Die Jugend in Tansania spürt keine Besserung infolge der Stabilität der Wirtschaftsdaten
Die unter dem 1995 gewählten Präsidenten Benjamin Mkapa forcierte Liberalisierung der Wirtschaft Tansanias verfolgen Jugendliche und von Entlassung betroffene Arbeiter und Angestellte des Landes mit Skepsis und Ablehnung. Erfolge der Privatisierungspolitik und der Anwerbung ausländischen Kapitals stellen sich für das tägliche Leben nicht ein. Deshalb bewerten viele Tansanier die Öffnung der Wirtschaft als Ausverkauf der Ressourcen des Landes.
von Moses Kulaba
Früher verband man mit Tansania erstklassige Gewürznelken und Sisal sowie Kaffee von den Hängen des Kilimandscharo und den Küsten des Viktoriasees. Als das 20. Jahrhundert sich dem Ende zuneigte, war der Staat in Ostafrika zur Karikatur eines afrikanischen Landes herabgesunken, das sich mit seiner Armut und einer gewaltigen Auslandsschuld herumschlagen musste. Tansania, früher von den Deutschen liebevoll als "das Land von Häuptling Mkwawa und dem Hehe-Aufstand" bezeichnet, war zu einem leeren und verarmten Streifen afrikanischen Territoriums geworden, den die Weltbank und das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) als eine der ärmsten Gegenden der Welt einstufen.
Während manche die große Armut auf Nyereres sozialistische Politik zurückführten, betonten andere, Tansania sei schon zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit sehr arm gewesen. Der erste Präsident des unabhängigen Tansania hatte einen verarmten Staat übernommen, dessen Ressourcen von den Kolonialherren geplündert worden waren. Während einige Wissenschaftler und Polit-Gurus für eine Prüfung von Nyereres sozialistischen Ansätzen eintraten, empfahl die Mehrheit, die sozialistischen Ziele völlig aufzugeben und auf die kapitalistischen Triebkräfte einer freien Marktwirtschaft zu setzen. Mit diesem neuen Wirtschaftssystem sollte der Staat auf die Kontrolle der Wirtschaft verzichten und die Verteilung der Ressourcen den Kräften von Angebot und Nachfrage überlassen.
1985 hatten sich die Befürworter dieses Ansatzes durchgesetzt. Die neue politische Führung unter Präsident Ali Hassan Mwinyi setzte eine kapitalistische Wirtschaftspolitik in Gang und erklärte, Tansania bewege sich einen Schritt vom Sozialismus weg. Mwinyi liberalisierte die Wirtschaft und führte ein neues Wort als Richtschnur für Politik und Geschäftsleben ein: Rukusa (Swahili für "Erlaubnis"). Unter Mwinyis Regime bedeutete Rukusa, dass man seinen Geschäften nachgehen konnte, ohne staatliche Kontrolle befürchten zu müssen.
Die verkümmerte Geschäftswelt nutzte die Gelegenheit, mittels illegaler Unternehmungen Geld zu machen, ohne Steuern zu zahlen. Die Jugendlichen griffen in Windeseile westliche Moden auf, trugen westliche Designer-Kleidung, Schuhe und Jeans. Michael-Jackson-Hosen, Sneakers und amerikanische Haarschnitte waren auf den Straßen Dar es Salaams allgegenwärtig. Die "neue" Weltordnung war nach Tansania gekommen.
Doch nachdem mittlerweile einige Jahre vergangen sind, ist den jungen Leuten klar geworden, dass die Chancen, die sich durch die Wende zum Westen eröffnen, nicht so rosig sind, wie es den Anschein gehabt hatte. Präsident Benjamin Mkapa, der Mwinyi 1995 im Amt folgte, nahm wichtige Reformen in Angriff. Er wies mittels Steuern das aufkeimende Kleinbürgertum in seine Schranken und dämpfte die überzogenen Erwartungen der Jugend.
Präsident Mkapas konsequente Steuerpolitik ließ die großen Geldvorräte der Geschäftsleute schrumpfen, und die erfolgreiche Eindämmung der dreistelligen Inflation machte es schwieriger, schnelles Geld zu verdienen. Mit dieser Politik hat sich Präsident Mkapa bei einem Großteil der Jugend unbeliebt gemacht. Heute schwärmt die Jugend von den Zeiten Präsident Mwinyis und seines Vorgängers Nyerere. Gern reden die Jugendlichen von Mwinyis Regime als der Zeit von Rukusa und Überfluss, Nyerere nennen sie liebevoll Baba wa Taifa, den Vater der Nation.
Präsident Mkapa, der sich selbst einen Kämpfer gegen die Armut nennt, hat die meisten der Wirtschaftsreformen, die der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank vorschreiben, begrüßt. Seit über fünf Jahren schlägt sich Mkapa mit der Privatisierung staatlicher Betriebe herum und versucht, die Tansanier davon zu überzeugen, dass dies das richtige Rezept für die gescheiterten Staatsbetriebe sei. Er unterstützte die Einrichtung der Presidential Parastatal Sector Reform Commission (Kommission des Präsidenten für die Reformierung des parastaatlichen Sektors, PSRC), die 1993 gebildet worden war, um die 395 Staatsbetriebe zum Verkauf anzubieten. Im Jahr 2000 waren etwa 330 dieser Firmen bereits verkauft oder liquidiert, ein weiteres Dutzend befand sich im Endstadium der Privatisierung und wurde auf dem Weltmarkt angeboten.
Der Präsident, begleitet von führenden Technokraten seiner Regierung, ist darüber hinaus von einer Wirtschaftsregion zur anderen gereist, um ausländische Investoren nach Tansania zu locken. Mkapa ist der Meinung, dass seine Privatisierungspolitik das Land von der Bürde befreien wird, ineffiziente Betriebe unterstützen zu müssen. Ausländische Direktinvestitionen würden dem Staatshaushalt über Steuerzahlungen zusätzliche Einnahmen bescheren. Beides würde neue Arbeitsplätze schaffen und den Lebensstandard der Tansanier heben.
Die Wirtschaftsentwicklung auf der Mikro-Ebene deutet allerdings darauf hin, dass die Bemühungen des Präsidenten womöglich vergeblich sein werden. Beide Prozesse haben bisher nicht oder kaum dazu beigetragen, die Lebensverhältnisse der Mehrheit der Tansanier zu verbessern. Vielmehr hat diese Politik für den durchschnittlichen Tansanier bisher recht unangenehme Folgen gehabt. Solche Verschlechterung versetzt die meisten Tansanier, vor allem die Jugendlichen, in Wut und lässt sie die Zukunft ihres Landes in Frage stellen. Die Privatisierung hat hohe Einsparungen nach sich gezogen und daher die Arbeitslosigkeit und das Elend verschärft. Die Einwerbung ausländischer Direktinvestitionen ist insgesamt fragwürdig, und die Erfolge lassen noch auf sich warten.
Den Käufern ehemaliger Staatsfirmen liegt wenig daran, die Rechte der Arbeiter zu respektieren. Entlassene Arbeiter warten seit Jahren auf ihre Abfindung, andere, die weiter beschäftigt werden, haben unsichere, schwammig formulierte Verträge. Die Folgen für die tansanischen Familien sind wachsende Armut und soziales Elend.
Die früheren Beschäftigten mancher Staatsbetriebe haben sich auf die dörflichen Regionen verteilt und klaglos ein Leben in Armut auf sich genommen. Andere haben sich gewehrt, juristisch oder mit Gewalt - manchmal mit beidem -, um sich Gehör zu verschaffen. Manche Beschäftigte in noch existierenden, aber schon zum Verkauf stehenden Staatsbetrieben haben die üblichen Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die neue private Firmenleitung ihre Büros nicht betritt, bevor die Frage der Abfindungen geklärt ist.
Klassische Beispiele, wie verfahren die Situation ist, sind die Demonstrationen der Arbeiter der Tanzania Electric Supply Company (TANESCO) und der National Shipping Company (NASACO) im April und Mai 2002. TANESCO ist der zur Privatisierung vorgesehene ehemalige staatliche Monopolist für Energieversorgung; NASACO, das Staatsunternehmen für den Schiffsverkehr, besteht praktisch nur noch aus dem bürokratischen Apparat, nachdem all seine Dienstleistungen von privaten Firmen übernommen werden durften.
Obwohl die Arbeiter und Angestellten sich dagegen wehrten, bestand die Regierung darauf, die TANESCO zu privatisieren. In aller Stille wurde ein Vertrag mit der südafrikanischen Management-Firma Net-Group Solutions geschlossen, die die Firma auf die vollständige Privatisierung vorbereiten sollte. Der Vertrag sah vor, dass Net-Group Solutions das Management von TANESCO übernehmen und über die 6000 Beschäftigten bestimmen sollte. Auch eine Erhöhung der Energietarife war geplant, um die Firma profitabel zu machen, damit sie für einen privaten Investor interessant würde. Die Beschäftigten, die Öffentlichkeit und das Parlament lehnten dieses Vorgehen ab, aber die Regierung beharrte auf ihrem Standpunkt und unterschrieb den Vertrag. Damit löste sie einen Streik der Belegschaft aus, der das ganze Land in Mitleidenschaft zog.
Die Beschäftigten von TANESCO verhinderten die Versuche der Regierung, dem neuen südafrikanischen Management den Energieversorger zu übergeben. Zwei Tage lang kampierte der harte Kern der Belegschaft vor dem Firmensitz in Dar es Salaam und forderte die Regierung auf, klarzustellen, wie unter dem neuen Management die Arbeitsverträge und - bei freiwilliger Kündigung - die Abfindungen aussehen sollten.
Die Arbeiter behaupteten, dass Net-Group Solutions den Boden für den riesigen südafrikanischen Energiekonzern Eskom bereiten solle. Der plane, Anteile an TANESCO zu kaufen und einen Absatzmarkt für Stromerzeugungsgeräte aus Südafrika zu schaffen. Das Manöver würde drei einheimische Firmen - Mbeya Woodpole Factory, Tanalec ABB und Tanzania Cables - sowie andere Produzenten von Strommasten, Transformatoren und Kabel in den Ruin treiben. Ihr Zusammenbruch würde noch mehr tansanische Familien ins Unglück stürzen, die ihre Arbeitsplätze und ihre Lebensgrundlage verlieren würden. Deshalb beschlossen die Arbeiter, sich gegen die Übernahme zu wehren, bis Net- Group Solutions und die Regierung die beiden offenen Fragen geklärt hätten.
Der Streik der Beschäftigten von TANESCO folgte unmittelbar auf einen Streik ihrer Kollegen der NASACO. Die Beschäftigten des großen Schifffahrtsbetriebs kampierten Anfang April 2002 vor den Türen der Kommission für die Reform des parastaatlichen Sektors und verlangten ihre Abfindungen und Löhne, die seit mehr als zwei Jahren ausstehen.
Die beiden Demonstrationen der wütenden Belegschaften waren nicht nur ein Angriff auf die Staatsorgane, sondern auch auf den gesamten Planungsapparat. Indem sie ihren Streik vor die Tür der PSRC trugen - diese ist das Herz und ausführende Organ der Privatisierungspolitik -, zeigten die Arbeiter der Regierung, dass ihre Planer versagt hatten. Ein Demonstrant charakterisierte den Privatisierungsprozess als "eine Verschwörung einer kleinen Regierungselite, um ahnungslose arme Tansanier auszurauben und die Interessen der westlichen internationalen Finanzinstitutionen und ihrer Geldgeber zu befriedigen."
Die Regierung ist bisher nicht in der Lage gewesen, der Öffentlichkeit Geld vorzuweisen, das durch den Verkauf der Staatsbetriebe eingenommen worden ist. Die Behauptung der PSRC, das Geld sei für Abfindungen ehemaliger Beschäftigter ausgegeben worden, bestritten die NASACO-Arbeiter. Im Jahr 2000 räumte die Bank of Tanzania ein, dass ungeklärte Schulden, die Sparpolitik und die Unterkapitalisierung den Privatisierungsprozess behinderten.
Auch die Politik der Regierung, ausländische Investoren ins Land zu holen, ist ins Kreuzfeuer öffentlicher Kritik geraten. Diese Bemühungen haben sich als ein Luftschloss erwiesen, das keine Lösung für die Schwierigkeiten der Tansanier und besonders der Jugendlichen bietet. Auslandsinvestitionen sind zwar wichtig, um dem Land mehr Umsatz, höhere Steuereinnahmen und neue Arbeitsplätze zu bescheren, aber in Tansania haben sie keine wirtschaftlichen Verbesserungen bewirkt. Die Verzweiflung und Wut der meisten Jugendlichen hat zugenommen.
Ein kürzlich in der Presse veröffentlichter Hintergrundbericht zeigte, dass die meisten der so genannten ausländischen Investoren Betrüger waren. In einem Fall kam zum Beispiel ein reicher Geschäftsmann mit ein paar Dollar in der Tasche ins Land geflogen, um die Mindestanzahlung von 10 Prozent für einen privatisierten Staatsbetrieb zu leisten. Er benutzte dann den Kaufvertrag, um sich bei einheimischen Banken Kredite zu verschaffen, um die Konten des Betriebs auszugleichen und ein paar Reparaturen vorzunehmen, damit der Betrieb arbeiten konnte. In diesem Fall kamen keine Devisen als ausländische Investitionen ins Land, sondern der geschickte Geschäftsmann übernahm den Staatsbetrieb und nutzte die zur Verfügung stehenden Investitionsanreize aus, um dicke Profite zu machen.
Abgesehen von schäbigen Geschäften, die dem Land nicht die dringend benötigten Finanzspritzen verschaffen, haben ausländische Investoren sich vorwiegend auf die lukrativsten Bereiche wie Bergbau und Tourismus beschränkt. Weniger Aufmerksamkeit hat die Landwirtschaft erfahren, die der wichtigste Sektor der tansanischen Wirtschaft ist. Statistiken des Tanzania Investment Center (TIC) zeigen, dass von den 1496 Projekten, die bis Juni 2000 genehmigt worden waren, nur wenige mit Landwirtschaft zu tun hatten, die Mehrzahl waren Projekte des Manufaktur- und Tourismussektors. Zur gleichen Zeit hatte der Bergbau eine Wachstumsrate von neun Prozent, während die landwirtschaftliche Produktion stark zurückging.
Es konnten auch Indizien dafür zusammengetragen werden, dass ein beträchtlicher Teil von Tansanias Naturressourcen aus dem Land gebracht wird, ohne dass die Regierung davon erfährt. 1999 zeigten offizielle Statistiken der US-Regierung, dass Lieferungen des Edelsteins Tansanit, der ausschließlich in Tansania zu finden ist, im Wert von 300 Millionen US-Dollar in die USA gegangen waren. Lediglich zehn Prozent dieser Importe wurden dem tansanischen Ministerium für Energie und Mineralien gemeldet.
Das südafrikanische Bergbauunternehmen African Gems Limited (AFGEM) hatte, so wurde vermutet, viele Millionen US-Dollar aus dem Verkauf des blauen Edelsteins in die eigene Tasche gesteckt, aber nur einen Bruchteil davon deklariert. Die Firma, die einen Großteil der Edelsteine in Tansania abbaut, wies die Anschuldigungen zurück und machte nicht registrierte Edelstein-Schürfer und unabhängige Händler für die illegalen Exporte verantwortlich. Analysten gehen davon aus, dass solche Geschichten auch für viele andere Firmen typisch sind. Der Fall von AFGEM ist wohl nur einer von vielen, in denen ausländische Firmen hohe Profite im Land machen, aber nur einen kleinen Teil davon versteuern.
AFGEM und die kanadische Bergbaufirma Barrick Gold, die unter dem Namen Kahama Mining Company (KMCL) auftritt, haben sich weite Landstriche gesichert, indem sie mit Gewalt kleine selbstständige Bergleute meist jugendlichen Alters aus Mererani und Bulyanhulu vertrieben haben. Dort lagern Tansanit beziehungsweise Gold. Indem sie in den Bergbau vordringen, sind die ausländischen Investoren auch ins Herz eines Wirtschaftssektors gestoßen, der früher tansanischen Jugendlichen eine Lebensgrundlage geboten hatte.
Der Ruf dieser zwei Firmen in der tansanischen Bevölkerung, vor allem bei der Jugend, ist daher alles andere als gut. Gegen beide hat es wiederholt Klagen wegen Zwangsarbeit und sogar wegen wahlloser Morde an selbstständigen Bergleuten in Mererani und Bulyanhulu gegeben. Sicher ist zumindest, dass solche Vorwürfe auf dem Boden der Verzweiflung gedeihen, die junge Tansanier erfasst. Sie empören sich über die Geschwindigkeit, mit der die Naturressourcen ihres Landes von ausländischen Firmen "aufgesogen" werden.
Ausländische Investoren anlocken zu wollen, bedeutet für die meisten Tansanier modernen Kolonialismus oder eine neue Version des berüchtigten Transatlantikhandels mit Sklaven. Der einzige Unterschied besteht darin, dass zur Zeit des Transatlantikhandels der weiße Kaufmann mit Gewalt einen kräftigen Afrikaner und seine schönen Goldstücke raubte, ohne irgendeine Gegenleistung zu erbringen, während in der neuesten Version der reiche weiße Kaufmann Tansanias Naturressourcen aus dem Land schafft und sich dabei zu Nutze macht, dass er vom Staat eingeladen worden ist. In dieser jüngsten Version machen Regierungsbeamte und die Repräsentanten reicher ausländischer Firmen das Geschäft im Austausch für ein wenig Steuern und Gebühren.
Diese missliche Situation hat bei den meisten Tansaniern die Erinnerung an die Ära des früheren Präsidenten Julius Nyerere wiederbelebt. Damals nahm der Stolz auf die Schönheit der tansanischen Naturressourcen einen Ehrenplatz auf der Tribüne des nationalen Bewusstseins ein. Motiviert von seiner sozialistischen Ideologie versprach Nyerere, dass Tansanias Ressourcen zum Nutzen der Tansanier vom Staat geschützt werden würden. Es ist Nyerere vielleicht nicht gelungen, dass die Leute in Dar es Salaam mehr Geld in der Tasche hatten, aber er kümmerte sich sehr um sein Volk, und er hatte eine Vision für das Land, als er die 395 Staatsbetriebe ins Leben rief.
Die Architekten der heutigen Privatisierung rechtfertigen ihr Vorgehen damit, dass die Staatsbetriebe keinen Gewinn abgeworfen haben. Die Jugendlichen aber argumentieren, dass das Versagen von Firmen wie Morogoro Shoe Factory, Ubungo Spinning Mills, Urafiki Textile Company, Tanzanian Plastics Limited und anderen allein auf unfähiges Management zurückzuführen sei.
Die meisten vom Staat eingesetzten Generaldirektoren und Vorstandsvorsitzenden waren Nyereres Genossen aus dem Unabhängigkeitskampf und Kader der Regierungspartei Chama Cha Mapinduzi (Partei der Revolution, CCM). Das waren starke politische Führer, aber ihnen fehlte der Geschäftssinn, um Industriesektoren und Fabriken zu leiten. Statt diese Firmen zu verkaufen, wäre es deshalb besser gewesen, ihre Verwaltungsstrukturen, ihre Einstellungspolitik und ihre Richtlinien zu verändern. Falls die Privatisierung die beste Lösung sein sollte, war sie jedenfalls schlecht geplant, überstürzt ausgeführt, und Tansania war auch nicht reif dafür.
Präsident Mkapa ist ganz sicher ein guter politischer Führer. Wenn man den Statistiken der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds trauen kann, ist er vielleicht einer der besten afrikanischen Politiker unserer Zeit. Unter seiner Regierung sank im Juni 2000 die Inflation auf ein Rekordtief von 5,9 Prozent. 1994 hatte sie noch 33,4 Prozent betragen. Die Rate des Wirtschaftswachstums ist 2001 auf 5,5 Prozent gestiegen, für 2003 werden 6 Prozent erwartet. Aber es ist noch nicht recht zu sehen, ob diese spektakulären Zahlen sich günstig auf das Alltagsleben auswirken. Aus diesem Grund wollen die Jugendlichen von einigen der wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung nichts wissen.
In seiner Darstellung der wirtschaftlichen Zukunft Tansanias nennt Alphonse Siara, ein Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensberater, die eindrucksvollen Zahlen und Indikatoren, auf die die Weltbank und die Regierung stolz sind, eine "Illusion von Fortschritt". Er bemerkt, dass der wachsenden Zahl von Geländewagen auf den Straßen Dar es Salaams und den schicken Villen in Msasani und Mbezi die wachsende Zahl der Arbeitslosen und Obdachlosen gegenübersteht, ebenso wie die zunehmende Misere armer Familien. Es gibt zwar mehr Gesundheitszentren auf dem Land, die Gesundheitsversorgung ist jedoch teurer geworden als je zuvor, und die Landbevölkerung kann sie sich kaum leisten. Die Einkommen in der Landwirtschaft, von denen die meisten Tansanier abhängen, sind gesunken und haben immer mehr Menschen in Armut und Hunger getrieben. Daher meint Siara, dass Tansania eher am Rand des Abgrunds als des Aufschwungs steht.
Ob Siara Recht hat oder die Regierung, wird die Geschichte zeigen. Ein guter Staat schützt jedenfalls seine Bevölkerung und ihren Besitz. Genau das muss Tansania tun. Die Regierung mag anderer Meinung sein, aber ein Freibrief für die Privatwirtschaft, ohne staatliche Kontrollen tätig zu werden, ist gefährlich für jeden Staat, dessen Bevölkerung noch arm und verletzbar ist. Lebenswichtige Dienstleistungen wie Wasser und Strom zu privatisieren, bedeutet auch, die Armen zu einem Leben in der Steinzeit zu verdammen.
Die makroökonomischen Reformen, die 1985 begannen, bedeuteten vielleicht das Ende von Nyereres sozialistischer Ära und den Start für Tansanias Flug in eine bessere Zukunft. Aber für viele junge Leute lässt diese Zukunft auf sich warten. Bis jetzt leben viele von ihnen in Angst vor wirtschaftlichen Unwägbarkeiten, und jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben.
Benzin-DiebstahlGefährliche GeschäfteIn Dar es Salaam wird an vielen Stellen gestohlener Treibstoff verkauft. Während früher meist eine große Pipeline angebohrt wurde, wird seit einiger Zeit auch für die TAZARA-Eisenbahngesellschaft bestimmter Treibstoff entwendet, berichtete die tansanische Zeitung Guardian Anfang Februar. Bei der Entladung der Tanklastwagen in der Nacht wird Benzin in Kanister abgefüllt, die dann nach Augenzeugenberichten mit Autos abtransportiert werden. Da einige der Täter bewaffnet seien, traue man sich nicht, die Behörden zu alarmieren. Die Bewohner des Stadtteils Mtoni-Kizinga klagen über Geruchsbelästigung und Gesundheitsgefahren und leben in der ständigen Furcht, dass sich eines Tages ein Unfall ereignen werde. Nach ihren Angaben wird der Treibstoff an Tankstellen im Stadtgebiet von Dar es Salaam verkauft. Benzin und Diesel werden aber auch einfach am Straßenrand angeboten - zu einem Preis, der unter dem der Tankstellen liegt. Taxi- und Busfahrer sollen die besten Kunden sein. Nach einem vom Guardian zitierten Augenzeugenbericht läuft der Verkauf folgendermaßen ab: "Die Fahrer halten einfach an, ein paar junge Männer kommen mit Kanistern aus den Büschen hervor, füllen den Tank und verziehen sich mit dem eingenommenen Geld wieder." Das geschehe vor den Augen der erstaunten Passagiere. Auf die Frage, warum die Polizei nicht einschreite, ergänzt ein anderer: "Ich bin ziemlich sicher, dass die Polizei an diesem Geschäft beteiligt ist." Ein Vertreter der Polizei warnte vor dem illegalen Verkauf von Benzin und Diesel, weil er gefährlich sei. Nach seinen Angaben füllen Jugendliche das Benzin auch in Plastiktüten ab. Die Polizei werde Menschen, die beim illegalen Verkauf von Treibstoff erwischt werden, hart bestrafen. rwl |
aus: der überblick 02/2002, Seite 30
AUTOR(EN):
Moses Kulaba:
Moses Kulaba arbeitet als Journalist für die Tageszeitung The African, die in Dar es Salaam erscheint.