JYAK, der Bund für Versöhnung in Uganda, hat fähige Aktivisten, aber eine schlechte Führung
Die ugandische Organisation JYAK ergreift seit Ende der achtziger Jahre Initiativen, Konflikte friedlich beizulegen - etwa die zwischen der Regierung und den Rebellen in Norduganda. Während der jüngsten Schulstreiks haben Aktivisten von JYAK einen Dialog in Gang gesetzt. Doch gerade da zeigte ihre Führung sich handlungsunfähig. Die Basis fühlt sich im Stich gelassen.
von Michaela Ludwig
Eine Welle von Schulstreiks zieht sich in der zweiten Hälfte des Jahres 2001 durch ganz Uganda. Der Ärger der Schüler entzündet sich am schlechten Essen, dem Mangel an Mitspracherechten oder der Korruption von Lehrern und Schulleitungen. An manchen Schulen kommt es zu Gewaltausbrüchen, und die Schulleitungen reagieren meist hart: Sie fordern Unterstützung von der Polizei und gar der Armee an; die Schüler werden ausgesperrt und die Rädelsführer der Schule verwiesen.
Die junge Schülerinitiative Students' Peace Initiative (SPI, Schüler-Friedensinitiative) greift im Dezember das Problem auf. Die neun Aktivisten der SPI sind Mitglieder der nichtstaatlichen Organisation Jamii Ya Kupatanisha (JYAK, zu Deutsch etwa Bund für Versöhnung), die Friedens- und Versöhnungsarbeit in Uganda leistet und seit ihrer Gründung 1988 unter anderem von Brot für die Welt unterstützt wird. Gemeinsam mit JYAK lädt die SPI in Mbarara, wo die Streikwelle am stärksten ist und auch ihren Anfang genommen hat, zu einem "Dialog" - und 166 Interessierte folgen. Alle Konfliktparteien sind vertreten: Schüler, Eltern, Lehrer, die Schulverwaltung, die Schulleitung und das Erziehungsministerium. Auch die Presse ist dabei.
Am Ende der Konferenz sieht man bei den Veranstaltern, Rwankangi Ronald und Mugisha Celestin, zufriedene Gesichter. Sie sehen diese Konferenz als Ausgangspunkt für eine Reihe ähnlicher Veranstaltungen im ganzen Land, die alle beteiligten Parteien an einen Tisch holen sollen. Damit will die Schüler-Friedensinitiative Dialogstrategien erarbeiten, um zu verhindern, dass die Konflikte an den Schulen eskalieren.
Doch zum Pech der Aktivisten ist ihre Mutter-Organisation JYAK seit mittlerweile einem Jahr in einer tiefen Krise. Gerade jetzt zeigt sie sich unfähig, der vielversprechenden Initiative der SPI ausreichend Rückhalt zu geben: Die Geschäftsführung erklärt, dass JYAK aufgrund der schlechten Finanzlage die Konferenz nicht unterstützen könne. Die Schüler sind enttäuscht. Sie müssen selbst dafür sorgen, dass ihre Ausgaben erstattet werden. Sie arbeiten, dem Konzept der Organisation entsprechend, unentgeltlich mit JYAK und tragen nun zusätzlich das finanzielle Risiko ihres Engagements. Die einzige Unterstützung, die sie aus dem Büro von JYAK in der Hauptstadt Kampala erfahren, geht auf die persönliche Initiative zweier JYAK-Angestellter zurück: Die beiden reisen auf eigene Kosten nach Mbarara, um den Jugendlichen bei der Durchführung und Auswertung der Konferenz zu helfen in der Hoffnung, dass JYAK ihnen zu einem späteren Zeitpunkt ihre Auslagen zurückzuerstatten kann.
Die Ursachen der Lähmung von JYAK sind vielfältig. Eine Rolle spielen veränderte Rahmenbedingungen: Der Bürgerkrieg, der den heutigen Präsidenten Museveni an die Macht gebracht hat, ist im größten Teil des Landes seit 1986 vorbei, und die ugandische Gesellschaft ist inzwischen keine Nachkriegsgesellschaft mehr. In den meisten Bezirken ist die Beseitigung der gröbsten Kriegsfolgen abgeschlossen. Nun geht es um den Aufbau einer starken Zivilgesellschaft. Damit steht auch die Friedensarbeit vor neuen Aufgaben. Die Krise, in der JYAK sich befindet, ist in mancher Hinsicht symptomatisch für viele nichtstaatliche Organisationen (NGOs) in diesem Bereich. Für sie ist es an der Zeit für eine inhaltliche Neuorientierung. Hinzu kommt äußerer Druck durch den härter werdenden Kampf um die Töpfe der internationalen Geldgeber. Gefragt sind nun ein eigenständiges Profil und ein klares Konzept. JYAK müsse seine "Nische" finden, empfiehlt Japhes Bimbwe, ein Programmreferent des dänischen Entwicklungshilfedienstes MS Uganda, der JYAK ebenfalls fördert.
Entscheidend für die Krise von JYAK sind jedoch die Ursachen innerhalb der Organisation, das Fehlen von Konzepten und eines eigenständigen Profils. Und diese liegen in ihrer Struktur begründet und sind eng verbunden mit der Entstehungsgeschichte von JYAK.
Die Organisation wurde 1988 von Nelson Onono-Onweng gegründet, der damals Pfarrer und Leiter eines Begegnungs- und Konferenzzentrums der anglikanischen Kirche war (er ist heute anglikanischer Bischof von Gulu in Norduganda und Träger des UNESCO-Friedenspreises von 2001). JYAK ist somit eine der ältesten Friedensorganisationen Ugandas. 1992 wurde sie formell als NGO registriert und als ugandischer Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes anerkannt. Seit der Gründung verfolgt JYAK die beiden Strategien der Konfliktbearbeitung und der Krisenprävention. Damit hat sie einen wichtigen Beitrag zur Friedens- und Versöhnungsarbeit in Uganda geleistet.
Denn obwohl 1988 der Krieg beendet war, herrschten in einigen Bezirken Ugandas noch bürgerkriegsähnliche Zustände. Besonders im Norden des Landes nahe der Grenze zum Sudan verbreitete die Lord's Resistance Army Angst und Schrecken, gerade unter der Volksgruppe der Acholi (vgl. "der überblick" 4/98). Dort, in Gulu, eröffnete JYAK 1991 eine Berufsschule, die Gulu Community Vocational School, um der Jugend, die besonders unter dem Rebellenkrieg und seinen Folgen litt, berufliche Fähigkeiten zu vermitteln. Ebenfalls in Gulu schlossen sich 1996 unter der Führung von JYAK die höchsten muslimischen und christlichen Führer Nordugandas zur Acholi Religious Leaders' Peace Initiative (Friedensinitiative der religiösen Führer der Acholi, ARLPI) zusammen. ARLPI trat als Vermittlerin zwischen Rebellen und Regierung sowie in anderen Konflikten in der Region auf. Das Engagement von JYAK in Gulu war stets eng mit der Person des Bischofs Onono-Onweng verknüpft. Inzwischen scheint diese Personalisierung aber der Herausbildung eines unabhängigen, selbstständigen Profils von JYAK im Wege zu stehen.
Neben diesen Schritten zur Konfliktbearbeitung ist das zweite wichtige Standbein, und hier liegen die besonderen Qualitäten von JYAK, der Ansatz der Krisenprävention. Auf Ortsebene und an Schulen werden über Trainingseinheiten und Workshops Strategien zur friedlichen Konfliktlösung vermittelt, wobei der geografische Schwerpunkt dieser Arbeit in Gebieten mit Konfliktpotenzial liegt. JYAK unterstützt den Aufbau und die Stärkung lokaler Friedensgruppen. In Kasese im Westen Ugandas, wo die Bevölkerung ebenfalls unter Rebellenangriffen litt, ist aus einer solchen Initiative eine sehr engagierte NGO entstanden: Das Anti-Landmine Network Rwenzori hat sich der Aufklärung über Landminen und der Hilfe für Minenopfer verschrieben und ist ein Beispiel für erfolgreiches Capacity Building, also für die gezielte Förderung von Kompetenz in Basisgruppen.
Ähnlich ist die Tatsache, dass die SPI die Konferenz über Schulstreiks durchführen konnte, das Ergebnis der guten Jugendarbeit und Nachwuchsförderung von JYAK. In den Friedens-Klubs an vielen Schulen sind junge Aktivisten herangewachsen, die in der Lage sind, selbständig die Friedensarbeit fortzusetzen und neue Gruppen zu gründen. Sie liefern so einen wichtigen Beitrag zum Aufbau der jungen ugandischen Zivilgesellschaft. Dies ist ein weiterer Erfolg des Capacity Building von JYAK im ganzen Land.
Um das Engagement von Vorstand und Geschäftsführung war es zu Beginn des Jahres 2001 nicht so gut bestellt. Eine nahezu arbeitsunfähige Organisation erlebte Uwe Bergmeier, als er im März 2001 von "Dienste in Übersee" nach Kampala vermittelt wurde - er sollte bei JYAK im Rahmen des Programms "Ziviler Friedensdienst" als Trainer eingesetzt werden. "JYAK war gelähmt durch einen zerstrittenen Vorstand und die hohe Mitarbeiterfluktuation. Es existierten keine Konzepte, und die organisatorische Infrastruktur war zusammengebrochen", erinnert sich Bergmeier.
Die Probleme sind den ausländischen Förderern von JYAK nicht verborgen geblieben. Helmut Hess vom Afrika-Referat von "Brot für die Welt", das JYAK unterstützt, deutet die Krise als Ausdruck eines Kampfes um Kompetenz und Verantwortung. "Es war nicht mehr klar, wer verantwortlich ist, wer meine Ansprechperson ist. Dazu kamen Kompetenzprobleme: Vereinbarungen, die ich mit einer Person getroffen hatte, haben sich hinterher als nicht verbindlich herausgestellt, weil die Person kein Mandat hatte." Das hatte Auswirkungen auf die inhaltliche Arbeit: Es existierte kein überzeugendes Programm, die Projekte waren unkoordiniert, es fehlte eine Strategie. Die Geldgeber, in der Hauptsache "Brot für die Welt" und "MS Uganda", zogen sich daher teilweise zurück und drohten schließlich, die Förderung ganz einzustellen.
Auf Seiten von JYAK verstärkten solche Signale die Unsicherheit und Angst. Sie beeinflussten die Entscheidungen über die Verwaltung und Verwendung von ausländischen Geldern: Der Geldgeber soll nicht verstimmt werden. Dahinter trat die Verantwortung gegenüber den eigenen Mitgliedern und lokalen Partnern zurück. Sie wurden vernachlässigt oder ihnen wurde, wie im Fall der Konferenz, die Unterstützung versagt. Die Aktivisten fühlten sich daraufhin getäuscht und waren zornig auf die Geschäftsführung. Wenn JYAK aber die lokalen Partner und die Jugendarbeit vernachlässigt, verliert die Organisation den Nährboden, der sie einst wachsen ließ.
In dieser Situation griff der JYAK-Gründer Bischof Onono-Onweng ein und berief Ende 2000 einen neuen, verschlankten Vorstand ein. Der Geschäftsführer Pfarrer Ali Ocan Onono, der Sohn von Bischof Onono-Onweng, sollte gemeinsam mit einem Team von vier Festangestellten das angeschlagene Schiff wieder flott machen. Jetzt galt es, eine Organisationspolitik zu entwickeln und ein klares Profil der Friedensorganisation herauszuarbeiten. Dieser Prozess dauert bis zum heutigen Tage an.
Voraussetzung für eine Erneuerung ist eine klare Aufgaben- und Kompetenzenverteilung innerhalb der Organisation. Inhaltlich sieht Uwe Bergmeier JYAKs Weg in die Zukunft in der Konzentration auf ihre ursprünglichen Qualitäten: "JYAK sollte sich konzeptionell wieder daran erinnern, was sie einmal ausgezeichnet hat: Friedensarbeit durch die Unterstützung lokaler Partner in den verschiedenen Regionen des Landes." Als Zielgruppe nennt er Jugendliche, da bei ihnen das Ziel der langfristigen Veränderung von Einstellungen am realistischsten erscheint.
Helmut Hess beurteilt die Qualitäten von JYAK ähnlich. Er sieht in Uganda einen dringenden Bedarf an Friedensarbeit. Und JYAKs Ansatz, an der Basis, das heißt zum Beispiel mit Schülern zu arbeiten, schon bevor ein Konflikt zu Gewalt führt, hält er im ugandischen Kontext für angemessen. "Wenn es realistische Anzeichen gibt, dass dieses Konzept umgesetzt werden kann, dann wird "Brot für die Welt" diesen Prozess unterstützen", verspricht Hess. Es sei schließlich die Aufgabe des Partners und Geldgebers, eine Organisation auch in einer Krise zu unterstützen. Bedingung dafür sei aber, dass der Prozess der Organisations- und Konzeptentwicklung in einem absehbaren Zeitraum zu Ende gebracht wird. Sonst besteht keine Basis für eine Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung.
Damit stürbe aber ein Versuch, ausgehend von der Basis einen höheren Grad an Konfliktbearbeitungspotenzial zu schaffen. Noch zehrt JYAK von den Erfolgen der früheren Basisarbeit, wie die Schulstreik-Konferenz beweist. Aber wenn die Organisation in ihrer Handlungsunfähigkeit verharrt, werden irgendwann auch die Aktivisten JYAK den Rücken kehren.
aus: der überblick 01/2002, Seite 115
AUTOR(EN):
Michaela Ludwig:
Michaela Ludwig hat Germanistik und Soziologie studiert und arbeitet als freie Journalistin in Hamburg mit dem Schwerpunkt Entwicklungszusammenarbeit und Ostafrika.