Die Verteilung von Land - die Verteilung von Macht
Mit der Vermarktung von Grundstücken allein lässt sich keine Landreform organisieren. Dies ist eine der wichtigsten Botschaften der Tagung des Arbeitskreises Armutsbekämpfung durch Hilfe zur Selbsthilfe (AKA) vom 19. bis 23. März in Bonn mit dem Thema "Zugang zu Land".
von Uwe Kerkow
Im AKA sind staatliche und nichtstaatliche entwicklungspolitische Organisationen in Deutschland zusammengeschlossen. Das Spektrum reicht vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) über die kirchlichen Entwicklungsorganisationen und politische Stiftungen bis hin zur Deutschen Welthungerhilfe und den Mitgliedern des Arbeitskreises Landreform, darunter Lobbygruppen wie FIAN (Food First Information and Action Network).
In einem gemeinsamen Papier zählen die Beteiligten eine Reihe von Voraussetzungen auf, die für eine erfolgreiche Landreform erfüllt sein müssen. Dort heißt es unter anderem: "Spezielle Fonds und Banken ermöglichen nur jener Gruppe von Produzenten den Zugang zu Land, die in der Lage ist, Kredite abzubezahlen. Als Konsequenz daraus müssen die internationale Gemeinschaft und die Regierungen anerkennen, dass diese Instrumente im Kontext höchst ungleicher Gesellschaften nicht ausreichen. Marktorientierte Agrarreformen können die staatliche Umverteilung von Land — einschließlich von Enteignungen, sofern sie in Einklang mit den Gesetzen stehen — nicht ersetzen." Damit wendet sich der Arbeitskreis entschieden gegen die Politik der Weltbank, die Landreformen nur dann gutheißt, wenn sie ohne Enteignungen auskommen.
"Seit zehn Jahren experimentieren wir nun mit marktorientierten Landreformen", resümiert Miguel Urioste von der Stiftung TIERRA in Bolivien. "Vor allem in Brasilien, Kolumbien und Mexiko haben sich die Schwächen dieser Politik gezeigt." Zum einen könnten sich gerade die ärmsten Bauern das angebotene Land schlichtweg nicht leisten. Zum anderen fördere die Politik der Weltbank letztlich die Konzentration von Landbesitz. Denn sie setze auf einen Verdrängungswettbewerb zwischen den Bauern, der Subsistenzwirtschaft nach und nach unmöglich mache und die Ärmsten daher zur Abwanderung in die Städte zwinge.
Gleichzeitig fahren viele Regierungen fort, Großgrundbesitzer großzügig zu subventionieren, und sie fördern indirekt sogar Brachen, da die von ihnen erhobenen Grundsteuern meist viel zu niedrig seien. Von den Regierungen des Südens fordert der Arbeitskreis deshalb ein stärkeres Engagement für Landreformen. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit soll den Landreformen Priorität eingeräumt werden. Dabei werden sie nicht nur als Mittel der Umverteilung von Land angesehen. Vielmehr müssen sie genutzt werden, um mittels entsprechender begleitender Gesetze die Rechte der landlosen Bevölkerung, von indigenen Gruppen, Frauen und nomadisch lebenden Hirten zu verbessern. Schließlich seien Landreformen in Nachkriegsgesellschaften wie zum Beispiel Guatemala von überragender Bedeutung und Voraussetzung für Frieden.
Daher mahnte Volker Hausmann, Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, die Bundesregierung, unverzüglich zur Tat zu schreiten: "Will die Weltgemeinschaft das Entwicklungsziel der Halbierung der Armut und des Hungers bis zum Jahr 2015 erreichen, so muss sie sich auch in dieser Frage mit Reformen auseinander setzen. Deshalb hat die Deutsche Welthungerhilfe vorgeschlagen, einen Sonderfonds zur Unterstützung von Land- und Agrarreformmaßnahmen zu bilden."
Die Bundesregierung ist also gefordert. Da sie durch das BMZ, die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und den Deutschen Entwicklungsdienst im Arbeitskreis Armutsbekämpfung vertreten ist, kann sie dessen Forderungen nun schlecht als unbegründet oder überzogen ablehnen. In ihrer Begrüßungsansprache hielt sich Uschi Eid, die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, mit konkreten Zusagen oder Anregungen jedoch zurück. Immerhin verwies sie auf die Erhöhung des Budgets des Ministeriums für 2001, das "uns auch zusätzlichen finanziellen Spielraum gibt, hier Beiträge zu leisten".
Im Anschluss an die Tagung des Arbeitskreises trafen sich die beteiligten Nichtregierungsorganisationen weitere zwei Tage lang, um ihre Positionen abzustimmen und die Aufgabenverteilung für die nächsten Monate festzulegen. "Alle waren mit der Resolution des Arbeitskreises zufrieden," betonte Peter Lanzet vom EED, "denn auf dieser Basis lässt sich der neoliberalen Politik der Weltbank etwas entgegensetzen". Es bleibe aber zu fragen, an welchen Kriterien die Alternativen sich messen lassen müssten. Es lägen zwar erste Erfahrungen besonders aus den Philippinen vor, doch die allermeisten Fragen seien noch offen. "Bisher haben wir uns außerdem auf den eigentlichen Akt der Landreform konzentriert", gibt Lanzet zu bedenken. "Wir wissen aber, dass es sich um einen Prozess handelt, dessen Erfolg durch die vorangegangene Politik in weiten Teilen mitbestimmt wird. Wie ist die Macht in der Gesellschaft verteilt? Wie kann ein solcher Vorgang tatsächlich transparent und unter Einbeziehung der Betroffenen auf beiden Seiten gestaltet werden?"
Nach Abschluss einer Umverteilung von Land dürften die neuen Landbesitzer nicht einfach sich selbst überlassen bleiben. "Auch hier wird wieder deutlich, dass Entwicklung viele Dimensionen hat", erinnert Lanzet. Die landwirtschaftliche Beratung der neuen Bauern allein reiche nicht. "Mittelfristig geht es darüber hinaus um politische Beteiligungschancen, Bildung und eine Infrastruktur, die das Leben auf dem Land auch in Zukunft lebenswert macht."
aus: der überblick 02/2001, Seite 114
AUTOR(EN):
Uwe Kerkow :
Uwe Kerkow ist freier Journalist in Bonn.