Kirchliche Hospitäler und Gesundheitsposten leisten in Sambia, vor allem auf dem Land, einen großen Teil der Gesundheitsdienste. Entwicklungshilfe erlaubt es, Behandlungen und Medikamente auch den Armen besser zugänglich zu machen. Wenn einzelne Finanzquellen austrocknen, wäre dies aber wieder gefährdet, erklärt Dr. Godfrey Biemba. Er ist Arzt und Geschäftsführer der Churches Health Association of Sambia (CHAS), des Dachverbands protestantischer und katholischer Gesundheitseinrichtungen.
Gespräch mit Godfrey Biemba
Welchen Anteil der Gesundheitsdienste leisten in Sambia die Kirchen?
Sie leisten über 30 Prozent aller Gesundheitsdienste, auf dem Land mehr als die Hälfte. Der Rest wird überwiegend vom Staat bereitgestellt, abgesehen von sehr kleinen privaten Beiträgen etwa von den Bergbaugesellschaften.
Wie ist die Qualität des staatlichen Gesundheitswesens?
Die Regierung hat eine Menge getan, um sie zu verbessern. Es gibt ein System der Qualitätskontrolle, das bisher gut funktioniert. Aber es gibt natürlich eine Menge Probleme. Das größte ist der Mangel an Fachpersonal. Man schätzt, dass etwa drei Viertel der medizinisch Ausgebildeten das Land über kurz oder lang verlassen Richtung Europa, Südafrika oder gar Australien. Besonders groß ist der Fachkräftemangel bei Ärzten und mehr noch beim Pflegepersonal.
Welche Bevölkerungsgruppen haben am wenigsten Zugang zu Gesundheitsdiensten?
Der Zugang ist sowohl geografisch als auch ökonomisch eingeschränkt. Das zweite Problem hat die Regierung dadurch angegangen, dass sie gerade die Nutzungsgebühren für öffentliche Hospitäler abgeschafft hat, und zwar in erster Linie auf dem Land, für Gemeinde-Gesundheitsstationen. Das hat das Problem beseitigt, dass die Ärmsten sich keine Behandlung leisten können. Gleichzeitig ist aber ein neues wirtschaftliches Problem entstanden, genauer gesagt ein doppeltes: Die Regierung muss nun erstens dafür sorgen, dass auch nach dem Wegfall der Nutzergebühren genug Geld für die Finanzierung der Systems da ist. Zweitens ist die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen gestiegen, weil die nun gratis sind und deshalb auch die Armen in die Kliniken kommen.
Sind Gesundheitsdienste der Kirchen ebenfalls teilweise kostenlos?
Ja. Wir haben eine Vereinbarung mit der Regierung, wonach wir deren Leitlinien folgen. Früher haben wir Gebühren erhoben, jetzt haben auch wir wegen ihrer Abschaffung Einbußen.
Kann CHAS den Einnahmeausfall ausgleichen?
Bisher nicht. Die Regierung hat uns Unterstützung aus dem Staatshaushalt versprochen, und auch internationale Partner haben uns mehr Hilfe zugesagt.
Hat die Regierung vor den Reformen des Gesundheitssektors die Kirchen konsultiert?
Ja. Die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und den Kirchen auf dem Gesundheitssektor ist in Sambia sehr eng und gut. Das ist einer der großen Pluspunkte im Vergleich zu einer Reihe anderer afrikanischer Länder. Unsere Vereinbarung mit der Regierung legt fest, dass es die Verantwortung des Staates ist, der Bevölkerung Gesundheitsdienste zugänglich zu machen. Die Kirche, so die Vereinbarung, handelt im Gesundheitssektor autonom und entsprechend ihrer eigenen Vision, aber sie leistet Gesundheitsdienste im öffentlichen Interesse stellvertretend für die Regierung und mit öffentlichem Geld.
Der Staat finanziert die kirchlichen Einrichtungen teilweise?
Genau. Dafür, dass wir öffentliche Dienste leisten, erhalten wir öffentliche Zuschüsse.
Woher bezieht CHAS ihre Medikamente?
Erstens vom staatlichen Gesundheitswesen. Zum Beispiel gibt es Impfstoffe und Tuberkulose-Medikamente nur in nationalen Programmen, zu denen wir Zugang haben. Zweitens haben wir zwei eigene Quellen: CHAS unterhält einen Fonds für Medikamente, die zum Teil lokal, größtenteils aber im Ausland gekauft werden. Wir verkaufen sie mit einem geringen Aufschlag weiter, so dass unsere Kosten gedeckt und der Fortbestand des Fonds gesichert sind. Und wir nehmen für unsere Mitglieder Medikamentenspenden entgegen. Die geben wir gegen Erstattung der Verwaltungskosten an kirchliche Gesundheitseinrichtungen weiter.
Kann das nicht das System für den Verkauf der Medikamente untergraben?
Das ist in der Tat ein Problem, zumal wir zwei Systeme einerseits Spenden, andererseits Kauf und Verkauf in derselben Organisation haben. Beide müssen sich ergänzen. Wir behandeln daher Spenden mit großer Vorsicht. Es muss gesichert sein, dass wir gespendete Medikamente wirklich brauchen. Und wir nehmen sie nur entgegen, wenn wir die betreffende Medizin nicht gleichzeitig verkaufen oder aber wenn wir sie an Institutionen weitergeben wollen, die sie gar nicht bezahlen könnten.
Hat man bereits versucht, eine Medikamenten-Produktion in Sambia aufzubauen?
Die Kirche hat versucht, in kleinem Umfang Infusionslösungen und Augen- und Ohrentropfen herzustellen. Die kann man leicht und dezentral produzieren. Und die Regierung versucht, Medikamente gegen das Aids-Virus im Land herzustellen. Man hat einen Produktionstest gemacht, aber die Medikamente sind noch nicht auf dem Markt. Vermutlich gibt es noch Rechtsprobleme. Es gibt aber in Sambia private Unternehmen sowohl einheimische als auch internationale , die Medikamente herstellen.
Sambia ist ein armes Land und hat zahlreiche Aids-Infizierte, deren Versorgung teuer ist. Wie gehen Sie mit dem Problem um, dass das verfügbare Geld nicht für alle notwendigen Gesundheitsleistungen genügt?
In Sambia gibt es einen sector-wide approach im Gesundheitswesen, das heißt alle Beteiligten die Regierung, die Kirchen und die Geber führen ihre Mittel in einem Korb zusammen. Das Geld wird dann nach einer Formel, die auf der Bevölkerungszahl des Einzugsbereiches beruht, auf alle Distrikte und von dort auf die Hospitäler verteilt.
Das betrifft die geografische Verteilung. Aber geben Sie angesichts der Knappheit der Behandlung bestimmter Krankheiten Vorrang?
Es gibt eine Liste von im Augenblick sechs so genannten Gesundheitsgefahren, deren Bekämpfung finanziert werden muss. Dies sind Tuberkulose, Malaria, Aids, reproduktive Gesundheit, Mangelernährung sowie Wasser- und Hygieneprobleme. Das Geld fließt überwiegend in diese Bereiche, mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf den verschiedenen Ebenen der Gesundheitsdienste.
Ist für die Aids-Behandlung nicht sehr viel Geld nötig?
Aids-Medikamente sind auf dem freien Markt sehr teuer. Aber die Regierung hat beschlossen, die Behandlung mit anti-retroviralen Medikamenten kostenlos anzubieten. Das schließt nicht nur die Medikamente ein, sondern auch den Aids-Test und die fachliche Begleitung.
Aber das Gesundheitswesen muss doch die Medikamente bezahlen. Ist das sehr teuer für die Kirchen oder die Regierung?
Für die Regierung und uns alle ist das Programm sehr teuer. Wir erhalten zur Zeit glücklicherweise Geld dafür vom Globalen Fonds, vom Aids-Programm des US-Präsidenten (PEPFAR) und jetzt auch von der Weltbank. Die sambische Regierung hat auch Geld aus dem Staatshaushalt dafür bereitgestellt. Es wird aber ein Problem sein, das Programm langfristig aufrecht zu erhalten, wenn eine Finanzquelle wegfällt.
Sollte man das knappe Geld besser in Programme stecken, die pro Kopf weniger kosten?
Das würde ich so nicht sagen. Wir müssen natürlich zu einem Gleichgewicht finden. Aber HIV-Infektionen fördern den Ausbruch von Tuberkulose und auch von Malaria. Das heißt teure Programme gegen Aids sind indirekt auch Schritte gegen TB und Malaria. Gleichzeitig dürfen wir allerdings andere wichtige Gesundheitsgefahren nicht vergessen. Zum Beispiel wird leicht das Thema reproduktive Gesundheit vernachlässigt nicht nur in Sambia, sondern generell in der internationalen Gemeinschaft. In Sambia sterben pro 100.000 Geburten über 700 Mütter. Das sind sehr viele, und vor sechs Jahren waren es weniger, etwa 650. Die Zahlen steigen, weil wir das Problem nicht mehr ernst genug nehmen und nicht genug Geld dafür verwendet haben.
Gäbe es eine Alternative zur Behandlung von HIV-Infizierten mit den teuren anti-retroviralen Medikamenten?
Nein. Aber man kann durch vernünftige Ernährung den Zeitpunkt hinauszögern, an dem ein Patient diese Medikamente benötigt. Dem müssen wir wieder mehr Aufmerksamkeit widmen. Eine HIV-Infektion ist ja noch keine Krankheit. Man kann damit noch eine ganze Weile leben, wenn die Ernährung gut ist. Wenn man das sicherstellt, verringert man die Zahl der Menschen, die anti-retrovirale Medikamente einnehmen müssen.
Aus welchen Quellen finanziert sich CHAS?
Wir erheben Mitgliedsbeiträge und nehmen aus manchen Tätigkeiten auch etwas Geld ein. Aber der größte Teil sind Zuschüsse von internationalen Gebern, darunter dem Globalen Fonds und verschiedene kirchliche und staatliche Geber aus Europa. Eins unserer Aids-Programme wird zum Teil von der EU finanziert.
Sind unterschiedliche Anforderungen von verschiedenen Gebern ein Problem für Sie?
Oh ja, die so genannte Harmonisierung der verschiedenen Geber ist ein großes Problem für uns. Wir haben gerade mit den Gebern diskutiert, ob wir nicht eine Vereinbarung schließen können, die Mittel in einen Korb zu zahlen und einheitliche Verfahren für das Berichtswesen, die Projektüberwachung und die Evaluierungen vorzusehen. Die Vereinbarung ist fertig, muss aber noch unterzeichnet werden. Drei Geber haben zugestimmt.
CHAS ist ein Mitglied des EPN. Worin liegt für Sie der Wert dieses ökumenischen Pharma- Netzwerks?
Für mich liegt der erste und größte Wert im Austausch von Informationen und Kenntnissen innerhalb des Netzwerks. Dass Mitglieder einer Organisation eine andere besuchen und durch Mitarbeit dort lernen können, ist für mich ein sehr wichtiger Teil des EPN. Einige haben auf diese Weise zum Beispiel gelernt, Medikamente selbst herzustellen. Der Aufbau von Fähigkeiten bei den Beteiligten ist der zweite Gewinn. Der dritte, der sich aus den ersten beiden ergibt, ist größerer Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten.
Wie wichtig ist für Sie die Anwaltschafts-Rolle des EPN?
Sie ist wichtig und muss gestärkt werden. Und damit meine ich nicht, das Sekretariat soll mehr tun, sondern wir als Mitglieder müssen uns mehr engagieren. Wir müssen vor allem den Informationsfluss unter uns verbessern. Eine entscheidende Voraussetzung für Anwaltschafts-Arbeit sind Informationen.
Welches sind auf internationaler Ebene die wichtigsten Themen und Adressaten dieser Anwaltschaft?
International sind für uns die hohen Preise der anti-retroviralen Medikamente und die Standards für Medikamentenspenden besonders wichtig. Hier sind internationale Pharma-Unternehmen die ersten Adressaten.
aus: der überblick 03/2006, Seite 96
AUTOR(EN):
Die Fragen stellte Bernd Ludermann.