Wenige Grosshändler bestimmen die Preise
Auch in Sri Lanka sind Kleinbauern unterernährt. Das ist vor allem eine Folge der Rezepte, die die Weltbank und der Weltwährungsfonds (IWF) dem Land verordnet haben, sagt Sarath Fernando vom Movement for Land and Agricultural Reform (MONLAR), einem Partner von "Brot für die Welt" in Sri Lanka.
Gespräch mit Sarath Fernando
Entsprechen die Ergebnisse der Reis-Studie, dass etwa eine Handelsöffnung die Ernährungssicherheit von Kleinbauern beeinträchtigt, der Erfahrung in Sri Lanka?
Ja. Die Ergebnisse decken sich mit unseren Erfahrungen. Die Handelsöffnung wirkt allerdings mit Änderungen der Politik im Land zusammen, die etwa die Weltbank und der IWF gefordert haben, und deren Wirkung ist viel größer als die der Handelsöffnung. Die Landwirtschaft in Sri Lanka ist geprägt von Kleinproduzenten, die meisten haben nur rund einen halben Hektar Land. Der Übergang zu neuen, ertragreichen Reissorten erforderte aber den Einsatz teurer Vorprodukte wie Dünger. Die hat die Regierung seit Mitte der 1960er Jahre subventioniert und Beratungs- und Unterstützungsdienste für kleine Landwirte kostenlos angeboten. Auf Drängen der Weltbank wurden die Mittel dafür in den 1980er Jahren gestrichen. Beseitigt wurden auch Eingriffe in den lokalen Markt. Arme Kleinbauern müssen ihren Reis sofort nach der Ernte verkaufen, wenn der Preis am niedrigsten ist.
Die Regierung besaß daher eine Agentur, die Reis zu garantierten Preisen aufkaufte. Die wurde, ebenfalls auf Drängen der Weltbank, 1997 geschlossen. Als Folge kontrollieren jetzt große Händler den Markt. Kleinbauern müssen zu Preisen unter den Produktionskosten verkaufen und geraten in eine Schuldenfalle.
Sind die Erzeugerpreise für Reis mittelfristig gefallen?
Ja, deutlich und zwar ohne dass gleichzeitig der Verbraucherpreis gesunken ist. Denn Reisimporte und der Ankauf der lokalen Produktion werden beide von denselben reichen Großhändlern kontrolliert. Sie bestimmen sowohl die Erzeugerpreise als auch die Endverkaufspreise.
Demnach funktioniert der Markt nicht?
Richtig. Es gibt keinen echten Wettbewerb. Nehmen Sie den Fall Milch: Als die Regierung sich aus dem Ankauf von Milch zurückzog, teilten sich drei große Konzerne den Markt. Firmen wie Nestlé sind aber nicht daran interessiert, Bauern zu unterstützen und so die Milchproduktion in Sri Lanka zu fördern. Sie halten die Erzeugerpreise niedrig, aber nicht die Verbraucherpreise. Vier Fünftel des Milchverbrauchs in Sri Lanka werden mit dem Import von Milchpulver gedeckt.
Wie viele Bauern in Sri Lanka leben vom Reisanbau?
Rund eine Million. 70 Prozent der rund 20 Millionen Einwohner leben auf dem Land, etwa die Hälfte lebt von Landwirtschaft.
Die Weltmarktpreise für Agrargüter werden wahrscheinlich steigen. Würde es das Problem lösen, wenn Reis international teurer wird?
Nein, das macht es noch schlimmer. Wenn die Produktion im Land erst einmal zerrüttet ist, führt der Anstieg der Weltmarktpreise nur dazu, dass die Konsumenten mehr zahlen müssen. Arme Kleinbauern können ihre Produktion nicht ausweiten, jedenfalls nicht schnell. Zum Beispiel sind die Weltmarktpreise für Weizen gestiegen, und die Verkaufspreise in Sri Lanka, etwa für Weizenbrot, haben sich vervielfacht. Die Leute könnten jetzt natürlich wieder mehr Reis essen und Kleinbauern diesen erzeugen. Dazu ist aber politische Unterstützung nötig. Die Regierung darf, wenn kleine Bauern überleben sollen, die Vermarktung nicht einigen Großhändlern überlassen. Außerdem sind die hohen Produktionskosten eins der größten Probleme.
Man könnte Vorprodukte wie Dünger subventionieren. Wir treten aber dafür ein, zu organischem Anbau überzugehen das führt in Sri Lanka zu geringeren Kosten pro Produkteinheit. Die Regierung sollte das fördern. Weil das Land große Mengen Devisen für Nahrungsimporte ausgibt, hat sie vor kurzem immerhin ein Programm zur Förderung des einheimischen Anbaus aufgelegt.
aus: der überblick 04/2007, Seite 108
AUTOR(EN):
Die Fragen stellte Bernd Ludermann.