Gute Botschaft, wenig Einnahmen? - Ein Kommentar
Gemeinsam haben 26 deutsche Hilfswerke Ende vergangenen Jahres auf die Probleme Afrikas aufmerksam gemacht und um Hilfe für den Kontinent gebeten. Teilgenommen haben Organisationen, die in Afrika arbeiten und Spenden einwerben, darunter "Brot für die Welt", die Diakonie Katastrophenhilfe, die Kindernothilfe und die Christoffel Blindenmission sowie Misereor und Caritas. Thomas Mösch fand das Ergebnis nur teilweise gelungen.
von Thomas Moesch
Erstmals haben sich im letzten Jahr 26 in Afrika arbeitende Hilfsorganisationen zu einer Spendenaktion mit einem gemeinsamen Konto zusammengetan. Allein das ist schon bemerkenswert. Und diese 26 Organisationen haben sich redlich Mühe gegeben, nicht in die alte Litanei vom Elendskontinent Afrika mit bedauernswerten Menschen einzustimmen, denen wir eine milde Gabe zukommen lassen müssen, damit es ihnen ein kleines bisschen besser gehen möge. Nein, sie konnten sich darauf einigen, die Afrikaner und ihr eigenes Engagement in den Vordergrund zu stellen. Und sie setzen sich ein "für gerechte politische und ökonomische Rahmenbedingungen als Voraussetzungen für eine bessere Zukunft Afrikas". Insofern ließen die Texte und Verlautbarungen nichts an politischer Korrektheit zu wünschen übrig.
Herbert Grönemeyer wurde als Zugpferd gewonnen und hat sich insgesamt als Glücksgriff erwiesen. Das war ja nicht selbstverständlich, denn der beliebte Schmacht-Barde ist sonst eher für Bauchgrummeln und Tränendrüsen als für politische Botschaften bekannt. Seine Auftritte vor der Presse und die Reportagen über seine Reise nach Ruanda und in die Demokratische Republik Kongo haben allerdings gezeigt, dass er Gefühle und Rationales in den richtigen Dosen zu präsentieren weiß. Er redete lieber von Solidarität als von Hilfe, lieber von Respekt als von Mitgefühl oder gar Mitleid. Zusammen mit den Hilfsorganisationen wies Grönemeyer bei der Auftakt-Pressekonferenz darauf hin, dass die Industrieländer für die Misere Afrikas ein gehöriges Maß an Mitverantwortung tragen.
Will man die Aktion an ihren eigenen Ansprüchen messen, so sind vor allem zwei Fragen zu stellen: Ist es gelungen, ein differenzierteres Afrikabild zu vermitteln, abseits der Katastrophenberichterstattung? Hat die Zusammenarbeit der vielen Organisationen den Grad an Aufmerksamkeit erreicht, der nötig ist, um das Spendenvolumen spürbar zu steigern?
Das Medienecho ist zwiespältig zu bewerten. Partner der Aktion waren die ARD - federführend der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) - und die Illustrierte "Stern". Die Auftritte von Herbert Grönemeyer und des Schirmherren Johannes Rau haben dazu geführt, dass insbesondere die ARD in allen möglichen Nachrichten- und Info-Sendungen über die Aktion berichtet hat. Dies geschah aber zumeist in kurzen Häppchen, in denen die differenzierte Botschaft der Veranstalter kaum wiederzuerkennen war. Was haften blieb, war: In Afrika geht es den Menschen schlecht, bitte spenden Sie! Die sehenswerte Fernsehreportage über Grönemeyers Reise nach Ruanda und in den Ost-Kongo lief mitten in der Woche zu mitternächtlicher Stunde. Als Aktionspartner hat sich die ARD nicht als besonders zuverlässig erwiesen. Da dürfte Grönemeyers Auftritt in "Wetten dass...?" im ZDF eine größere Hilfe gewesen sein.
Der "Stern" hat der Aktion in seiner Ende Oktober erschienenen Ausgabe immerhin 26 Seiten eingeräumt. Die Reportage über Grönemeyers Reise nach Afrika ist auch hier das Highlight. Wie in der ARD-Reportage kommt seine Botschaft voll rüber: Erschrecken über die Probleme, Respekt vor den Menschen, Bewunderung für ihren Willen, sich selbst zu helfen, und die Erkenntnis, dass diese Menschen Solidarität verdienen.
Der anschließende Versuch, die wichtigsten Probleme des Kontinents mit Hilfe von Repräsentanten einiger Hilfsorganisationen kurz und prägnant darzustellen, konterkariert das Bemühen Grönemeyers jedoch wieder. Vor dem Hintergrund eines um Hilfe bittenden Kindes schreit dem Leser in großen Lettern der Titel entgegen: "Die 7 Plagen Afrikas". Auf den folgenden Seiten sieht man Kindersoldaten, Patienten in einem völlig heruntergekommenen Krankenzimmer, einen Flüchtlingszug, ein Slumviertel, Kinder in einer Strohhütten-Schule, ein nacktes Kind beim Wasserschöpfen - alle Fotos großformatig über zwei Seiten. Den Vogel schießt der "Stern" ab mit dem Bild einer ganzen Gruppe von teilweise nackten, fast verhungerten Kindern. So respektlos würde das Magazin mit deutschen Kindern sicher nicht umgehen. Zumindest würde sich dagegen Protest regen. An dieser altbekannten Charakterisierung Afrikas als eines einzigen Hortes von Katastrophen biblischen Ausmaßes können auch die kurzen und völlig korrekten Erläuterungen der Experten zu den sieben Plagen nichts mehr ändern. Die Bilder sind so erschlagend, dass man gar nicht verweilen möchte, um den Text zu lesen, wenn man ihn überhaupt wahrnimmt.
Im Anschluss kehrt der "Stern" zwar wieder zur Information zurück und stellt sieben Projekte vor, die erfolgreich gegen die Plagen angehen. Und er erläutert die Verantwortung der industrialisierten Welt für die Probleme des Kontinents. Was jedoch völlig fehlt, sind Hinweise auf erfreuliche Entwicklungen in Afrika: den Übergang Südafrikas und vieler anderer Länder zur Demokratie, die fortschrittliche Aids-Politik Ugandas, die friedliche Entwicklung im ganz auf sich allein gestellten Somaliland.
Die Organisatoren von "Gemeinsam für Afrika" trifft an den Mängeln der Medienberichterstattung nur eine geringe Mitschuld. Die Wiedergabe ihrer Botschaften können sie kaum beeinflussen. Bei den direkten Medienpartnern ARD und "Stern" hätte das jedoch möglich sein müssen, denn von ihren Partnern sollten sie erwarten dürfen, dass sie die Intentionen der Aktion unterstützen und nicht durchkreuzen.
Mitschuld trifft die Organisatoren allerdings daran, dass positive Entwicklungen in der Berichterstattung zu kurz kamen. Wer das Zugpferd Grönemeyer allein in die schlimmsten Krisengebiete schickt, muss sich nicht wundern, wenn die veröffentlichten Bilder und Texte am Ende vor allem die Schrecken zeigen. Es wäre doch kein Problem gewesen, zum Beispiel auch nach Kenia zu reisen und so auf ein Land hinzuweisen, das nicht nur vielen deutschen Touristen in guter Erinnerung ist, sondern in dem das Volk gerade einen korrupten Despoten per Wahlurne von der Macht vertrieben hatte. Das Bemühen, eine Kampagne mit anderem Zungenschlag zu schaffen, ist sichtbar und lobenswert, das Ergebnis lässt aber noch zu wünschen übrig.
Finanziell muss man "Gemeinsam für Afrika" wohl als Schlag ins Wasser bezeichnen. Bis Ende Dezember sind knapp 3 Millionen Euro auf dem gemeinsamen Konto eingegangen. Allein die jährliche Sternsinger-Aktion des Kindermissionswerkes hat 2003 in wenigen Tagen 32 Millionen Euro eingebracht, davon fast 13 Millionen für Afrika.
Der vergleichsweise dürftige Ertrag ist sicher auch dem eher spärlichen Engagement der beteiligten Organisationen selbst geschuldet. Es reicht eben nicht, zusammen mit ein paar prominenten Künstlern und Musikern einige wenige medienwirksame Events zu gestalten, wenn das öffentliche Interesse ansonsten mit anderen Themen beschäftigt ist. Ein Blick in den Kalender der angekündigten "Aktionstage" zeigt, dass "Gemeinsam für Afrika" eine weitgehend virtuelle Veranstaltung geblieben ist.
Die politisch korrekte Botschaft dürfte einen eher geringen Anteil am finanziellen Misserfolg gehabt haben. Der Einwand, dass differenzierte Information die Spenderherzen halt nicht so erfreue wie mit Elendsbildern unterfütterte Appelle, geht ins Leere. Denn die gesendete Botschaft war ja wie gesagt keineswegs identisch mit der, die bei Zuschauern und Lesern ankam. Da hat es schon mehr Gewicht, dass Afrika derzeit in den Medien kaum eine Rolle spielt und der Spendenaufruf deshalb nicht auf ohnehin fruchtbaren Boden fiel. Wenn sich die vielen großen und kleinen Organisationen tatsächlich an den Aktionstagen beteiligt hätten und auf den Straßen und Plätzen präsent gewesen wären, hätten sie das Gewicht diese erschwerenden Begleitumstände vielleicht mindern können.
Für die Zukunft sollten sich die in "Gemeinsam für Afrika" zusammengeschlossenen Partner außerdem überlegen, ob sie ihrer Aktion nicht eine grundsätzlich andere Ausrichtung geben, indem sie bei Planung und Durchführung auch Afrikaner einbeziehen. In Deutschland gibt es inzwischen viele Menschen afrikanischer Herkunft, die sich für Entwicklungs- und Hilfsprojekte in ihrer Heimat engagieren. Meistens tun sie dies in Organisationen, die für eine Teilnahme an "Gemeinsam für Afrika" zu klein sind, weil sie weder Mitglied des "Verbands Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen" (VENRO) noch in mindestens drei verschiedenen Ländern tätig sind (das dritte Teilnahme-Kriterium ist, dass die Organisation von einem Wirtschaftsprüfer geprüft sein muss).
Trotzdem wäre es wünschenswert, diese Engagierten einzubeziehen. Denn nur wenn Afrikaner an der Gestaltung des Afrikabildes in Deutschland beteiligt werden, kann man an die Wurzeln der Vorurteile gehen. Eine dieser Wurzeln, an die auch eine Aktion wie "Gemeinsam für Afrika" nicht rührt, ist der Rassismus in diesem Land. Ihm sind nicht nur Menschen mit dunkler Hautfarbe alltäglich ausgesetzt, er liegt auch zu einem wichtigen Teil dem Bild zu Grunde, das sich unsere Gesellschaft von unserem Nachbarkontinent macht. Mekonnen Mesghena von der Heinrich-Böll-Stiftung hat dies Ende November bei einer Diskussion über "Gemeinsam für Afrika" zu Recht angemerkt. Wenn es gelänge, Menschen afrikanischer Herkunft und ihre Organisationen in die Gestaltung zukünftiger Kampagnen einzubeziehen und zugleich die Leistungen der afrikanischen Partner vor Ort noch deutlicher herauszustreichen, dann könnte vielleicht aus "Gemeinsam für Afrika" einmal "Gemeinsam mit Afrika" werden.
aus: der überblick 01/2004, Seite 148
AUTOR(EN):
Thomas Moesch:
Thomas Mösch ist freier Journalist und lebt in Hamburg.