Schon seit vielen Jahrzehnten werden sie von entwicklungspolitisch und ökumenisch interessierten Leserinnen und Lesern geschätzt: "der überblick" und "eins Entwicklungspolitik", hervorgegangen aus epd-Entwicklungspolitik.
Nun werden zwei der renommiertesten deutschsprachigen Publikationen im Bereich Entwicklungspolitik, Ökumene und internationale Zusammenarbeit und Kultur zusammengehen. Das ist zumindest die Vorstellung, die im Aufsichtsrat des Evangelischen Entwicklungsdienstes entwickelt worden ist.
Beide Zeitschriften werden vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) mitfinanziert. Da die Kirchensteuereinnahmen sinken, muss der EED seine Zuschüsse für Publizistik reduzieren. Intensive Beratungen mit allen Beteiligten haben ergeben, dass die Verbindung einer entwicklungspolitischen Fachpublikation ("eins") mit der ökumenischen Perspektive einer außenpolitischen Kulturzeitschrift ("der überblick") die beste Lösung des finanziellen und strukturellen Problems ist. Daraus kann nun ein langjährig gesichertes Magazin mit hohem Niveau und weitem Horizont werden, das sich entwicklungspolitischen und internationalen Fragen widmet. Die Vision ist klar, nun müssen die Einzelheiten erarbeitet werden.
Das bewährte Charakteristikum beider Zeitschriften wird bleiben: redaktionelle Unabhängigkeit. Auch klare Anwaltschaft für die Armen und die Bereitschaft, kritische Themen aufzugreifen, werden weiterhin Markenzeichen des gemeinsamen Produkts von "eins Entwicklungspolitik" und "der überblick" sein.
Wilfried Steen
Aus "eins" Nr. 13-14, Juli 2006
Wilfried Steen hat ein freundliches, ein allzu freundliches Bild des vom Vorstand des EED verfolgten Vorhabens gezeichnet, "eins Entwicklungspolitik" und "der überblick" zusammenzulegen. Die beiden Zeitschriften werden von Wilfried Steen als "zwei der renommiertesten deutschsprachigen Publikationen im Bereich Entwicklungspolitik, Ökumene und internationale Zusammenarbeit und Kultur" gelobt, und dieses Lob haben sie auch verdient. Aber warum sollen die Zeitschriften dann aufhören, In ihrer jetzigen Form oder überhaupt weiterzuexistieren?
Wilfried Steen schreibt, "intensive Beratungen mit allen Beteiligten" hätten zu dem Vorschlag der Zusammenlegung geführt. Das ist zumindest missverständlich. Die Herausgeberkonferenz des "überblick" hat einen Monat bevor der Vorstand dem Aufsichtsrat den Vorschlag unterbreitete, einmütig (mit einer Gegenstimme) gegen die Zusammenlegung votiert und den EED aufgefordert, stattdessen den Rahmen für eine ernstharte Prüfung der Möglichkeit zu schaffen, beide Zeitschriften weiterzuführen. Der Vorstand ist dem nicht gefolgt, sondern bei seiner Linie geblieben wie gesagt: gegen das einmütige Votum der Herausgeberkonferenz. Das bleibt bei Wilfried Steen gänzlich unerwähnt.
Wilfried Steen verweist zur Begründungen der Entscheidung, beide Zeitschriften zusammenzulegen, auf finanzielle und strukturelle Probleme. Es ist einsichtig, dass die in einem Kurzartikel nicht weiter ausgeführt werden können. Die Crux ist, dass über diese Probleme und deren Stellenwert insgesamt wenig Klarheit besteht. Als der Vorstand des EED die Herausgeberkonferenz des "überblick" im Mai 2005 damit konfrontierte, dass die Bezuschussung des "überblick" um 50 Prozent gekürzt werden müsse, wurden dafür zunächst die allbekannten Sparzwänge ins Feld geführt. Es wurde jedoch nicht deutlich, warum "der überblick" um 50 Prozent gekürzt werden soll, obwohl die durchschnittlichen Kürzungsvorgaben in den kirchlichen Institutionen bei 25 Prozent liegen und der Haushalt des EED auf Grund der staatlichen Zuweisungen wächst. Wenn hier das zunehmende Ungleichgewicht zwischen staatlichen und kirchlichen Mitteln im Haushalt das Problem war, hätte man mit dem BMZ über die spezielle Problematik der Förderung des "überblick" sprechen können. Das ist meines Wissens nicht geschehen.
Da das finanzielle Argument dem Vorstand selbst offenbar nicht ausreichend erschien, wurde von seiner Seite auf "strukturelle Gründe" verwiesen, die in der Unvereinbarkeit der Arbeitsweisen einer kirchlichen Entwicklungsagentur und einer Zeitschriftenredaktion liegen sollen. Im Rahmen des alten kirchlichen Entwicklungsdienstes hat das keine Rolle gespielt. "der überblick" ist als die Zeitschrift von Dienste in Übersee gegründet worden und hat als Zeitschrift der AG KED über Jahrzehnte reibungslos gearbeitet. Strukturelle Inkompatibilitäten sind dabei meines Wissens von niemandem geltend gemacht worden. Das legt den Schluss nahe, dass die neue Personalkonstellation nach Gründung des EED für das Verhältnis zwischen der Entwicklungsagentur und der Zeitschrift eine größere Rolle gespielt hat als eine strukturelle Unvereinbarkeit der beiden Einrichtungen.
Die bisher von Seiten des Vorstandes formulierten Perspektiven für die Umsetzung des Beschlusses, die beiden Zeitschriften zusammenzulegen, dürfte dem im Kirchenamt der EKD offenbar bestehenden Interesse entgegenkommen, eine Zentralisierung der evangelischen Publizistik beim GEP in die Wege zu leiten. Das geschieht aus Gründen, die bezogen auf die beiden hier betroffenen Zeitschriften nichts mit der von Ihnen vertretenen Sache an sich zu tun haben, sondern eher in dem jüngsten Memorandum des Rates zur Neuordnung der Kirchenverhältnisse zum Ausdruck kommen. Es geht um Straffung, Sanierung des Kerngeschäfts und Stärkung der Steuerungsfähigkeit der Zentrale in dem Bemühen, sich unter widrigen Zeiten zu behaupten. Für die Zielkonflikte, die dabei entstehen (in diesem Falle etwa mit Blick auf die Aufrechterhaltung kirchlicher Präsenz in Kreisen der Entwicklungspolitik und der Ökumene), gibt es offenbar immer nur suboptimale Lösungen.
Der Blick nach vorn, zu dem Wilfried Steen ermuntert, fällt schwer. Denjenigen, die sich seit mindestens einem Jahr in dieser Sache engagieren, stellt sich die bittere Frage, welche Rolle sie eigentlich gespielt haben. Waren sie nur nützliche Idioten, deren Engagement jetzt für die Rechtfertigung einer Entscheidung genutzt wird, deren Eckpunkte schon bei Beginn der "intensiven Beratungen" feststanden? Wozu ist die Herausgeberkonferenz überhaupt noch einmal zusammengerufen worden, wo doch die "Lösung" schon vor der Konferenz feststand und die auf der Konferenz anwesenden Vorstandsmitglieder (neben Wilfried Steen Konrad von Bonin) während der Sitzung klarmachten, dass das Votum der Herausgeber keinen Einfluss auf den Vorschlag des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat haben würde? Es wäre wohl besser gewesen, vor einem Jahr zur Kenntnis zu nehmen, dass der "überblick" aufgegeben werden soll (50 Prozent Kürzung bedeuten eben dies für eine Zeitschrift, deren Redaktion ohnehin auf dem Zahnfleisch kraucht). Damit wären die Verantwortlichkeiten klar gewesen. Die Aufgabe der Zeitschrift erfolgt jetzt in der Form einer "Zusammenlegung", für die es kein publizistisches Konzept, sondern lediglich organisatorische Überlegungen gibt. Ob die Weiterverwendung des Titels "der überblick" der Redaktion und der Leserschaft des real existierenden "überblick" christlichen Trost spenden wird, wage ich zu bezweifeln.
Lothar Brock
Aus "eins" Nr. 17, September 2006
Wilfried Steen ist Mitglied im Vorstand des Evangelischen Entwicklungsdienstes und theologischer Berater für "der überblick".
Lothar Brock ist Professor Emeritus für Politikwissenschaft der Universität Frankfurt/M., Vorsitzender der EKD-Kammer für nachhaltige Entwicklung und Mitherausgeber der Zeitschrift "der überblick". Er war ein Jahr lang in zwei Arbeitsgruppen der Herausgeberkonferenz mit dem Thema befasst.
aus: der überblick 03/2006, Seite 112