Instrument mit sehr begrenztem Nutzen
Werden die Vereinbarungen zum Klimaschutz armen Ländern zu sauberer Energie verhelfen? Die Industriestaaten haben sich im Kyoto-Protokoll verpflichtet, ihren Ausstoß an Treibhausgasen zu vermindern. Dieser Pflicht können sie laut den Vereinbarungen von Marrakesch vom November 2001 zum Teil dadurch nachkommen, dass sie in Entwicklungsländern in Klimaschutzmaßnahmen investieren und damit Treibhausgas-Emissionen reduzieren. Dieser sogenannte Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung könnte sich besonders auf den Energiesektor im Süden auswirken. Doch für die erneuerbaren Energien und für die ärmsten Länder darf man von dem Mechanismus in seiner gegenwärtigen Form nicht allzu viel erwarten.
von Lambert Schneider
Am Morgen des 10. November 2001 war es geschafft: Nach jahrelangen, zähen Verhandlungen verabschiedeten die über 180 Länder, die der Klimarahmenkonvention beigetreten waren (die sogenannten Vertragsstaaten), auf der siebten Vertragsstaatenkonferenz in Marrakesch die Richtlinien zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls. Nun kann das Protokoll ratifiziert werden und tritt vielleicht noch im Jahr 2002 in Kraft - zunächst ohne die USA.
Mit dem Kyoto-Protokoll haben sich knapp 40 Industriestaaten verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2012 auf feste Werte zu reduzieren (siehe Kasten). Die Entwicklungsländer haben zunächst keine Reduktionspflichten übernommen, werden jedoch am Klimaschutz in verschiedener Form beteiligt sein: Erstens können die Industriestaaten über den Clean Development Mechanism (Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung, CDM) ihre Pflichten auch durch Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern erfüllen. Zweitens werden die Industriestaaten über mehrere Fonds bis 2005 erhebliche zusätzliche Finanzmittel für Entwicklungsländer bereitstellen. In einer politischen Erklärung haben die EU und einige andere Industriestaaten bereits etwa 500 Millionen US-Dollar jährlich zugesagt. Finanziert werden sollen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel - etwa Schutzmaßnahmen wie Deiche gegen die Folgen des Anstiegs des Meeresspiegels - und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen sowie der Transfer von Technologie. Drittens werden die Industriestaaten darauf drängen, dass einige Entwicklungsländer in der zweiten Verpflichtungsperiode ab 2013 selbst Reduktionsziele übernehmen.
In den nächsten Jahren wird vor allem die Entwicklung des Clean Development Mechanism (CDM) mit Spannung erwartet. Noch am Morgen des 10. November ist nach der Verabschiedung der Richtlinien unter dem Kyoto-Protokoll erstmals der Exekutivrat für den CDM zusammengetreten, der für die Genehmigung von Klimaschutzinvestitionen in Entwicklungsländern und die Ausarbeitung weiterer Richtlinien verantwortlich sein wird. Der CDM kann sich gerade auf den Energiesektor in Entwicklungsländern auswirken, da eines der wichtigsten Treibhausgase, Kohlendioxid (CO2), bei der Verbrennung fossiler Energieträger entsteht. Kohlendioxid kann auch durch die Aufforstung von Wäldern eingebunden werden.
Der CDM gehört zu einem der drei flexiblen Mechanismen, die im Kyoto-Protokoll verankert wurden. Der Grundgedanke bei deren Einführung bestand darin, das im Kyoto-Protokoll festgelegte Reduktionsziel möglichst kostengünstig zu erreichen. Da für den globalen Klimawandel die Gesamtmenge der weltweiten Emissionen, jedoch nicht ihre Herkunft ausschlaggebend ist, bietet es sich an, Klimaschutzmaßnahmen dort durchzuführen, wo mit demselben Geld das meiste Treibhausgas eingespart wird.
Unter dem Clean Development Mechanism investiert ein Industrieland in einem Entwicklungsland in Klimaschutzmaßnahmen und kann sich im Gegenzug die hierdurch erzielte Emissionsminderung auf die eigene Reduktionspflicht anrechnen lassen. Überdies profitieren Industrieländer davon, dass Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern in der Regel deutlich kostengünstiger sind als im eigenen Land. Die Entwicklungsländer profitieren von den zusätzlichen Investitionen und der damit verbundenen volkswirtschaftlichen Entwicklung. Darüber hinaus erhoffen sie sich einen erhöhten Transfer von innovativer Technologie und Impulse für eine nachhaltige Entwicklung.
Nach den in Marrakesch verabschiedeten Richtlinien müssen CDM-Projekte genehmigt und überprüft werden: Bei der Entwicklung eines Projekts muss dargestellt werden, in welcher Form und Höhe es zur Reduktion von Treibhausgasen beiträgt, dass diese Minderung zusätzlich zu dem eintritt, was ohnehin passieren würde, und welche Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Ein zugelassenes Zertifizierungsunternehmen muss die Berechnungen und Darstellungen der Projektentwickler prüfen und bestätigen. Erst dann kann das Projekt vom Exekutivrat des CDM genehmigt werden. Weiterhin müssen nach Umsetzung des Projekts die erzielten Emissionsminderungen erfasst und unabhängig bestätigt werden. Schließlich kann das Industrieland, das in das Projekt investiert hat, Zertifikate über Emissionsreduktionen (Certified Emission Reduction Units, CERs) erhalten und sie verwenden, um sie auf einen Teil seiner eigenen Reduktionspflichten anrechnen zu lassen.
Für die Entwicklungsländer wird der CDM besonders dann interessant, wenn CDM-Projekte nicht nur Treibhausgasemissionen reduzieren, sondern auch andere wichtige nationale Entwicklungsziele unterstützen. Bei Klimaschutzprojekten im Energiesektor können solche Synergieeffekte häufig auftreten: Die Erhöhung der Energieeffizienz oder der Einsatz von regenerativen Energiequellen vermindert außer den klimaschädlichen CO2-Emissionen auch andere Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlenmonoxid und Staub. Dadurch kann die Luftverschmutzung, die insbesondere in Städten schwere gesundheitliche Folgen hat, verbessert werden. Typische CDM-Projekte mit solchen Synergieeffekten können darin bestehen, alte Kohlekraftwerke zu sanieren, regenerative Energieträger einzusetzen oder Diesel durch Erdgas zu ersetzen. In verschiedenen Großstädten mit erheblicher Luftverschmutzung - zum Beispiel in Santiago de Chile - wird bereits der Ersatz von Diesel durch Erdgas im Rahmen von CDM-Projekten geplant. In einem groß angelegten Pilotprojekt für den CDM in Mexiko wurde der Verkauf von Energiesparlampen gefördert. Hierdurch konnten der Stromverbrauch und Treibhausgasemissionen gesenkt und gleichzeitig die Einkommenssituation der Bevölkerung verbessert werden.
Einige Länder und nichtstaatliche Organisationen erhoffen sich vom CDM weiterreichende gesellschaftliche Neuerungen: Verkrustete Strukturen in der Energieversorgung sollen aufgebrochen und innovative Projekte und Instrumente erstmals eingeführt werden. In vielen Ländern wird zum Beispiel trotz eines enormen Potenzials kaum etwas getan, um die Energieeffizienz bei den Energieverbrauchern zu erhöhen, weil die Energieversorger kein Interesse am Rückgang ihres Umsatzes haben. Mit dem Instrument des CDM könnten volkswirtschaftlich und umweltpolitisch sinnvolle Energieeinsparmaßnahmen angeschoben werden. Ähnliche Wirkungen kann der Einsatz bisher ungenutzter Technologien haben. Innovative CDM-Projekte könnten Schule machen und ähnliche Projekte womöglich auch außerhalb des CDM durchgeführt werden.
Konflikte bei der Umsetzung von CDM-Projekten im Energiesektor werden vor allem bei großen Wasserkraftwerken befürchtet. Abgesehen von den bekannten Problemen bei der großräumigen Nutzung der Wasserkraft gibt es auch aus klimapolitischer Sicht Bedenken: In Stauseen kann die Verwesung der überschwemmten Biomasse zu Methanemissionen führen. Methan hat gegenüber Kohlendioxid eine weit stärkere Treibhauswirkung. Es wird daher befürchtet, dass Methanemissionen die Vorteile der CO2-freien Stromerzeugung mit Wasserkraft mindern. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Wasserkraftwerke häufig auch ohne den CDM wirtschaftlich sind. Werden aber ohnehin geplante Vorhaben nun als Klimaschutzmaßnahmen deklariert, dann werden die globalen Reduktionsziele konterkariert. Denn dann können sich die Industriestaaten Emissionsminderungen aus Kraftwerken anrechnen lassen, die ohnehin gebaut worden wären. Das Kyoto-Protokoll fordert daher, dass die Klimaschutzmaßnahmen real, erfassbar und zusätzlich zu dem sein müssen, was ohne das CDM-Projekt passiert wäre. Da diese Bestimmung allerdings bisher nicht durch Umsetzungsrichtlinien mit Leben gefüllt wurde, besteht weiterhin die Gefahr, dass die Klimaschutzziele mit bestimmten CDM-Projekten umgangen werden.
Der Rückzug der USA aus dem Kyoto-Protokoll und die Abschwächung der Reduktionsziele mittels der Anrechnung von Kohlenstoffsenken (siehe Kasten) haben das Potenzial zur Nutzung des CDM erheblich verringert. In einer neuen Studie der Weltbank wird zum Beispiel der Marktpreis für CO2-Emissionen, der über die Rentabilität von Investitionen in CO2-Einsparmaßnahmen entscheidet, auf 4 US-Dollar pro Tonne CO2 geschätzt, während ältere Studien noch von 10 bis 20 US-Dollar ausgegangen waren. Für einige Entwicklungsländer wurde sehr optimistisch vorausgesagt, das Geschäft mit dem Klima werde so bedeutend sein, dass es andere Exportgüter ablösen könnte. Eine Studie für Kolumbien kam zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass der Verkauf von zertifizierten Emissionsreduktionen aus CDM-Projekten eine vergleichbare Größenordnung erlangen könnte wie der Export von Bananen oder Blumen. Solche fragwürdigen Zahlen sind neu zu bewerten. Realistischere Einschätzungen setzen das Potenzial deutlich niedriger an. Während frühere Schätzungen von einem Marktvolumen von bis zu 20 Milliarden US-Dollar ausgingen, ist heute ein Finanztransfer von den Industrieländern an die Entwicklungsländer in der Größenordnung von jährlich insgesamt einer Milliarde US-Dollar wahrscheinlicher.
Die verhältnismäßig niedrigen Preise auf dem weltweiten Markt für Treibhausgasemissionen lassen bestimmte Technologieoptionen für Investoren nicht mehr interessant erscheinen. Die Nutzung der regenerativen Energiequellen Sonne, Wind und Biomasse ist gegenüber anderen Optionen verhältnismäßig teuer. Bei den prognostizierten Preisen für zertifizierte Emissionsreduktionen reichen die Erlöse aus deren Verkauf in der Regel kaum aus, um die höheren Kosten für erneuerbare Energieträger zu decken. Bei dem Einsatz von kleinen Solaranlagen für einzelne Haushalte betragen zum Beispiel die Erlöse aus den Zertifikaten über die Lebensdauer nur etwa 3 bis 5 Prozent der Investitionskosten und bieten damit kaum zusätzliche Investitionsanreize.
Das Genehmigungsverfahren für CDM-Projekte verursacht zudem beträchtliche Kosten. Da der größte Anteil der Entwicklungs- und Genehmigungskosten von der Projektgröße unabhängig ist, wird vor allem die Umsetzung kleinerer Projekte erschwert. Zugleich spielen diese Kosten bei Großprojekten, wie zum Beispiel der Errichtung neuer Kraftwerke, nur eine geringe Rolle.
Um die Kosten nicht horrend hoch werden zu lassen, haben sich die Klimaverhandler im Juli 2001 in Bonn darauf verständigt, vereinfachte Verfahren für kleine CDM-Projekte zu entwickeln. Das erscheint aus mehreren Gründen sinnvoll: Erstens ist eine vereinfachte Berechnung der Emissionsminderungen vertretbar, denn falls diese bei einem Projekt einmal überschätzt werden, so hat das wegen der geringen Projektgröße nur geringe Auswirkungen auf die gesamten Emissionsreduktionsziele. Zweitens kommen die vereinfachten Verfahren besonders ärmeren Ländern zugute, in denen die Energieversorgung häufig eine kleinteilige Struktur aufweist und auf Kleinkraftwerken und dezentralen Elektrizitätsnetzen beruht.
Ob unter den vereinfachten Verfahren tatsächlich auch in kleine dezentrale Energieprojekte investiert werden wird, ist dennoch fraglich. Denn auch auf der Seite der Industriestaaten ist eine Abwicklung von vielen kleinen Projekten komplizierter und aufwändiger als die Durchführung einiger Großprojekte. Zudem werden die Investoren aus den Industriestaaten bestrebt sein, bei der Umsetzung von CDM-Projekten die Risiken möglichst gering zu halten und zuverlässige Partner zu finden. Ein Beispiel für die Folgen: In Peru entwickeln das Berliner Öko-Institut im Auftrag der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) sowie das peruanische Wirtschaftsministerium ein CDM-Projekt, das die Effizienz von Heizkesseln in kleinen und mittleren Industriebetrieben verbessern soll. Bei einer Analyse der ökonomischen Rahmenbedingungen stellte sich heraus, dass nur etwa 10 bis 20 Prozent der in Frage kommenden Betriebe vom Gesetz so eingestuft werden, dass eine Finanzierung der Investitionen durch ausländisches Kapital oder nationale Darlehen in Frage kommt.
Aus der Perspektive der Entwicklungszusammenarbeit besteht ein weiteres Problem darin, dass sich die Investitionen in CDM-Projekte vermutlich auf eine sehr begrenzte Anzahl von Ländern konzentrieren werden. Vor allem China wird profitieren: China ist inzwischen weltweit der zweitgrößte Energieverbraucher hinter den USA und nutzt seine Energie im internationalen Vergleich sehr ineffizient. Und der Energieverbrauch Chinas wird mit dem rasanten Wirtschaftswachstum weiter steigen. Daraus ergibt sich ein enormes Potenzial zur Verminderung von Treibhausgasen. Hinzu kommt, dass China für ausländische Investoren ein attraktiver Standort ist; die Investitionsrisiken sind geringer als in anderen Entwicklungsländern. Laut Schätzungen werden daher möglicherweise alleine in China 60 bis 80 Prozent der CDM-Projekte umgesetzt werden. Weitere 10 bis 20 Prozent könnten auf Indien entfallen. Damit bliebe für den Rest der Entwicklungsländer nur ein kleiner Brocken vom ohnehin schon kleiner gewordenen Kuchen übrig. Diesen Rest werden sich vor allem jene Länder teilen, die im Energiesektor bereits enge Wirtschaftsbeziehungen zu Industrieländern haben und ausreichende Sicherheiten für Investitionen geben können. Aller Voraussicht nach wird die Gruppe der ärmsten Länder kaum vom CDM profitieren können.
Unter diesen Umständen ist nicht abzusehen, ob und in welchem Maße kleine Vorhaben zur Verbesserung der dezentralen Energieversorgung als CDM-Projekte in Frage kommen werden. Kleine und mittlere Unternehmen sowie Länder mit einer kleinteiligen, dezentralen Energieversorgung - wie zum Beispiel viele afrikanische Länder - werden am CDM wohl nur eingeschränkt teilhaben. Es ist allerdings denkbar, dass multilaterale Organisationen wie die Weltbank einige Fonds zur Finanzierung von CDM-Projekten auflegen werden und neben den wirtschaftlichen Überlegungen ein entwicklungspolitisches Interesse daran haben, dezentrale Projekte in einer ausgewogenen geographischen Verteilung durchzuführen.
Die Erwartungen an den CDM waren bei Entwicklungsländern und Industrieländern von jeher unterschiedlich: Während viele Industrieländer vor allem Interesse an kostengünstigen Zertifikaten über Emissionsreduktionen haben, sehen die Entwicklungsländer den CDM eher als entwicklungspolitisches Instrument zur Förderung des Technologietransfers und wirtschaftlicher Entwicklung. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der nun ausgehandelte CDM die unterschiedlichen Erwartungen von Entwicklungs- und Industrieländern erfüllen wird.
Das Kyoto-ProtokollVerhandeln - vermindern - verwässernÜber den Klimaschutz wird bereits seit Ende der achtziger Jahre international verhandelt. 1988 wurde unter dem Dach der Vereinten Nationen erstmals eine Verhandlungsgruppe eingesetzt, die bis 1992 die Klimarahmenkonvention aushandelte. Diese Konvention war eines der wichtigsten Umweltabkommen, die auf dem Umwelt- und Entwicklungsgipfel der Vereinten Nationen (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 unterzeichnet wurden. Die Klimarahmenkonvention hat das Ziel, die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre langfristig auf ein Maß zu stabilisieren, das eine Anpassung der Ökosysteme an den Klimawandel und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht. Mittlerweile sind über 180 Staaten, also fast alle, der Konvention beigetreten. In der Klimarahmenkonvention wurde noch nicht verbindlich festgelegt, welche Staaten ihren Ausstoß an Treibhausgasen jeweils um wieviel vermindern sollen. Erst auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention gelang 1997 mit dem Kyoto-Protokoll die Vereinbarung konkreter Reduktionsziele. Danach verpflichten sich die Industrieländer, ihre Emissionen im Zeitraum von 2008 bis 2012 gegenüber 1990 um mindestens fünf Prozent zu vermindern. Die Entwicklungsländer übernahmen zunächst keine Reduktionspflichten. Die Folgekonferenzen nach Kyoto behandelten wichtige Details zum Kyoto-Protokoll - etwa, welche Sanktionen greifen, wenn Staaten ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, wie Staaten ihre Emissionen erfassen und berichten müssen, in welcher Form die Verpflichtungen auch mit Klimaschutzmaßnahmen im Ausland erfüllt werden können oder wie die Aufnahme von Kohlenstoff in Wäldern und Böden angerechnet werden kann. Nach den Verhandlungen der sechsten Vertragsstaatenkonferenz in Den Haag 2000 und Bonn 2001 konnte auf der siebten Konferenz im November 2001 in Marrakesch das 250 Seiten umfassende Verhandlungspaket verabschiedet werden. Während dieses Verhandlungsmarathons wurden die Reduktionsziele des Kyoto-Protokolls allerdings erheblich abgeschwächt. Insbesondere auf Druck von Kanada, Japan, Russland, Australien, Neuseeland und den USA wurden den Industrieländern umfangreiche Möglichkeiten eingeräumt, die Aufnahme von Kohlenstoff in Wäldern und Böden - sogenannte CO2-Senken - anstelle von Emissionsminderungen anrechnen zu lassen. Durch diese "Schlupflöcher" wurden die Reduktionspflichten der einzelnen Länder indirekt nachverhandelt, so dass nun eher von einer Stabilisierung der Emissionen auf dem Niveau von 1990 als von einer Verminderung ausgegangen werden muss. Außerdem wurden drei "flexible Mechanismen" eingeführt, nämlich neben dem Clean Development Mechanism noch ein Zertifikatshandelssystem sowie die Joint Implementation. Unter dem Handelssystem sollen Industrieländer untereinander Emissionsrechte handeln können. Joint Implementation heißt, dass Industrieländer Klimaschutzmaßnahmen gemeinschaftlich umsetzen dürfen; dies wird vor allem durch Investitionen aus den westlichen Marktwirtschaften in den osteuropäischen Transformationsstaaten geschehen. Im Frühjahr 2001 haben die Verhandlungen zum Klimaschutz einen weiteren schweren Rückschlag erlitten: Die Regierung Bush hat erklärt, dass die USA das Kyoto-Protokoll nicht ratifizieren werden. Als Begründung wurde neben wirtschaftlichen Argumenten angeführt, dass es unfair sei, wenn nur die Industrieländer und nicht auch die Entwicklungsländer Reduktionspflichten übernehmen. Die USA sind mit einem Anteil von rund 25 Prozent weltweit der größte Emittent von Treibhausgasen und haben gleichzeitig die höchsten Pro-Kopf-Emissionen. Der Rückzug der USA wird daher das Kyoto-Protokoll weiter schwächen, wenngleich es nach der Ratifizierung durch die EU-Länder, Japan, Kanada, Russland und die osteuropäischen Staaten auch ohne die USA in Kraft treten kann. Die EU drängt auf eine schnelle Ratifizierung und hofft auf ein Inkrafttreten bis zum Rio+10-Gipfel im September 2002 in Johannesburg. Spätestens dort wird sich zeigen, wie viele Staaten ihren Ankündigungen nachgekommen sind und das Kyoto-Protokoll bis dahin tatsächlich ratifiziert haben. Lambert Schneider/Sabine Poetzsch |
aus: der überblick 04/2001, Seite 56
AUTOR(EN):
Lambert Schneider:
Lambert Schneider und Sabine Poetzsch sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Öko-Institut in Berlin (www.oeko.de), das auf nationaler und internationaler Ebene zu Fragen der Energiepolitik und des Klimaschutzes berät. Sie waren an der Entwicklung von Clean Development Mechanism-Projekten in Simbabwe, Peru und Chile beteiligt. Lambert Schneider ist auch Mitglied der deutschen Delegation bei den Klimaverhandlungen und berät das Bundesumweltministerium.