Haft- und Arbeitslager in China
Ab Januar 1983 war ich wegen meiner politischen Äußerungen im Shanghaier Stadtgefängnis inhaftiert. Die Regierung hatte sich ein Punktesystem ausgedacht, um Arbeitsleistungen der Gefangenen zu bewerten und sie zu kontrollieren. Die Häftlinge wurden zur Arbeit gezwungen. Wenn bestimmte Produktionsquoten nicht erreicht wurden, zog man den Häftlingen Punkte ab. Ein- oder zweimal pro Woche durften die Gefangenen fernsehen; einmal im Monat durften sie einen Kinofilm sehen, Essen kaufen oder ihre Familien treffen. Diese Vergünstigungen wurden gestrichen, wenn die Arbeitsquote nicht erreicht wurde oder man ungenügende "Besserung" zeigte. Viele Gefangene waren daher gezwungen, Überstunden zu leisten, um ihre Arbeitspunkte zu behalten. Die langsameren unter ihnen konnten deshalb nur drei oder vier Stunden am Tag schlafen. Ich selbst habe gesehen, wie das Gefängnis eine Montagewerkstatt für Halbleiterradios eröffnete. Von anderen Gefangenen und Polizisten erfuhr ich, dass die Anstalt außerdem eine Druckerei und andere weiterverarbeitende Betriebe führte.
von Fu Shenqi
Von Juli 1993 bis April 1994 war ich im Shanghaier Lager für Umerziehung durch Arbeit (Laojiao) in Dafeng in der Provinz Jiangsu inhaftiert; ich gehörte zur zweiten Kompanie, drittes Bataillon. Wiederum bestand mein "Verbrechen" darin, dass ich mich politisch betätigt hatte. In Zusammenarbeit mit der Strickwerkstatt Shanghai Nummer 18 produzierte dieses Bataillon Pullover. "Umerziehung-durch-Arbeit"-Gefangene wurden gezwungen zu arbeiten, um ihre Weltanschauung zu "bessern". In den Stoßzeiten mussten sie fast zwanzig Stunden am Tag arbeiten. Oft wurden sie während der Arbeit an den Nähmaschinen vom Schlaf übermannt. In ruhigeren Zeiten saßen sie stundenlang auf Bänken herum, lernten aus Büchern und schrieben Berichte über ihre Weltanschauung oder darüber, was sie gerade lasen. Das dritte Bataillon der ersten Kompanie richtete eine Werkstatt ein, in dem Dias für Lehrzwecke produziert werden.
Im April 1994 wurde ich in das fünfte Bataillon verlegt. In den Jahren 1994 und 1995 bekam ich mit, wie die zweite Kompanie des Bataillons von Juni bis Oktober mehrfarbige Weihnachtslichter für die Lampenfabrik Haiman und eine andere Fabrik der Provinz Jiangsu für den Export montierte. In jeder Schachtel befanden sich 36, 50, 100 oder 200 Lichter an einer Schnur. Das war harte Arbeit. Jeder Gefangene musste Überstunden machen, viele arbeiteten bis ein oder zwei Uhr nachts. Wer seine Quote nicht erfüllte, wurde bestraft. Häftlinge, die in der Wollpulloverfabrik arbeiteten, mussten auch Überstunden machen und die in Farmen sogar noch mehr. Zum Beispiel arbeiteten diejenigen, die Reissetzlinge umpflanzten, oft von sieben Uhr morgens bis acht Uhr abends.
Die Gefangenen auf den Laojiao-Farmen wurden regelmäßig geschlagen und beschimpft. Regierungsbeamte schlugen und traten sie, wann es ihnen gefiel. Noch härtere Schläge und Beschimpfungen mussten die Häftlinge von jenen Gefangenen ertragen, denen die Überwachung ihrer eigenen Mitinsassen anvertraut war. Auch ich wurde von ihnen geschlagen.
Die chinesischen Arbeitslager zur "Umerziehung durch Arbeit" (Laojiao) und "Reform durch Arbeit" (Laogai) sind keine gewöhnlichen Gefängnisse, sondern Werkzeuge, mit denen die kommunistische Partei ihre Herrschaft festigt. Die Haftanstalten zwingen die Gefangenen nicht nur, für Profit zu arbeiten, sondern auch, sich einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Diese Gedankenmanipulation hat sie dazu gebracht, sich ideologisch und psychologisch der Kommunistischen Partei zu ergeben.
Fu Shenqi, ein chinesischer Dissident im Exil, hat am 21. Mai 1997 vor der Kommission für Auslandsbeziehungen des US-amerikanischen Senats über seine Haftzeit in chinesischen Umerziehungslagern ausgesagt. Den Senat interessierte dies, weil in den USA über die Beziehungen zur Volksrepublik China und insbesondere den Zugang chinesischer Produkte zum amerikanischen Markt gestritten wurde. Kritiker Chinas behaupteten, ein gut Teil der Exporte werde mit Zwangsarbeit in Gefängnissen produziert. Ein Kronzeuge dafür war Harry Wu, der von 1960 bis 1979 in chinesischen Lagern gesessen hatte, später in die USA ins Exil gehen durfte und dort seit 1992 das Laogai Research Center leitet. Dessen Internet-Seite (www.laogai.org) entnehmen wir die hier dokumentierte Aussage Fu Shenqis. Chinafreundliche Geschäftsleute präsentierten 1998 ihrerseits einen früheren Insassen der chinesischen Arbeitslager, Fan Sidong; ihm zufolge sind die Zustände in Chinas Lagern kritikwürdig, haben sich aber gebessert. Die Frage, wie es in Chinas Gefängnissen aussieht, ist so in den USA zum Teil des innenpolitischen Streits geworden.
aus: der überblick 01/2000, Seite 28
AUTOR(EN):
Fu Shenqi:
Fu Shenqi, ein chinesischer Dissident im Exil, hat am 21. Mai 1997 vor der Kommission für Auslandsbeziehungen des US-amerikanischen Senats über seine Haftzeit in chinesischen Umerziehungslagern ausgesagt.