Korruption als Zweierbeziehung
Beliebt sind Beispiele aus Staaten des Südens oder Ostens, wenn es darum geht, Korruptionsfälle zu schildern. Der Norden sei aber an der Korruption im Süden in hohem Maße beteiligt, argumentiert die Korruptionsforscherin und Autorin Susan Hawley.
von Susan Hawley, zusammengefasst von Jürgen Duenbostel
Die größten Verluste aus Korruption entstünden den Staaten des Südens dadurch, dass Firmen aus dem Norden Partner oder Staatsbedienstete im Süden bestechen, und dass Banken im Norden Schmiergelder und Gewinne aus dem Diebstahl von Staatseigentum im Süden gerne annehmen und Geldwäsche-Dienstleistung für die Anleger erbringen.
Es gebe "eine direkte Komplizenschaft seitens Einzelpersonen oder Institutionen aus dem Norden bei der Korruption in Entwicklungsländern", betonte Susan Hawley in einer Präsentation für den Afrikaausschuss des britischen Parlaments im November 2005. Weil es im Norden doppelte Standards hinsichtlich der Korruption und Geldwäsche gebe, sei es schwieriger, Hilfsprogramme für den Süden mit Anti- Korruptions-Auflagen zu versehen und ihn zu drängen, auf seiner Seite Korruptionspraktiken zu beseitigen.
Unternehmen aus westlichen Industrieländern berücksichtigten in ihrer Kalkulation Schmiergelder in Höhe von bis zu einem Prozent ihres Umsatzes. Für die Länder des Südens habe das überhöhte Kosten in Verträgen zur Folge und Ausgaben für Projekte, die für einen großen Teil der Bevölkerung von geringer Bedeutung seien. Die andere Seite der Medaille ist, wenn Banken im Norden davon profitieren, dass Kunden aus dem Süden bei ihnen Schmiergelder und unterschlagene Staatseinnahmen anlegen. Eine Studie aus dem Jahr 2002 für die Generalversammlung der Vereinten Nationen (Global Study on the transfer of funds of illicit origin, especially funds derived from acts of corruption) schätzte, dass zu jenem Zeitpunkt rund 400 Milliarden US-Dollar an Schwarzgeld aus Afrika in ausländischen Banken deponiert waren.
Die Exportförderung der Staaten des Nordens trägt nach Hawley mit zur Korruption bei, indem Handelsministerien beispielsweise empfehlen, Geschäfte über Mittelsmänner anzubahnen. Wenn diese dann die üblichen Gepflogenheiten erledigen, braucht sich der Exporteur selbst seine Finger nicht schmutzig zu machen. Die Provision für den Mittelsmann ist dann ganz legal. Besonders beim Rüstungsexport seien solche "Kommissionen" den exportierenden Regierungen wohl bekannt. Auch wo über staatliche Agenturen Exportgeschäfte versichert werden, seien bei Unterzeichnung der Verträge über Bürgschaften solche Provisionszahlungen bekannt.
Noch vor einigen Jahren waren Schmiergeldzahlungen an Staatsbedienstete im Ausland ohnehin in keinem der Staaten des Nordens mit Ausnahme der USA illegal. Bestechungszahlungen wurden als normale Geschäftspraktik im Auslandsgeschäft angesehen und konnten als steuermindernde Ausgaben in der Steuererklärung offiziell angegeben werden.
Während der siebziger Jahre gab es in vielen Staaten des Nordens noch Devisenkontrollen. Folglich wurden auch Bestechungszahlungen von Unternehmen auf Bankkonten im Ausland staatlich genehmigt. In einem zuvor geheimen Dokument der britischen Regierung vom April 1976 (Memorandum des britischen Handelsministeriums über Special Commissions and Allied Payments), das unlängst freigegeben wurde, werden solche der Regierung bekannten Zahlen diskutiert und man kommt zu dem Schluss, dass Großbritannien es sich nicht leisten könne, Geschäfte in Übersee zu verlieren, indem es "heiligere" Grundsätze anwende als andere Industriestaaten. Diese Haltung zu Geschäften mit Staaten des Südens, so Hawley, sei auch in den folgenden Jahren vorherrschend gewesen. Bis in die späten neunziger Jahre hätten Offizielle des US-Handelsministeriums Unternehmern Ratschläge gegeben, wie sie etwa bei Geschäften in Indonesien das amerikanische Antikorruptionsgesetz Foreign Corrupt Practices Act umgehen könnten, vor allem, indem sie Kontrakte über Mittelsmänner abwickelten. "Die Komplizenschaft", sagt Hawley, "reichte von direkter Kenntnis und Authorisierung (die seltener geworden sind) zu der mehr verbreiteten Haltung 'frage nicht nach, dann musst Du auch nicht lügen'." So habe beispielsweise das britische Amt für Exportkredit-Bürgschaften das Lesotho-Hochland-Wasser-Projekt noch unterstützt, als längst Korruptionsvorwürfe bekannt waren.
In den letzten Jahren haben jedoch alle Staaten der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) Gesetze verabschiedet, welche die Bestechung ausländischer Staatsvertreter verbieten. Aber, so Hawley, es werde nicht ernsthaft für die Einhaltung dieser Gesetze gesorgt. Es habe nur eine handvoll Untersuchungen in Korruptionsfällen gegeben und kaum eine Bank sei wegen Geldwäsche angeklagt worden, obwohl allein US-amerikanische Banken schätzungsweise 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr wüschen. Die Regierungen im Norden gäben der Bekämpfung von Drogenhandel und Terrorismus Vorrang; die Beschlagnahme von aus Korruption stammendem Schwarzgeld aus dem Süden stehe nicht hoch auf der Tagesordnung. So werde es beispielsweise in Großbritannien immer noch gerne gesehen, wenn russische Oligarchen ihr Geld in London anlegten.
aus: der überblick 02/2006, Seite 62
AUTOR(EN):
Susan Hawley
Susan Hawley
arbeitet für die britische nichtstaatliche
Organisation (NGO) Corner House .