Global Player und Troublemaker
26 Vertreterinnen und Vertreter kirchlicher und säkularer Organisationen aus 22 Ländern kamen vom 14.-17. Mai zum Diskurs über "Vision und Mission des EED" in Bonn zusammen. Der neu gegründete Evangelische Entwicklungsdienst wollte die Chance einer Positionsbestimmung nicht auf den innerdeutschen Dialog begrenzen und lud deshalb zu einer internationalen Partnerkonsultation ein.
von Ilonka Boltze
Vertreten waren Kirchen und ökumenischen Einrichtungen wie die Christliche Konferenz von Asien, der Ökumenische Rat der Kirchen und die Pazifische Theologische Hochschule in Fidschi, ebenso ein breites Spektrum sozialer Bewegungen und lokaler Beratungseinrichtungen. Dazu gehörten unter anderem das philippinische Zentrum zur Betreuung misshandelter Kinder, die nigerianische Bauernvereinigung für Entwicklung und das Mazedonische Zentrum für internationale Zusammenarbeit in Skopje. Die internationalen Gäste debattierten gemeinsam mit EED-Verantwortlichen Schlüsselfragen zu Anspruch und Wirklichkeit im Nord-Süd-Dialog und fragten nach möglichen Veränderungen: Welche Konsequenzen wird die Gründung des EED für die Zusammenarbeit mit Programmen haben? Wird sich das Förderspektrum verändern? Wird der EED als Entwicklungswerk der Kirchen auch in Zukunft noch politisch Stellung beziehen?
Die letztgenannte Frage thematisierte der Vorstandsvorsitzende des EED, Konrad von Bonin, in seiner Eröffnungsrede. Die früher in der Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst verbundenen Organisationen hätten mit ihrer Arbeit eine klare Position gegen das damalige Apartheidregime in Südafrika bezogen, der EED hat dies unlängst im Blick auf die korrupte Regierung des peruanischen Ex-Präsidenten Fujimori getan. Ebenso unterstützt der EED heute Menschenrechtsorganisationen in Simbabwe, die sich für den Aufbau eines demokratischen Rechtssystems einsetzten. Als globale Akteure müssten sich die Kirchen und damit auch der EED jedoch die Frage stellen lassen, mit welcher Legitimation sie oppositionelle Strömungen in demokratisch gewählten Regierungssystemen unterstützten.
Ein klares Votum zur politischen Arbeit des EED wurde in den Diskussionen im Plenum deutlich, so von Nyansako Ni-Nku von der Presbyterianischen Kirche in Kamerun. Die Kirchen seien eine wichtige Schnittstelle zwischen internationaler Solidarität und lokalen Basisorganisationen und ein anerkannter Verhandlungspartner der Regierungen. Um Partei zu ergreifen und zu den politischen Entwicklungen in den Ländern Stellung zu beziehen, sollte der EED den Kontakt mit den Kirchen vor Ort intensivieren und seine Position an christlichen Grundwerten wie Gerechtigkeit und Menschenwürde orientieren.
Zustimmung dafür kam auch von Mitgliedern des Aufsichtsrats des EED. Joachim Wietzke verwies auf eine Aussage Ulrich Becks, der die Kirchen als global player bezeichnete, die sich im Vergleich mit anderen zentralen gesellschaftlichen Akteuren wie Regierungen, Gewerkschaften und Verbänden nicht auf den nationalen Rahmen beschränkten, sondern auch im lokalen Raum verankert seien und über ein gewachsenes Netz von Beziehungen verfügten. Wietzke nannte es eine Herausforderung, Raum für eine alternative Globalisierung mit einem eigenen Wertesystem zu schaffen und das traditionelle Geber-Nehmer-Verhältnis zu überwinden.
Als Schlüssel zu mehr Partizipation und zur Überwindung des bisherigen Rollenverhaltens betrachtete Eida Esmeralda Arce Arias aus Costa Rica die neuen Informationstechnologien: "Mit dem Internet könnten virtuelle Konferenzen zu aktuellen Themen stattfinden, die Programmpartner als Fachleute mit regionaler Detailkenntnis viel stärker einbeziehen." Arias forderte mehr Information und Transparenz als Grundlage für Partizipation — und eine bewusstere Zusammenarbeit des EED mit den sozialen Bewegungen in den Regionen.
Bischof Chandu Lal aus Indien regte an, gewachsene Netzwerke wie den ÖRK oder die regionalen Kirchenräte in Zukunft noch stärker als Berater heranzuziehen und in Intervallen gemeinsam mit Programmpartnern über das Förderprofil des EED zu debattieren. Er warnte allerdings davor, an die Kirchen vor Ort große Fonds für Entwicklungsprojekte zu übertragen. Viele Kirchen seien der Aufgabe nicht gewachsen und würden dadurch in Machtkämpfe verwickelt, die ihrer gesellschaftlichen Funktion schaden würden.
Die Suche nach Definitionen von eingeschliffenen, nahezu selbstverständlich gewordenen Begriffen wie "Partizipation", "Zusammenarbeit" und "Transparenz" führte zuweilen auch bei den internationalen Gästen zum Eingeständnis, dass das Interesse des Südens an den Problemen des Nordens begrenzt ist und der Blickwinkel gen Süden zuweilen den Dialog einseitig prägt. Für den Begriff "Entwicklung" forderten sie eine zeitgemäße Revision, weg vom Ziel der Verbesserung sozioökonomischer Kennziffern hin zu einem Verständnis von dauerhafter Verbesserung der Lebensumstände — Entwicklung also, die mit dem Begriff der Nachhaltigkeit verbunden ist.
Ein auch für die Programmpartner entscheidendes Ergebnis des Treffens war die Zusicherung, das breite EED-Förderprofil von Kirchen, christlichen Einrichtungen und sozialen Bewegungen nicht zu verengen. Der EED werde nicht durch die institutionelle Förderung der Kirchen in Konkurrenz treten zum Programm "Kirchen helfen Kirchen" des Diakonischen Werkes oder zu den Missionswerken, so Vertreter des EED.
Am Ende der Konsultation war man dem Ziel ein wenig näher gekommen, im Dialog mit Fachleuten aus den Regionen das Profil des EED in den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen zu schärfen und einen Weg zu ebnen, wie die Arbeit des kirchlichen Entwicklungsdienstes verständlicher und transparenter, aber auch partizipativer gemacht werden kann. Der EED könnte zusammen mit seinen Partnerorganisationen, so Konrad von Bonin, vielleicht ein network of responsible troublemakers schaffen.
aus: der überblick 02/2001, Seite 110
AUTOR(EN):
Ilonka Boltze:
Ilonka Boltze ist Pressesprecherin des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED).