft der Bemba gewöhnlich an einen jüngeren Bruder des Ehemannes »vererbt« wurden, wird die Witwenvererbung heutzutage unter anderem wegen der Angst vor einer HIV-Infektion nicht mehr praktiziert. Viele Witwen entschließen sich dazu, nach dem Tod ihrer Männer unverheiratet zu bleiben, weil sie eine Ansteckung mit HIV fürchten oder unabhängig bleiben wollen. Während das Leben als Single nach dem Tod des Ehemannes früher meist nur eine Übergangsphase war, ist es infolge der AIDS-Epidemie üblich geworden, dass Witwen für den Rest ihres Lebens alleinstehend bleiben. Entweder sie sorgen allein für sich und ihre Kinder oder sie ziehen in das Haus einer Verwandten, gewöhnlich das einer Schwester oder der Mutter.
Viele Witwen verarmen, weil sie weder von ihrer eigenen Familie noch von der ihres Ehemanns Unterstützung erhalten, es gibt jedoch auch einige, die durchaus in der Lage sind, sich und ihre Kinder allein zu ernähren und gut zurechtzukommen. Manche genießen sogar die Freiheit, die sie nach dem Tod ihrer Ehemänner gewonnen haben.
Das Bild von Witwen als Opfer, als ausgegrenzt, verarmt oder anfällig für Krankheiten, ist im nördlichen Sambia weit verbreitet. Dazu tragen Fernsehsendungen und Berichte nichtstaatlicher Organisationen über die Situation von Witwen, über Besitzraub, Enteignung und Armut bei.
Witwen seien sehr anfällig für die Krankheit icikonko, eine Krankheit, die nur von einem traditionellen Arzt geheilt werden kann und mit dem Wort 'Depression' übersetzt wird. So erzählten mir verheiratete Frauen in Kasamba. Die Krankheit werde ausgelöst durch »zu viel Hitze im Herzen«. Witwen, von denen man meint, sie hätten icikonko waren meistens solche, die keine Arbeit hatten und oft daheim blieben. Wenn sie unter icikonko litten, sonderten Witwen sich ab und grübelten über ihre bessere Vergangenheit nach. Sie äßen zu wenig essen und verlören Gewicht, lägen im Bett und, wenn sie nicht richtig behandelt werden, stürben sie schließlich. Man sagt, Witwen sollten ihre Situation akzeptieren und nicht »zu viel zu denken«, um icikonko zu verhindern. Sie werden bemitleidet, von Verwandten und Nachbarn besucht und in schweren Fällen zum traditionellen Arzt geschickt, denn die Krankheit sei 'schlimmer als AIDS'.
Die Auffassung, dass Witwen verwundbar sind, vermischt sich heute mit der Vorstellung, dass sie angesichts HIV/AIDS gefährlich sind. Viele Witwen erzählten mir, dass sie und ihre Kinder nach dem Tod ihrer Ehemänner ständig beobachtet wurden, ob sie irgendwelche Symptome von AIDS entwickelten. Wenn eine Witwe zum Beispiel Gewicht verliert, wird daraus häufig geschlossen, dass ihr Ehemann an HIV/AIDS gestorben ist. Beatrice Kapata (Name geändert), eine 39-jährige Witwe, erzählte mir, dass sie auf jeden Fall zunehmen musste, nachdem ihr Gatte gestorben war, um jeglichen Verdacht zu vermeiden, HIV-positiv zu sein. Weil AIDS so viele unterschiedliche Symptome umfasst, kann schließlich alles von Husten bis zu Kopfschmerzen als Merkmal für die Krankheit angesehen werden und viele Witwen leiden immens darunter, ständig beobachtet zu werden.
Zwischen dem traditionellen Krankheitskonzept icikonko und HIV/AIDS wird eine enge Verbindung gesehen, weil sich die Hauptsymptome Schwäche, Zurückgezogenheit und Gewichtsverlust gleichen. Die Erfahrung, dass Witwen nach dem Tod ihrer Ehemänner in großer Anzahl sterben, bestätigt das lokale Verständnis von ihrer Anfälligkeit, wie es durch icikonko ausgedrückt wird. Außerdem tritt icikonko verstärkt auf, seit es die AIDS-Epidemie gibt, weil diese 'Depression' eine häufige Reaktion auf ein HIV-positiv-Testergebnis ist. Nachbarn, Verwandten und Freunden ist es jedoch wichtig, zwischen den beiden Krankheiten zu unterscheiden. Während bei icikonko Gefühle einer Witwe wie Verlust, Schmerz und Kummer gesellschaftlich anerkannt sind und der Witwe Mitleid einbringen, führt HIV/AIDS zu moralischer Missbilligung. Weil eine HIV-Infektion mit unmoralischem Verhalten assoziiert wird, gilt die körperliche Verfassung einer Witwe als Zeichen dafür, ob sie und ihr Mann eine anständige Ehe geführt haben.
Oft wird auf die große Gefahr und Bedrohung hingewiesen, die von Witwen ausgeht. Witwen seien dafür bekannt, »unmoralische« Beziehungen einzugehen, betonen Männer und verheiratete Frauen. Witwen überwiegend arme Frauen werden von Männern und verheirateten Frauen als 'lüstern' angesehen und verdächtigt, sich zu prostituieren oder wohlhabende verheiratete Männer zu verführen, um an Geld zu kommen.
Das Bild der gefährlichen alleinstehenden Frau, die aus Geldgier Männer verführt, ist im südlichen Afrika weit verbreitet. Ein Mann, der von einer Witwe verführt wird, galt jedoch schon vor dem Auftauchen von HIV/AIDS als besonders gefährdet, krank zu werden. Geschlechtsverkehr mit einer Witwe gilt bei den Bemba als gefährlich, weil der Geist des Mannes auch nach dessen Tod in der Witwe weilt. Hintergrund ist der Glaube, dass jeder Mensch einen Geist hat. Die Geister zweier Menschen vereinigen sich während der Ehe. Der Geist des toten Ehemannes, sein umupashi, verbleibt bei der Witwe und wird eifersüchtig, wenn sie Sex mit einem neuen Partner hat. Dann kann er sich in einen bösen Geist verwandeln, einen icibanda, und Verrücktheit, ja sogar den Tod der Witwe und ihres Partners auslösen. Wegen dieser körperlichen Verunreinigung ist eine Witwe nach dem Tod ihres Ehemannes zahlreichen Einschränkungen unterworfen: Sie darf nicht kochen und muss unbedingt enthaltsam leben.
Bis vor ungefähr zehn Jahren wurde dieser Zustand der Unreinheit einer Witwe durch den rituellen Beischlaf mit einem jüngeren Bruder des Verstorbenen beendet, der die Witwe damit als Ehefrau »erbte«. Der Geist des Ehemannes konnte dann zu der Familielinie seiner Ahnen zurückkehren, und die Witwe war von seinem gefährlichen Einfluss befreit. So war die Unreinheit der Witwenschaft zeitlich begrenzt und endete nach wenigen Monaten. Mit der HIV/AIDS-Epidemie aber hat sich dieses Ritual verändert. Um eine HIV-Infektion während des rituellen Geschlechtsverkehrs zu vermeiden, findet heute ein Ritual statt, bei dem die Verwandten des Mannes der Witwe weiße Perlen um das Handgelenk binden. Der Geist verlässt damit den Körper und die Witwe kann erneut heiraten. Für die Veränderung des Witwenreinigungsrituals gaben die Verwandten des Verstorbenen und die Witwen unterschiedliche Gründe an, und oft kommt es zu Streit über die korrekte Form der Durchführung des Rituals. Es herrscht Unsicherheit über die Wirksamkeit der Witwenreinigung, und das Ritual wird zum Beispiel im Falle von Erbschaftsstreitigkeiten immer wieder aufgeschoben, so dass es oft sehr lange dauert, bis eine Witwe gereinigt wird. Sie gilt daher oft noch sehr lange als »gefährlich«.
Heute wird die Sexualität von Witwen darüber hinaus für gefährlich gehalten, weil angenommen wird, sie seien mit dem tödlichen HI-Virus infiziert. Witwen werden in Sambia häufig beschuldigt, an der Verbreitung des Virus schuld zu sein, weil sie die wirkliche Todesursache des Mannes verheimlichten und andere Männer verführten. Die neue Gefahr AIDS bestärkt also die schon länger bestehende Vorstellung, dass die Sexualität von Witwen bedrohlich ist.
Im nördlichen Sambia stellen die Witwen, die ohne Ehemann leben trotz oder gerade wegen ihrer großen Anzahl fundamentale Kategorien des sozialen Lebens in Frage. Sie können auf drei Ebenen als Grenzgängerinnen zwischen diesen Kategorien bezeichnet werden. Erstens begründet der Tod ihres Ehemannes eine prekäre Übergangsphase, in der sich die Witwe zwischen Leben und Tod befindet. Sie muss einen rituellen Prozess durchlaufen, damit sie wieder voll ins Leben integriert werden kann.
Zweitens befindet sich eine Witwe in einer Zwischenposition zwischen zwei Abstammungslinien. In einer Gesellschaft, in der matrilineare und patrilineare Elemente, also die Zugehörigkeit zur mütterlichen oder väterlichen Verwandtschaftslinie, parallel existieren, entstehen Unklarheiten darüber, zu welcher Seite eine Frau nach dem Tod ihres Mannes gehört. Da die Witwenvererbung nicht länger praktiziert wird und Konflikte um Besitz zugenommen haben, halten viele Witwen nur wenig Kontakt zu ihrer Schwiegerfamilie und kehren oft zu ihren Verwandten mütterlicherseits zurück. Symbolisiert durch den Geist des verstorbenen Ehemannes, tragen Witwen in ihrem Körper allerdings auch weiterhin eine Verbindung zur Familie des Mannes.
Drittens lassen sich Witwen nach dem Tod ihres Ehemannes nicht leicht in die grundlegenden gesellschaftlichen Kategorien von verheiratet oder unverheiratet einordnen. Im Norden Sambias ist der Status einer Frau stark davon abhängig, ob sie verheiratet ist und Kinder hat oder nicht. Die Ehe definiert zudem den Unterschied zwischen legitimer und nicht legitimer Sexualität und Fortpflanzung und ist daher eine wichtige moralische Kategorie. Innerhalb dieser sind vor allem junge Witwen in einer ambivalenten Position, denn sie stellen die Vorstellungen infrage, dass es für Frauen notwendig ist zu heiraten, weil ihre Sexualität und Fortpflanzung kontrolliert werden müssten. Sie haben den Status einer mayo einer Mutter und Frau im Gegensatz zu einem Mädchen, denn sie sind bereits verheiratet gewesen und haben meistens Kinder, sind aber gleichzeitig unverheiratet und noch jung. Darüber hinaus sind Witwen, die nach dem Tod ihres Mannes dem Haushalt allein vorstehen und ihr eigenes Einkommen haben, in einer Position zwischen der traditionellen Männer- und Frauenrolle und stellen damit Normen für die Geschlechter infrage. Wie eine meiner Gesprächspartnerinnen, eine 44-jährige Witwe mit fünf Kindern, es ausdrückte: »Als Witwe musst du Hosen und einen Rock tragen.«
Die oben beschriebene Darstellung von Witwen als gefährliche Verführerinnen und gefährdete Opfer geht auf dieses Grenzgängertum zurück. Sie gefährden die gesellschaftliche Ordnung und werden deshalb als abweichend dargestellt als »Heilige« oder »Hure«. Verstärkt wird diese Abgrenzung dadurch, dass ihre Position Kategorien in Frage stellt, die durch gesellschaftliche Transformationsprozesse ohnehin unsicher geworden sind. Das Modell Ehe zum Beispiel ist im nördlichen Sambia sehr zentral, gleichzeitig aber in der Realität fragil, weil heutzutage und in den letzten Jahrzehnten viele Frauen de facto ohne ihre Ehemänner leben, die im Kupfergürtel oder in der Hauptstadt Lusaka arbeiten und ihre Frauen als »Strohwitwen« zurücklassen. Man könnte denken, dass die Auflösung der Kategorien »verheiratet« und »ledig« das Stigma, eine alleinstehende Witwe zu sein, vermindert. Eine allgemeine Unsicherheit über das Modell von Ehe jedoch scheint nicht zu einer liberaleren Einstellung gegenüber allein lebenden Frauen zu führen. In Kasama verteidigten verheiratete Frauen, deren Männer nicht anwesend waren, das Ideal der Ehe (und ihre Ehemänner!) um so mehr, denn sie fühlten sich von der Auflösung dieses Ideals bedroht.
In ähnlicher Weise sind auch die Kategorien »Leben« und »Tod« sowie das Konzept der Zugehörigkeit zu einem Familienstamm in Zeiten der AIDS-Epidemie besonders in Frage gestellt worden: HIV schafft eine Situation, in der eine Person zwar lebendig, aber zwangsläufig zum Tode verurteilt ist, weil antiretrovirale Medikamente im nördlichen Sambia nicht erhältlich sind. Die Grenzen zwischen Leben und Tod werden undeutlich. Auch die Zugehörigkeit zu Abstammungslinien wird im Zusammenhang mit HIV/AIDS heftig angefochten, weil die Epidemie so viele Abhängige hinterlässt und es häufig zu Konflikten darüber kommt, ob die Verwandten mütterlicherseits oder väterlicherseits, die angeheirateten oder die Blutsverwandten für diese verantwortlich sind. Die daraus entstehenden Konflikte führen dazu, dass je nach Blickwinkel die Witwen als gefährdet oder als Gefahr dargestellt werden.
Durch die Darstellung von Witwen als gefährdete Opfer und gefährliche Verführerinnen leiden viele von ihnen in Kasama unter starker Diskriminierung. Andere Witwen jedoch wissen diese Vorstellungen von Verwundbarkeit und Gefahr für sich zu nutzen. Durch das Krankheitskonzept icikonko haben Witwen eine anerkannte Möglichkeit, ihrem Schmerz und ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Einige Witwen wiederum nutzen die Vorstellung, ihr Körper sei gefährlich. Tendenziell sind dies Witwen, die in der Stadt leben, die isoliert sind, aber sich selbst und ihre Kinder mit einem eigenen Einkommen ernähren können. Gloria (Name geändert), eine verwitwete Krankenschwester, die in einem armen Stadtteil von Kasama lebt, erzählte mir, indem sie auf ihren Unterleib zeigte: »Es ist gefährlich mit einer Witwe Sex zu haben, weil wir den icibanda [bösen Geist] haben, der jeden tötet, der mit uns Sex hat.« Und Brenda (Name geändert), eine 28-jährige HIV-positive Witwe, berichtete, dass sie einen Tag vor unserem Gespräch von einem alten Mann belästigt worden war, als sie Kleider kaufte. Um seinen Annäherungen zu entgehen, sagte sie: »Ich bin HIV positiv. Wenn du mir folgst, folgst du dem Tod.«
Gloria und Brenda benutzen die vermeintliche und reale Gefahr, die von ihren Körpern ausgeht, um Beziehungen zu Männern zu kontrollieren und können sich so vor HIV/AIDS schützen und unabhängiger leben. Ein Leben ohne Ehemann ist für viele Witwen ein Vorteil, besonders für diejenigen, die arbeiten oder im Kleinhandel tätig sind, weil sie in ihrer Mobilität weniger eingeschränkt werden. Zwar hat das Bild der Witwe als Opfer den Vorteil, Aufmerksamkeit, Unterstützung und Mitleid auszulösen, es führt aber auch zu einer passiven Rolle der Witwen. Die Vorstellung, sie seien gefährlich, verschafft ihnen hingegen ein gewisses Maß an Respekt und Macht. Die Uneindeutigkeit ihrer Rolle kann für einige Witwen insbesondere für solche, die selbständig Geld verdienen befreiend sein. Sie eröffnet ihnen die Möglichkeit, die Grenzen der Frauenrollen zu überschreiten, indem sie zum Beispiel die Kontrolle über ihre Sexualität gewinnen ein Einfluss, der gerade in Zeiten von HIV/AIDS lebenswichtig ist.
aus: der überblick 02/2005, Seite 11
AUTOR(EN):
Johanna A. Offe
Johanna A. Offe promoviert am Institut für Ethnologie der Freien Universität Berlin über die Situation von Witwen im Kontext von HIV/AIDS in Sambia.